Von Päpsten und Gegenpäpsten
Es ist immer so leicht gesagt, ich mache nur das was ich für richtig halte, ich halte mich nicht an irgendwelche Regeln (Regeln = Erfahrungen), die gelten nur für andere, ich bin anders, anders als die Anderen. Wozu Regeln/Erfahrungen, wozu Techniken, wozu überhaupt etwas? Wir sind BDSM, und BDSM ist sowas von individuell, da kann man doch machen was man will.
Jein.
Um etwas in Frage zu stellen, um etwas anders zu machen, muss ich mir die Grundlage verschaffen, es zu verstehen, es erlernen, um daraus für mich abzuleiten, ist es etwas was mich weiterbringt, oder gibt es Ansätze die ich adaptieren kann, oder verwerfe ich das Ganze, weil es gar nicht mein Thema ist, oder ich die gelebten Praktiken nicht als umsetzbar für mich ansehe?
Ich unterstelle mal, dass die meisten hier, sich mit der Materie "ihres" BDSM auseinandergesetzt haben. Sich umgeschaut haben, sich inspirieren ließen, Fragen gestellt haben, sich entwickelt haben.
Persönlich arbeite ich mich immer sehr in ein Thema ein. Sein es die Nadeln, das Verständnis der Flagellation, warum will sich überhaupt jemand "schlagen" lassen. Psyche und Physis eines Menschen. Shibari und was es sonst noch so an bunten Dingen gibt. Ich habe zig Workshops besucht, mich mit den Besten der Szene unterhalten, jedenfalls was ich unter den Besten verstehe. Dabei viele Meinungen erfahren, unterschiedlichster Art und Weise zu einem Thema, dass war fast immer so. Schau dir etwas an, Frage 2 Leute, und du bekommst 3 Sichtweisen dazu…
Ich gebe selber Workshops zum Thema Nadeln, und ganz klar, ich sage wie es ist, ich zeige einen Weg der bietet viel Sicherheit, sowohl für Dom, als auch für Sub. Was ihr daraus macht, ist eure Sache.
Wir Aktiven haben eine große Verantwortung, und der gilt es gerecht zu werden. Klar, kann ich einen TK3 weglassen, und hänge Sub am kleinen Zeh an der Decke auf (Achtung! Der Schreiberling hier stellt eine Situation überspitzt dar), geht bestimmt auch, weil ich die Dogmen der Alteingesessenen ablehne, und es so oder so besser weiß. Aber ob ich dann im Rahmen des Schutzes meiner Bunnys handele, das ist ein ganz anderes Thema.
Ich kann auch gerne mal einen Schaschlik-Spieß durch die Brust stechen, weil ich mir denke, Wow, geil was ich mir so zutraue. Aber dass man vielleicht die Arterie, oder einen ihrer Zweige in der Brust dabei erwischt, oder aber eine Vernarbung im Brustgewebe erschafft, die Jahre später bei einer Tomographie als Krebs erstmal diagnostiziert wird, kann man ja billigend in Kauf nehmen.
Bei aller Individualität, man ist nie zu Alt, zu Schlau, zu Weise um sich zu bilden, zu entwickeln, sich Weiterzubilden.
Ich habe meine Schlagtechnik vor einigen Jahren in Frage gestellt. Mir ging es darum mich zu verbessern, neue Ansätze zu finden, zu hinterfragen warum ist das so, und was treibt Menschen an sich schlagen zu lassen. Ich fühlte mich immer ganz gut, so als aktiver Flagellant, der weiß was er tut. Habe mir in den Anfängen abgeschaut was andere so machen, und das für mich umgesetzt, meinen eigenen Stil entwickelt. Was auch so weit so gut war. Aber irgendwann merkt man, da geht noch was, oder fehlt da noch was? Erreiche ich tatsächlich all das was ich mir Wünsche, bekommt mein Gegenüber das was er sich auch wünscht? Ich bin der Meinung gewesen, nein und meine Partnerin hat mich dabei sehr unterstützt. Also habe ich angefangen mich darüber zu unterhalten, habe nachgehackt, und bin irgendwann zu dem Schluss gekommen, frag doch mal die große BDSM-Community (nicht hier), ob die nicht vielleicht weiterführende Bücher kennen, welche sich mit dem Thema befassen. Gerade die psychologische Komponente hat mich interessiert, aber auch besondere Schlagtechniken, um jemanden schnell in den „Space“ zu bringen. Gesagt, getan! Reaktion? Shitstorm! Was ich denn einer bin, der sowas nachfragt. Man schlägt so lange auf Sub ein bis die es gut findet. Immer drauf, dann passt das schon. Das kam nicht nur von den selbsternannten Doms, sondern auch von den Subs. Eine sehr ernüchternde Feststellung die ich machen musste. Die Akzeptanz, dass andere gegen das Dogma des "Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt" handeln, dass man sich weiterentwickeln will, auf eine klassische Art und Weise fortbildet, wurde nicht anerkannt, wurde von den meisten vehement abgelehnt.
Auch das ist ein Dogma: „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt!“
Ich lasse euch handeln wie ihr es für richtig haltet, aber genauso erwarte ich, dass man meinen Weg auch akzeptiert/toleriert. Wer meint, das Rad muss er für sich komplett neu erfinden, jenseits des Erprobten, der darf und soll das machen. Es findet sich immer jemand, der das mit sich machen lassen wird. Aber, und auch das ist nur meine eigene Erfahrung, und auch nur meine eigene kleine Meinung dazu, dass sollte man machen, wenn man die Materie verstanden hat, und weiß was man tut. Nein, ich rede jetzt nicht mal vom bisschen Popoklatschen. Wobei da kann man auch schon genug falsch machen…
Man nimmt sich aus dem gesehenen, erlernten, erfahrenen das heraus, was einem am besten passt. Daraus entwickelt man seinen BDSM, der auch zu einer Person passt, und auch den ein oder anderen anspricht. Daher, es gibt ihn nicht, den einen, den wahren BDSM. Die Normierungsstelle für BDSM in der EU wurde auch noch nicht eingeführt, und wird es wohl auch nie werden.
"Der, die, das
Wer, wie, was
Wieso weshalb warum?
Wer nicht fragt bleibt dumm.
1000 Tolle Sachen die gibt es überall zu sehen
Manchmal muss man fragen um sie zu verstehen."
Wer sich daran nicht erinnern sollte, es ist das Motto der Sesamstraße
Ach und by the Way, die BDSM Bibel gibt es bereits, kann man bei dem großen Internetbuchhändler finden... der, bei dem man auch Strapsgürtel, Umschnalldildos usw. kaufen kann.