"Aber Antje," sagte Matze, "was kann ich denn dafür, wenn ich einen Steifen krieg?"
"Also, während dem Empfangen oder Geben?", warf Lukas ein.
"Spielt denn das eine Rolle?", fragte Matze.
"Na, und ob", meine Matze, "es geht ja grade um die Absichtslosigkeit!"
"Beim Empfangen oder Geben?", warf Lukas ein.
"Was ist denn das für eine doofe Frage! Das ist doch völlig klar, beim Empfangen, nein, ich meine: Geben", fauchte Antje. Sie ärgerte sich heute wirklich sehr über ihren Freund Matze, der sich dümmer stellte, als er eigentlich war. Ob er damit vielleicht irgendwie bei Veronika punkten wollte?
"Also ich finde die Frage gar net so klar." Murmelte Veronika, und nahm einen Schluck aus ihrer Bierflasche. Sie hatte offenbar schon ganz schön einen sitzen. Wie Matze und Lukas ja auch. Nur Antje war noch nüchtern, sie trank aus Prinzip keinen Alkohol, warum genau, wusste sie selbst auch nicht so, aber es hatte etwas damit zu tun, was sie in einem Buch von Osho gelesen hatte. Also nicht von Osho direkt, aber von einem seiner Schüler, irgendeiner Lalita-soundso, die behauptet hatte, Alkohol würde die Schwingung zerstören, oder sowas in der Art. Und Zerstören, das mochte Antje nicht so gerne, das hatte sie schon als Kind nicht so gerne gemocht, wenn die anderen Kinder ihre Sandburg zerstörten, die sie im Sandkasten zwischen zwei grauen Betonriesen, wo sie mit ihren Eltern damals wohnte, aufgebaut hatte.
"...man das vorher abgemacht hat?", fragte Matze in die Runde. Antje musste sich anstrengen, den zugegebenermassen aufgrund des fortgeschrittenen Alkoholkonsums nicht immer ganz stringenten Diskussionsfaden nicht zu verlieren.
"Jo, dann isses wohl okee. Denk ich.", meinte Lukas.
"Ich kann det ja gar net so genau trennen. Denk icke mal. Glaub icke. Ja, so klar trennen kann icke das net.", wendete Veronika in ihrer einzigartig charmanten Dialektmischung ein.
"Was trennen?" Antje blieb misstrauisch. Veronika machte das vermutlich absichtlich, das mit dem Dialekt. Wenn sie mit lauter Frauen zusammen war, dann redete sie nämlich anders. Auch wenn sie Veronika mochte, so ganz trauen konnte sie der nicht. Jedenfalls nicht, nach was zwischen Weihnachten und Neujahr zwischen ihr und Matze vorgefallen war. Auch bei offener Liebe blieb Matze immer noch ihr Hauptpartner, das hatten sie ganz klar vorher abgemacht gehabt. Aber im eigenen Bett, nein, das war dann doch einfach zu viel gewesen.
"Aber wenn ich komme?" Das war wieder Matze. Es war für Antje wirklich schwierig, dem Gespräch zu folgen. Vielleicht sollte sie doch auch einen Tequila... Die einzige zu bleiben, die nichts getrunken hatte, wurde langsam etwas einsam.
"Wie, kommen? Man kommt doch nicht einfach so!" Das war Lukas.
"Sagt mal, wie, was kommen. Ab-sichts-los-ig-keit! Wenn da einer kommt, dann kann ich mich doch nicht entspannen!", Antje.
Entgeistert blickte sie Matze an. "Hä? Sag mal, also, wenn ich massiert werde," und dann blickte er ausgerechnet zu Veronika rüber, "dann kann ich das nun mal nicht steuern. Das ist nun mal eben Massage-mit, und nicht Massage-ohne."
Antje war verwirrt. Irgendwie hatte sie da ein Argument überhört.
"Es ist doch so, man kann det doch einfach allet vorher abmachen. Ist doch allet okee, wenn man's vorher abmacht!", sagte Veronika. Sie war offenbar wirklich schon ziemlich dicht.
"Genau, sag ich doch!", stimmte Matze ihr bei.
"Also, ich blick grad nicht mehr durch", so Lukas, "redet ihr denn jetzt vom Nehmenden oder vom Gebenden?"
"Da haben wir's!", schrie Matze ganz aufgekratzt in die Runde, "Es können auch zwei Männer sein! Du hast's soeben gesagt! Und wenn dann einer einen Steifen kriegt?"
"Oder zwei Frauen...". Das war wieder Veronika.
"Aber die können keinen Steifen kriegen." Matze.
"Stimmt doch net!", erwiderte Veronika lächelnd. "Du kennst dich net aus mit weiblicher Anatomie."
"Du kannst's mir ja bei Gelegenheit mal zeigen." Matze grinste sie an. Antje wusste, wenn er so viel getrunken hatte, benahm er sich unmöglich. Nur leider, und das konnte sie sich selbst immer noch nicht zugeben, liebte sie ihn ausgerechnet in jenen Momenten umso mehr.
"Wie, bei Gelegenheit, jetzt gleich kann ick's dir zeigen." Jetzt schenkte Veronika Tequila ein. "Willst auch einen?" Das war an Antje gewandt. Nicht. Mehr. Lustig.
"Also. Wir hatten ja darüber gesprochen, ob Tantramassage sexy sein kann."
"Darf," wandte Lukas ein, "ob sie sexy sein DARF."
"Ich habe einen Vorschlag zu machen. Er gilt für alle. Verbindlich. Okay?" Durchdringend schaute Antje alle Anwesenden an, einen nach dem anderen. Es war ihr diesmal wirklich ernst.