Meine Erfahrungen gehen bisher sehr eindeutig in eine bestimmte Richtung:
Viele Männer fühlen sich am glücklichsten, wenn sie das Gefühl haben, nützlich zu sein und gebraucht zu werden. Ich finde übrigens
nicht, dass das ein charakterlicher Makel ist. Ich selbst fühle mich nämlich auch sehr wohl in einer Beziehung, bei der ich das Gefühl habe, auch zum Glück des anderen beitragen zu können.
Deswegen denke ich, dass es letztendlich um Kompatibilität geht. Nicht unbedingt darum, ob man nun "alltagsdominant" ist oder nicht, sondern darum, dass die Bereiche, in denen jemand nützlich sein möchte, die sind, die man dem Partner auch problemlos überlassen kann. Also eine sich ergänzende Wechselseitigkeit.
Ich persönlich kann es durchaus nachvollziehen, dass man sich beiseite gestellt vorkommt und das Gefühl hat, keine Bereicherung für jemanden zu sein, wenn man keinen "Griff" im Leben des anderen bekommt, weil der alles allein macht.
Alles allein machen zu können, und alles allein zu machen, sind am Ende doch zwei Paar Stiefel. Kann ich mein Leben allein meistern und dort Führung übernehmen, wenn es die Umstände erfordern? Natürlich kann ich das. Manchmal muss ich das, obwohl ich es nicht möchte, und manchmal mache ich das, weil ich es gut finde, gewisse Aspekte meines Lebens allein zu kontrollieren.
Aber was ist, wenn ich einem Menschen einen Platz in meinem Leben geben möchte? Insbesonders, wenn es sich eben nicht nur um eine sexuelle Beziehung handelt, sondern eine, der man auch Raum im Alltag geben möchte, bis hin zu einer richtigen Liebespartnerschaft?
Da denke ich tatsächlich, dass es kontraproduktiv ist, sein Leben weiterhin derart zusammenzuraffen, dass der andere nicht weiß, wie er sich da einfügen soll. Und vielleicht auch ganz besonders vor dem Hintergrund, dass man einen
dominanten Gegenüber wünscht. Dominant sein kann jemand nur, wenn der Gegenüber, zu dem er in Beziehung steht, diese Dominanz auch zulässt.
Weil Kinder erwähnt wurden:
Je nachdem, um was für eine Art Beziehung es sich handelt, die man da mit jemandem anfangen will, würde ich diesen Gegenüber niemals derart rigoros von der Verantwortung ggü. meinen Kindern ausnehmen.
Ist es eine Freundschaft oder sexuelle Beziehung? Ja, dann bleibt die Verantwortung bei mir. Aber sobald ich eine Liebesbeziehung mit jemandem eingehe, sobald ich mein Leben mit jemandem teilen möchte, halte ich es für geradezu destruktiv, ihm permanent vor die Nase zu halten, dass er in diesem speziellen Bereich dann doch nciht Teil der Familie ist. Ich kann nicht erwarten, dass jemand sein Leben mit mir teilen möchte, wenn ich ihn aus so etwas Fundamentalem wie der Familie raushalte.
Für mich ist dieses Thema in seiner Basis auch kein Thema von BDSM, von Dominanz und Devotion, sondern ein Thema, mit dem sich alle Paare auseinandersetzen müssen, eigentlich auch alle Singles. Viele wünschen sich, eine Bereicherung für das Leben des anderen zu sein und umgekehrt, dass jemand unser Leben bereichert. Aber das muss man zulassen können.
Noch vor einigen Jahren habe ich mich auch als "alltagsdominant" beschrieben, weil ich es tatsächlich auch war. In meinem Fall würde ich aber sagen, dass das vor allem Mauern waren, die ich aufgebaut habe, aus Angst, die Kontrolle zu verlieren. Je mehr ich zugelassen habe, dass andere Menschen mich bereichern und ich sie bereichere und je mehr ich dadurch das Gefühl bekam, im Leben des anderen eine wichtige Rolle zu spielen, desto mehr habe ich ihnen auch umgekehrt das Gefühl gegeben, dass sie in meinem Leben eine bedeutende Rolle spielen - dass sie sich nützlich und "gebraucht" fühlen, trotz des Wissens, dass ich nicht zwingend auf sie angewiesen bin. Sondern sie WILL. Ich WILL sie in meinem Leben haben und lasse es deshalb auch zu.
Und im Kontext von D/s (ich will ja auch spezifisch dominante Menschen als Partner) bedeutete das für mich auch, dass sie auch tatsächlich Entscheidungen treffen und ich nicht derart auf meiner Unabhängigkeit beharre.
Ich persönlich finde, dass ich nicht erwarten kann, dass sich ein dominanter Mensch für mich interessiert, wenn er selbst beim anfänglichen Abstand auf der Privatebene nicht sehen kann, wo genau seine Dominanz denn eigentlich wirklich eine Bedeutung haben wird. Denn wenn es eine Art von Dominanz gibt, die ich NICHT anziehen will, dann ist es die, die weibliche "Alltagsdominanz" als Herausforderung betrachtet, die man brechen will.