Wenn Männer sich melden und telefonisch bereits auf einen Blowjob abheben, so gehe ich einmal davon aus, dass diese Männer Orgasmus und Ejakulation nicht trennen können. Sie suchen offenbar eine besonders subtil aufgebaute Reizung – was eine zweistündige tantrisch beeinflusste Massage zweifellos ist – um dann in einem "Megaorgasmus" zu explodieren. Damit haben sie aber genau gegen das verstoßen, was tantrische Übungen erreichen wollen.
Ich denke, das Entscheidende hierbei ist nicht, dass diese Männer das nicht voneinander trennen können, sondern dass sie es schlicht
nicht wollen
Und dann stellt sich mir schon die Frage, warum sie zu einer Tantramassage gehen und nicht zu einer erotischen Massage.
Ich habe gestern noch viel über den Satz
Alles ist GUT, wenn es in LIEBE geschieht....Dafür braucht man keine Regeln
nachgedacht und ich teile ihn nicht.
Es geht nicht darum, Regeln dogmatisch und starr umzusetzen (in dem Zusammenhang - ich gehöre zu keiner Hardcore-Tantrikerfraktion, ganz im Gegenteil). Es geht darum, als Mensch der westlichen Welt so gut es uns mit unserer Sozialisation möglich ist, eine östliche Philosophie zu begreifen und auch umzusetzen.
Ich habe Schwierigkeiten damit, wenn eine sehr alte Philosophie, von der ich nicht weiß, wie deckungsgleich der jeweils eigene Ansatz mit dem Original ist (auch hier mal der Einfachheit halber von den ganzen Untergruppen des Tantra abgesehen, die sich zum Teil auch sehr konträr gegenüberstanden/-stehen) - bis in die Beliebigkeit verwässert wird.
Gerade die Regeln und klaren Strukturen sind m.E. eine der wichtigsten Säulen im Tantra. Ich habe bislang noch keine östliche Philosophie kennen gelernt, die ohne Regeln, Strukturen und Disziplin ausgekommen wären. Und ich wiederhole mich gerne noch einmal. Wenn es mir möglich ist, mich gegen meine inneren Widerstände genau darauf einzulassen, dass es Regeln gibt, dann kann ich nicht nur meine Angst vor dem Kontrollverlust wahrnehmen, sondern komme der Philosophie ein Stück näher.
Ich finde nicht, dass sich die beiden letzten Posts unterscheiden (wegen des Nö in der Überschrift). Es geht nicht um den Orgasmus oder die Ejakulation (und so langsam kann ich so manchen Inder verstehen, warum er nur mit dem Kopf schüttelt, bekommt er etwas über den deutschen Umgang mit Tantra mit), sondern wie in anderen Philosophien auch, um den Umgang mit Energie.
Meines Wissens noch nicht mal ausschließlich nur um die sexuelle Energie, da mir eine Unterteilung in weißes und rotes Tantra bekannt ist und sich nur das rote Tantra auch mit der sexuellen Energie beschäftigt.
Es ist für viele "Einsteiger" erstmal unerheblich, ob sie zu einem Orgasmus, einer Ejakulation oder zu "gar nichts" kommen, weil sie in den meisten Fällen so gut wie keine Vorstellung davon haben, was es bedeuten kann, sexuelle Energie mit spirituellem Erleben zu verbinden - woher denn auch!? Wir haben in unserer Gesellschaft doch so gut wie keinen Raum dafür (im Bereich des Erwachsenwerdens).
Ich bin nicht der Meinung, dass man nicht beliebig auf alles, was in Liebe geschieht, ein Tantra drauf schreiben kann. Und mir geht es dabei nicht um Besserwisserei, sondern darum, dass ich es generell schon leicht schräg finde, wenn Deutsche meinen, eine östliche Philosophie verstanden haben zu wollen (und das am Besten noch in einem Wochenendkompaktintensivseminar
).
Tantra ist für mich weit mehr als lecken und blasen und wenn ich erlebe, dass sich jemand bei einer kontroversen Diskussion gleich verabschiedet - sorry, dann frage ich mich schon, wie jemand in den Begegnungen damit umgeht, wenn Widerstände aufkommen, wenn Dinge geschen, die nicht nur nicht zu meinem Weltbild passen, sondern die auch sehr konträr zu dem stehen. Wachstum entsteht nur in der Reibung, nicht im "es muss nur alles in Liebe geschehen und dann ist es gut".
Und das ist dann für mich auch der Übergang zur Eingangsfrage - was ist seriös und was nicht? In den meisten Köpfen wird wohl dieses Wortpaar in Verbindung mit Rotlichttantra, Pseudotantra und "echtem Tantra" (mittlerweile gruseln mich diese Begriffe schon richtig) gesehen.
Für mich bedeutet seriös zu allererst, dass da jemand ist, der selbst sehr aufgeräumt ist, was die eigene Person angeht - ist sie durch die eigenen Tiefen gegangen? Kann sie mit Widersprüchen so umgehen, dass ihr Wertesystem auch ihres bleibt? Ist die Person in der Lage, sich selbst in den Begegnungen als Mensch mit den eigenen Bedürfnissen im Hintergrund zu halten?
Und vor allem - fühle ich sie in ihrer Echtheit? Kann sie mich begleiten, mich halten, wenn ihre Berührungen Prozesse bei mir/in mir auslösen, mit denen ich immer rechnen muss? Kann sie auffangen oder bekommt sie Angst?
Und ja, diese Fragen kann ich mir für mich selbst relativ schnell beantworten - auch über eine Homepage oder ein Telefonat, aber eben nur für mich, weil ich mich selbst sehr gut kenne. Eine allgemeingültige Antwort auf die Eingangsfrage ist m.E. nicht möglich. Was auch die letzten Posts deutlich machen.
Ich halte nach wie vor die Trennung, ob es sich um eine Dienstleistung handelt oder ob ich etwas privat im (Schlaf-)zimmer mache, sehr wichtig. Die letzten Post kann ich für mich gut stehen lassen, wenn es um den privaten Bereich geht. Denn dort ist jeder selbst für sich verantwortlich und keiner für den anderen.
Gehe ich als Dienstleisterin in eine tantrische Begegnung habe ich eine gewisse Verantwortung für mein Gegenüber und für das, was ich bei all der Energiearbeit, die ich da mache, auslösen kann. Und wenn ich an meine Gäste denke, dann hätte bei nicht wenigen von ihnen das reine "es ist alles gut, wenn es in Liebe geschieht" nicht ausgereicht. Im Gegenteil, manchmal ist "geballte Liebe" auch viel zu viel für den anderen. Denn die muss er auch aushalten können.
Lange Rede, kurzer Sinn... Tantra ohne Regeln, Strukturen, Übungen in allem, was dazu gehört, Disziplin, (Selbst-)reflektion halte ich schlicht für unmöglich. Und ich möchte einen Deutschen sehen, für den der Umgang mit östlichen Philosophien zuweilen kein hartes Stück Arbeit ist