„Meiner Auffassung nach sind "Sünden" Handlungen, von denen ich zu diesem Zeitpunkt weiss, dass sie falsch sind. Wenn ich also verstanden und verinnerlicht habe, dass Tierhaltung der Kategorie 1 Tierquälerei ist und trotzdem das einfachste Billigfleisch beim Discounter kaufe, begehen ich eine Sünde. Um ein Beispiel zu nennen.
Ich möchte betonen, dass es dabei um meine eigenen Werte und Überzeugungen geht. Nicht um die der Gesellschaft. Wohl wissend, dass mein Wertesystem natürlich von der Gesellschaft geprägt ist.
Dein Ansatz ist nachvollziehbar. Doch Sünde einzig an das Wissen zu knüpfen, ist mir zu kurz gedacht.
Super Beispiel und wichtiger Nachsatz, der verdeutlicht, warum es so schwierig ist, "Sünde" zu verallgemeinern. Ich habe vollstes Verständnis für Geringverdiener, die sich wenig für Nutztierhaltung interessierten. Und die - als ihnen zunehmend die Energiepreise über den Kopf wuchsen - sich noch weniger für die Nutztierhaltung interessierten sondern mehr fürs Energiesparen. Da hat die Haltungsform nun mal nie Eingang in die persönliche Wertehierarchie gefunden.
Dort könnte man deinen Ansatz mit dem "verinnerlichten Wissen" gelten lassen. Da wo es fehlt, wird es auch nicht als Sünde empfunden. Logisch.
Die Frage, über die ich mir häufiger den Kopf zerbrach, seitdem ich durch meinen Gesundheitszustand aufs Existenzminimum rutschte, ist: "Ist es Sünde, wenn ich an der Fleischtheke nicht nachfrage?"
Meistens kaufe ich es ja abgepackt, Haltungsform 4. Das ist mir (noch) wichtig. (Bei pflanzlichen Nahrungsmitteln mache ich häufiger Abstriche. - Besonders im Winter.) Und all die relativ preiswerten Standart-Sachen der Haltungsform 4 lassen sich inzwischen ohne Probleme in der Kühltheke finden.
Doch so manches bekommt man eben nur an der Fleischtheke. Dort fehlt die Kennzeichnung. Und ich habe aufgehört, immer danach zu fragen, woher die Angebote kommen. Damit habe ich früher die Verkäufer an der Fleischtheke regelmäßig genervt. Und wenn mir die Antwort nicht gefiel, habe ich nichts dergleichen gekauft. Und das lange bevor die EU die Haltungsform-Kennzeichnung einführte. Ich habe erlebt, wie mehr und mehr Fleisch aus der Region in die Fleischtheke kam. Bauern, wo ich die Haltung kannte und für gut befunden hatte. Mit der Zeit kamen dann auch die Bio-Labels in die Fleischtheke. Ich habe also erlebt, dass hartnäckiges Nachfragen auf Dauer Wirkung zeigt - also Sinn macht.
Doch inwzischen? -
Ich frag nicht immer.
Angefangen hatte es damit, dass sich spontan der Besuch eines alten Freundes ergab und ich eines seiner Lieblingsgerichte kochen wollte. Ich hatte es versprochen. Früher wäre ich bei unerwünschter Antwort des Verkäufers mit dem Auto in den nächsten Bauern-Laden gefahren... besagtem Freund war das gleichgütlig. Das war früher einfach mein Ding.
Nun aber wollte ich die Antwort eigentlich gar nicht wissen. Für die Konsequenz - mittels ÖPNV woanders einzukaufen - fehlte mir die Zeit.
Nachzufragen und dann gegenüber der Antwort Gleichgültigkeit zu zeigen, war extrem suboptimal.
Das hatte die - an der Stelle ungewollten - Wirkung der Gleichgültigkeit noch verstärkt.
Hätte ich doch bloß nicht gefragt.
Hach ja... "seelig sind die Dummen und Unwissenden." Sind sie das?
Dummheit & Unwissenheit mögen glücklich machen.
Allzu oft habe ich das Gefühl, sowieso schon zu viel über alle möglichen Produkte zu wissen. - Angesichts meiner aktuellen Kaufkraft.
Aber machen Dummheit & Unwissenheit seeliger? - Der Gedanke fühlt sich (für mich) kacke an.
In dieser Welt läuft zu vieles falsch. Die eigentlichen Kosten sind auf's Übelste in Ort & Zeit verschoben.
Das verinnerlichte Wissen um die Wahrscheinlichkeit "des Falschen" wäre auch so dagewesen.
Da spreche ich inzwischen aus Erfahrung.
Und mit dem Wissen um Wahrscheinlichkeiten, kann man auch etwas anfangen.
Meine Werte haben sich jedenfalls nicht verändert.
"Anständige Tierhaltung" hat für mich einen gewissen Wert.
"Gastfreundschaft" hat für mich einen gewissen Wert.
"Spontane Verabredungen" haben für mich einen gewissen Wert.
"Mich an mein Wort zu halten" hat für mich einen gewissen Wert.
Was sich verändert hat, ist, dass ich mangels Ressourcen weniger Werte gleichzeitig unter einen Hut bekomme.
Und ich bin davon ab, einen Wert absolut zu setzen und alles andere - was mich ausmacht - für dieses eine Ideal zu opfern. Ich wäge ab - in jeder Situation aufs Neue - so dass der Gesamteindruck, den ich auf dieser Welt hinterlasse, mir entsprechen möge.
Als "meine Sünde" würde ich das nicht bezeichnen.
„Ich bin ein Wesen göttlichen Ursprungs. Eine "Trennung von Gott" entspricht damit eine Trennung von meinem wahren Kern. Mein Inneres nicht mehr spüren können. Die "falsche Lebensweise" sind dann die Handlungen, die wider meiner eigenen Natur sind.
Und? Kommst du von dieser Welt?
Falls nicht, wäre die Frage, ob so ein Außeneinsatz, der dich des öfteren zu einer "falschen Lebensweise" verdammt, prinzipiell eine Sünde wäre. Kannst du im Inneren nicht trotzdem heil sein? Kannst du dein Inneres beim Kompromiss nicht trotzdem spüren?