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Interessantes über LRS

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Interessantes über LRS
Sonderheft_ Recht.

https://www.bvl-legasthenie. … Sonderheft_Recht_10_2006.pdf
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Legasthenie - Definition gemäß ICD- 10
In dem Multiaxialen Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 der WHO, wird die Legasthenie als eine umschriebene Lese- und Rechtschreibstörung beschrieben.

Eine Erklärung der Fachausdrücke finden Sie am Ende des Artikels.

F8 1.0 Lese- und Rechtschreibstörung

Das Hauptmerkmal dieser Störung ist eine umschriebene und eindeutige Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten, die nicht allein durch das Entwicklungsalter, durch Visus-Probleme oder unangemessene Beschulung erklärbar ist.

Das Leseverständnis, die Fähigkeit, gelesene Worte wiederzuerkennen, vorzulesen und die Leistungen bei Aufgaben, für welche Lesefähigkeit benötigt wird, können sämtliche betroffen sein.

Mit Lesestörungen gehen häufig Rechtschreibstörungen einher. Diese persistieren oft bis in die Adoleszenz, auch wenn im Lesen einige Fortschritte gemacht wurden.

Kinder mit einer umschriebenen Lese- und Rechtschreibstörung haben in der Vorgeschichte häufig eine umschriebene Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache. Eine sorgfältige Beurteilung der Sprachfunktionen deckt oft entsprechende subtile gegenwärtige Probleme auf.

Zusätzlich zum schulischen Misserfolg sind mangelhafte Teilnahme am Unterricht und soziale Anpassungsprobleme häufige Komplikationen, besonders in den späteren Hauptschul- und den Sekundärschuljahren. Die Störung wird in allen bekannten Sprachen gefunden, jedoch herrscht Unsicherheit darüber, ob ihre Häufigkeit durch die Art der Sprache und die Art der geschriebenen Schrift beeinflusst wird.

Diagnostische Leitlinien

Die Leseleistungen des Kindes müssen unter dem Niveau liegen, das aufgrund des Alters, der allgemeinen Intelligenz und der Beschulung zu erwarten ist. Dies wird am besten auf der Grundlage eines individuell angewendeten standardisierten Testverfahrens zur Prüfung des Lesens, der Lesegenauigkeit und des Leseverständnisses beurteil. Die spezielle Art des Leseproblems hängt ab vom erwarteten Niveau der Leseleistungen, von der Sprache und vom Schrifttyp. In den früheren Stadien des Erlernens einer alphabetischen Schrift kann es Schwierigkeiten geben, das Alphabet aufzusagen, die Buchstaben korrekt zu benennen, einfache Wortreime zu bilden und bei der Analyse oder der Kategorisierung von Lauten (trotz normaler Hörschärfe). Später können dann Fehler beim Vorlesen auftreten, die sich zeigen als Auslassen, Ersetzen, Verdrehungen oder Hinzufügen von Worten oder Wortteilen.

Niedrige Lesegeschwindigkeit.
Startschwierigkeiten beim Vorlesen, langes Zögern oder Verlieren der Zeile im Text und ungenaues Phrasieren.

Vertauschung von Wörtern im Satz oder von Buchstaben in den Wörtern.

Ebenso zeigen sich Defizite im Leseverständnis z. B. in:

Einer Unfähigkeit, Gelesenes wiederzugeben.

Einer Unfähigkeit, aus Gelesenem Schlüsse zu ziehen oder Zusammenhänge zu sehen.
Im Gebrauch allgemeinen Wissens als Hintergrundinformation anstelle von Information aus einer Geschichte beim Beantworten von Fragen über die gelesene Geschichte.

In der späteren Kindheit und im Erwachsenenalter sind die Rechtschreibprobleme meist größer als Defizite in der Lesefähigkeit.

Charakteristischerweise zeigen die Rechtschreibschwierigkeiten Fehler in der phonetischen Genauigkeit, und es scheint, dass Lese- wie Rechtschreibstörungen sich zum Teil von einer Störung in der phonologischen Analyse herleiten. Über die Natur und Häufigkeit von Rechtschreibfehlern bei Kindern, die eine nicht phonetische Sprache lesen, und über die Fehlertypen bei nicht alphabetischen Schriften ist wenig bekannt.

Umschriebenen Entwicklungsstörungen des Lesens geht meist eine Vorgeschichte von Entwicklungsstörungen des Sprechens oder der Sprache voraus. In anderen Fällen kann das Kind die Sprachentwicklung im normalen Alter durchlaufen haben, jedoch noch Schwierigkeiten bei der Informationsverarbeitung akustischer Reize haben, die sich in Problemen der Klangkategorisierung, beim Reimen und möglicherweise in Defiziten der sprachlichen Lautunterscheidung, beim Behalten akustischer Sequenzen und der akustischen Assoziation zeigen.

In einigen Fällen können darüber hinaus Probleme bei der visuellen Informationsverarbeitung bestehen (der Buchstabenunterscheidung) und bei der akustischen Differenzierung; jedoch sind diese Probleme bei Kindern, die gerade damit beginnen, lesen zu lernen, häufig, und aus diesem Grunde wahrscheinlich nicht ursächlich mit der mangelnden Lesefertigkeit verknüpft.

Aufmerksamkeitsschwierigkeiten, oft begleitet von Überaktivität und Impulsivität, sind ebenfalls häufig. Das genaue Muster von Schwierigkeiten in der Entwicklung im Vorschulalter variiert stark von Kind zu Kind, ebenso wie der Schweregrad; dennoch sind solche Probleme meist vorhanden.

Begleitende emotionale und Verhaltensstörungen sind ebenfalls während des Schulalters vorhanden. Emotionale Probleme kommen häufiger während der frühen Schulzeit vor, Störungen des Sozialverhaltens und Hyperaktivitätssyndrome treten eher in der späteren Kindheit und in der Adoleszenz auf. Ein niedriges Selbstwertgefühl ist häufig, ebenso wie Anpassungsprobleme in der Schule und in der Beziehung zu Gleichaltrigen.

Dazugehörige Begriffe:
Entwicklungsdyslexie / Legasthenie / Rechtschreibschwierigkeiten bei einer Lesestörung / umschriebene Lesestörung

Ausschluss:
erworbene Alexie und Dyslexie (R48.0) / erworbene Leseverzögerung infolge emotionaler Störungen (F93.–) / Rechtschreibstörung ohne Lesestörung (F81.1)

Diagnostische Kriterien

A. Entweder 1. oder 2.:
1. ein Wert der Lesegenauigkeit und/oder im Leseverständnis, der mindestens zwei Standardabweichungen unterhalb des Niveaus liegt, das aufgrund des chronologischen Alters und der allgemeinen Intelligenz zu erwarten wäre. Die Lesefertigkeiten und der IQ wurden in einem individuell angewandten entsprechend der Kultur und dem Erziehungssystem des Kindes standardisierten Test erfasst;

2. in der Vorgeschichte bestanden ernste Leseschwierigkeiten, oder es liegen Testwerte vor, die früher das Kriterium A.1. erfüllten, und ein Wert in einem Rechtschreibtest, der mindestens zwei Standardabweichungen unterhalb des Niveaus liegt, das aufgrund des chronologischen Alters und der allgemeinen Intelligenz zu erwarten wäre.

B. Die unter A. beschriebene Störung behindert die Schulausbildung oder alltägliche Tätigkeiten, die Lesefertigkeiten erfordern.

C. Nicht bedingt durch Seh- oder Hörstörungen oder eine neurologische Krankheit.

D. Beschulung in einem zu erwartenden Rahmen (d. h. es liegen keine extremen Unzulänglichkeiten in der Erziehung vor).

E. Häufigstes Ausschlusskriterium: Nonverbaler IQ unter 70 in einem standardisierten Test.

Mögliches zusätzliches Einschlusskriterium (für einige besondere Forschungsvorhaben): Im Vorschulalter Beeinträchtigungen des Sprechens, der Sprache, der Klangkategorisierung, der motorischen Koordination, des visuellen Prozesses, der Aufmerksamkeit, der Aktivitätskontrolle oder der Modulation.

Kommentar:

Die oben angegebenen Kriterien erfassen nicht die allgemeine Leseschwäche, wie in den klinischen Leitlinien. Die diagnostischen Forschungskriterien für eine allgemeine Leseschwäche sind dieselben wie für eine umschriebene Lesestörung, außer dass das Kriterium A.1. spezifiziert: Lesefertigkeiten zwei Standardabweichungen unterhalb des erwarteten Niveaus bezüglich des chronologischen Alters (d. h. der IQ wird nicht berücksichtigt). Das Kriterium A.2. folgt demselben Prinzip hinsichtlich des Rechtschreibens. Die Validität einer Differenzierung zwischen diesen beiden Varianten von Lesestörungen ist nicht eindeutig gesichert. Der umschriebene Typ scheint aber einen stärkeren Zusammenhang mit der Verlangsamung der Sprachentwicklung zu haben (so wie die allgemeine Leseschwäche mit einer großen Zahl von Entwicklungsbehinderungen verbunden ist) und eine Präferenz des männlichen Geschlechtes zu zeigen.
Weitere Forschungsunterscheidungen beruhen auf der Analyse verschiedener Typen von Rechtschreibfehlern.

Quelle: Remschmidt, Helmut/Schmidt, Martin/Poustka, Fritz (Hrsg.), (2001): Multiaxiales Klassifikationsschema für Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 der WHO, Bern 2001, S. 293 ff

Bedeutung der Fachbegriffe gemäß DUDEN - Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. Mannheim 2007 [CD-ROM]
Adoleszenz – Jugendalter, bes. der Lebensabschnitt nach beendeter Pubertät
Alexie – (Med.) Leseschwäche; Unfähigkeit, Geschriebenes zu lesen bzw. Gelesenes zu verstehen trotz intakten Sehvermögens
Dyslexie – gr.-nlat.>: (Med., Psychol.) mangelhafte Fähigkeit, Wörter, zusammenhängende Texte zu lesen od. zu schreiben
fonetisch – auch: phonetisch: die Fonetik betreffend, lautlich
Fonetik – Teilgebiet der Sprachwissenschaft, das die Vorgänge beim Sprechen untersucht; Lautlehre, Stimmbildungslehre
fonologisch – auch: phonologisch: die Fonologie betreffend
Fonologie – Teilgebiet der Sprachwissenschaft, das sich mit der Funktion der Laute in einem Sprachsystem beschäftigt
persistent – (Med., Biol.) anhaltend, dauernd, hartnäckig
phonetisch – vgl. fonetisch
phonologisch – vgl. fonologisch
phrasieren – beim Vortrag eines Tonstücks die entsprechenden Phrasierungszeichen beachten, die Gliederung in melodisch-rhythmische Abschnitte zum Ausdruck bringen
Validität – (Soziol., Psychol.) Übereinstimmung eines Ergebnisses [einer Meinungsumfrage] mit dem tatsächlichen Sachverhalt
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LRS erkennen & Kinder stärken. Online-Vortrag für Eltern. Ko
LRS erkennen – richtig handeln.

Wenn Kinder Rechtschreibprobleme haben und trotz wiederholter Unterstützung einfach nicht dazulernen, wenn sie vielleicht sogar gar nicht mehr schreiben wollen, stehen Eltern oft ratlos da. Ist mein Kind nicht intelligent genug? Verschließt es sich bewusst? Oder hat es eine Lernschwäche, vielleicht sogar LRS?

Mit unserem Vortrag helfen wir Ihnen, mögliche Anzeichen von LRS einfach selbst zu erkennen – und die richtigen Wege für einen Umgang damit zu finden.

Unsere Experten machen nachvollziehbar, was bei LRS im Gehirn passiert, wie sich ein Kind mit LRS eigentlich fühlt – und schaffen so eine Basis für einen empathischen, langfristig erfolgreichen Umgang damit. Einen, der Ihr Kind stärkt und ihm nachhaltig sein Selbstvertrauen zurückgibt.

Diagnose LRS: Was Ihrem Kind jetzt hilft.

Aktuellen Studien zufolge leidet jeder siebte Grundschüler unter einer Lernstörung. Eine der häufigsten ist die Lese-Rechtschreibstörung, kurz LRS: Sie bewirkt, dass Kinder täglich darum kämpfen müssen, in der Schule mitzukommen, und darüber oftmals Mut und Freude am Lernen verlieren.

Das muss nicht sein: Ist sie rechtzeitig erkannt, gibt es auch für LRS wirksame Wege und Methoden zu erfolgreicherem und entspannterem Lernen. Mit positiven Auswirkungen auf Motivation, Schulerfolge – und das ganze Leben.

„Jede Schwäche von Kindern ist eine Noch-Nicht-Stärke. Helfen wir ihnen dabei, ihre Stärken zu entwickeln – und die Lust am Lernen wieder zu finden.“


Der Dozent - Sebastian Durst
ist Experte für Lernstörungen und -schwächen. Der erfahrene Lerncoach, Erziehungs- und Kommunikationswissenschaftler arbeitet seit vielen Jahren als Dozent, Redner und Motivator – und weiß aus Erfahrung: Lernen kann glücklich machen, wenn die richtigen Voraussetzungen dafür bestehen. Eine der Hauptanliegen seiner Arbeit ist es, diese Voraussetzungen zu schaffen – und den Lernhunger zurück zu erobern, der ihnen von Geburt an eigentlich gegeben ist.

Kindernhttps://www.akademie-lernpaedagogik.de/familien/lrs-vortrag/
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Schreibschwäche bei Erwachsenen
Verloren im Buchstaben-Labyrinth:
Menschen mit Legasthenie tun sich in der modernen Berufswelt schwer. Eine Therapie kann auch Erwachsenen mit Lese-Rechtschreib-Störung noch helfen, aber viel Ausdauer ist nötig

VON BETTINA RACKOW-FREITAG, 08.01.2020

"Mänegement" steht auf dem Flipchart, die Zuhörer schauen betreten zu Boden, aber dem Redner fällt der Rechtschreibfehler nicht auf. Das ist eine peinliche Situation, doch keine Fiktion.

Mindestens vier bis sechs Prozent der Deutschen sind wortblind, können also Wortbilder nicht gut im Gehirn abspeichern, und haben daher Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben – auch im Erwachsenenalter.

Wenn Erwachsene mit der Rechtschreibung kämpfen
"Legasthenie besteht ein Leben lang", erklärt Annette Höinghaus vom Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie und spricht damit ein Tabuthema an. Der Irrglaube, dass Lese- und Rechtschreibstörungen nur ein Problem der Schulzeit sind und sich auswachsen, macht Betroffenen das Berufsleben schwer.

Tägliche Arbeit am Computer, Englisch "fließend in Wort und Schrift" oder Weiterbildungen bedeuten für die Erwachsenen mehr als nur eine Hürde. Viele leiden unter den Vorurteilen, meiden Gruppenarbeit, lautes Lesen oder das Schreiben von Briefen aus Angst vor Häme oder gar dem Verlust des Arbeitsplatzes.

Psychische Belastung
Wer zugibt, Schwierigkeiten mit der Muttersprache zu haben, geht das Risiko ein, vom Chef und von den Kollegen als dumm oder faul abgestempelt zu werden. "Psychisch kann das sehr belastend sein", sagt Höinghaus.

Das bleibt oft nicht folgenlos: "Bei rund 40 Prozent der Legastheniker entwickelt sich im Lauf des Lebens eine Folge­erkrankung wie eine Depression oder psychosomatische Störung."

Dabei hat das mit der Intelligenz nur in ganz seltenen Fällen etwas zu tun:

"Während die Rechtschreibung oft auf dem Level eines Fünftklässlers stehen bleibt, entwickeln sich das Fachwissen und die Kompetenz normal", erklärt die Expertin.

Legasthene Mitarbeiter fördern
Viele Betroffene haben ein sehr gutes technisches Verständnis oder eine künstlerische Begabung. Sogar Hoch- oder Teilbegabungen finden sich unter Legasthenikern. Werden sie rechtzeitig erkannt und gefördert, steht einer Karriere nichts im Wege.

Seit sich Persönlichkeiten wie Ferdinand Piëch, ehemals Vorstand des VW-Konzerns, oder der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, als Legastheniker geoutet haben, wächst in der Öffentlichkeit allmählich die Akzeptanz.

"Inzwischen fragen sogar Arbeitgeber, wie sie ihrem legasthenen Mitarbeiter helfen können, und wollen auch therapeu­tische Fördermaßnahmen bezahlen", stellt Annette Höinghaus fest.

Dabei ist ­jeder Berufszweig betroffen: Sie ­berät Marketingleiter, Postzulieferer, Kraftfahrer und sogar angehende Lehrer. "Jeder kann ein Studium beginnen, doch meist stellt sich erst in der beruflichen Praxis heraus, ob die Veran­lagung ein Problem wird", erläutert die Beraterin.

Lesen will geübt werden
Ein hohes Maß an Ausdauer ist notwendig, um der Legasthenie die Stirn zu bieten, denn eine Therapie benötigt rund zwei Jahre, bis sie anschlägt. Nicht immer bleibt der Erfolg von Dauer. Denn wenn der Stresslevel zu hoch ist oder man zu lange bei den Leseübungen pausiert, kehren die ­alten Fehlermuster zurück, und die erlernten Strategien greifen nicht mehr.

In den wöchentlichen Stunden schulen Therapeuten die Aufmerk­sam­keit, trainieren systematisch Regeln und erklären, wie sich Wörter herleiten lassen. "Wir zeigen auch, wie Vorleseprogramme und Spracherkennungs-Software sinnvoll eingesetzt werden", erklärt Höinghaus.

Praktische Tipps gehören ebenso dazu: "Weite Zeilen- und Buchstabenabstände, Großschrift mit mindestens 14 Punkt und schnörkellose Schrifttypen ohne Serifen erleichtern das Lesen."

Gene haben Auswirkungen auf Legasthenie
Warum manche Menschen Schwierigkeiten haben, sich Wortbilder zu merken, wird zum Teil durch die Vererbung erklärt. "Inzwischen kennen wir rund 20 Genorte auf den menschlichen Chromosomen, die eine Rolle spielen. Sie beeinflussen die frühembryonale und neuro­nale Ge­hirnent­­wicklung, was zu einer Legasthenie führen kann", erklärt der Würzburger Humangenetiker Professor ­Tiemo Grimm, der selbst Legasthe­niker ist.

Die Betroffenen können dadurch zum Beispiel auch gehörte Sätze schwer mit der Hand verschriftlichen, denn die Reize im Gehirn werden nicht störungsfrei verarbeitet und übersetzt.

Rasante Fortschritte sind unrealistisch
Die Weltgesundheitsorganisation hat Legasthenie sogar als Behinderung eingestuft. "Doch nicht jede Legasthenie ist gleich", betont Grimm. Während die einen nicht einmal den Sinn des Gelesenen verstehen, erschließen sich anderen keine Rechtschreibregeln.

Eine individuelle Betreuung ist vonnöten. Inzwischen besteht eine Vielfalt an Therapieangeboten, doch man sollte vorsichtig sein. "Es sind viele Scharlatane dabei, die schnelle Fortschritte oder eine Heilung versprechen", warnt Tiemo Grimm. "Doch die gibt es leider nicht."

Lernen, mit der eigenen Schwäche umzugehen
Es wird auch oft mit Blick- oder Hörtrainings geworben. Sie zeigen bei legasthenen Kindern Erfolge; Erwachsene profitieren selten davon. Grimm rät, nur zertifizierte Lern- und Legasthenie-Therapeuten aufzusuchen, die nach den aktuellen Leitlinien arbeiten. Die Kosten werden aber nicht von den Krankenkassen übernommen – nur jene für die Therapie von Folgeerkrankungen wie Depressionen.

"Viel wichtiger sind mehr Verständnis und der offene Umgang mit der eigenen Schwäche", rät der Wissenschaftler. "Und es lohnt sich zu kämpfen." Er zog vor einigen Jahren gemeinsam mit seinem ebenfalls legasthenen Sohn vor Gericht, um einen Nachteil­ausgleich für Studenten einzuklagen – mit Erfolg. Martin Grimm ist heute ein erfolgreicher Mediziner.

Legastheniker haben Rechte
Nur mit einer entsprechenden ­umfangreichen und standardisierten Testung von einem Psychiater oder Psychotherapeuten haben Legastheniker vergleichbare Rechte wie ­Menschen mit einer Behinderung. Je nach Einstufung können Betroffene sogar einen Schwerbehinderten­ausweis beantragen.

Während einer Aus- oder Weiterbildung ist auch ein Zeitzuschlag oder sogar eine persönliche Assistenz für Prüfungssituationen möglich. Diese Hilfe muss aber beantragt werden. An den Universitäten sind dafür die ­Beratungsstellen für Studierende mit Behinderung zuständig.


Weitere Informationen zum Thema finden Sie im Internet unter
http://www.bvl-legasthenie.de
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Psychotherapie: Die Heilkraft des Schreibens
Schreiben wirkt. Wer dem Papier seine Gefühle anvertraut, entlastet nicht nur die Seele. Er lernt sich selbst auch besser kennen. Das lässt sich therapeutisch nutzen

VON SONJA GIBIS, 22.08.2018

Wenn Ingrid Peter, 72, sich an die dunklen Momente ihrer Kindheit erinnert, kennt sie ein Mittel, das alles heller erscheinen lässt: Stift und Papier. "Sobald ich etwas niederschreibe, wiegt es schon nicht mehr so schwer", erzählt sie.

Zum Beispiel Gedanken über die nie gekannte Mutter, die starb, als Ingrid Peter gerade sechs Wochen alt war – weil am Ende des Kriegs Medikamente fehlten.

Dann das harte Leben in einer Pflegefamilie, die Flucht aus Bayern in die Schweiz, weil "kein Weg mehr war", wie es in einem ihrer Gedichte heißt.

Wenn das Erlebte vor ihr steht, klangvoll geformt in Reime und Verse, ist es, als müsste sie es nicht mehr alleine ­tragen. "Ich kann dann auch weinen", erzählt sie. "Und der Schmerz scheint davonzuschwimmen."

Versuche, sich selbst zu heilen
Die Erkenntnis, dass Schreiben hilft, ist nicht neu. Jeder, der sich in kummervollen Stunden seinem Tagebuch anvertraut hat, weiß das. Auch beim Blick in die Weltliteratur trifft man überall auf verletzte Seelen – und ergreifende Versuche, sich selbst zu heilen.

Berühmt ist nicht nur das Tagebuch der Anne Frank oder Franz Kafkas Brief an den Vater. "Ich war ein Sterbender, der gegen das Sterben anschrieb", so die Schriftstellerin Hilde Domin über die Zeit, als sie zu dichten begann.

Der britische Schriftsteller Graham Greene bringt es auf den Punkt: "Schreiben ist eine Art Therapie."

Emotionale Erleichterung
Wenn Schreiben Therapie ist – lässt es sich dann auch gezielt einsetzen?
Der amerikanische Psychologe James Pennebaker war davon überzeugt.
Mitte der 1980er-Jahren untersuchte er die von ihm entwickelte Methode des expressiven Schreibens.

Für den Test teilte er Studierende in zwei Gruppen ein und ließ sie schreiben: 15 Minuten lang und mehrere Tage hintereinander. Die einen über ein belastendes Ereignis, einen Unfall, eine verlorene Liebe, die anderen über ein oberflächliches Thema wie ihre Zeitplanung.

Wer sich auf dem Papier emotional erleichtert hatte, fühlte sich in den fol­gen­den Monaten wohler und suchte seltener einen Arzt auf. Weitere Studien zeigten sogar messbare körperliche Ver­änderungen: Das Immunsystem wurde schlagkräf­tiger, der Blutdruck sank.

Inzwischen haben viele Untersuchungen die positiven Effekte bestätigt. Doch wie wirkt Schreiben und warum? "Schreiben ist zunächst eine Entlastung", erklärt die Autorin und Schreib­therapeutin Professorin Silke Heimes von der Hochschule Darmstadt.

Papier als Gesprächspartner
Schmerzvolle Gefühle wegzusperren, vor sich und anderen, gilt Psychologen zufolge als schädlich. Wer ein Trauma erlitten hat, verarbeitet das Erlebte leichter, wenn er die Emotionen Menschen gegenüber ausdrücken kann, die mitfühlen und zuhören.

Doch was, wenn ein solcher Zuhörer fehlt – oder das nötige Vertrauen? Untersuchungen zeigen, dass auch Papier ein intimer "Gesprächspartner" sein kann.

Doch Schreiben schafft nicht nur ein Ventil für Gefühle. Sie lassen sich dadurch auch verarbeiten. "Man löst sich aus Grübelschleifen", erklärt Heimes. Im Formulieren finden die Gedanken eine Struktur.

Das Innere bahnt sich ­einen Weg nach außen, tritt einem als etwas Fassbares gegenüber. Man kann den Text erneut lesen, analysieren, sich selbst erkennen. "Man schreibt sich an sich selbst heran", sagt Heimes.

Noch mehr: "Etwas in Worte zu fassen kann sinnstiftend wirken."
Wenn das Leben so stark erschüttert wurde, dass es fast zerbricht, verleiht Erzählen eine neue Form.

Wo Zufall war, schafft es einen Zusammenhang. All die Berichte, Bücher, Blogs über Krankheiten und andere Schicksalsschläge – sie sind auch ein Versuch, das Erlebte in eine Geschichte zu bringen und ihm so Sinn zu verleihen.

Am Anfang Freude am Fabulieren wiederentdecken.

Die Schreibtherapie versucht all das zu nützen. Doch dazu muss man erst mal ins Formulieren kommen. In der Hand ein Stift, vor sich ein leeres Blatt Papier: Nicht wenige fühlen sich in einer solchen Situation blockiert wie in der Schule, wo Diktate und Aufsatzdidaktik jede Schreiblust ab­töteten.

"Viele Erwachsene sind anfangs gehemmt", sagt die Psychotherapeutin Dr. Barbara Schulte-Steinicke, die an der Alice-Salomon-­Hochschule Berlin kreatives und biografisches Schreiben unterrichtet. "Wichtig ist, die ursprüngliche Freude am Fabulieren wiederzuerwecken." Zum Beispiel durch freies Assoziieren. Wörter, die etwa beim Betrachten ­eines Gemäldes spontan auftauchen, landen auf dem Papier. Später wird daraus eine Geschichte.

Gefühle beim Schreiben verarbeiten
Ist die Lust geweckt, lässt sie sich vielfältig nutzen. Etwa zum kreativen Schreiben, das Fantasie und Schöpferkraft freisetzt. Eine Schreib­therapie bahnt indes nicht nur den Weg zu tief liegenden, oft schmerzhaften Gefühlen. Sie soll auch eine Möglichkeit bieten, diese zu verarbeiten.

"Mir hat das eine neue Welt eröffnet", erzählt Ingrid Peter, die die Schreibtherapeutin Silke Heimes in der Schweiz kennenlernte. Schon Jahre zuvor hatte sie begonnen, ihre Gefühle zu Papier zu bringen – und die ihr gemäße Form gefunden: das Gedicht. Schreiben half, das Erlebte zu ertragen: dunkle Erfahrungen von Missbrauch, Schweigen und Einsamkeit.

Doch musste sie einen Weg finden, diese Seiten umzublättern, die das Leben für sie geschrieben hatte.

"Ich habe gelernt, mir die guten Er­innerungen im Schreiben größer zu zaubern", sagt sie und lacht. Das hat auch ihre Gedichte verändert.

"Heute schon barfuß über nasse Steine gehüpft", schreibt sie jetzt.
"Mit den Fröschen gequakt am See, einen Wettlauf gemacht mit den Hasen."

Distanz schaffen.

Wie jede Therapie kann das Schreiben auch Nebenwirkungen haben. Zum Beispiel, dass man sich nur tiefer in alte Schmerzen hineinwühlt.

Doch es gibt Mittel dagegen: "Struktur ist überaus wichtig", betont Psychologin Schulte-Steinicke. Sie setzt den über­borden­den Gefühlen etwas Begrenzendes ent­gegen, etwa durch bestimmte Textformen.

Auch profitiert, wer statt "ich" "er" oder "sie" verwendet. " Die dritte Person schafft mehr Distanz", erklärt Heimes. Über Briefe lässt sich ein ­Dialog mit Menschen suchen, mit denen dieser real nicht möglich ist.

Einen Schreibtherapeuten finden.

Wer sich auf die Suche nach einem Therapeuten machen will, hat es allerdings nicht leicht. Während Stift und Papier vor allem in englischsprachigen Ländern genützt werden, um die Seele zu entlasten, findet man in Deutschland nur einzelne Psychotherapeuten, die damit arbeiten. Adressen gibt es bei der Deutschen Gesellschaft für Poesie- und Bibliotherapie. Die Kassen übernehmen die Kosten aber nicht. "Deutschland ist in Sachen Schreibtherapie ein Entwicklungsland", sagt Heimes.

Ingrid Peter hat für die Frauen in ihrer Umgebung eine Möglichkeit ­­gefunden, die Heilkraft der Sprache dennoch zu nutzen. Einmal im Monat treffen sie sich, schreiben einen Nachmittag lang, lesen einander die Texte vor.

Die Wahl-Schweizerin freut sich zu sehen, wie die Teilnehmerinnen den inneren Kritiker überwinden, zu mehr Selbstbewusstsein finden.

Einstieg in eine neue Karriere
Peter selbst hat inzwischen drei Gedichtbände veröffentlicht. Neben ihrer eigenen Geschichte spiegeln sich darin fremde Schicksale wider.

"Das Schreiben hat mich auch für andere mehr geöffnet", sagt sie. Vor allem aber hat es ihr den Weg in ein Leben gezeigt, das heute heitere Geschichten für sie schreibt.
*hutab* @****e57
Wauuuu... was führ guter Beitrag

das hat mich seher berührt
Und auch selbst reflektiert ...zu betrachten

Danke .... ! *blumenschenk*
****e57 Frau
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Ist LRS eine Krankheit?
Wenn ein Kind in der Schule Probleme beim Lesen und Schreiben hat, bereitet das Eltern oft große Sorgen. Viele haben schon einmal den Begriff "Legasthenie" gehört und fragen sich, ob das bedeutet, dass ihr Kind an einer Krankheit leidet oder eine Behinderung hat.

Diese Frage kann ganz klar mit Nein beantwortet werden: Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten sind weder eine Krankheit noch eine Behinderung. Sie sind eine Beeinträchtigung, die prinzipiell jedes Kind treffen, aber behoben werden kann.

Insofern ist es irreführend, von einer Legasthenie zu sprechen, weil viele damit eine Art Behinderung verbinden, gegen die man nichts tun kann. Eine Behinderung besteht dauerhaft, bei einer schweren Lese-Rechtschreib-Störung ist das nur dann der Fall, wenn sie unbehandelt bleibt. Denn tatsächlich lassen sich Störungen der Lese-Rechtschreib-Kompetenz mit der richtigen Methode gut therapieren. Legastheniker sind auch nicht weniger intelligent als ihre Altersgenossen.

Sie haben lediglich bestimmte Lernschritte beim Schriftspracherwerb nicht richtig vollzogen. Werden diese systematisch nachgeholt, verschwinden auch die Symptome der sogenannten LRS oder Legasthenie und die schulischen Leistungen verbessern sich.

Diese Symptome einer LRS beziehungsweise Legasthenie können vielfältig sein: Betroffene Kinder verstehen im Gegensatz zu anderen Schülerinnen und Schülern den Sinn einfacher Texte nicht, lesen stockend vor, vertauschen Buchstaben und machen in der Schule viele Rechtschreibfehler.

Es besteht übrigens ein fließender Übergang zwischen leichteren Störungen der Schriftsprachkompetenz und der schweren Form, die die Weltgesundheitsorganisation nach der internationalen Klassifikation ICD-10 als "Lese- und Rechtschreibstörung" bezeichnet.

Auch leichtere Probleme können sich schon auf die Deutschnote oder die Leistungen in anderen Fächern auswirken. Vor allem in der Schule ist das Lesen und Verstehen von Texten unverzichtbar, um Zusammenhänge begreifen und Aufgaben lösen zu können.

Für Legastheniker stellt genau das eine scheinbar unüberwindbare Hürde dar. Unbehandelte Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten können zudem psychische Störungen und körperliche Beschwerden verursachen, wenn Betroffene mit den anderen Kindern nicht mithalten können.

Wer kann von einer LRS betroffen sein?

Theoretisch kann jedes Kind beziehungsweise jeder junge Mensch eine sogenannte Lese-Rechtschreib-Schwäche oder Legasthenie entwickeln. Über die Ursachen von LRS oder Legasthenie ist sich die Forschung noch nicht einig.

Wissenschaftler haben jedoch herausgefunden, dass bei zwei Dritteln der LRS-Kinder auch Elternteile, Geschwister oder andere nahe Verwandte Probleme beim Lesen und Schreiben haben. Jungen sind doppelt so häufig lese-rechtschreibschwach wie Mädchen.

Für eine wirksame Therapie spielen die möglichen Ursachen allerdings keine Rolle, weshalb die Erforschung der individuellen Ursachen meist nicht sinnvoll ist. Am wichtigsten ist es, dass bei Problemen mit dem Lesen und Schreiben schnellstmöglich mit einer Therapie begonnen wird, die den jungen Menschen die Hilfe bietet, die sie brauchen.
****e57 Frau
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Was sind die Symptome einer Legasthenie?
Zudem können sich beim Schreiben folgende Symptome einer Legasthenie zeigen: Aber auch andere Erscheinungsformeneiner Legasthenie sind möglich, wie etwa eine isolierte Rechtschreibstörung, bei der nur eines der Symptome vorliegt, eine Rechenstörung (Dyskalkulie) als Unterform der Legasthenie, oder eine Kombination aus allen Störungen.

Seit wann wurde Legasthenie erforscht?

1916 Gemäß 2 Quellen
Diese Bezeichnung etikettierte die Erscheinung als eine eng umgrenzte Störung und drückte eine erblich bedingte Abweichung im Gehirn aus (vgl. ebd. f.). Den Begriff Legasthenie prägte 1916 der ungarische Psychiater Paul Ranschburg.

LRS-Legasthenie-Geschichte - lrs-kassel.de
Der ungarische Psychologe Pal Ranschburg beschäftigte sich ab 1916 mit dem Erlernen des Lesens und Schreibens. Dabei prägte er den Begriff Legasthenie. Ob jetzt der erste Teil des Wortes aus dem lateinischen von legere = lesen, oder aus dem griechischen legein = sprechen abgeleitet ist, ist nicht ent...

Legasthenie - Was steckt dahinter? Ein Überblick vom …
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Wann wurde Legasthenie erfunden?
Die ersten Publikationen über Legasthenie wurden im vorigen Jahrhundert registriert. Immer wieder wurde es deutlich, dass es zuerst Ärzte waren, die sich um 1900 mit der merkwürdigen Erscheinung beschäftigten, dass im sonstigen geistigen Leistungsbereich unauffällige Kinder nicht im Stande sind,...

Was ist die räumliche Ausdehnung bei Legasthenie?
Durch computertomographische Untersuchungen hat man in den 90er Jahren festgestellt, dass die räumliche Ausdehnung (also die Stärke dieses Verbindungsbalkens) bei Kindern mit Legasthenie geringer ist. Sprich: Die Nervenverbindung ist dünner.
****e57 Frau
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Lesen ist einfach nicht so ihr Ding
Trotzdem wurde was aus der Legasthenikerin. Als Putzfrau fing sie an – und dann studierte sie.

Diana Brandt Olm, 57:

Früher habe ich gedacht, ich könnte höchstens Putzfrau werden. Mir fällt Lesen und ­Schreiben schwer, ich hab Legasthenie, wie meine ­Mutter und mein Bruder. In der Schule ging es mir nicht gut. Bis ich in der neunten Klasse auf ein Internat kam, das ist so üblich in Dänemark. Dort bekam ich Hörbücher. Ich lernte mehr und wurde selbstbewusster. Mein Traumberuf war immer Pädagogin, Menschen unterstützen beim Lernen. Aber dass ich das tatsächlich mal werden könnte, glaubte ich damals nicht.

Nach dem Schulabschluss arbeitete ich als Haushalts­hilfe bei älteren Menschen, ich heiratete, bekam einen Sohn. Später war ich Putzfrau in einem Pflegeheim. Dafür muss man nicht lesen können, dachte ich. Aber als mir ­eine Kollegin nicht richtig erklärt hat, wie ein Putzmittel zu benutzen ist, hatte ich einen schlimmen Unfall. Statt einen Tropfen in einen großen Eimer zu geben, gab ich das Mittel pur auf die Fliesen. Das hat einen Teil meiner Lunge verätzt.

Da beschloss ich: Jetzt reicht’s! Keine Heimlichkeiten mehr! Als ich mich bei der Grafikabteilung eines Hörbuchverlags bewarb, sagte ich sofort: Ich kann nicht gut lesen und schreiben, aber ich bin total kreativ und zuverlässig. Nach einem Probearbeiten bekam ich den Job. Wenn ich Hilfe brauchte, halfen mir die anderen. Eine Strategie, die ich auch anderen Betroffenen empfehle. Denn, weißt du was? Du kannst nie mehr als ein Nein bekommen. Ich hatte die Nase voll von Ausreden: Brille vergessen oder sich ein Formular angeblich in Ruhe zu Hause durch­­- lesen zu wollen, es sich aber in Wirklichkeit vom Partner vorlesen lassen.

Nach der Trennung von meinem damaligen Mann zog ich um und arbeitete am neuen Ort in einem Kinder­garten als Aushilfe. Und dann sagte mein Chef zu mir: "Du bist so eine tolle Mitarbeiterin, warum machst du nicht noch das Pädagogikstudium dazu? Du kannst doch ­dabei Unterstützung bekommen." Aber ich brauchte noch zwei Schuljahre bis zur Hochschulreife. Diese Zeit war unfassbar anstrengend, denn ich arbeitete parallel ­weiter im Kindergarten. Und dann hat es wirklich geklappt: ­ Ich bekam einen der 150 Studienplätze, auf die sich 2500 Leute beworben hatten.

Mein Vater las mir Fachbücher ein
Aber damals, 1996, gab es keine pädagogische Fachliteratur zum Hören. Ich sagte meinem Vater: Du musst mir helfen. Früher hatte er nach seiner Arbeit keine ­Energie dazu gehabt, aber jetzt war er in Rente. Er las mir ­Bücher ein und nahm sie mit dem Kassettenrekorder auf. Ich hörte mir die Bänder zwei-, dreimal an, dann konnte ich die Bücher auswendig. Das Studium habe ich tatsächlich geschafft, auch weil ich für Aufgaben mehr Zeit bekam und sie mir bei Prüfungen vorlesen lassen durfte. Danach fing ich in einer dänischen Wohneinrichtung für be­hinderte Kinder und Jugendliche an. Auch dort sagte ich sofort: Ich bin Legasthenikerin. Es war kein Problem.

Ich war geschockt, als ich nach Deutschland kam
Mein jetziger Mann ist Polizist in Deutschland, er konnte den Job nicht in Dänemark machen, also zog ich 2002 zu ihm, meldete mich wieder beim Arbeitsamt – und wurde dort total entmutigt. Der Berater meinte, ich bräuchte mir nicht einzubilden, als Legasthenikerin hier schnell einen Job zu finden. Ganz ehrlich: Ich war geschockt, als ich nach Deutschland kam. Was Wissen und Akzeptanz von Legasthenie angeht, ist Dänemark zwanzig Jahre weiter.

Ich fand mich mit der Ansage aus dem Arbeitsamt nicht ab. Nun war ich so weit gekommen, ich wollte ­weiter in meinem Traumjob arbeiten. Deswegen stellte ich mich beim Verein Lebenshilfe persönlich vor, arbeitete zur ­Probe in der Betreuung von Menschen mit Behinderung – und hatte wieder einen Job.

Schließlich ging ich mehrere Jahre in Lese- und Schreibkurse der Volkshochschule, und das in meiner Zweitsprache Deutsch. Das hat richtig viel gebracht. Nur manchmal habe ich noch schlechte Tage, an denen alle Buchstaben gleich aussehen.

Ich sage immer: Leute, ich kann nicht so gut lesen oder schreiben – aber ich bin noch lange nicht dumm! In Deutschland haben über sechs Millionen Menschen ­Probleme mit dem Lesen und Schreiben. Die will ich ermutigen: Es lohnt sich in jedem Alter, so einen Kurs zu machen. Das Leben wird dadurch viel leichter und ­freudvoller. Sogar meine Mutter in Dänemark hat den Kurs gemacht und konnte danach endlich Zeitung lesen und die Speisekarte.

Protokoll: Julia Weigelt
Diana Brandt Olm, 57, lernt vor allem übers Hören. Und sie liebt Hörspiele
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Kinder stark machen.
Ist gerade für Kinder mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche sehr wichtig.

"Mangelndes Selbstbewusstsein ist die Ursache fast aller geistigen Krankheiten" 😨
Ein stabiles Selbstwertgefühl wird oft als mentales Immunsystem oder geistiger Schutzschild bezeichnet.

Menschen mit schwachem Selbstwert hadern ständig mit den eigenen Schwächen und Fehlern und suchen verkrampft die Bestätigung im Außen.

Die gute Nachricht: Selbstwert ist nicht angeboren, Sie als Mutter oder Vater haben viel Einfluss darauf, wie sich das Selbstwertgefühl Ihres Kindes entwickelt.
Genau deswegen hat Erziehungsberaterin Vera Rosenauer ihr Buch "Kinder stark machen" veröffentlicht.

Ein Buch mit leicht umsetzbare Methoden, die das Selbstwertgefühl deines Kindes nachweisbar stärken.
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Legasthenie: Neues Gen identifiziert

Genetische Einflüsse spielen eine große Rolle bei der Entstehung einer Lese- und Rechtschreibstörung. Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat jetzt ein weiteres Gen identifiziert, das in diesen Prozess involviert ist.

Die Legasthenie oder Lese- und Rechtschreibstörung ist eine der häufigsten Teilleistungsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Zwischen vier bis zwölf Prozent eines Jahrgangs sind davon betroffen. Das bedeutet: Allein in Deutschland leben rund 3,5 Millionen Legastheniker. Trotz dieser großen Zahl ist das Wissen über die Legasthenie in vielen gesellschaftlichen Bereichen immer noch äußerst gering. Selbst in Schulen werden betroffene Kinder von Lehrkräften oft als dumm oder faul eingestuft und ihre eigentlichen Fähigkeiten nicht erkannt. Dazu trägt vermutlich auch die Tatsache bei, dass eine Legasthenie sich bei den Betroffenen unterschiedlich äußert. Während die Einen mehr oder weniger große Probleme mit der Rechtschreibung haben, tun sich Andere beim Lesen schwer.

Mangelndes Wissen mit fatalen Konsequenzen
Dabei sind Legastheniker nicht dümmer als andere Schüler. Unter ihnen liegt die gleiche Normalverteilung der Intelligenz vor wie bei den anderen Schülern auch, es gibt also weniger begabte, normal begabte und hochbegabte Kinder mit Legasthenie. Sie alle haben „nur“ das Handikap, beim Erlernen der beiden Kulturtechniken Lesen und Schreiben größere Probleme zu haben. Das mangelnde Wissen über Legasthenie hat allerdings fatale Konsequenzen: Betroffene Kinder leiden häufig unter Ausgrenzung und Stigmatisierung, etwa 40 Prozent von ihnen erkranken psychisch. Die Prognose zum Lebenslauf ist gut, wenn schulischer Nachteilsausgleich, schulische Förderung, therapeutische Hilfe und familiäre Unterstützung gewährleistet sind.

„Dabei haben molekulargenetische Untersuchungen schon längst gezeigt, dass genetische Einflüsse zweifellos eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Legasthenie spielen“, sagt Professor Tiemo Grimm. „Ist ein Kind in der Familie von einer Legasthenie betroffen, so sind in gut 40 Prozent der Fälle auch Geschwister oder ein Elternteil betroffen – oder beide“. Grimm ist Humangenetiker und hat bis zu seiner Emeritierung am Institut für Humangenetik im Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) geforscht. Auch jetzt forscht er weiter an den Ursachen der Legasthenie. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Grimm ist selbst Legastheniker; weitere Mitglieder seiner Familie sind ebenfalls davon betroffen.

Ein Gen, das im Gehirn zum Einsatz kommt
Bisher sind über 20 verschiedene Gene beziehungsweise Genorte bekannt, die eine Rolle bei der Entstehung einer Legasthenie spielen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der JMU und des Würzburger Universitätsklinikums haben diese Liste jetzt um einen weiteren Eintrag verlängert – gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Forschungseinrichtungen in Deutschland und den USA. In einer gut dokumentierten Familie, in der über vier Generationen hinweg Legasthenie auftritt, haben sie einen neuen Genort auf Chromosom 4q28 nachgewiesen. „Bei den Betroffenen in dieser Familie wurde eine spezifische Nukleotidvariante in einer Sequenz des SPRY1-Gens gefunden, einem Gen, welches im Gehirn exprimiert wird“, sagt Grimm. Diese Sequenzveränderung könnte die Expression des SPRY1-Genproduktes beeinflussen.

Eine direkte Konsequenz oder gar eine Therapie der Lese- und Rechtschreibschwäche ergibt sich aus diesem Forschungsergebnis allerdings nicht. Es handele sich um „Grundlagenforschung“, erklärt der Humangenetiker. Immerhin liefere die Entdeckung ein neues Puzzlestückchen für das Gesamtbild der Vorgänge im Gehirn. „Die Legasthenie entsteht in engem Zusammenhang mit der biologischen Reifung des zentralen Nervensystems, wobei Besonderheiten der auditiven und der visuellen Informationsverarbeitung sowie wahrscheinlich auch der zeitlichen Vorgänge im zentralen Nervensystem eine Rolle spielen“, sagt Grimm.

Die Folge daraus: Bei etwa 60 bis 80 Prozent der Kinder mit Legasthenie bestehen Schwächen in der sogenannten „phonologischen Bewusstheit“ – also der Fähigkeit, lautliche Eigenschaften der Schriftsprache zu erkennen und zu gebrauchen, zum Beispiel die Fähigkeit, den Laut „u“ vom Laut „o“ zu unterscheiden. Von Schwierigkeiten der visuellen Informationsverarbeitung ist hingegen eine Minderheit der Kinder mit Legasthenie betroffen. Ihnen gelingt es in der Regel nicht, einzelne Buchstabenzeichen wie beispielsweise A – u – t - o zu dem Wort „Auto“ zusammenzufügen, wenn sie es alleine mit den Augen versuchen, also lesen.
Vielen Dank für den ausführlichen und sehr interessanten Beitrag. *top2*
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Regelmässiges Lesen
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Mein Schlüssel zur Welt fühlt sich motiviert.
Finanziert von Bundesministerium für Bildung und Forschung ·
Jeder achte Erwachsene in Deutschland hat Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. Viele möchten keinen Kurs besuchen, weil sie diesen mit schlechten Schulerfahrungen verbinden😖.

Dabei ist ein Lese- und Schreibkurs für Erwachsene mit Schule nicht vergleichbar☝️.
Wir haben Susanne Kiendl von der VHS Hamburg gefragt, warum ein Erwachsenenkurs anders ist als Schule:


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