gif
©

Ich glaub', ich bin im falschen Film

Ein Frauenblick auf den Netflix-Hit "365 Days"

Das Erotikdrama "365 Days" hat seit seinem Erscheinen im Juni brachiale Wellen geschlagen. Glorifizierung von Vergewaltigung, Chauvi-Satire wider Willen oder true BDSM? Es braucht eine Frauenperspektive. Ropebunny und Sub Sarah Schmidt hat sich den Film angeschaut und ihn entlang ihrer BDSM-Erfahrungen gewogen.

 

Von Sarah Schmidt

Mein BDSM

Für mich steht BDSM in erster Linie dafür, mit einem oder mehreren Menschen einen vertrauensvollen und sicheren Raum zu schaffen, in dem ich meine Wünsche und Sehnsüchte offen äußern und im besten Fall ohne Bewertung erforschen kann.

Meine Grenzen sollen so geschätzt und bewahrt werden, wie ich die meiner Spielpartner achte. Dabei genieße ich es vor allem, mich von mir ausgewählten Personen fesseln und schlagen zu lassen. Stichworte: von mir ausgewählt!

Kommen wir zu "365 Days" und damit zu einem völlig anderen Thema. Für jene Seligen, denen der Film bisher erspart geblieben ist, hier kurz der Handlungsbogen: Junge Frau reist nach Sizilien, um ihre lieblose Beziehung zu kitten und wird dort von einem dominanten Mafiaboss gekidnappt, der ihr 365 Tage Zeit gibt, sich in ihn zu verlieben.

Während in den Anfangsszenen Mr. Mafia sein späteres Entführungsopfer stalked und die Entführung in seinem Kopf Gestalt annimmt, hat die Dame seines Herzens leider kein Wort mitzureden. Immerhin sieht sie wirklich gut aus.

Eine erlittene Nahtoderfahrung dient Mr. Mafia als wasserdichte Erklärung, warum er eine Frau kidnappt und zu seinem Eigentum machen will. Kennt man ja aus der eigenen Verwandtschaft. Und um ihrer unglücklichen Beziehung zu entkommen, sollte sie ihrem Entführer im Grunde dankbar sein, klar.

Die JOYclub-Mediathek
Ob sexpositive Porno-Filme, Sex-Guides oder Specials: Als Premium-Mitglied kannst du jede Woche neue stilvolle und qualitativ hochwertige Filme kostenlos in der JOYclub-Mediathek schauen. Darüber hinaus hast du die Möglichkeit, weitere Filme zu leihen.
Wirf einen Blick in die Mediathek.

Zur JOYclub-Mediathek

Bin ich im falschen Film?

Natürlich knistert es schnell zwischen den beiden, erfüllt er ihr doch alles, was ihr Frauenherzchen begehrt. In diesem Klischee-Bingo jagt ein Shopping-Marathon durch Luxus-Boutiquen den nächsten (emanzipierte Grüße an Julia Roberts in "Pretty Woman"). Wie kaltherzig und undankbar muss eine Frau sein, um sich bei diesem beglückenden Überfluss nicht in ihren Entführer zu verlieben?

Sexpositiv zum Höhepunkt

Könnte ich die Sexszenen aus dem Kontext der zuvor erfolgten Entführung gelöst sehen, müsste ich zugeben, dass sie mich teils erregen. Mir aber im nächsten Moment vorzustellen, dass das Begehren einer Frau mittels des Stockholm-Syndroms geweckt und nun sexuell ausgenutzt wird, lässt mich würgen.

Sadomasochistische Romantik: Kuscheln mit dem eigenen Entführer.
Sadomasochistische Romantik: Kuscheln mit dem eigenen Entführer.
©
 

SPOILER ANFANG
Die Frau im Film hat die ereignisreichste Zeit ihres Lebens, no doubt. Nach der leicht unangenehmen Entführung schippert sie auf Yachten über Ozeane, lässt sich ihre sexuellen Wünsche erfüllen, von Schwulen einkleiden, verliebt sich, besucht kinky Partys mit ihrem liebsten Freiheitsberauber, wird in einem Club fast vergewaltigt, provoziert eine Racheaktion zwischen zwei Familien (Halt, ich meine Vendetta!), erfährt ein Umstyling, wird schwanger und verlobt sich mit ihrem Entführer, um am Ende von der verfeindeten Mafiafamilie getötet zu werden. Zusammen mit ihrer besten Freundin aus der polnischen Heimat, die gnädigerweise ihre Hochzeit besuchen durfte.

Karma, bitch. Wer sich so fahrlässig entführen lässt, lädt ja quasi zu einem solchen Plot ein!
SPOILER ENDE

365 Days in der öffentlichen Debatte

Die öffentliche Meinung zum Film ist mindestens gespalten: Da sind zum einen jene, die "365 Days" für einen langweiligen Witz halten. Der Guardian etwa schrieb, der Film eigne sich hervorragend für Menschen, die zwar in der Lage sind, sich einen Netflix-Account zuzulegen, die aber das fehlerfreie Eingeben einer Pornoseiten-URL überfordert.

Unterdessen haben ernsthafte und warnende Stimmen an Zugkraft gewonnen. Allen voran jene von Sängerin Duffy, die zu Beginn des Jahres berichtete, sie sei ebenfalls unter Drogen gesetzt, entführt und über einen längeren Zeitraum vergewaltigt worden.

In einem offenen Brief forderte sie Netflix-CEO Reed Hastings dazu auf, den Film von der Streaming-Plattform zu nehmen: "'365 Days' verherrlicht Sex, Drogenhandel, Entführung und Vergewaltigung von Frauen. Das sollte nicht als Unterhaltungsprogramm dienen", schreibt Duffy. Bisher vergebens, der Film ist noch auf Netflix aufrufbar.

Definitiv einvernehmlich

365 Days vs. Konsens im BDSM

Die Köpfe hinter dem Film, darunter beachtlicherweise eine Frau, verweigern es, auf die Gefahren und Unterschiede(!) zwischen konsensuellen und erzwungenen Sexpraktiken hinzuweisen. Dieser bedenkliche Fauxpas wird weder durch die lichtdurchflutete Werbeästhetik noch durch seine stilsichere poetische Kreativität ("Ich werde dich so hart ficken, dass man deine Schreie bis Warschau hört.") entschuldigt.

Ähnlich bestürzend: die Rechtfertigungen, die "365 Days" für eindeutige sexuelle Übergriffe ins Feld führt. Als ein Container Kokain verschwindet, zwingt Mr. Mafia die Stewardess zum Blowjob, um seine Wut zu lindern. Immerhin lächelt sie, nachdem er sie von ihrer Hilfeleistung entbindet. Alles fein, oder?

Kann sie sich nicht beschweren: Nicht jede Frau wird im Privatjet entführt!
Kann sie sich nicht beschweren: Nicht jede Frau wird im Privatjet entführt!
©
 

Benutztwerden setzt Konsens voraus

Zugegeben triggert der Film einige meiner Fantasien, in denen es darum geht, ohne Konsens von fremden Menschen benutzt und angefasst zu werden. Es gibt jedoch Fantasien, die im Kopf Spaß machen und Begehren erzeugen – und in der Realität für mich schlichtweg nicht zu ertragen wären.

Ob es nicht doch Wege gibt, diese Fantasien Leben einzuhauchen, darüber kann ich mich im konsensuellen Rahmen mit meinem Dom austauschen.

Devotsein ist Stärke. Nicht Schwäche

In meiner Submissivität gegenüber meinem Spielpartner liegt meine größte Kraft. Durch das gemeinsame Aufsetzen der Regeln und Grenzen des Spiels – etwas, das auf Augenhöhe geschieht – und der späteren Kontrollabgabe in einem sicheren Rahmen entsteht ein Machtgefälle. Dieses Gefälle stärkt mich und bringt mich näher zu mir, zu meiner wirklichen Persönlichkeit. Weil ich mich frei und selbstbestimmt ausleben kann und was am wichtigsten ist: Weil ich durch verantwortungsvolles Spiel nicht zu Schaden komme.

War "Fifty Shades of Grey" einfach nur langweilig und fernab der BDSM-Realität, ist "365 Days" nun dabei, Kidnapping zu erotisieren. Sexuelle Gewalt wird als eine Option ins Spiel gebracht, eine Frau von der eigenen Liebe zu überzeugen. Liebt Mann sie nur redlich genug, wird ihre Liebe schon folgen.

Willkommen in 2020.

 

Garantiert einvernehmlich: Unsere Bondage-Video-Tutorials!

Wir haben 20 kostenlose Video-Anleitungen für Bondage-Anfänger parat.

Schritt für Schritt – vom Standardknoten über die Seilwahl bis hin zur Oberkörperfesselung und Fesselkombinationen – lernst du verständlich und unkompliziert, wie du das Seil in dein Liebesleben einbindest.

Zu den Bondage-Tutorials

 

Was bitte ist JOYclub?

Alles, was du willst, würden wir gerne sagen. Aber JOYclub ist noch mehr. Ein frivoler Eventkalender. Ein erotisches Forum. Ein Dating-Portal. Ein Online-Magazin. Eine soziales Netzwerk für besondere Kontakte. Vor allem: eine sexpositive Community mit über 3,5 Millionen Mitgliedern.


Erfahre mehr.