Schön wäre es, ein nachvollziehbares Konzept oder - besser noch - eine Theorie davon zu haben (das wird vielen wieder zu verkopft sein).
Aber ich versuche es einmal folgendermaßen (und schon mal vorweg gesagt. Ich hatte für das, was da jetzt kommt, eine Gedankenspur, die sich erst beim Schreiben konkretisierte. Das ist genauso aus- oder unausgegoren wie manches andere in den Foren auch. Ich denke das eben "my way" und wer das nicht mag, muss nicht weiterlesen.):
In der Regel sollte eine Dominanz-/Submissions-Beziehung auf Freiwilligkeit beruhen. Die Unterwerfung der Sub findet konditioniert statt, d.h. zu bestimmten, sehr individuellen Bedingungen. Auch wenn hier und da von Sklaven-/Sklavinnenverträgen gesprochen wird, würde ich hier lieber von einem Pakt oder Bund sprechen. Das ist aber eher Kosmetik.
Auf das Thema Freiwilligkeit komme ich gleich immer mal wieder zurück, aber ich möchte zielgerichteter auf die Frage von Entwicklung oder Modifikation zu sprechen kommen.
In der Regel hat Sub Vorstellungen entwickelt, was geschehen soll, damit ihren Bedürfnissen entsprochen wird. Bspw. in bestimmten, genau definierten Bereichen (siehe diverse Neigungsbögen) die Kontrolle abzugeben und damit Handlungen oder Verhaltensweisen geschehen zu lassen. Im Zweifel geschieht das hin bis zum TPE (Total Power Exchange), die Übergabe totaler Kontrolle bis hin zu 24/7. Bis dahin ist aber alles denkbar.
Das sollte natürlich mit den Vorstellungen eines dominanten Parts weitgehend übereinstimmen. Wird es aber nicht immer.
Jetzt haben Sub und Dom unterschiedliche Stände im Hinblick:
• auf ihre Fantasien (Art, Umfang)
• die technische Umsetzung (können, z.B. einen Deep Throat zu beherrschen, gut zu spanken etc.)
• auf das Überwinden eigener Ängste, eines Schamgefühls oder bestimmter Konventionen.
Sub und/oder Dom sind erfahren oder unerfahren zumindest im Hinblick auf diese Spiegelstriche.
Jetzt gibt es unterschiedliche Pole, die sich bei beiden zu Konstellationen zusammensetzen:
• Sub erfahren und unerfahren
• Dom erfahren und unerfahren
Greifen wir uns die reife Variante heraus:
Sub erfahren (weiß genau, was sie wie will, kann das, was sie bisher gemacht hat, sehr gut), Dom erfahren (weiß genau, was er will, kann das, was er bisher gemacht hat, sehr gut). Das, was sie beide gut können, genießen sie. Sub in völliger Unterwerfung, Dom in völliger Dominanz.
Sub hätte jetzt gern etwas von Dom, was er noch nicht gemacht hat. Also muss er es lernen. Darüber wird aber zumeist nicht gesprochen. Dom wünscht sich etwas von Sub, das sie bisher noch nicht gemacht hat. Will Sub das nicht und ist selbstbewusst, dann findet es nicht statt. Es wird nicht Teil der Vereinbarung, die beide schließen.
Will Sub das (ob selbstbewusst oder nicht ist dann auch egal), dann lässt sie sich führen. Und dann findet eine Entwicklung statt. Man könnte das auch mit Begriffen wie "Erziehung", "Potenzial ausschöpfen" oder "Wachstum" bezeichnen. Das ist wohl eher die Frage, wie die beiden das nennen wollen.
Der entscheidende Punkt: Es findet aufgrund einer (stillschweigenden) Vereinbarung statt. Der Dom kann es auch ansprechen und Sub macht mit. Das empfinde ich als freiwillig. Sub folgt dem Dom.
Sprechen wir in diesem Kontext von Modifikation: Bspw. die Geschlechtsteile zu beringen. Dom möchte das, selbstbewusste Sub will es aber nicht. Je nachdem, welche Charaktere sich da treffen, kann das in einen tollen Streit ausarten. Oder Sub sagt: No und Dom akzeptiert, weil er die Beziehung nicht scheitern lassen will.
Jetzt erkennt aber Dom, dass Sub sich das vorstellen könnte (warum auch immer). Dann wäre es doch schön, wenn Dom ergründet, was Sub fehlt, es in die Tat umzusetzen, und mal mit lockerer oder härterer Hand Gehorsam einfordert. Ein extrem dominanter Part würde frühzeitig schon bedingungslos verlangen, die verständnisvolle Variante behutsamer vorgehen und mehr Raum lassen, bis Sub folgt.
Der sehr dominante Dom wird das als Entwicklung, Wachstum usw. über die Grenzen und womöglich sogar als Verhaltensänderung ansehen. Und in gewisser Weise ist es das auch. Aber es geschieht (noch) innerhalb der getroffenen Vereinbarung zwischen Sub und Dom und damit freiwillig.
Grenzwertig ist es dann, wenn Sub zu dem Schluss kommt "Nö", aber Dom weiter fordert. Dann entsteht Zwang und der Grundsatz der Freiwilligkeit oder auch des Consensual aus SSC wird verlassen.
Sub folgt dann nicht mehr aus eigenen Stücken, sondern weil sie abgewogen hat, dass sie die Modifikation, die ihr nicht gefällt, in Kauf nehmen muss, wenn sie die anderen, positiven Aspekte einer Beziehung weiter haben möchte und die Beziehung nicht gefährden möchte. Die selbstbewusste Sub trifft diese Entscheidung abgewogen und macht dies vielleicht sogar deutlich.
Jedes Vorgehen, in dem in irgendeiner Form Zwang ausgeübt wird, lehne ich grundsätzlich ab. Was aber auch bedeutet, dass es Felder hoher Dominanz, Konsequenz und einer gewissen Härte geben kann (bei vollständiger Übereinstimmung) und wiederum Felder, in denen mittlere Dominanz, im Sinne von Leiten und Führen notwendig ist, damit vereinbarte Entwicklungsschritte durchlaufen werden.
Aufbauend auf diesem (Gedanken-)Modell lassen sich jetzt weitere Grundtypen ableiten:
• Sub unerfahren, Dom unerfahren: beide entwickeln sich weiter, müssen sich aber selbst finden. Dom verlangt Dinge - auch aus Unerfahrenheit heraus, die Sub nicht zu geben bereit ist. Finden sie keine gemeinsame Gesprächsebene, dann - so stelle ich mir vor - sieht das so aus, als wollte Dom in eine Richtung entwickeln, die Sub nicht möchte, aber aus Unerfahrenheit die Beziehung nicht beendet.
• Sub unerfahren, Dom erfahren: Das ist - so meine ich - der Musterfall dafür, dass man von Entwicklung, Potenzial erschließen und so weiter spricht. Die Sub, die noch schwankt und wankt und sich selbst noch finden möchte, wird von einem Dom betreut, der sie spielerisch durch alle "Bereiche" des BDSM leitet. Hier ist es wahrscheinlich, dass Dom seine Vorstellungen zum Maßstab macht und Sub "ausbildet". Der sensible Dom wird - auf der Basis des Konzeptes der Freiwilligkeit - aufspüren, was Sub möchte und das zur Blüte bringen. Also im Idealfall. Sub folgt freiwillig und freut sich. Der harte Dom wird es bedingungslos fordern. Das kann zu Irritationen und Konflikten führen.
Jetzt wird es vermutlich vorkommen, dass Sub und Dom kleine Regeln vereinbaren, die Sub einzuhalten hat, damit sie ihren Gehorsam beweist. Die gilt es natürlich zu lehren, zu lernen, deren Einhaltung zu überwachen usw. Auch das ist mit Freiwilligkeit vereinbar.
Wenn ich das jetzt so vor Augen habe, dann gibt es als Quintessenz folgenden Schluss:
• Ganz gleich, in welcher Konstellation: Handelt Dom nach dem Konzept der Freiwilligkeit (was im Prinzip immer gelten sollte), dann geht es darum, dass Dom und Sub die gemeinsam offen oder stillschweigend vereinbarten Ziele/Handlungen umsetzen und sich gegenseitig unterstützen. Im Idealbild unterstützt Dom die Sub zu dem angetrebten Zustand. Dann ist es auch einerlei, wie man das nennt. Es ist immer ein Lern- und Erfahrungsprozess, der auf Zustimmung von Sub und Freiwilligkeit beruht. Die beiden können es so nennen, wie es ihnen am besten passt.
• Handelt Dom nicht nach dem Konzept der Freiwilligkeit, dann kann man das nennen wie man will: Es ist Zwang. Und Dom setzt alle Techniken ein, die im Grunde möglich sind: Harte Strafen, Entzug von Liebe/Zuneigung, manipulative Rhetorik usw. Der interessante Punkt ist aber: Weil es Zwang ist, würde ich davon ausgehen, dass Sub sich dagegen wehrt. Und zwar nicht zickig, um Strafen zu provozieren, sondern weil sie nicht will. Was ist, wenn sie sich gut dabei fühlt? Ist das Stillschweigen dann Freiwilligkeit? Vermutlich ja.
Aber: Das Ganze ist noch nicht zuende gedacht. Sorry.
Noch ein Nachtrag: Da nicht alle Begriffe eindeutig vorgegeben sind, muss man sich eben selbst welche schaffen. Obwohl es sich um herkömmliche Lern- und Entwicklungsprozesse handelt, die bei jedem Sportkurs oder beim Reiten lernen gang und gäbe sind, hört sich das natürlich im D-/S-Kontext viel besser an, wenn man von "Ich habe meine Sklavin/meinen Sklaven/meinen Sub etc. entwickelt und in den letzten Jahren das Potenzial herausgeholt". Letzlich sind das Begriffe, die dem Human Ressources Management und der Personalentwicklung entlehnt sind. Aber dieser Vorstellung wohnt natürlich kein Zauber mehr inne.