Übergriffe von Polizeibeamten - Beweislage CAM (oder nicht)
Vorausschicken möchte ich, dass ich in den meisten Fällen eine sehr gute Kommunikation zu den "Freunden und Helfern" habe und hatte und keineswegs gegen die Polizei eingestellt bin. Sogar diese verschiedentlich selbst als "Freund und Helfer" in Anspruch genommen habe. Selten habe ich mich mal über die "Bullen" aufgeregt und sehe die Quote von Fehlern und Missgriffen dieser Berufsgruppe nach meiner rein persönlichen Erfahrung als durchschnittlich an. Allerdings werden Vorfälle von oder gegen die Polizei häufig in den Medien berichtet und erlangen dadurch große Aufmerksamkeit und höchst unterschiedliche Meinungen dazu.Vor einiger Zeit berichtete mir ein Rechtsanwalt von einer Mandantenvertretung, die er erfolgreich gemacht hat. Und die mit dem Ergebnis endete, dass die "ausübenden" beiden Beamten disziplinarisch belangt wurden, strafrechtliche Konsequenzen bekamen und beide strafversetzt wurden.
Die beiden hatten einen Autofahrer irgendwo im Fränkischen gestoppt (warum auch immer - das erfuhr ich nicht und war auch nicht Gegenstand unseres Gespräches). Und hatten ihn auf einen Grünstreifen zwischen den getrennten Spuren einer Schnellstraße bugsiert, ihn dort einer Leibesvisitation unterzogen die so weit ging, dass sie ihm Drogenbesitz unterstellt hatten und noch vor Ort im Freien und in der Öffentlichkeit so weit "untersuchten", dass sie ihn bei herunter gelassener Hose in den Anus griffen um festzustellen, ob er dort Drogen versteckt hätte. Natürlich hat sich der Mann widersetzt - jedoch ausschließlich verbal. Nur einmal machte er eine hilflose Abwehrbewegung um sich gegen die Übergriffe bzw den erniedrigen Eingriff in seinen Hintern zu wehren. Das wurde ihm auch noch als Tätlichkeit und Widerstand gegen die Staatsgewalt ausgelegt.
Es kam zum Gerichtsverfahren.
Nun hatte der Betroffene in seinem KFZ eine Cam laufen, die das Ganze aufzeichnete und vor Gericht als das "Königsbeweismittel" diente. Sonst hätte seine Aussage von den beiden Beamten - zwei gegen einen - in der Luft zerrissen werden können. So aber konnte das Gericht auf dem Film erkennen, dass die angebliche Tätlichkeit gegen die Beamten gar keine war. Freispruch erster Klasse und so richtig eine aufs Dach für die Polizisten.
Diese Story habe ich gehört, mit Verwunderung zur Kenntnis genommen ("Mann, dass es sowas gibt") und dann gedanklich "abgeheftet".
Nun erfahre ich aber gerade von einem anderen Fall, in welchem ANGEBLICH zwei Polizisten einen Radfahrer in der Dunkelheit innerstädtisch auf einer Fahrradspur mit gefährlicher Vorgehensweise angehalten haben. Der Radfahrer fuhr unbeleuchtet und fuhr mangels Anwesenheit irgendwelcher anderer Verkehrsteilnehmer auf seiner Fahrradspur über zwei kurz hintereinander liegende rote Ampeln an einem kleinen Rondell.
Klarer Verstoß gegen verschiedene Vorschriften - gibt ein Bußgeld und Punkte - aber damit isses auch erledigt. Eigentlich.
Keinerlei Gefährdung, keinerlei Fluchtgefahr, nichts auch nur sonst. Ein alltägliches Szenario in den Innenstädten, wo viele Radfahrer sich tummeln und nicht immer korrekt verhalten. Dafür gibts ja auch die Sanktionen und das soll gar nicht das Thema hier sein.
Nun aber hat eine Polizei-Streife, die vom Radfahrer unbemerkt hinter diesem fuhr, ihn in der Weise gestoppt, dass sie nach einmaliger Ansage und Aufforderung anzuhalten durch das geöffnete Seitenfenster sofort zu harschen Maßnahmen griff, die ich, wenn ich das höre, als für bei weitem überzogen halte.
Noch ehe der "sportliche Radfahrer" reagieren konnte, fuhr der Polizeiwagen gerademal zwei, drei Sekunden danach kurz vor ihm nach rechts und schnitt ihm den Weg ab. Rechts vom Radweg der Bordstein - links das Auto - und dann der Zwang, eine erstklassige und filmreife stuntmäßige Vollbremsung mit dem Rennrad hinzulegen - knapp vor einem Abstieg über den Lenker. Dem Radfahrer gelang es mit Mühe, nur wenige Zentimeter vor dem Kotflügel des Polizeiwagens anzuhalten. Zitternd mit weichen Knien und hohem Puls, gerade noch einen herben Unfall mit womöglich sehr ernsten Verletzungen und sogar Todesgefahr vermieden zu haben.
Der folgende Ablauf ähnelte in gewisser Weise dem eingangs beschrieben Fall, der mir, als ich die Geschichte hörte, wieder in Erinnerung kam. Eine Diskussion über die Verhältnismäßigkeit der Mittel. In ruhigem Ton geführt - Feststellung der Identität durch Abfotografieren des Personalausweises und Anordnung, das unbeleuchtete Fahrrad die letzten ca. einhundert Meter nach Haus zu schieben und nicht mehr zu fahren.
Aber nun die Diskussion zwischen den Beteiligten. Der Radfahrer wies die Beamten in ruhigem Ton mehrfach darauf hin, dass das Vorgehen weder angemessen war, noch in irgendeiner Weise notwendig. Zunächst hätte doch eine nochmalige Aufforderung zum Anhalten erfolgen müssen. Oder mal kurz Lautsprecher und Blaulicht. Das denke ich auch - wenn ich mit dem KFZ selbst schon angehalten wurde, habe ich immer angehalten, wenn ich im Rückspiegel ein Polizeiauto mit Blaulicht gesehen habe. Erst wer dann noch weiterfährt, gibt Anlass zu weiteren Maßnahmen wegen Fluchtgefahr usw.
Wie ich gehört habe, hätten sich die Beamten dem Radfahrer gegenüber wie folgt heraus geredet, er hätte ihnen ja davon fahren können und sie hätten ihn mit dem Auto sicher nicht eingeholt (meiner Meinung nach lächerlich). Und auch "wer ein Rennrad fährt, muss auch gut bremsen können" (meiner Meinung nach eine Frechheit)."
Mir sträuben sich die Haare, wenn ich sowas höre.
Wie die Sache weiter ging, weiß ich nicht. Ich habe dem Radfahrer gesagt, als er mir das berichtete, er solle unbedingt Beschwerde und womöglich gar Strafanzeige erstatten. Er hingegen: "Da habe ich doch gar keine Chance - die sind zwei, können behaupten was sie wollen."
Und nein, eine Dashcam hatte der Radfahrer nicht.
Der Radfahrer ist inzwischen anwaltlich vertreten - mehr weiß ich darüber (noch) nicht.
Mich persönlich beschäftigt der Fall unaufhörlich. Und zwar aus Prinzip. In unserem Staat gibt es viele Menschen, welche gegen die Polizei eingestellt sind. Manche so extrem, dass es solche Ausschreitungen gibt wie bei Fußballspielen oder wiederholt auch in Silvesternächten, wo die Beamten "aus der Menge heraus" tätlich mit Steinen, Böllern und ähnlichem angegriffen werden.
Und dann solche - ich sage mal - Ausreißer, wo sich Polizeibeamte absolut falsch verhalten, übergriffig sind, Bürger ohne Grund und entgegen der Vorschriften ("zulässige Maßnahmen bei der Feststellung der Identität") in Gefahr bringen. Dann wundert es mich nicht, dass die Haltung im Volk kippt. Diese Polizisten sorgen doch selbst dafür, dass die Polizei ein schlechtes Image bekommt.
Als auch oft selbst Radfahrer habe ich mir nun überlegt, was ich tun würde, käme ich in eine solche Situation.
Und ob ich selbst mir tatsächlich selber eine Dashcam zulegen soll.
Das Thema beschäftigt mich - und ich möchte es gerne zur Diskussion stellen. Und Eure Meinung dazu hören.