Mir fiel eine gewisse Leere in den Gesprächen mit meinen alten Freunden auf.
Unsere Telefonate sind im weiteren Verlauf der Pandemie wesentlich seltener geworden.
Zu Beginn war erst mal die Pandemie und deren Auswirkungen auf unser Leben ein Thema. Aber mit der Zeit war dieses Thema erschöpft. Positionen geklärt. Alles gut.
Ein Treffen wollten wir aufgrund unseres eigenen Corona-Risiko-Managements nicht. Wir waren uns darin einig, dass unsere Familienmitglieder (Risikogruppen) Prio haben. Unsere Lieben würden höchst wahrscheinlich lange vor uns sterben. Da ist uns die Zeit mit ihnen jetzt wichtiger. Es könne sich ja nur um ein bis zwei Jahre handeln, bis Schnelltests und Impfungen der breiten Masse zugänglich würden. Wir wären danach immernoch befreundet und hätten immernoch Zeit füreinander. Bis dahin Treffen nur bei niedriger Inzidenz und mit zeitlichem Abstand zum nächsten Familienkontakt. Und besser ein langes Treffen anstatt vieler kleiner Treffen.
Wir kennen uns bereits sehr gut.
Vor der Pandemie ergaben gemeinsame Treffen und Unternehmungen neuen Gesprächsstoff
oder aber auch unabhängig voneinander neue Erlebnisse und neue Kontakte.
Dinge, die man in Gruppen oder im 1:1 erlebte und von denen wir noch nicht wussten, wie der/ die Andere dazu stehen würde. Neue Kontakte bieten zugleich auch neue Perspektiven auf alte Themen. Da interessierte uns immer die Sichtweise der alten Freunde.
Aber dadurch, dass wir uns nicht trafen und auch sonst keine neuen Kontakte mehr hatten, fiel das weg.
Meine alten Hobbies - wie das Malen, Klavierspielen oder meine Streifzüge durchs Naturschutzgebiet - boten keinen besonderen Gesprächsstoff. Ebenso verfolgten meine Freunde in der Zeit hauptsächlich Hobbies, die weder andere Menschen brauchen noch Gesprächsstoff boten.
Zu Beginn verabredeten wir uns zum Streamen von Filmen und Serien... jeder bei sich zu Haus. Und danach telefonierten wir und diskutierten darüber. Das war für ein paar Wochen unser gemeinsamer Zeitvertreib. Aber seien wir ehrlich: In den meisten Fällen wussten wir bereits vorher, was der/ die andere zu der Geschichte sagen würde. Selten wurde die Filmdiskussion spannend. Irgendwie bringt die Filmindustrie selten Perpektiven, die wir so noch nicht hatten. Für das, was die Filme hergaben, kannten wir uns bereits "zu gut". Wir brauchten das nicht.
Schöner wäre ein gemeinsamer Filmabend gewesen. Gemeinsames Erleben.
Im Sommer dann die erste Wanderung mit einem alten Freund.
Dabei schwiegen wir größtenteils.
Es war einfach schön.
Bezüglich unseres Corona-Risiko-Managements waren wir uns einig, dass unser Bedürfnis nach Treffen mit neuen Kontakten zur Zeit größer ist. Unsere Freundschaft ist ja völlig in Ordnung. Der Ausflugstag nach unserer Auszeit war wunderschön. Doch wir brauchten dies letzten Sommer nicht häufiger zu erleben, um uns dieser Freundschaft zu vergewissern. Da war es für uns wichtiger, die begrenzten Gelegenheiten zum Treffen von Menschen außerhalb unserer Familie (Risiko-Gruppen) für frische Kontakte zu nutzen, die wir online kennengelernt haben.
Also diese Leere in meinem Leben aufgrund der Pandemie hat mir gezeigt, wie gefüllt mein Geist bereits mit meinen alten Freunden ist: Ich kann so denken wie sie. Und sie können so denken wie ich.
(Ausgenommen natürlich die Fachgebiete des jeweils anderen.
Es ist gut, bei Bedarf mal einen Fachmann fragen zu können.
Doch im stinknormalen Alltag kommt das selten vor.)
Wie heißt es so schön:
Freunde sind wie Sterne.
Sie sind da, auch wenn Du sie nicht siehst.
Also wirklich "leer" war mein Geist nie.
Ich freu mich bereits darauf, bald auch wieder mit meinen alten Freunden mehr zu unternehmen.
Vor allem darauf, gemeinsam bei Gruppen-Aktivitäten neue Menschen kennen zu lernen.
Jeder Mensch ist doch eine eigene Welt. Und wieder gemeinsam neue Welten zu entdecken... hach jaaa... schmacht.