Andreas Marckwardt – „Mariannes Tränen“
Einmal ein Werk von einem Autor, der mir vorher völlig unbekannt war. Kein Wunder, ich lese Bücher fast nur in Hardcopy, und zumindest auf Amazon bekommt man seine Werke nur für Kindle. Aber manchmal gibt es eben doch Überschneidungen. Es ist auf jeden Fall eine Perle, die ich nur wärmstens empfehlen kann – aber sehen wir selbst:
Zuerst zur Handlung. Marianne, die Besitzerin eines gutbürgerlichen Hotels in Niederösterreich, wird von Svenja, der Mutter ihres Schwiegersohns, mit eindeutigen Filmaufnahmen und finanzstrafrechtlich gefährlichen Buchungsunterlagen erpresst. Svenja will sie demütigen und bestrafen, da Mariannes Mann – wie sie glaubt – Svenjas Mann bei einem Autounfall mit in den Tod gerissen hat. Doch schon bei der ersten Auspeitschung, die die unerfahrene Svenja an Marianne vornimmt, mischt sich ein zufällig (?) hinzugekommener Hotelgast hinzu: Rudolf, der Marianne heimlich verspricht, ihr beizustehen, soweit es in seiner Lage ist. Allerdings bliebe ihr nicht erspart, erst einmal alles durchzustehen, was Svenja mit ihr vorhat, bevor er dem bösen Spiel ein Ende setzen kann. Und sie müsse auch Erniedrigungen, Schläge und sexuelle Benutzung nicht nur durch Svenja, sondern auch durch ihn in Kauf nehmen. Dafür gibt er ihr nach den schlimmen Sessions nicht nur wichtige Aftercare, sondern bemüht sich auch, die Hintergründe der Erpressung aufzuklären und an das belastende Material zu kommen. Allerdings ist auch Svenja nicht alleine, sondern hat mächtige Helfer und Hintermänner. Es gelingt ihr sogar, Mariannes Tochter Kathrin, ihre Schwiegertochter, in ihre Fäden zu verwickeln und zu erpressen, bevor Rudolf seinen Plan umsetzen und die beiden Frauen befreien kann. Es kommt zum erwarteten Happy End – fast. Das war arschknapp.
An diesem Buch fällt vor allem auf, dass nicht einvernehmliche BDSM-Spiele im Vordergrund stehen, sondern die erpressten Sessions, unter denen Marianne und dann auch Kathrin einfach nur zu leiden haben. Es gibt da keinen Genuss für sie, nur körperliche und seelische Leiden. Nur auf Grund ihrer Männer – Marianne in einer aufkommenden Verliebtheit und Beziehung zu Rudolf, Kathrin zu ihrem Mann Konrad – stehen sie die Foltern ohne bleibende Schäden durch. Die Gefahr, enteignet und zu dauernden Sexsklavinnen in ihrem ehemaligen eigenen Hotel degradiert zu werden, ist durchaus gegeben. Es beginnt bereits, dass ihre Erpresserin Svenja sie an zahlende Männer für Sex und SM-Spiele verkauft. Fans von NonCon BDSM und Erpressungsliteratur kommen hier durchaus auf ihre Kosten (ähnlich wie in den „Firmenhure“-Büchern von Robin Nightingale), Sexszenen werden praktisch ausschließlich im Kontext der Vergewaltigung geschildert. Nichts für zarte Nerven.
Andererseits wird dem als Gegenmodell durchaus einvernehmliches BDSM in einer liebevollen Beziehung gegenübergestellt. Rudolf hat Erfahrung damit, und es wird angedeutet, dass er mit Marianne bereits wieder eine solche beginnt. Und auch Konrad und Kathrin finden in ihrer BDSM-Ehe Halt und können nach den bösen Erlebnissen damit weitermachen. Aber darüber gibt es keine expliziten Erzählungen.
Spannend auch die Nebenfigur des Walter, der sich aus devoter Liebe zum Oberbösewicht Gunther (und aus Frauenhass) selber missbrauchen lässt, im mehrfachen Sinn, sowohl sexuell als auch als Werkzeug.
Und, wie schon gesagt: im Gegensatz zu vielen anderen Dark Romance Romanen gibt es kein eindeutiges Happy End. Die beiden Paare überstehen zwar ihre Prüfungen soweit ganz gut und finden (neu) zueinander. Die Hintermänner müssen zwar teuer bezahlen, bleiben aber auf freiem Fuß, und können anderswo ihr Spiel weitertreiben. Svenja, die große Gegenspielerin, muss sich mit ihrer Bestrafung ein neues, viel bescheideneres Leben aufbauen, und ausgerechnet sie trägt am meisten psychische Verletzungen davon. Auch sie ist nicht nur Täterin, sondern zum Teil auch Opfer, und ihr wird weder Verzeihung, noch Mitleid zuteil, ihr eigener Sohn bricht sogar völlig mit ihr. Zum Schluss bleibt sie als Verliererin übrig, wenn auch selbstverständlich verdient.