@*****urt
Zunächst einmal Dankeschön für deine Ausführungen.
In die verlinkten Artikel werde ich mich einlesen, wenn ich die Muße dazu finde. Deswegen werde ich auf den zweiten Teil deines Beitrages jetzt noch nicht antworten.
„Autogenes Training verfolgt nicht dieselben Ziele wie Meditation im buddhistischen oder hinduistischen Kontext. Ich kenne autogenes Training nicht wahnsinnig gut, aber was ich dort gesehen habe, ist der eintrainierte Geisteszustand tatsächlich ein ziemlich anderer als das, was eigentlich alle traditionellen Meditationssysteme aus Fernost praktizieren. Autogenes Training strebt nicht jenen Grad an Wachheit des Geistes an, welcher z.B. in Patanjali Yogasutra-Meditation, im Zen, Vipassana, Mahamudra, Dzogchen angestrebt wird (wobei diese Traditionen wiederum auch recht verschieden voneinander sein können, siehe weiter unten), sondern fokussiert viel mehr den Grenzbereich der totalen Entspannung. Wie du es nennst: den "Trance-Zustand". Zumindest war das mein Eindruck, mag sein, dass ich das nicht völlig überblicke. Die genannten Meditationssysteme streben eben gerade nicht denselben Trance-Zustand des autogenen Trainings an, d.h. die Entspannung ist nicht der primäre Ansatz, mit welchem gearbeitet wird. Deshalb ist Meditation für Hypnose auch nicht geeignet. In der Meditation werden keine Inhalte im Geist verankert, sondern der Geist wird mit Hilfe des Geistes erforscht.
Was das Autogene Training anbelangt, hast du insofern Recht, dass es zunächst tatsächlich Schwerpunktmäßig um die Tiefenentspannung geht. Die Unterstufe konzentriert sich dabei auf den Körper. Die Mittelstufe auf den Geist. Doch in der Oberstufe geht es dann auch um die Erforschung und Klarheit des Geistes. Zum Beispiel um Farb-, Form-, Begriffs- oder Klangmeditationen.
„In der Meditation werden keine Inhalte im Geist verankert, sondern der Geist wird mit Hilfe des Geistes erforscht.
Ebenso in der Oberstufe des Autogenen Trainings. Aber natürlich aus der zuvor erreichten Tiefenentspannung heraus.
„Deshalb ist Meditation für Hypnose auch nicht geeignet.
Nein, da muss ich dir widersprechen. Für diejenigen, die die Oberstufe des Autogenen Trainings praktizieren, ist es völlig normal von einem hypnotischen Trance-Zustand in den Mediations-Zustand zu wechseln. Im Vergleich zum Wechsel vom stinknormalen Wachbewusstsein in den Meditations-Zustand hat dies diverse Vor- und Nachteile. Da ist schlicht und ergreifend die Frage, was einem Menschen mehr liegt.
Ich denke, die Frage ist, wo man mit seinem Weg beginnen möchte... letztendlich führen ja viele Wege nach Rom.
„Im Grunde genommen zeichnet sich Gesundheit primär dadurch aus, dass ein Mensch zwischen verschiedenen Aktivierungszuständen (rasch) hin- und herspringen kann - und nicht, dass ein Aktivierungszustand den anderen längere Zeit überwiegt.
Wenn ich das "rasch" dort rausnehme, dann stimme ich dieser Aussage vollumfänglich zu.
Viele Menschen sind in so einer Art Dauerstress-Zustand, die kommen gar nicht mehr richtig runter - in die Tiefenentspannung. Bei manchen kann der Körper noch nicht einmal mehr im Schlaf ganz runter fahren. Kommen sie dann endlich mal wieder in die Tiefenentspannung, steigen in den Tagen danach viele unverarbeitete Konflikte auf. Ich habe schon Mal gesagt: "Eigentlich bin ich Sadist, wenn ich dich in die Tiefenentspannung führe."
So mancher war nämlich dermaßen dauerabgelenkt von sich selbst, dass er im Laufe der Jahre jede Menge unverarbeitete Scheiße angesammelt hatte.
Ich führte ihn in die Tiefenentspannung. Da fühlte er sich zunächst einmal pudelwohl und auch im Anschluss daran wunderbar entspannt. Doch in den darauffolgenden Nächten und Tagen hatte er allerlei Alpträume und war auch im Wachzustand häufiger mit längst vergessenen Träumen, Wünschen und damit einhergehenden Ängsten, Selbstzweifeln, Schuld- oder Schamgefühlen beschäftigt - bzw. mit negativen unverarbeiteten Erlebnissen, die ihn irgendwie immer von der Verwirklichung eines Traumes abgehalten hatten. Kurzum: Er war wirr im Kopf.
Aber dieses Wirr-Warr war die ganze Zeit über schon da. Doch es steckte im vegetativen Nervensystem und zeigte sich im insgesamt erhöhten Stresslevel des Körpers und/ oder in ortlich begrenzten muskulären Verspannungen. Beides ist ungesund. Wobei das letztgenannte - die örtliche begrenzten Verspannungen - wesentlich gravierendere Folgen dafür haben, ob und wenn ja welche Körperhaltung ein Mensch bei einer Mediation überhaupt einnehmen kann. (Später dazu mehr.)
So oder so: Die Psyche stabilisiert sich auf Kosten des Körpers, um alltagstauglich zu bleiben.
Bei insgesamt erhöhtem Stresslevel stumpfen die Sinne ab. Somit ist auch die emotionale Reaktion weniger intensiv. Schmerzhafte Erlebnisse werden als weniger schmerzhaft erlebt.
Also bei regelmäßiger Tiefenentspannung wird die stinknormale Alltagsbewältigung anspruchsvoller.
Gerade der Einstieg ins AT ist schwierig und mühseelig.
Im Vergleich zu früher ist die Zielgruppe fürs Autogene Training auch immer mehr geschrumpft.
Zum einen tun sich immer mehr Menschen schwer damit, die Tiefenentspannung bzw. die Unruhe in den Tagen danach mit ihrem hektischen Alltag unter einen Hut zu bekommen. Das liegt an der zunehmenden Veränderung der Arbeitsbelastung: Immer mehr Routinetätigkeiten wurden rationalisiert - also durchs Hilfskräfte oder neue IT hat der Anteil der leichten Routinetätigkeiten, die man ohne allzu viel Konzentration bewältigen kann, in etlichen Berufsbildern abgenommen. Gerade das wären aber die Zeiten, in denen ein Angestellter während seiner Arbeit Mal ein wenig abschalten kann. So reiht sich nun eine Tätigkeit mit hoher Denkleistung an die andere. Dies verführt geradezu dazu, mehr zu verdrängen als zu verarbeiten. Jedenfalls mehr als früher.
Am ehesten können noch Teenager und junge Erwachsene etwas mit Autogenem Training anfangen. Die haben noch nicht so viel unverarbeiteten Mist angestaut. Für viele Menschen im fortgeschrittenen Alter sind hingegen die primären Meditationsverfahren der passendere Einstieg. Also erst mal das Wirr-Warr im Kopf bei leichter Entspannung (Meditative Entspannung) anzugehen, bevor durch Tiefenentspannung noch mehr Altlasten aufsteigen.
Zum anderen wollen viele nur noch die Entspannung vor dem Einschlafen und sind wenig an Kursen für Fortgeschrittene interessiert. Und inzwischen gibt es ja auch mehr als genügend Apps, mit denen man sich "in den Schlaf reden lassen kann". - Eigentlich genau der Zustand, welchen man beim Autogenen Training vermeiden will. Machte als Seminarleiter echt keinen Spaß, den Menschen zu erklären, wie sie trainieren können, zuverlässig in die Trance zu kommen. Und dann sagten im Laufe der Jahre zunehmend mehr Teilnehmer: "Aber ich will doch in den Schlaf. Schlaf ist super! Kannst Du nicht mal ein AT machen, welches direkt in den Schlaf führt und das auf Tonband aufnehmen? Ich bezahl auch dafür."
Tja.
Ich habe keine Tonbandaufnahme für meine Schüler gemacht, da es dem Ausbilden eines eigenen autogenen Ichs entgegen steht, sich "in den Schlaf reden zu lassen". So funktioniert Autogenes Training nicht.
Und inzwischen bedienen doch genügend Anbieter genau dieses Schlaf-App-Bedürfnis.
All die Menschen, die das wollen, besuchen schon lange keine AT-Kurse mehr.
Die konsumieren so eine App.
Und das finde ich völlig in Ordnung - solange sie nicht zu mir kommen und von mir erwarten wie eine App zu funktionieren.