Yellowjackets
Spontan musste ich an Herr der Fliegen denken. Allerdings wird dieser Vergleich der Komplexität der Serie nicht ganz gerecht: In „Yellowjackets“ muss ein Mädchen-Fußballteam in der Wildnis überleben. Klug verbindet die Serie verschiedene Genre-Elemente.Die Mädchen-Fußballmannschaft einer Kleinstadt-High-School ist 1996 Meister in New Jersey geworden, nun steht zum Saisonabschluss noch die Teilnahme an der nationalen Meisterschaft an. Anspannung, Stolz und Vorfreude liegen in der Luft. Aber unbeschwerte Teenagereuphorie gibt es in der neuen Sky-Serie „Yellowjackets“ nur kurz, bevor es zur Katastrophe kommt. Der Privatjet, den der Vater eines der Teenagerinnen extra angemietet hat, um das Fußballteam nach Seattle zu fliegen, stürzt ab – irgendwo in der kanadischen Wildnis. Als die zunächst erhoffte schnelle Rettung ausbleibt und die Vorräte rapide zu Ende gehen, muss die Truppe lernen zu jagen, sich vor Wölfen und Bären zu schützen – und die Hoffnung nicht zu verlieren. Doch es dauert ganze 19 Monate, bis die Verbliebenen tatsächlich gefunden werden – und wie finster es bis dahin in jeder Hinsicht zugeht, davon gibt diese Serie gleich zu Beginn der ersten Folge (Regie: Karyn Kusama) einen kleinen Einblick.
Was ist damals da draußen wirklich passiert? Welcher Preis musste fürs Überleben tatsächlich bezahlt werden? Mit diesen Fragen sehen sich die Frauen auch 25 Jahre nach einem Flugzeugabsturz immer wieder konfrontiert. Die nie öffentlich ausgesprochenen Antworten treiben sie auch als Erwachsene noch um.
Ashley Lyle und Bart Nickerson, die gemeinsam als Schöpfer*innen für „Yellowjackets“ verantwortlich zeichnen und zuvor bereits an Serien wie „Narcos“ oder „Dispatches From Elsewhere“ mitwirkten, erzählen ihre Geschichte auf beiden Zeitebenen parallel. Und sie finden dabei eine erstaunlich geschickt austarierte Balance aus unterschiedlichsten Genre-Elementen: Die zehnteilige erste Staffel (eine zweite ist bereits bestellt) ist gleichermaßen Mysterythriller à la „Lost“, Survivalabenteuer im Stil von „Herr der Fliegen“ oder aktuell „The Wilds“ sowie Midlife-Krisen-Drama – und dabei, kombiniert mit einer guten Portion 90er-Nostalgie, so unterhaltsam und spannend, dass man kaum abschalten mag.
Dass der Bogen unter dem Brennglas einer Extremsituation so überzeugend geschlagen wird zwischen jenem Alter, in dem Mädchen erwachsen werden und sich selbst finden müssen, und dem, in dem eine erste Bilanz gezogen wird und man sich fragt, was aus den einstigen Träumen wurde, liegt nicht nur an einem stimmigen, von Wahrhaftigkeit durchdrungenen Tonfall. Mindestens so entscheidend ist das starke Ensemble, das vor allem exzellent zusammengestellt ist. Selten fügen sich jüngere und ältere Versionen so überzeugend zu glaubhaften, komplexen Figuren zusammen wie hier.
Yellowjackets läuft auf Sky.