Ich glaube, dass das sehr subjektiv ist.
Mir erscheint es zudem so, als gäbe es da einen großen Unterschied zwischen der Onlinewelt und der "realen Welt" von Fesseltreffen, Partys, Stammtischen, etc.
Man kann im Bondagebereich ziemliches Shibari-Bullshitbingo spielen und Neueinsteiger sehr fix vergraulen, indem man ihnen gleich zu Anfang dutzende Fremdworte um die Ohren knallt. Dieses Phänomen fällt mir Online gerne einmal auf. Das hat aber auch etwas damit zutun, dass selbst bei Anfängerthemen gerne schnell erfahrene Bondagemenschen miteinander zu diskutieren beginnen und dann vergessen, dass sie eigentlich gerade nicht miteinander sprechen, sondern mit einem Anfänger.
Da wird dann rasch mit bestimmten Ryu-Eigenheiten, etc. argumentiert, obschon der Einsteiger davon noch gar nichts gehört hat und schon gar keine Erläuterung darüber braucht, warum der TK in Ryu A jetzt für die und die Art besser geeignet sei als der TK von Ryu B.
Manchmal hilft da ein kurzer Hinweis um die sprachliche Hürde wieder etwas zu senken.
Generell ist das gesamte BDSM breiter geworden. "Mode" würde ich als Begriff vermeiden. Es wird gerne erwähnt, dass mit Büchern und Filmen wir 50 Shades of Grey eine gewisse Art BDSMler dazu gekommen sei. Das würde ich nicht unterstreichen. Diese Menschen kamen mal über solche Werke kurz rein, sahen dann, dass BDSM eigentlich etwas ganz anderes ist und waren nie wieder gesehen.
Der Einstieg in die BDSM Welt ist heute einfach, auch durch Plattformen wie diese, leichter möglich.
Es finden viel mehr Menschen den Weg in die BDSM-Subkultur und damit auch zu Bondage mit all seinen Facetten.
Generell empfand ich den Einstieg in das Bondage aus diversen Gründen als schwierig. Details dazu finden sich auf einer Website in meinem Profil, da ich nicht alles wiederholen möchte, was dort schon steht (zudem ich es dann selbst lesen müsste und noch auf die Idee käme einiges umzuformulieren, was mir immer bei älteren Texten passiert).
Ich ließ mich arg von Ehrgeiz ziehen. Bondage mag, was sehr subjektiv ist, so erscheinen als wäre es oft auf "höher, schneller, weiter" aus. Wenn Gesuche da sind, dann wird der "fertige Rigger" gesucht, der schnelle Satisfaktion bietet. Das wird heute durchaus durch Shows und Fotos, Videos, etc. gestützt. Mir leuchtet ein, warum ein neues Bunny sagt "das will ich auch, und zwar genau so!" nachdem sie eine Show gesehen hat. Und dann geht man los und sucht jemanden, der genau so, oder zumindest ähnlich, fesseln kann. Man möchte ja etwas erleben.
Daraus ergibt sich schnell das Bild, das mir immer wieder vor Augen springt. Jenes, das die Szene so erscheinen lässt als gäbe es nur "Meister", die lange Jahre Erfahrung haben, und Einsteiger, die mal etwas "tüddeln" und zu den ersten Workshops gehen. Die "Mittelschicht" ist oftmals unsichtbar.
Online, gerade auf Partnerbörsen, mag das noch dadurch gefördert werden, dass die wenigstens sagen, dass sie gerade nicht sofort "liefern" können. Man stellt sich oftmals als maximal positiv dar. So wirkt es schnell als gabe es zwischen "Start" und "Viel Erfahrung" fast nichts.
Gesuche tragen ihr übriges dazu bei. Bei den wenigstens Bunnygesuchen sucht ein Bunny den Einsteiger. Das ist aber auch völlig verständlich und soll nun nicht als Kritik wahrgenommen werden. Wenn ich einen Squash-Partner suchen würde, dann sage ich auch nicht, dass ich gerne jemanden interessiertes aber total unerfahrenes haben möchte, gerade wenn ich schon auf hohem Niveau spiele und das auch so fortsetzen möchte. Das ist jetzt ein blöder und stumpfer Vergleich, der lediglich herausstellen soll, dass ich es absolut verstehe warum ein Bunny, dass Lust auf Seillustbefriedigung hat und mehr nicht sucht vor allem das Niveau sucht, dass sie fix und sicher zu befriedigen weiß. Man kann da eher die Tendenz der letzten Jahre zur schnellen, austauschbaren, Lustbefriedigung in der gesamten BDSM-Subkultur, denn das betrifft nicht nur Bondage, kritisieren.
Dieses "ich muss immer höher, immer schneller, immer weiter" ist aber kein Szeneding. Ob man sich selbst so mitreissen lässt ist eine subjektive Entscheidung. Man selbst springt in diesen Fluss und rudert wie blöde, bis man vor Erschöpfung unter zu gehen scheint. Die Szene fördert das nur indirekt durch das was ich oben schon schrieb: Bondage ist eine Kunstform und wenn Bondage künstlerisch dargestellt wird, dann sieht man natürlich genau das und eben nicht den Rigger, der im zweiten Monat noch trainiert, noch Fehler macht, noch keine "große Kunst" darstellen kann. Oder man fühlt sich unter Druck gesetzt, weil man gerne die Anforderungen suchender Bunnies erfüllen möchte, aus deren Raster man stets herausfällt, weil man nicht gleich Transition-Suspension fesseln kann.
Kurzer Einwurf: Es ist ohnehin ein merkwürdiges Ding zu denken, dass es für emotionales und intensives Bondage erst X Jahre an Erfahrung und Suspensions braucht. Das ist totaler Nonsens. Selbst mit wenigen Monaten solider Erfahrung in Grundfesselarten kann man intime, intensive und emotionale Fesselungen erleben. Wer meint, dass es dazu Rigger mit mindestens 10 Jahren Erfahrung braucht soll ohnehin zum Teufel gehen, salopp und mit einem lächelnden Auge gesprochen
Die Frage, die man sich selbst stellen sollte, lautet: Muss ich mich überhaupt daran orientieren? Wofür fessele ich überhaupt? Kann ich mich mit Berufsriggern vergleichen, die das seit Jahren 7 Tage die Woche machen? Diese Vergleiche sind Quatsch. Wenn man anfängt zu Joggen oder Rad zu fahren, dann vergleicht man sich ja auch nicht gleich mit den Olympia oder Tour de France Profis. Warum macht man das dann an dieser Stelle?
Selbiges gilt bei der Partner*innenwahl. Wenn Bunnies unbedingt den Suspension-Hengst oder Hengstin suchen, dann muss einen das nicht bekloppt machen und auch nicht unter Druck setzen. Der Großteil der aktiven Fesselbegeisterten gehört nicht zu der "Partner-wechsel-dich"-Fraktion und gehört auch nicht zu jenen, die die neueste Satisfaktion suchen. Es gilt, was auch im gesamten BDSM gilt: Die meisten Paare machen das für sich. Zuhause. Oder sie gehen gelegentlich auf einen Treff, ab und an auf einen Workshop, nehmen das aber bei Leibe nicht so exzessiv und obsessiv ernst, wie es manchmal erscheint.
Man muss sich nicht 24/7 mit Seilen umgeben um Spaß am Fesseln zu haben.
Die meisten von uns machen das nicht beruflich.
Die meisten von uns setzen bei der Partner*innenwahl mehr voraus als "mag auch Seile" oder "fesselt mich alle 2 Tage für 4 Stunden (übertrieben gesprochen) und geht dann wieder, ehe wir noch bemerken, dass wir sonst keine Gesprächsthemen haben".
Bondage soll Spaß machen.
Es soll nicht hetzen.
Es soll nicht dazu führen, dass man sich unter Druck gesetzt fühlt.
Es gibt keine Einstiegsvoraussetzung um Spaß am Bondage haben zu dürfen.
Ja, so manche Diskussion wirkt recht elitär. Letztendlich muss man aber auch gar nicht bei jeder Diskussion partizipieren. Wenn sich zwei langjährig erfahrene Shibarimeister (ich mag den Begriff Meister eigentlich gar nicht, daher nicht so ernst verstehen
) unterhalten, dann fliegen die Fachbegriffe nur so. Das dürfen und sollen die beiden, oder die ganze Personengruppe, die dort gerade diskutiert. "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt." (Wittgenstein). Natürlich nutzt man in Fachdiskussionen Fachsprache, weil man Details wesentlich klarer differenzieren und artikulieren muss.
Wenn man das bei einem Anfängerthema macht, dann rast man natürlich gerade an der Zielgruppe vorbei und die Person, die eigentlich eine Frage hatte, denkt nur "was sind das denn alles für selbstdarstellende Yuppies? Können die nicht normal reden? Müssen die gleich einen verbalen Schwanzvergleich anstellen?" Das Phänomen hat man aber auch in anderen Bereichen. Das hat man auch im beruflichen Alltag. Daher sehe ich das zunächst nicht als Problem der Bondage-Szene. Manche Menschen stecken so tief drin, dass sie manchmal vergessen, dass sie mit einem Anfänger sprechen und selbst einmal Anfänger waren.
Jeder hat einmal angefangen. Vergleich euch nicht mit anderen.
Euer Bondage ist euer Bondage.
Der beste Kontakt in die Szene findet zudem offline statt.
Lasst euch nicht unter Druck setzen. Habt, wie schon geschrieben, Spaß, denn um nichts anderes geht es: Das zwei Menschen miteinander Spaß haben.