Danke für eure lieben Rückmeldungen hier und via CM. Nachdem sich einige besorgt geäußert haben: mir geht's wirklich gut, es gibt keinen Grund für Mitleid mir gegenüber. Ich kenne (übrigens auch hier) viele Frauen (auf anderen Plattformen auch einige Männer) die ähnliche Kindheits- und Jugenderlebnisse hatten und die heute stabil, lebensfroh und "aufgeräumt" unterwegs sind. Anders als die meisten habe ich den Vorteil, auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen: weder familiär noch beruflich können mir Nachteile durch meine Offenheit entstehen und ich bin halb "öffentlich" aufgewachsen, es fällt mir also nicht besonders schwer, mich auch öffentlich zu äußern.
Darüber hinaus - diese vielleicht überheblich wirkende Feststellung sei mir an dieser Stelle erlaubt: ich bin mittlerweile so eine Art "mentales Schwergewicht", es gibt nur wenige (insbes. Doms, das sieht auf Sub-Seite z.T. anders aus je nach Hintergrund - wirklich starke Persönlichkeiten finde ich häufiger auf dieser Seite des D/S-Spektrums), die mir überhaupt gewachsen wären. Um das Vokabular aus einschlägigen Mißbrauchszusammenhängen zu bemühen: "Überlebende" haben nicht überlebt, weil sie schwache Charaktere wären, ganz im Gegenteil. Und wenn man Erfahrungen als "Ausbildung" begreift, haben ausnahmslos alle damit ein Rüstzeug an der Hand, das sie sehr viel mehr als andere befähigt, sich zur Wehr zu setzen, aus grenzwertigen Erfahrungen gestärkt hervorzugehen und dafür Sorge zu tragen, daß Re-Traumatisierungen nicht allzu nachhaltig wirken können. Auch wenn mir die dafür notwendige kriminelle Energie fehlt: die Fähigkeit, einen übergriffigen "Dom" in die eigene Klinge rennen zu lassen, habe ich und nutze ich im Bedarfsfall auch.
Damit bin ich nicht alleine, ich kenne viele, die ähnliche Hintergründe wie ich haben, und es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, weil ich so überhaupt kein Faible für "Machtgefälle" habe, die aufgrund von falsch verstandenem Mitleid und Mangel an Erfahrung im Umgang mit früheren Opfern viel zu oft zum Ausdruck kommt.
Zurück zum Eingangsbeitrag: da ich fast immer auf einen EP antworte, bevor ich mir die anderen Antworten durchlese (zw. möglichst unvoreingenommen schreiben zu können) ist mir erst jetzt im Lesen aufgefallen, daß ich die Fragen nur unvollständig beantwortet habe. Das hole ich jetzt nach:
Selbst erlebte Beispiele für Grenzüberschreitungen im D/S-Bereich (alle in der "Abklopfphase" - also einer sehr frühen Phase der Annäherung):
1. Ein angeblich erfahrener, dominanter Mann - hatte damals ein eigenes BDSM-Forum - hatte feste Vorstellungen davon, wie ich ihm zu dienen hätte. Unter anderem wollte er mich "feminisieren" (grenzwertig, aber ich war durchaus nicht abgeneigt), Oralverkehr (zu der Zeit eins meiner unverrückbaren Tabus), Öffentlichkeit (Tabu), spielen mit meinen Schamgrenzen (ich kann mich sehr schlecht zeigen) - letzteres übte er mit mir, indem er mich dazu brachte, ihm ein Genitalfoto von mir zu schicken. Wir hatten intensiven Onlinekontakt, nach einiger Zeit auch Telefonkontakt, man war sich sympathisch, er fragte einiges aus meinem sonstigen Leben ab.
Eines Tages ergab sich die Situation, daß ich ihm in seinem Forum offenbar nicht genügend Respekt zollte - und er reagierte mit angedeuteten Interna aus meinem Privatleben. Auf mein "Stop! Rote Zone!" wurde er deutlicher, es war eindeutig eine Art Machtkampf, er wollte mich damit zum Nachgeben zwingen.
Er hat damit massiv Grenzen überschritten, die nicht hätten überschritten werden dürfen. Ich brach den Kontakt radikal ab und verließ das Forum.
Jahre später (genau genommen vergangenen Dezember) begegnete er mir in meinem Stammforum virtuell wieder, er schrieb mir auf die Pinnwand, wer er sei und begann, mich in diversen Threads immer wieder zu provozieren und "zu toppen" (fällt mir grad kein besserer Begriff ein). Zuerst ignorierte ich ihn, daraufhin verstärkte er seine Bemühungen und nachdem ich sah, daß er generell Frauen gerne auch öffentlich bloßstellt, ließ ich ihn "auflaufen", das halbe Forum lachte über ihn. Dann fing er an, relativ massiv anzudeuten, daß er jenes Foto von mir noch hat - öffentlich, deutlich genug, daß ich verstand, was er meinte. Hat mir im ersten Moment Angst gemacht, dann sorgte ich für Ruhe. Er ist seitdem ausgesprochen zurückhaltend und respektvoll mir gegenüber. Grenzüberschreitungen funktionieren nie einseitig.
2. Ein ebenfalls recht aktiver Dom mit Erfahrung, ebenfalls noch Kennenlernphase, aber ich hatte bereits ziemliches Vertrauen in ihn entwickelt und war verschossen. Rückblickend hat er mir auch einiges an Verständnis für D/S-Spiele vermittelt. Eines Tages erklärte er, daß er mich zwingen werde dabei zuzusehen, wie er eine seiner anderen Subs quält. Damit wollte er wohl meine Eifersucht triggern, aber er erwischte eine meiner sehr stark ausgeprägten Grenzen: ich kann nicht sehen, wenn eine Frau geschlagen, gequält oder gedemütigt wird. Da reagieren meine Reflexe, ich schmeiße mich unweigerlich dazwischen - das ließ ich ihn auch wissen. Daraufhin stellte er fest, daß ich lernen müsse, sowas mit anzusehen, er werde mich also fesseln und dann vor meinen Augen mit anderen Subs spielen. Das war für mich nicht nur grenzüberschreitend, sondern auch überfordernd: ich heulte wie'n Schloßhund und träumte einige Nächte ziemlich übles Zeug.
Einigen konnten wir uns an dem Punkt nicht, aber das war auch nicht mehr nötig, wir wurden uns auch aus anderen Gründen ohnehin nicht einig, was konkrete Spiele miteinander angeht.
Beispiel für Überforderung: hier tu ich mich schwer. Mich zu überfordern ist relativ leicht, im Grunde genommen überfordere ich mich selbst sehr oft, ich merk's meist erst mit einigen Tagen Verspätung. Kann man Überforderung so nennen, wenn man gelernt hat, die Folgen davon in verträgliche Bahnen zu lenken?
Hier meine Frage an jene, die von Überforderung schreiben: wie äußert sich das? Und was ist so schlimm daran, überfordert zu werden?
Da kann ich nur für mich sagen: ich tue Dinge, obwohl sie mir Angst machen, ich tue Dinge, die mich überfordern. Und ich wachse daran, selbst wenn ich es hasse, zu weinen, zu zittern oder nicht mehr weiter zu wissen. Aus jeder solchen Erfahrung bin ich bisher gestärkt hervorgegangen, deshalb fällt es mir schwer zu verstehen, was so schlimm daran sein soll.