Poeti's Blog

Da saß er nun …

Die Sonne schien heute den ganzen Tag so, als ob sie etwas nachzuholen hätte.

Ja nachzuholen, das hatte er sich vorgenommen und nun saß er in dem chinesischen Garten und wartete. Er hatte ihr eine Überraschung versprochen und die hatte er nun im "Garten von Duft und Pracht" vorbereitet.

Ihn beeindruckte es immer wieder, wenn er durch die Pforte des Frühlings den Garten betrat und dann durch die verschiedenen Jahreszeiten lief.

Für das Wiedersehen hatte er sich den großen Pavillon am Wasser als Ziel überlegt, da man von hier aus alle Teile des Gartens im Blick hat. Er hatte extra alles für eine besondere Teezeremonie eingepackt und für sie die Pfauentasse mitgenommen.

Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie sich gegenüber gesessen und sich in die Augen geblickt hatten. Damals schien die Zeit still zu stehen und er konnte seinen Blick nicht von Ihr lösen. Doch was danach kam, daran wollte er sich nicht mehr gerne erinnern. Mit seiner Ungeduld und seinem Misstrauen hatte er wohl alles verdorben.

Doch als er Ihr vor ein paar Tagen wieder über den Weg gelaufen war, hat er sie um ein neues Treffen gebeten und sie hatte zu seinem großen Glück zugesagt.

Und nun saß er da, ungeduldig wartend und doch froh. Er kam sich wie ein Junge vor, der mit seiner Schultüte im Arm dastand und darauf wartete, das sich die Schultür öffnet und er endlich nachschauen kann, was sich in der Tüte befindet.

Sie hatte so wundervolle grünbraune Augen. Wenn sie lachte, dann war es irgendwie so, das alles so viel leichter schien und sie lachte so oft und gerne.

Eigentlich hatte er das Gespräch schon vollkommen geplant und im Kopf , auf der anderen Seite würde er wahrscheinlich keinen Ton herausbekommen und ihr einfach nur in die Augen schauen. Sie würde es verstehen, die Pfauentasse vor sich stellen und ihm bei der Teezeremonie beobachten.

Ja, das alles würde wohl seine Prüfung sein und er hatte sich vorgenommen, alles perfekt zu machen.

Als er erneut aufblickte sah er sie durch die Pforte schreiten, Ihr Haar glitzerte in der Sonne und er war einfach nur glücklich.

Lange war es her das ich diesen Platz besucht hatte. Als Kind hatte ich hier viel Ziet verbracht bei Oma und Opa. Wie schön war diese Zeit gewesen. Mit Ops in seiner Werkstatt Holzspielzeug basteln oder auch mal ein Regal schreinern für Oma. Mit Oma Pflanzen setzen, züchten in kleinen Töpfen - welche in dem mit Ops geschreinerten Regal standen - , liebevoll pflegen bis sie soweit waren in den Garten entlassen werden zu können. Irgendwann wurde auch ich in die Welt entlassen oder eher wandte ich mcih ab und ging hinaus.

Wieviel Zeit hatte ich verstreichen lassen zwischen den wenigen Besuchen oder auch nur Lebenszeichen? Viel zu viel Zeit denke ich nun traurig, dass ich die Zeit nicht zurück drehen kann. Zu spät. Zu spät von Omas Pudding, den nur sie so machen konnte zu naschen, von ihrem selbst gebackenem Kuchen und der Suppe aus ihrem eigenen Gemüse zu kosten. Zu spät mit Opa auf der Bank zu sitzen und mir aus seinem Leben erzählen zu lassen. Von seiner Zeit als Schüler, Lehrling, Soldat. Von der Zeit wie er Oma kennen und lieben lernte. Wie es war Vater zu werden. Zu spät.

Es bleibt mir nur Euer Haus in Ordnung zu bringen. Die Reste Eures Lebens zu sortieren in behaltenswert und zum wegwerfen. Was gibt mir das Recht hier die Entscheidungen zu treffen? Alles hier erinnert mich an schöne Stunden, an Trost, Wärme, Liebe die ich geschenkt bekam. Und doch nehme ich die Töpfe die so viel zum Wachsen brachten und werfe sie zum Müll. Viele sind schon zerbrochen, andere werfe ich dazu in der Hoffnung den Schmerz damit mit vertreiben zu können. Dann treffe ich die Entscheidung und sammele die noch ganzen Töpfe wieder ein. Treffe die Entscheidung sie zu hüten, selbst Pflanzen zu ziehen und meinen Enkeln vielleicht das Gefühl geben zu können das mir geschenkt wurde. Bis ich auch sie eines Tages in die Welt ziehen lassen muss, aufs Altenteil muss ... Bis sie mein Haus räumen müssen.

In der Heimat meiner Großeltern gibt es nach jeder Beerdigung einen Leichenschmaus.

Da erzählen dann die Menschen Ihre Erinnerungen, die sie mit diesem Menschen hatten. Für mich war das immer wieder etwas sehr Bewegendes. Irgendwo zwischen einem traurigen Ereignis und einer riesig großen Neugier angesiedelt. Die Neugier kam daher, weil man plötzlich Geschichten erzählt bekam, die ich als Kind und junger Mensch so noch nicht erzählt bzw. gehört bekommen hatte.

Geschichten von Liebe, Leidenschaft, Geschichten von besonderen Momenten, aber auch Geschichten über die man herzhaft lachen konnte.

Das war für mich eine gebührende Verabschiedung von dem Menschen, den man gerade zu Grabe getragen hatte.

Mit meiner Oma auf den Friedhof zu gehen war immer wieder ähnlich.

Während wir die Gießkannen am Brunnen nahmen und mit Wasser auffüllten, hatte sie immer eine Geschichte zu den Menschen parat, dessen Grab wir dann anschließend begossen.

Das war für mich die Fortsetzung dieser Leichenschmause. Oft hatte ich da das Gefühl, das es die Menschen lebendig voller Farbe weiter leben ließ. In den Erinnerungen, in den Geschichten, genauso wie über die Erlebnisse, wo man über sie herzhaft lachen konnte.

Ich habe noch ganz viele Erinnerungen, Erlebnisse über meine Großeltern und auch meine Eltern in mir. Solange ich noch lebe, werde ich sie weiter erzählen und solange bleiben sie für mich lebendig und für all diejenigen, die die Geschichten gerne hören wollen.

Ab und an war ich schon versucht, sie aufzuschreiben, doch das wäre etwas ganz anderes. Dann fehlt der Bezug, dann fehlt die Begegnung. Wie die Augenblicke, wenn wir die Gießkannen in den Brunnen eintauchen lassen, er mit Wasser gefüllt ans Grab getragen wird und das Wasser auf die Blumen und den Schmuck langsam herunterprasselt.

Für mich gehören die Geschichten, die Erinnerungen immer dazu, wenn ich zwischendurch einmal an die Gräber gehe und zur Gießkanne greife.

Ich schaue mir immer wieder auch gerne „alte“ Friedhöfe an, zum Beispiel den Zentralfriedhof in Wien oder in Berlin den jüdischen Friedhof.

An diesen Orten fallen mir dann immer wieder auch Geschichten aus meiner Familie ein, Geschichten von Onkel August und von Onkel Johann, der mir ein paar der Sterne gezeigt hat, der einfach super gut zugehört hat.

Da ist dann manchmal Lachen und Weinen ganz nahe beieinander und doch ist es so, das es lebendige Erlebnisse weiterhin lebendig macht.

All diese Menschen leben in unserem Herzen, in unseren Erinnerungen weiter und manchmal erzählen wir sie Ihnen auch wieder laut oder leise, wenn wir das Wasser fließen lassen.

"In die Röhre gucken...", sage ich, als ein Bekannter mich anruft und fragt, was ich gerade mache.
"Das tut mir sehr leid, was ist denn passiert? Hast du einen Wettbewerb verloren?"
"Was? Nein!", entgegne ich. "Wie kommst du denn darauf?"
"Das sagt man doch so, wenn jemand nicht gewinnt."
"Oh doch, ich gewinne...", entgegne ich mit einem Lächeln und lege auf.

Wenn du mich ansiehst, steht sie still, die Zeit.
Deine Berührung wird sie ganz verjagen.
Schweb schwerelos in froher Willigkeit.
Nehm nur auf und vergesse die Fragen.

Bin abgetaucht in deinen tiefsten Tiefen,
betrunken von der Stärke deiner Hand.
Nullzeit verschwommen, die Sekunden liefen -
Dekompression, dann komm ich an dein Land.

Von Strömung und Wellen angespült
auf den Strand in den Sand unterm Mond.
Was sich wie Rippel im Watt anfühlt,
sind Spuren von dem, was hier wohnt.

So komm ich nach Haus, wo ich leben will,
wo ich atmen kann, einfach sein.
Hier liegt mein Anker, die See ist ganz still.
Klares Wasser, Gedanken ganz klein.

Jetzt ist Echtzeit und Echtzeit ist immer.
Echtheit braucht kein Gespür.
Ein Moment und ein Ort, ohne Glanz und Glimmer,
eine Geschichte, ein Wort, eine Tür.