„Irgendwie finde ich das Ganze immer noch ein wenig zu dogmatisch.
"Ausnahmen bestätigen die Regel", heißt es doch immer so gerne. Gerade hier sehe ich das Potential für jede Menge Ausnahmen! So viele, dass man sich bisweilen fragen könnte, ob es überhaupt eine Regel gibt.
Beispiel: Sub kommt total abgekämpft nach Hause. Ist vollkommen erschöpft, erzählt ständig von der Arbeit, die sie einfach nicht aus dem Kopf kriegt.
Dom hört sich das eine Weile an. Ihm gefällt sie so nicht.
Also legt er sie übers Knie. (Einfach so. Weil er's kann.
) Verhaut sie, dass der Hintern einen Tag später garantiert alle Farbschattierungen intus hat.
Und sie? Grinst, obwohl sie so schmerzvoll gelitten hat, über beide Ohren. Der Alltag ist weit weg. Sie ist auf einmal geerdet, schmiegt sich an ihn, kuschlig, brav und still.
Das gefällt ihm schon besser.
Von Lust habe ich hier jetzt mit Absicht nicht geredet. Die gab es in dem Beispiel nämlich gar nicht.
Aber! Er ist glücklich.
Weil sie es (wieder) ist.
Und er es mag, sie so zu sehen.
Nicht dominant genug?
Ich tippe mal drauf, dass sie auf diese Frage sachte bis vehement den Kopf schütteln würde.
So kann eine Session ablaufen. Kann!
Und da sind wir wieder bei dem Punkt der Dogmen und der Einsortierungswut in der deutschen BDSM-Szene.
Bitte nicht falsch verstehen. Ich weiß, dass du das nur als ein Beispiel für einen fluiden Sessionstart meintest und nicht, dass das immer bei jedem Menschen so klappt.
Jetzt das große Aber:
Aber genau das Beispiel habe ich nun schon mehrfach, auch auf mehreren Stammtischen, als Beispiel für dominantes Verhalten gehört. "Wenn sie den Kopf nicht frei bekommt, einfach mal den Arsch versohlen."
Es kommt hier aber sehr sehr stark darauf an ob sie dafür überhaupt empfänglich ist. Ja, es gibt den Typus Mensch, der in Zeiten größten sonstigen Alltagsstresses durch BDSM, etwa durch den klassischen "Arsch voll", den Kopf abschalten kann. Es gibt aber auch das Gegenteil. Es gibt Menschen, die dann absolut nicht in Stimmung sind und biestig reagieren können, wenn ihnen dann eine wie auch immer geartete Session - zu denen ich jetzt einfach auch mal den saloppen Arsch-voll zähle - aufgezwungen wird. Im TPE ist das sicher kein Ding, bei allen anderen Formen der Partnerschaft kann das dann zu massiven Problemen führen. Thema: Übergriffigkeit. Und ja, die gibt es im BDSM auch, wenn etwas nicht 24/7 / TPE ist.
Und wenn dieser Arschvoll sie oder den Sub dann nicht vom Stress löst, sondern eher noch weiter stresst, sich eben nicht das nachträgliche Grinsen einstellt, sondern einfach nur Genervtheit, dann hatte das auch wenig mit BDSM zutun und brachte als universeller Tipp gar nichts.
Ich habe Menschen kennengelernt, die absolut super devot und maso waren, die aber, gerade wenn sie gestresst von der Arbeit nach Hause kamen, erst einmal eine non-BDSM Cooldownphase brauchten in denen man als Partner psychisch anwesend sein sollte, an physische Dominanzgesten aber nicht zu denken gewesen wäre.
Mir selbst geht es als dominanter Mensch sogar ähnlich. Wenn ich sowieso schon im totalen Macher-Orgastress bin - Arbeit, Freizeitorga, Ehrenamt, etc. - dann holt mich eine Session da oftmals nicht raus, weil ich dann dort als Aktiver wieder "mache". Das verursacht bei mir dann nur weiteren Stress. Was ich dann brauche um in Stimmung zu kommen ist ein Cooldown über die Psyche. Eine Sub etwa, die das lesen kann und sachte "ergeben" darauf hinwirkt. Die zunächst da ist, das zeigt, sich zeigt und offenbart. Eine Brat, die mich dann noch foppt und in die Session provozieren will bekommt eher wirklichen Ärger zu spüren (verbal natürlich) als eine Session.
Long Story short:
Es kommt auf den Menschen an.
Es gibt diesbezüglich keine Universalwaffen, keine objektiven Wahrheiten, keine Patentrezepte oder Schubladen, aus denen man die Gebrauchsanweisung für jede Paarkonstellation herausholen kann.
Was das Kennenlernen angeht, da es auch angesprochen wurde, bin ich mittlerweile niemand der sofort in die Session gehen möchte. Ich kann verstehen, dass es einige dominante Menschen mittlerweile entnervt, dass im Vorfeld alles zerredet werden muss, ehe man sich lose trifft.
Mich reizt das Kennenlernen. Ich mag es meine Partnerin Stück für Stück zu lesen, ehe es überhaupt physisch wird. Das bedingt dann natürlich einen längeren, was immer das auch konkret bedeuten mag, Kennenlernprozess. Ich bin zunächst an diesem Menschen und ihrer Gedankenwelt interessiert. Dabei gehe ich aber nicht hin und lasse mir gleich erklären was Dos und Donts sind. Das möchte ich durch Wort, Schrift und Tat erleben. Die Tat kommt dabei aber erst, wenn meine geistige Karte von diesem Menschen, aus dessen Geist ich lese, eine gewisse Form angenommen hat.
Diese Herangehensweise sorgt bei devoten Menschen dann für Frustration, wenn sie denken "anschreiben, direkt treffen, Session". Dafür selektiert es für mich genau diese Menschen aus, die nur die schnelle Session suchen, was absolut okay, aber eben nicht meines ist.