Ich finde es geradezu logisch, dass wir immer wieder an der "richtigen/allgemeinüblichen" Verwendung von Begriffen diskutieren und hängenbleiben! Bei meiner (langer Prozess) Reise zur Polyamorie ist mir klargeworden mit wievielen Glaubensätzen, Werten etc. das ganze Thema verbunden ist. Ich bin nicht in erster Liie in Konflikt gekommen mit anderen Menschen oder meinem Partner...ich bin in Konflikt gekommen mit meinen "Inneren Sichtweisen". Diese hab ich dann mit einer gehörigen Portion Projektion in Auseinandersetzung mit z.B. meinem Patner aufgebrochen...mich abgearbeitet etc.
Aber ich habe gemerkt: ich kann nicht nur ein Teil meiner Lebensphilosophie verändern und den Rest unangepasst lassen! Ein Beispiel: bislang in meiner "normalen Welt" funktionierte die Sache wie folgt: man trifft jemanden, eine gewisse Anziehung (der magische Funke) ist da. Es gibt ein "Skript": irgendwann recht sprachlos und quasi automatisch macht einer den ersten Schritt und küsst den anderen, wenn dagegen kein Einwand besteht, wird der nächste Schritt gegangen, Sex findet statt...Dann wird sich eine Weile getroffen und dann irgendwann kommt man überein, dass man eine (mono) Beziehung hat und "ernste Absichten" oder man merkt, dass der andere eben keine "ernsten Absichten" hat und trennt sich ggf. Der ganze Prozess lässt so unglaublich viel Raum für Projektionen von Wünschen, es wird im Nebel agiert....so muss das laufen. Frauen wollen, das der Mann die "Initiative" ergreift und erobert....den Frauen abliegt es dann ihn "einzufangen". Alle kennen das Skript ...und fühlen sich fähig das Geschehen einzuordnen.
Wenn wir unser Ziel und unsere Perspektive ändern: also nicht mehr glauben wollen an die eine Liebe, den richtigen finden, dem Skript folgen und dann monogam für immer, mühlos glücklich sein. Dann müssen wir aufhören dem Skript zu folgen und damit rechnen, dass das zu Verunsicherung führt bei uns selbst und bei anderen! Wir müssen uns erklären, dafür brauchen wir klare Worte. Aber die Bedeutung on Worten ist kulturell bedingt: fangen wir an sie anders zu benutzen ggf. im engen Wortsinne und eigentlich präziser... z.B. wir sagen Liebe und meinen Liebe und wir nennen promisk eben promisk, und so weiter, weil wenn wir einen Konsens wollen mit allen Beteiligten und somit bestmöglich verstanden werden wollen. Nun treffen wir aber bei uns und anderen auf "Vorurteile" was ja nichts anderes heißt als: wir alle haben die Urteile und Werte der Gesellschaft inhaliert und urteilen auf der Grundlage...wir haben eine "Karte" einen "Kompass", der plötzlich nicht mehr passt.
Ich möchte auch, dass jemand sagt: ich bin promisk, wenn dies der Fall ist. Das ist auch ok...ich werte das nicht ab, sondern bin dankbar für offene Ansagen. Für mich gehört es zur Ehrlichkeit und ist damit Notwendig für den Konsens, den ich anstrebe... Aber in der Gesellschaft ist es eben anders "promisk" wird normalerweise abwertend benutzt! Deshalb tun alle (auch wir manchmal) sich schwer damit das Wort zu benutzen.
Ich kann es verstehen, dass das Unbehagen auslöst und man sieht es ja auch hier in der Gruppe...
Nur: es führt meiner Meinung nach kein Weg daran vorbei: wenn wir das ändern wollen, sollten wir anfangen die Dinge beim Namen zu nennen und uns gegen die negative Wertung aufzulehnen! Und nicht weiterhin Worte nach den Regeln der Hauptkultur zu verwenden und anpassen und verstecken: wir wollen und ja nicht in einer Niesche möglichst Gesellschaftskonform einrichten: wir wollen, dass sich Dinge ändern.
Ich will, dass sich das Frauenbild ändert: ich will das Frauen eben nicht mehr als Schlampen gesehen werden, wenn sie sich promisk verhalten!
Das führt zu Unbehagen und das gilt es auszuhalten, wenn sich etwas ändern soll. Nur wenn wir zu unseren Werten stehen und dafür kämpfen, wird sich etwas ändern!
Wenn wir Frauen oder Männer uns aber lieber verstecken...um nicht den Konflikt mit den Werten der Leitkultur austragen zu müssen - ändert sich nichts!
Wenn Männer Polyamorie zusehens "benutzen" um ihre Promiskuität moralisch getarnt und unverurteilt ausleben zu können und wir dagegen nichts unternehmen, weil wir ihre Motive (Diskriminierung und Abwertung zu entgehen) verstehen können, vertun wir eine große Chance!
Statt die Diskussion in unseren Reihen auch so zu führen und uns vorzuwerfen, wir würden promiskes Verhalten verurteilen, wenn wir sagen "das ist nicht meins" - oder wir würden Sex abwerten, wenn wir sagen "Sex ohne Liebe geht für mich nicht". Sollten wir klar sagen: promiskes Verhalten ist total ok, wenn es klar als solches benannt wird! Was nicht ok ist: so zu tun als wäre man auch emotional oder im Hinblick auf verbindliche Beziehungen offen, wenn der Fokus zur Hauptsache beim Sex liegt. Am Besten wird dann noch gesagt: "naja, ich besteht ja immer eine Möglichkeit, das es doch mehr wird...dafür bin ich ja offen - also ist es genau betrachtet ja auch nicht unehrlich"
Genau dieses "Rumeiern" kotzt mich ja in dieser Gesellschaft so an!
Wir wollen anders sein: ehrlicher, offener....dann sollten wir beginnen Begriffe ehrlicher zu verwenden und ehrlicher über uns selbst mit anderen zu sein - das macht verletzlich und fühlt sich ungewohnt und unsicher an.
Das Buch: "the ethical slut" heißt so, weil den Autorinnen das bewusst war! Statt zu sagen: hört auf Frauen als "Schlampen" zu bezeichnen, wenn sie promisk sind; habe sie gesagt: "Schlampe" sein ist toll und fühlt sich frei an! Es ist etwas positives:" Schlampe und stolz darauf!"
So ändern wir die Gesellschaft: "Hippy" ist kein Schimpfwort mehr..."Emanze" ist immer noch eins. Und, wenn Frauen weitermachen und sagen: "Gott bewahre, ich bin natürlich keine Emanze, ich meine ja nur..." dann wird sich daran auch nichts (!) ändern.
Bei mir hat sich im Zuge meiner inneren Reise so viel geändert, dass ich jetzt manchmal Probleme habe, von meiner (normalen) Umwelt verstanden zu werden, weil ich eben nicht mehr bereit bin zu sagen. "ich möchte "Kuscheln""...wenn ich eigentlich meine "ich hoffe total auf Sex mit Dir heute!"
Das ist für den Mann mir gegenüber total irritierend im ersten Moment, verstehe ich schon - kann ich aber nicht ändern ohne meine Integrität zu verraten...also bleibt nur mehr reden und erklären...mit unzulänglichen Worten.
Wenn ich meine Beziehungen polyamor führe und auch promisk bin - also gerne auch Sex ohne "Beziehung" - einfach casual mag, weil Sex einfach mehr mein Ding ist als Badminton
Dann kann ich meinem Gegenüber sagen: wenn ich Beziehungen habe führe ich diese polyamor und das bedeutet für mich konkret das und das...aber ich bin auch promisk und habe einfach gerne Sex mit den für mich passenden Leuten. (z.B. recht "wahllos" weil ich z.B. denke "alle Menschen haben etwas...man muss es nur zu sehen lernen" - oder what ever...)
Und da ist es wieder ziemlich "wahllos" bei Sexpartnern...ist doch negativ oder? Nein, finde ich gar nicht: jeder Mensch ist wertvoll und hat etwas Schönes, wenn ich mich dafür öffne. Ist es nicht eine positive Fähigkeit (und unglaublich befreiend) sich z.B. von einem bestimmten "Type"...von Äußerlichkeiten...und all den Schubladen zu befreien...und das Einzigartige in vielen verschiedenen Menschen zu entdecken...? Bin ich ein bessere Mensch, wenn ich nur mit braunhaarigen, interlektuellen Männern schlafe und auch das nur im Rahmen einer definierten Beziehung und auf keinen Fall nur so aus Lust am Sex?
Genau...viele Glaubensätze sind zu dekostruieren und anzupassen - manchmal anstrengend.
Aber welche Alternative gibt es dazu, für mich keine!
Ich frage jetzt bevor ich jemanden küsse...Das fühlt sich "furchtbar und schräg" an...führt auch zu Misverständnissen*...ganz klar. Jetzt...noch...es wird leichter, je mehr ich über...jemehr Menschen damit beginnen und das möchte ich, das sich da was ändert. Ich kann dieses unsichere Gefühl aushalten!
• z.B. führt es oft dazu, dass der Mann meint: ich muss auch "weiter machen" wollen ...am Ende steht seiner Meinung nach hoffentlich meine Penetration durch ihn
Ja, das kann anstrengend und nervig sein...aber für mich alternativlos.
Ich will Konsens...ich kann nicht erst jemanden Küssen, ggf. seine Grenze überschreiten und ihn in die Lage bringen sich meiner erwehren zu müssen, wenn ihm das unangenehm ist... Dann ist es zu spät, dann habe ich ihm schon ein negatives Gefühl vermittelt und eine Entschuldigung ändert daran auch nichts! Meine Grenzen sind da vielleicht auch lebenslang zu viel überschritten worden...und ich habe das als "normal" viel zu lange auch hingenommen! Nicht mehr!
Ich kann all diese Dinge nur ändern (und es wird manchmal mühsam sein!), wenn ich bereit bin das Unbehagen auszuhalten, die Misverständnisse aufzuklären und bereit bin auszuhalten, dass es manchmal bei besten Willen - nicht gelingt eine Verständigung zu erreichen. Los lassen, sein lassen, aufgeben ...
Deshalb beinhaltet der Weg Polyamorie für mich auch quasi zwangsläufig: mehr Selbsterkenntnis, mehr Ehrlichkeit, mehr Reden, Neudefinitionen von Kernthemen menschlicher Existenz...weniger als "normal" vorraussetzten.
Fragen und Bitten um etwas, statt die Situation zu manipulieren, damit meine Wünsche wahr werden. Die ganze Unsicherheit und Angst vor Ablehnung überwinden...ist schwer aber unglaublich befreiend zu gleich!
Am Anfang ist es schwer zu sagen:" ich würde Dich jetzt gerne küssen oder auch "ich würde heute Nacht gerne Sex mit Dir haben!" aber nach kurzer Zeit fing ich an mich eigentlich zu wundern: "warum fällt es den meisten am Ende leichter jemanden einfach zu küssen und das Risiko einzugehen abgewiesen zu werden...als jemanden zu fragen, ob ich ihn küssen darf..mit dem gleichen Risiko abgewiesen zu werden?!" Das ist doch eigentlich voll unlogisch...dennoch ist es die vor mir beobachtete Realität! Das eine ist eben das normale Sript...das andere vielleicht glatt besser aber ungewohnt..."ungewohnt" ist "unsicher"...verursacht "Angst"....
Naja, ich höre jetzt einfach auf...ich glaube ich bin inzwischen total of topic
Aber: Ich finde es normal und wichtig, dass wir immer wieder an diese Limits stoßen und über Definitionen streiten! Und ich bin dafür Begriffe in dieser Gruppe mit "Schärfe" zu verwenden und dabei als gegeben anzunehmen, dass sie wertneutral gemeint sind! Überlassen wir die Vorurteile anderen!
Ich bin hetero, ich bin polyamor in Beziehungen, ich bin frei zu tun was mir immer mir und den jeweiligen Beteiligten gefällt, ich bin nicht christlich, ich bin Sozialarbeiterin, ich bin Mutter, ich bin Switcher, ich höre Metal und Electro...nichts davon schließt einander aus oder bietet Raum für Urteile durch andere...das sind nur Aspekte von mir.. Wer danach meint: "ah, so eine ist das!....die ist bestimmt auch voll eso und isst vegetarisch..".oder what ever: der ist mir egal! Das ist sein Problem, ich mache es nicht mehr zu meinem.
Also: wenn ich in einem Thread hier schreibe: "ich bin nur an Sex mit Gefühlen interessiert" Oder "ich bin nicht promisk". Dann meine ich genau das! Nicht mehr und nicht weniger...damit urteile ich kein bisschen...ich sage nur was bei mir gerade ist oder nicht.
Weil ich statt Karate nun mit Stockkampf angefangen habe: bedeutet das ja nict automatisch: das ich denke "Stockkampf ist das einzig wahre! Jeder der noch Karate macht spinnt oder weiß es nicht besser".
Wenn Menschen die gerade promisk sind, dann kommen und sagen: "ich fühle mich abgewertet, ich bin poly und promisk und für mich geht das toll zusammen und wieso wertest Du mein Modell ab?" Dem kann ich nur sagen: "sorry, ich kann nichts für die negative Einstellung dieser Gesellschaft zur Promiskuität! Ich habe das ganz sachlich, feststellend gemeint! Und ich finde auch nicht, dass es schon eine "Abwertung deines Modells" ist, wenn ich es nicht teile!"
Und ich möchte auch nicht, dass die Bedeutung von Begriffen solange abgeschliffen und verwässert wird, bis sich zwar niemand mehr "auf den Schlips getreten fühlt" aber leider auch jede Klarheit beseitigt ist
Das scheint mir eine "falsche" Toleranz zu sein. Dieses: jeder darf unter Polyamorie verstehen was er will und wir sind alle so super tolerant und verständnisvoll...führt zu erschwerter Kommunikation! Und ein System welches auf Ehrlicheit und Konsens als Grundpfeiler pocht...braucht klare Kommunikation!
Was nütztes mir, wenn ich mit jemanden Rede...wir benutzen die selben Worte, wir glauben, das selbe zu wollen...und am Ende stellt sich heraus: ich will Beziehungen intensive pflegen und er ist promisk (nicht polyamor) und will eben genau jetzt und hier keine verbindliche Beziehungen aufbauen!
Nur damit in der Polygruppe alle andocken können und wir möglichst viele sind und möglichst bunt!?
Nicht falsch verstehen man kann poly sein und promisk...nur ist eben "Polyamorie" kein Synonym für "Promiskuität" ("Liebe" kein Synonym für "Sex", "Kuscheln" ist kein Synonym für "Sex" ) Eine gewisse "Trennschärfe" ist das Wesen der "Begrifflichkeit". Toleranz ist nicht das selbe wie "Beliebigkeit"!
Maximal bunt und kuschelig für alle um den Preis der Verständlichkeit - finde ich quatsch!
LG
Und deshalb: sagen wir "promisk", wenn wir es meinen! Und versuchen wir lieber die damit verbundenden Vorurteile abzubauen: in dem wir den Begriff "scharf" und ohne Angst und ohne Wertung regelmäßig verwenden, wo er passt! Die Definition nehmen wir aus dem Duden oder Wiki und stop!