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Analphabeten der immateriellen Kultur

Analphabeten der immateriellen Kultur
Vilém Flusser war ein ungemein humorvoller Mann. Er wird als tschechoslowakischer Kulturtheoretiker, Medienphilosoph und Kommunikationswissenschaftler bezeichnet. Das Besondere seines Denkens war das Raffende und doch die Zusammenhänge so Ausfaltende, daß sie einzusehen sind. Das gibt seinen Texten eine fast spielerische Note.

Weil er seine Schriften in Portugiesisch, Deutsch, Französisch und Englisch verfasste, profitierte er in besonderer Weise von dem Umstand, daß die unterschiedlichen semantischen Strukturen dieser Sprachen unterschiedliche Perspektiven mit sich bringen. Ein und derselbe Zusammenhang erscheint in verschiedenen Sprachen in je eigentümlichen Schattierungen, die ihm ganz automatisch sowas wie Leben einhauchen.

Hier haben wir einen Mitschnitt seines letzten Vortrages, den er 1991 in Essen hielt (vier Tage später erlitt er einen Autounfall, an dessen Folgen er starb). In ihm schlägt er einen Bogen von den >griechischen Ahnen< über das Mittelalter, den Marxismus und die Moderne hin zu einem Zeitalter, das seiner Einschätzung nach – zum Zeitpunkt der Rede – noch nicht am Horizont zu erkennen sei.

Das Thema des Bogens ist die Kulturgeschichte des Informierens. Die menschliche Geste, Natur zu informieren – also Gegenstände zu erzeugen – hat sich gewandelt zur Geste, reine Informationen – also Immaterielles – zu erzeugen. Auf diese >immaterielle Kultur< (Lyotard), dieses Zeitalter der reinen Informationen, steuerten wir Flusser zufolge geradewegs zu.

Heute, 22 Jahre später, bewegen wir uns in dessen ersten Ausläufern oder befinden uns bereits mittendrin, und eine mögliche Frage wäre:

Wenn wir wieder >Illiterati< sind und uns in einer Situation befinden wie zur Zeit der Entwicklung der Schrift, und zwar in dem Sinne, daß wir der neuen codes nicht mächtig sind; was bedeutet das?

http://www.remotewords.net/home/11-sao-paulo/author.html
ohne jetzt den Beitrag komplett erfasst zu haben, folgender Gedankengang.

Mit dem Thema Information verbinde ich mindestens 2 Personen.
Es geht um Wissensaustausch.
Ich denke da einen Herstellungsprozess - nehmen wir den Materiellen.
Um heutzutage etwas zu erschaffen braucht es viele Personen - Spezialisten, jeweils Experten auf ihrem Gebiet.
Universalgenies ala da Vinci gibt es nicht mehr. Die Arbeits- und damit auch Wissensteilung ist unglaublich weit fortgeschritten.
Missverständnisse sind da vorprogrammiert und dementsprechend gibt es sogar Personal, welches sich ausschließlich um die Koordination kümmert.
(Dass durch die Wissensteilung auch eine Gewalten/Machtteilung stattfindet sei an dieser Stelle angemerkt, aber nicht näher ausgeführt)

Um zum Immateriellen zu kommen:
Wie brauchen Lehrpersonal bzw. Übersetzer...
eigentlich ganz einfach...eigentlich... *nachdenk*

Aber je älter ich werde, desto mehr reift in mir die Überzeugung, dass Information (die Sprache, hier Schrift) nur einen geringen Prozentsatz der Kommunikation ausmacht und die nonverbale Verständigung (Verständnis ist die Ausnahme, das Missverständnis das Allgemeine - Schopenhauer) im Menschen derart angelegt ist, dass sich immer ein Weg findet die Absicht (nicht den dahinteliegenden Gedankengang!) zu erfassen.
**e Mann
2.564 Beiträge
Ein feiner Vortrag, oberarm. Der Mann hat es drauf und schafft , komplexe Zusammenhänge mit einfachen Worten zu beschreiben. Dabei ist er ein gewitzter Künstler der Begriffe.

Ich folge Flusser in seinen Gedanken und werde erst skeptisch, wenn er erklärt, dass wir uns früher unser Umfeld nicht aussuchen konnten, also hinein geboren wurden, und heutzutage die Verbindungen selber arrangieren.

Sicher war man früher örtlich gebunden und heute kann ich frei entscheiden, mit wem ich Freund sein will auf Facebook. Trotzdem bekomme ich die Schärfe nicht hin, mit der ich mir aus mir selbst heraus (was immer das sei) einen Freund suche oder mich mein Umfeld darin bestimmt. Bei Jugendlichen sind es eher die Trends, die die gleichen Fans um sich scharen und ein Trend ist ein massengesellschaftliches Phänomen, dass ich lieber mit anderen Werkzeugen analysieren wollte.

Das ähnliches Problem habe ich mit Flussers Grundeinstellung, mit der er den Mensch und seine Maschine trennt. Ja, er sagt, die Maschine sein menschlich, seine Prothese, aber die Entwicklung des Internet zeigt, dass sich die Technik so gigantisch weiter entwickelt hat, dass die Maschine längst nicht mehr zu bändigen ist.
Na, das war sie im Grunde von Anfang an nicht, denn die Gesetze der Maschine waren immer eigene und es gab nie einen Weg zurück, den ein einzelner Mensch oder eine Gruppe von Menschen an hätte zetteln können.

Heute ist das evolutionäre und menschlich nicht mehr kontrollierbare Wachstum des wichtigsten Informationsnetzes offen sichtlich.
Trotzdem bekomme ich die Schärfe nicht hin, mit der ich mir aus mir selbst heraus (was immer das sei) einen Freund suche …

Diese Unschärfe hat immer schon bestanden. Was du mit >aus mir selbst heraus< andeutest, könnte die Herausforderung sein, eine Bewusstheit zu entwickeln, die in die Lage versetzt, die eigene Persönlichkeit hinreichend zutreffend einzuschätzen und damit eine verlässliche Voraussetzung zu schaffen, um einen passenden Freund oder auch Partner zu erkennen.

War es für den Landbewohner die überschaubare Gruppe infragekommender Menschen des Dorfes und benachbarter Örtchen, die ihm allein durch die begrenzte Größe diesem Erkennen- bzw. Findenkönnen Grenzen setzte, so war es für den Großstädter schon leichter (oder eben schwerer), den oder die vielversprechenden Menschen aufzuspüren.

Die Herausforderung in der immateriellen Kultur besteht – neben der oben beschriebenen Bewusstheit – darin, sich im unüberschaubar gewordenen Raum der Möglichkeiten zurechtzufinden.

Diese Möglichkeiten stecken übrigens nicht nur im explodierten Angebot. Sie stecken auch in den Chancen, sich selbst zu entwerfen. Was häufig als verwerfliche Geste gebrandmarkt wird, kann ebensogut als befreiende Chance aufgefasst werden; das faken.

Es ist ein Topos, daß man hier auf Profile stößt, die dem dahinterstehenden (oder –sitzenden) Menschen nicht entsprechen. Das muss keine verachtenswerte oder zu bemitleidende Geste sein; man kann es auch als das Spiel mit alternativen Lebensweisen oder Stilen auffassen, die meinetwegen in einer Phase des Ausprobierens stecken und vorerst noch keine konkrete Verwirklichung erfahren können. Aber sie können.
bezaubernd
an diesem vortrag, und letztlich an dem hirnkasten, dem er entstammt, ist die leichte eleganz der sprünge. wie bei ein wasserläufer landen die treffer auf einer oberfläche, deren spannung ihn deshalb trägt, weil der laufende die gesetze der spannung kennt. oder zu einem teil der natur der materie wurde, prozessiert hat und wurde und nun als "besserer schuster" einen "besseren schuh" präsentiert. kultur.
nur nicht mehr dem bischoff, der nun hinter den toren der kathedrale weilt, ohne vergessen zu werden, sondern
einer hörerschaft die längst weiß, was technik und empirie bedeuten.
das bild vom im sand gezeichneten dreieck, dessen winkelmaße nicht mehr mit denen der idee (der dreieckheit) übereinstimmen ist von beeindruckender kraft.

von der idee zum modell und zurück in den schlund des werteabsondernden regenwurms, der glücklicher sein soll, als wir.
was für eine demutsgeste, köstlich kokett.

nun mich nur noch unterbewusst auf den beitrag beziehend:

Wenn wir wieder >Illiterati< sind und uns in einer Situation befinden wie zur Zeit der Entwicklung der Schrift, und zwar in dem Sinne, daß wir der neuen codes nicht mächtig sind; was bedeutet das?

dass wir lernen.
schneller und unterbewusster, als je zuvor. und immer schneller lernen werden müssen.
in der zwischenzeit, seit flusser sprach, taten wir dies schon.
sogar ich, die sich fast allem entzieht und sich ziert, weiß heute, dass *herz * nur einer lücke entbehren muss, um *herz* zu werden.
das ist nicht viel, kann aber alles sein. sogar lesbar. auch und gerade illiteral.
Zu pµs Beherrschbarkeit

Im Immateriellen lassen sich Informationen speichern, verteilen, herstellen oder auch vernichten; Informationen, die auf denkbar kleinster Basis codiert sind; einem code, der aus nur zwei Elementen besteht. Das Besondere ist u.a das Körperlose. Dieser Text wäre ja vollig sinnlos, müssten wir seinen Sinn aus dem code herausklauben, in welchem er in der Maschine repräsentiert ist. Man braucht Maschinen, um überhaupt etwas wahrnehmen zu können; z.B. Displays und Drucker.

Eine weitere Besonderheit ist, daß sich mit diesem zweiwertigen code prinzipiell alles darstellen lässt. Darauf beruht der beispiellose Erfolg der Technik, die auf diesem code basiert. Auf dem Weg dieses codes in sämtliche Bereiche der Kulturproduktion hat sich eine ebenso beispiellose Differenzierung entwickelt; es gibt eine unüberschaubar gewordene Vielfalt an Spezialdisziplinen, in denen sich Spezialisten an der Umsetzung von Ideen in Anwendungen bzw. an der technischen Umsetzung von Anforderungen engagiert.

Beim Netz ist das nicht anders. Als Normalnutzer muss man nur wissen, wie man reinkommt. Wie man darin unterwegs ist, ohne Spuren zu hinterlassen oder erkennbar zu sein, muss man nur wissen, wenn man beispielsweise für Julien Assange arbeitet.

Die Unbeherrschbarkeit des Netzes ist eine Eigenschaft, die ich sehr sexy finde. Wenn sie denn überhaupt je bestand.

Übrigens hat Flusser eine sehr plausible Genealogie der menschlichen Machtentfaltung vorgeschlagen und das Fortschreiten der Kulturproduktion als eine Reihe von Schritten (Gesten) formuliert, mit denen jeweils eine Dimension verloren ging. Waren wir ursprünglich in einem Raum-Zeit-Gefüge da, in dem es neben der drei Dimensionen des Raumes die vierte der Zeit gab, nahmen wir mit den ersten Objekten (Artefakte) die Zeit heraus und machten paläolithische Plastiken.

Darauf folgte die schrittweise Herausnahme der Raumdimensionen; mit den (Höhlen)Bildern das Reduzieren auf zwei, mit der Schrift das Reduzieren auf eine Dimension. Heute basiert die Kulturproduktion auf dem nulldimensionalen Punktcode.

Wir produzieren Kultur mit einem code ohne Dimension. Aus Punkten computieren wir materielose Welten, die wir entweder auf Displays erscheinen lassen oder mit Maschinen materialisieren und somit Kunst produzieren. Wir drucken unsere Texte und Bilder aus oder erstellen dreidimensionale Artefakte mit ähnlichen Druckern. Zum Beispiel entstehen Objekte aus CAD-Datensätzen direkt durch schichtweisen Aufbau in 3D-Druckern.

Ein schönes, Anfang und vorläufigen Status der Kulturproduktion verbindendes Beispiel ist die Replik der >Venus vom Hohlefels< (einer paläolithischen, 35 000 bis 40 000 Jahre alten Plastik), die mit einem stereolithographischen 3D-Drucker hergestellt wurde.

http://de.wikipedia.org/w/in … filetimestamp=20100531193224
Zu pµs Beherrschbarkeit II

Lyotards Immaterielle Kultur ist natürlich völliger Quatsch! Es ist nur so, daß wir als Gewinner des Imperialismus auf die Folgen, die wir mit unserer wundervollen Technik erzeugen, einfach kacken. Diese Folgen sind alles andere als immateriell; sie materialisieren sich in Menschen, die dann ihrerseits dematerialisieren – sie gehen zugrunde.

Alexander Göbel, „Müllplatz der Welt - Giftiger Elektroschrott in Ghana“

http://ondemand-mp3.dradio.d … f_20130110_1840_3cebb688.mp3
@oberarm
Wir leben im Informationszeitalter. Das ist das Ergebnis der Anwendung der Wissenschaft auf die Technik. Gleichzeitig spielt diese der Neu- und Machtgier (...) des Menschen zu (Wissen ist Macht). Dabei ist Wissen nur ein Teil der Information. Ein Teil anderer Teil ist Meinung (vom Glaube will ich hier nicht sprechen).

Aus einer anderen Perspektive betrachtet, hat Information Bedeutung (Wissen, Meinung usw.) und Wirkung (Rhetorik, Manipulation usw.). Die Semiotik, als Bereich der Philosophie (Ferdinand de Sassure), nenent das Semantik und Pragmatik. Das dritte wäre die Syntax und die hat mit dem Code zu tun. Alles hängt zusammen und bildet eine Einheit. Es ist Inhalt der Sprache (ganz gleich welche Sprache...).

Je nach Sprechabsicht gibt man (als 'Sender') eine Information an einen ('Empfänger') weiter (z.B. ruft der Co-Pilot zum Piloten: "Nur noch 10 m...) oder man erzählt einer Frau eine 'wahnsinnig spannende Geschichte', weil man sie rumkriegen will. Das erste wäre der Bereich rationalen Handelns, das zweite der Bereich der Emotionen (Gefühle). Wir sind hier in der Welt der Zwecke und Ziele. Beides steht im Verhältnis von uns selbst, als Teil der Natur, die wir versehen sind mit Verstand und Gefühl (Angst-Lust) , zur übrigen Natur: Angst-Boden und Lust-Busen (Vagina).

Kultur ist nun der Gegenbegriff zu Natur. Unter ihn fällt Kunst, Wissenschaft und Technik mit ihren je unterschiedlichen Anteilen (geistig, geisitig/materiell, materiell). Dabei geht es nicht rein zu, d.h. die Kunst hat auch einen materiellen Teil (z.B. Leinwand im Kino) und die Technik auch einen immateriellen (z.B. Ideen, Konzepte, Software).

Das alles ist in die Geschichte eingewoben, die 'endlos' dahinfließt. Ich wüsste dabei kein Ufer, auf das wir zusteueren und welchen Namen wir diesem geben sollten. Auf diese ewige Abfolge haben wir keinen rechten Einfluss, weil, wie oben gezeigt, zwei Naturgewalten, der Forscherdrang und die Gier, zusammen spielen. Ist ohne Macht sein etwa der Grund für Angst?

Das Thema hat jedenfalls einen erkennbar pragmatischen Aspekt, den auch Flusser wohl so sieht und der etwas pessimistisch zu sein scheint (so sehe ich es...). Vielleicht bewirkt sein Gefühl, das sein Verstand die Semantik der von ihm verwendten Begriffe nicht ihrer Natur nach richtig erfasst und in ein geordnetes Schema bringt; ihm also selbst das Problem der Praxis gestellt ist mit den vielen Informationen (im eigenen Verstand) vernünftig zu operieren.... Man sollte beim Umgang mit Sprache selbst richtig sprechen. Wozu eben nicht nur die Kenntnis des Alphabets gehört...
Aus welchem Grund richtest du deinen Beitrag nur an mich?
Eigentlich aus keinem besonderen, ich vermute aber, dass er von anderen auch (mit) gelesen und erfasst wird *zwinker*
Das Thema hat jedenfalls einen erkennbar pragmatischen Aspekt, den auch Flusser wohl so sieht und der etwas pessimistisch zu sein scheint (so sehe ich es...). Vielleicht bewirkt sein Gefühl, das sein Verstand die Semantik der von ihm verwendten Begriffe nicht ihrer Natur nach richtig erfasst und in ein geordnetes Schema bringt; ihm also selbst das Problem der Praxis gestellt ist mit den vielen Informationen (im eigenen Verstand) vernünftig zu operieren.... Man sollte beim Umgang mit Sprache selbst richtig sprechen. Wozu eben nicht nur die Kenntnis des Alphabets gehört...

Damit liegst Du nicht falsch @*******are.

@****arm:
Aus welchem Grund richtest du deinen Beitrag nur an mich?

Als Threaderöffner und Threadmoderator obliegt es Dir dazu Stellung nehmen @****arm, oder auch nicht.
Stimmt, das hatte ich ganz vergessen. Ich dachte allerdings, es sei interessant zu sehen, ob nicht auch anderen auffällt, daß Yokowakare den Vortragenden unterm Strich als senilen Quatschkopp abtut.
Nun,
es fiel wohl auf, doch schien mir eine Erwiderung nicht sonderlich lohnenswert.
Nun,
es fiel wohl auf, doch schien mir eine Erwiderung nicht sonderlich lohnenswert.

Warum nicht?
Warum nicht?
Ich schlage vor, sich durch diverse Threads zu wühlen, das Archiv darf gerne ebenfalls bemüht werden.

Im Anschluss sollte zu allen Schreibern eine kurze Expertise bezüglich ihrer Standpunkte erstellt werden.
Besonderen Wert ist dabei auf die Beurteilung der Beweglicheit hinsichtlich der einzelnen Standpunkte zu legen - sagen wir auf einer Skala von 0 bis 10.

Das Ganze dann noch ein wenig grafisch aufpeppen und du hast eine nette und hübsch anzusehende Entscheidungshilfe, betreffend bei welchem Thema und zu welchem Beitrag sich die Arbeit einen Beitrag zu schreiben (und einen guten Beitrag zu schreiben artet leicht in Arbeit aus!) lohnt.

Ob sich dieser lohnt?
Ich weiß es nicht!
*******alm Paar
7.574 Beiträge
bedeutung...............
Wenn wir wieder >Illiterati< sind und uns in einer Situation befinden wie zur Zeit der Entwicklung der Schrift, und zwar in dem Sinne, daß wir der neuen codes nicht mächtig sind; was bedeutet das?

.................die schrift ist eine krücke der sprache.
ein raum der einsamkeitsbewältigung.

calm
@oberarm
Was ist damit gemeint?

Stimmt, das hatte ich ganz vergessen. Ich dachte allerdings, es sei interessant zu sehen, ob nicht auch anderen auffällt, daß Yokowakare den Vortragenden unterm Strich als senilen Quatschkopp abtut.

Es hängt oft nur an der Form eines Beitrages, ob er als Quatsch erscheint. Ein mit 'Ernst' verfaster Artikel, auch und gerade wenn er etwas leicht oder humorvoll geschrieben ist, reicht da nie ran...; eine gut geformte Meinung, sie kann sein wie sie will, sie ist immer lesenswert.
In deinem post vom 26. Januar sprichst du Flusser im letzten Absatz die Fähigkeit ab, mit der Semantik angemessen umzugehen und vernünftig zu argumentieren.
kein Quatsch
Deshalb ist er nun doch aber noch kein 'Quatsch...'; aber es war schon etwas 'scharf' (formuliert), gut ich habe gefehlt... Du hast Recht.
Soso, du hast also gefehlt, mein lieber Yokowakare. Was fehlt dir denn zum Verständnis des Textes, oder besser; des Vortrags? Hast du zuvor schon einmal von Flusser gehört oder gelesen? Er wird ja in bestimmten Wissenschaftskreisen nicht anerkannt, weil er als unfundiert gilt. Denkst du das auch?
*
Wenn wir wieder >Illiterati< sind und uns in einer Situation befinden wie zur Zeit der Entwicklung der Schrift, und zwar in dem Sinne, daß wir der neuen codes nicht mächtig sind; was bedeutet das?

seit wochen denke ich darüber nach. und seit wochen stelle ich fest, dass ich - klassisch-humanistisch gebuildet - tatsächlich den neuen codes hinteherhinke. allemal tickern meine finger nicht so schnell auf tastaturen, wie der der jüngeren, und zum wischen auf phones habe ich mich noch nicht emporgekauft.
aber ich sehe, dass ich schnell lerne, wenn ich interaktive foren besuche. und dass ich teil eines prozesses der erschaffung der codes bin.
der empfang und die weitergabe der information werden täglich modifiziert und moduliert. reguliert von der werbung, recycelt von der rückkopplung und entledigung, angereichert, verschlankt... verwertet eben. wenn >wert< mal wertfrei sein soll.
ich sehe, wir sind alle lernfähig. und wir kreieren die codes, insofern, als wir uns beteiligen, auch wenn wir sie nicht verstehen. das ist anders als im mittelalter nicht... auch damals verrann milieu-spezifische information in das sediment der illiterati, etwa wenn ein klerikales lied abgewandelt wurde, durch den sog des volksmunds, und daraus eine ballade oder ein anderes säkularisiertes werk/ eine neue tradition enstand.

wir sind ratlos, aber nicht radlos.
eine andere sicht
ist jene auf die immaterialität. ob flusser die bedingungen des online-lebens vorausehen konnte, weiß ich nicht. das ubiquitäre.
sobald ich denke, begebe ich mich aus der welt heraus und betrete das universum der imagination. für manche ist der horizont ein punkt, den sie standpunkt nennen, für andere die unbegrenzte vielfalt der aktionsmodi. dazwischen das meer des sagbaren.

jenseits der unwillkürlichen, unreflektierbaren teilnahme an der erschaffung neuer codes (und codices), der wir nur schwerlich entgegensteuern können, bleibt die frage nach der identitätsstiftenden rückkopplung. im theoretisch unbegrenzten raum der virtualität stehen jedem beliebig viele bunte sandförmchen zur verfügung und beliebig bunte welten können an beliebig lauten kirmesbuden an beliebig talentierte schützen verlost werden.
das ist fein. so wird ein jeder eines tages die echten münzen von den falschen jahrmarkttalern sortieren müssen und summasummarum-mathematiker werden ihre eigenen logikgesetze ratifizieren. das hohle wird das volle und das volle wird das leere und was bleibt ist das sogenannte "rest-selbstbild", wie morpheus es in >matrix< annonciert.
man wird gesagt und geschrieben und gepostet haben und mit etwas disziplin auch noch abgespeichert haben was man von sich gab. kultur ist das immer noch, auch wenn der flusser´sche regenwurm das im rahmen seiner naturkohärenten physiologie als dünnschiss mir bauchkrampf bewertet.

wohlan, mehr desselben!
*******alm Paar
7.574 Beiträge
wir...............
Wenn wir wieder >Illiterati< sind und uns in einer Situation befinden wie zur Zeit der Entwicklung der Schrift, und zwar in dem Sinne, daß wir der neuen codes nicht mächtig sind; was bedeutet das?

..............befinden uns im pflegeheim des lebens und die konsumhüter bewachen und pflegen uns.

ihre gedichte sind in schlagworten verpackt,

Alles Müller, oder was? .... find' ich gut! Nichts ist unmöglich. Gute Preise. Gute Besserung. Wenn's um Geld geht... Das einzig Wahre. Geiz ist geil! Ich bin doch nicht blöd. .....macht Kinder froh und Erwachsene ebenso. Wohnst du noch oder lebst du schon? Ich liebe es. Da weiß man, was man hat. Wir machen den Weg frei. Come in and find out. Heute ein König. Die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt.

ein jetztzeitlicher cod oder kot?

calm*namd*
cod
in der metabene ist flusser´scher
kot
. kultur chiffriert er als exkrement, weil da einer information verspeist, verwertet und ausgeschieden hat. als etwas anderes, als er fraß.
wenn er nur das ausscheidet, was er zu sich nahm, bedeutet die calm´sche aufzählung nur: ich kenne diese syntagmen.
ich reproduziere gehörtes.
bringe ich das mit etwas in verbindung, lasse also eine paradigmatische ebene zu, beginnt es schon nach kultur zu riechen. etwa wenn man zitate (aus dem "leben des brian" ...) sinnhaft (kongruent oder divergent, logisch oder paralogisch etc.) verknüpft und damit eine rede befüllt.

man stellt manchmal fest, dass redner zu einem irritierend hohen anteil auf solche versatzstücke zurückgreifen. sprache aus der dose. mein paradebeispiel ist "der sturm zog eine schneise der verwüstung ...". da werde ich knieschwach, wenn das ein journalist sagt, wenn es aber jemand life, laut von sich gibt, macht es mich hirnlahm. es gibt hunderte solcher beispiele, aber wegen des einen ist mein gedächtnisspeicher jetzt suspendiert.

die art, zu discounterformulierungen zu greifen, macht aber nicht vor der wortwahl halt. man übernimmt ganze sätze, also ganze gedanken. also den kot eines anderen, und frisst den.
kann ja passieren, sagen die fliegen. man redet oder schreibt so, dass es sich anhört, als zitiere man allgemeinplätze, man denkt so, und in der tat ist es allgemeinplatz. aber man merkt es nicht.
und ich finde, es macht hier fast keinen unterschied, wenn man etwas nachplappert, ob man es bei gadamer las oder in der fernsehwerbung sah. die qualität ist in dem enthalten, was man daraus verdaute. man erkennt das unverdaute nur als kenner eines jeweils anderen datenpools, aber man erkennt es. man erkennt, ob eine gedankenkette individuellen mehrwert hat oder rein kalorischen, zum erhaltung der stand by -funktionen im gehirn.

ob flusser unfundiert war, kann ich nicht sagen. ich kann nachbeten, er gälte so.
ich finde, er war infundiert. er hatte von einer infusion getrunken, die, wenn ich ihn höre, mich an alchemie denken lässt. einer, dem die disziplinen noch gefügig waren, wie einst orpheus die wilden tiere.
man muss schon einen besonderen tee in den uni-mensen der welt gebraut haben, wenn man sich allen ernstes über die analphabeten der immateriellen kultur sorgen machen kann.
die materielle ist noch nicht mal gelesen worden.
Flusser spricht von den Ideen, die unveränderlich im Himmel stehen. Dazu ein Witz:

Die neuen Rekruten sind angetreten. Der Hauptmann wendet sich an einen: „Sagen Sie mal, was waren Sie im Zivilberuf?“ „Ich habe Philosophie studiert.“ „Toll, dann wissen Sie sicher, was eine Idee ist.“ „Ja, Platon verstand unter Ideen die unveränderbaren Urbilder der unvollkommenen irdischen Dinge als ihre Nachbilder.“ „Ausgezeichnet! Dann nehmen Sie mal Ihr Gewehr eine Idee höher!“
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