Ich weiß genau, was Du meinst. Dennoch gibt es keinen Grund, sich zu schämen.
Ich habe mich von meinem Mann seinerzeit auch "zu spät" getrennt. Wenn man nur die Vorkommnisse betrachtet, die es eben nun einmal gab.
Aber: Ich bin der festen Überzeugung, dass man für sich selbst den "richtigen" Zeitpunkt finden muss. Und dazu nicht nur das Recht, sondern auch die Verpflichtung hat. Schließlich ist es ja ein Stück weit auch so, dass man seinen Kindern die "Familie" erhalten möchte. Mir ging es damals so, dass ich für mich sicher sein musste, alles versucht zu haben, um das Ruder noch rumzureißen... als ich für mich wusste, ich habe alles versucht, war es für mich - mein Gefühl, mein Gewissen gerade auch meinem Sohn gegenüber - in Ordnung, mich zu trennen.
Natürlich hab ich manchmal gezweifelt - mal in die eine, mal in die andere Richtung. Hätte ich mich früher trennen sollen? Hätte ich dem Ganzen doch noch eine Chance mehr geben sollen? NEIN - es war richtig so. Ich spreche mit meinem heute knapp 16jährigen Sohn völlig offen über diese Dinge. Er war zum Zeitpunkt der Trennung 5 Jahre alt, und die - sehr krass verlaufene - räumliche Trennung hat er in allen üblen Einzelheiten live und in Farbe mitbekommen.
Es bringt auch nichts, sich selbst zu zerfleischen, im Sinne von "Hätte ich doch...". Es gibt IMMER Gründe dafür, dass man nicht "hat".
Ich stehe auf dem Standpunkt, dass viele Paare sich heutzutage viel zu schnell trennen - selbst dann, wenn ein Kind oder mehrere davon betroffen sind -, weil oft gar nicht erst der Versuch gestartet wird, wieder zusammenzufinden, gemeinsam daran zu arbeiten, die Beziehung/Familie zu erhalten.
Ich musste für mich erstmal feststellen, dass es alles nichts bringt, wenn nicht BEIDE dazu bereit/fähig sind. Ich habe mir die Entscheidung nie leicht gemacht, sondern nach Kräften versucht, im Sinne unseres Sohnes zu handeln und so zu entscheiden, wie es - vor allem - für ihn am besten ist.
Im Nachhinein sieht so oft so vieles ganz anders aus. Aber das wird mich niemals dazu bringen, mich für meine Entscheidungen zu verteufeln. Denn ich weiß ja schließlich selbst am besten, warum und aus welchen Gründen ich so gehandelt habe, wie ich gehandelt habe. Wer weiß denn schon mit Sicherheit, ob es anders besser gewesen wäre? Und selbst wenn... ich nehme - auch als Mutter! - für mich in Anspruch, ein MENSCH zu sein. Menschen sind niemals perfekt. Entsprechend können sie auch keine "perfekten" Entscheidungen treffen. Und ich denke nicht, dass man als Elternteil die Verpflichtung dazu hat, alles und jedes im Vorhinein zu wissen, nie eine falsche/verfrühte/zu späte Entscheidung treffen darf.
Entsprechend habe ich auch meinem Kind niemals vorgespiegelt, "perfekt" zu sein - im Gegenteil. Ich habe ihm immer deutlich gemacht, dass es auch mir passieren kann, dass ich etwas verkehrt mache, manchmal vielleicht GERADE deshalb, weil ich das Richtigste schlechthin tun will, aber auch Erwachsene/Eltern nicht allwissend sind.
Eins aber habe ich IMMER getan: Mit meinem Sohn zu sprechen. Er wusste immer, was Sache ist... und so musste er sich keine Gedanken machen, ob die Situation zwischen Mami und Papi möglicherweise an ihm liegen könnte... wie es so oft (gerade bei noch kleineren Kindern) der Fall ist, wenn man ihnen nichts sagt, nichts erklärt. Da kommen dann Gedanken auf wie "Mami und Papi streiten/reden kaum mehr miteinander/trennen sich, weil ich nicht lieb genug war". DAS ist fatal.
Sonst nix. Denn es schadet Kindern nicht, festzustellen, dass auch ihre Eltern einfach nur Menschen sind.