Wer mich kennt, der weiß, dass ich dem Grunde nach bei Themen wie z.B. über den berühmt-berüchtigten Konsens nicht einfach irgendwas hinkritzle, nur um meinen Senf dazuzugeben. Insbesondere im BDSM-Kontext gelingt es mir jedoch auch nicht, nur lapidar etwas zu äußern, insbesondere deshalb, weil aus meiner Sicht der Konsens die Basis aller Beziehungen ausmacht.
Ursprünglich hat der Begriff Konsens im Großen und Ganzen über die BDSM-Kreise Einzug ins Thema Sexualität gehalten. Zumindest habe ich dies in den letzten 3 Jahrzehnten immer so empfunden. Er gilt dort zusammen mit den Begriffen «sicher und vernünftig» als Grundmoral fürs Ausleben eben dieser so vielfältigen und wundervollen Praktiken.
Der Grund dafür liegt nahe: Viele Praktiken enthalten ein gewisses Risiko für die Gesundheit und befinden sich deshalb nahe an strafrechtlichen Tatbeständen. Das Prinzip «safe, sane and consensual» gibt eben den moralischen Rahmen für die gemeinsame Ausübung diverser Praktiken, indem der Dialog über das gemeinsame Verständnis inhärent gefordert wird. So mein persönliches Verständnis, welche sich auch nach über 30 Jahren nicht wirklich in ihren Grundfesten verändert hat.
Dazu gehören das Besprechen der roten Linien der involvierten Personen, sowie beispielsweise auch die Festlegung von Safewords, also nicht sexuelle Wörter oder Gesten, die unter anderem zum Abbruch der sexuellen Handlung verwendet werden.
Aber, wer ein wenig die Augen offen hält und sich intensiver mit der Thematik Fremd- und Selbstwahrnehmung beschäftigt, wird festgestellt haben, dass seit einigen Jahren, insbesondere das Konzept von Konsens – also Einwilligung oder Zustimmung – auch außerhalb des BDSM Einzug hält. Auch das habe ich schon immer so empfunden.
Für mich ergab und ergibt das schon immer Sinn, wenn man bedenkt, dass die Emanzipation der Frauen unter anderem zur Subjektifizierung der Frau im Bett geführt hat und diese Frage des Konsenses so überhaupt notwendig gemacht hat. Allein beim Gedanken, dass es in der Schweiz so bis 1992 Vergewaltigung in der Ehe nicht möglich beziehungsweise nicht strafbar war, schauderts mir.
Das Prinzip des Konsenses sollte daher, aber auch aus anderen Gründen selbstverständlich sein. Okay, wie immer gilt dies nur für mich. Wir lernen bereits als Kind den Grundsatz «Nein heißt nein». Mir wurde beigebracht, dass ich jederzeit nein sagen darf und andere Menschen das zu respektieren haben. Leider erfuhr ich aber schnell, dass letzteres keineswegs der Fall war. Das ein Nein nicht immer als Nein verstanden wird.
Gerade als Teenie(und ich war gewiss genau das absolute Gegenteil von „tollem Kind“, durchlebt man Situationen, in denen man dermaßen überfordert ist mit der Situation, dass man sich im Nachhinein nicht ganz sicher ist, ob das okay war. Und in meiner eigenen Jugend gab es täglich genau diese Situationen. Diese Zeit dient dazu, ein erstes Mal herauszufinden, was man will und wo die eigenen Grenzen liegen.
Das heißt aber nicht, dass die Selbstfindung dann abgeschlossen ist. Im Gegenteil, sie fängt meistens erst dann an. Bei jeder Person, der man begegnet, wieder dasselbe: Herausfinden, was man will, Grenzen setzen, revidieren.
Das Problem aus meiner Sicht dabei ist, dass je nach Situation und Gefühlslage die eigenen Grenzen auch schnell verschiebbar sind. Das erschwert für viele Menschen das Nein-Sagen beziehungsweise das Nein-Verstehen. Ein Nein ist manchmal ein absolutes, manchmal aber auch nur ein vorläufiges oder momentanes.
Aus letzterem ergeben sich die Situationen, dass ein Nein nicht immer als Nein verstanden wird; dass Menschen das als Anlass nehmen, Druck auszuüben, um ihren Willen zu bekommen. Und das ist so überhaupt nicht meine eigene Intention von Konsens.
Sobald ich mich daher auf diese Diskussion einlassen muss, ziehe ich sehr schnell meine Grenzen und breche manchmal auch das Ganze ab. Das funktioniert für mich besonders bei neu kennengelernten Personen ziemlich gut. Bei Menschen, die ich allerdings gut finde oder sich ein Kennenlernen so positiv entwickelt, wird ein Nein gewiss nicht schwieriger, jedoch manchmal je nach Situation und vor allem je nach Thematik etwas wohlwollender.
Dieses sozialisierte «Gefallen-Wollen» so meine Erfahrungen, macht meinen Überzeugungen manchmal einen Strich durch die Rechnung. Dasselbe erlebe ich in Beziehungen: hier entstehen schnell Ansprüche auf gewisse Praktiken oder es wird erwartet, dass das nun zum Standardrepertoire gehört. Aber das sollte es eben nicht.
Kommen wir wieder zurück zum Konsens. Die Mehrheit versteht darunter, dass man halt nein sagen muss, wenn man etwas nicht will.
Soweit so gut, aber diese Logik impliziert eine Abwehr und muss deshalb von dem Menschen initiiert werden, der nicht will.
Der Umkehrschluss legt daher nahe, dass der Standard oder die Norm also das Ja ist. Viele gehen in diesem Verständnis davon aus, dass alle Menschen grundsätzlich einmal alles mitmachen. Das kann ja nicht stimmen, oder?
Seit einiger Zeit wende ich daher lieber den Grundsatz «Ja heißt ja» an: Ich hole aktiv Zustimmung ein und wartet nicht passiv auf die Ablehnung. Das führt aus eigener Erfahrung erstens zu besserer Kommunikation während des Spiels / Sex und zweitens definitiv auch zu besserem und abwechslungsreicherem Sex.
Die einfache Frage «Gefällt dir das?» oder auch schon «Was willst du, das ich mit dir mache?» lässt das Gegenüber vieles über die Bedürfnisse, Fantasien und Wünsche der anderen Person erfahren. Dieses Zustimmungsprinzip besteht also nicht aus einer stimmungskillenden Aneinanderkettung von «Darf ich das?» oder gar der Unterzeichnung eines Vertrags (wie gewisse Kreise schlussfolgern), sondern sollte als Dialog während des Akts verstanden werden. So führt es zu konsensuellem, aktivem Sex vonseiten aller involvierten Menschen auf Augenhöhe (und verhindert meistens sogenannte Seesterne, also Menschen, die während dem Sex nur still daliegen und sich nicht bewegen).
Das Ja-Prinzip verbessert aber für mich nicht nur mein Sexleben, sondern lässt mich grundsätzlicher über das, was ich will, nachdenken. Das ist anstrengend, führt aber auch dazu, dass ich besser für mein deutliches «Nein» einstehen kann. Und: Ich verstehe auch das «Nein» von meinem Gegenüber besser und hinterfrage es weniger. Und das ist meines Erachtens sehr viel wert.
Das war es schon..und wie immer, nur meine Meinung.