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MUTTER

*******o_F Mann
3.127 Beiträge
Themenersteller 
Liebe @*****a99,

Bei einem Satz in Teil 3 bin ich unsicher, wie er richtig lauten muss. Ich schreibe hier beide Varianten und markiere fett, worum es mir geht:

Von Kindesbeinen an bläute sie allen ein, dass die Welt eine Fülle an Schätzen zu bieten hatte, die aber nicht nur den Menschen, sondern auch Pflanzen und Tieren gleichermaßen zur Verfügung standen.

Von Kindesbeinen an bläute sie allen ein, dass die Welt eine Fülle an Schätzen zu bieten hätte, die aber nicht nur den Menschen, sondern auch Pflanzen und Tieren gleichermaßen zur Verfügung stünden.
erhebende 11 Zentimeter...
*****a99 Frau
3.535 Beiträge
@*******o_F

Ich verstehe es als indirekte Rede - der Erzähler gibt wieder, was sie allen einbläut. Dann ist der Konjunktiv II erforderlich, also die zweite Variante.

Ist mir durchgeflutscht beim Lesen *rotwerd*
*******o_F Mann
3.127 Beiträge
Themenersteller 
Mutter 4/ 15
Dass Menschen so lange lebten und selten krank wurden, verdankten sie hauptsächlich der gesunden Ernährung. In Victors Zeit gab es weder Gifte, die auf Felder gespritzt wurden, noch Massentierhaltung. Auch die sogenannte Lebensmittelindustrie mit ihren chemisch aufbereiteten „Nahrungsmitteln“ hatte in dieser Welt keinen Platz mehr. Intelligente Landwirtschaft war der Schlüssel des Erfolges.
Neben den gesellschaftlichen Entwicklungen, veränderten somit auch die technischen das Leben im zweiundzwanzigsten Jahrhundert. Die HoliCalls gehörten eher zu den unbedeutenden Erfindungen, im Grunde genommen waren sie nichts anderes als nette Gadgets für den Alltag.

Bahnbrechend hingegen waren die Entwicklungen in der Landwirtschaft. Intelligente, mit unterschiedlichen Sensoren ausgestattete Bauern-Roboter, analysierten unter Berücksichtigung des Wetters permanent die Zusammensetzung von Boden, Luft und Wasser. Sie überprüften die gesamte Flora und Fauna, von Pilzen und Bakterien bis hin zu Insekten und Würmern. Auch das Existenzrecht der sogenannten „Schädlinge“ wurde grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Sie waren ein Teil des biologischen Kreislaufes. Als Ergebnis stellten die Roboter die auszusäenden Pflanzen geschickt zusammen. Unterschiedliche Arten wurden so kombiniert, dass sie sich gegenseitig unterstützten. Teilweise wurden auch Felder angelegt, die einzig die Aufgabe hatten, für Nutzpflanzen schädliche Insekten und deren Larven anzulocken, um sie vom eigentlichen Anbau fernzuhalten. In allen Böden verliefen zudem dünne Leitungen für Wasser und Nährstoffe, die automatisch die Felder bewässerten. Ein bisschen mehr Nährstoffe hiervon oder davon und schon nahmen bestimmte Schädlinge Reißaus, für die Pflanzenart nützliche Kleintiere vermehrten sich.

Die Landwirtschaft war nahezu komplett digitalisiert, wodurch sie die Balance zwischen schonendem Anbau und hohem Ertrag erreichen konnte. Sie war einer der Bereiche, der viele Freiwillige zum Arbeiten anlockte. Das lag weniger an der monotonen Ernte, die in erster Linie von Robotern ausgeführt wurde, sondern am Kontakt der Hände zur Erde. Dieser durch entsprechende Pflege Nahrung zu entlocken, übte eine enorme Faszination aus. Alle genossen diese Erfolgserlebnisse. Nur weil arbeiten keine existenzielle Notwendigkeit mehr war, hieß das noch lange nicht, dass niemand mehr arbeitete. Caroline zum Beispiel. Sie brannte förmlich für die Landwirtschaft, wobei ihr Interesse eher der Digitalisierung und den unendlichen, sich daraus entwickelnden Möglichkeiten der Effizienz galt. Das faszinierte sie ungemein.
Von Jahr zu Jahr lieferten sich Bauernhöfe regelrechte Wettkämpfe um die Steigerung des Ertrages durch intelligente und geschickte Bewirtschaftung. Ein Ranking im oberen Bereich zu erzielen war eine große Motivation, sein Bestes zu geben.

Derzeit war die ganze Familie auf einem Hof, um sich mit Obst und Gemüse einzudecken. Sie hatten Caroline begleitet. Die Kinder liebten es, sich zusammen mit den Schweinen gemeinsam im Dreck zu suhlen und die Hühner zu ärgern. Das war immer eine unbeschreibliche Freude. Tiere waren auf den Bauernhöfen nur vereinzelt anzutreffen, da sich die Höfe hauptsächlich um pflanzliche Produkte kümmerten. Die Massentierhaltung kannte heutzutage niemand mehr, da die Voraussetzungen zur Tierhaltung den gleichen entsprachen, die auch für Menschen galten: Augenhöhe. Tiere hatten wie die Menschen ein Anrecht auf ein erfülltes Leben. Mit der Voraussetzung für Massentierhaltung, nämlich dass Tiere eh keine Gefühle hätten, hatte Mutter aufgeräumt, indem sie Kinder aufforderte, einem Tier ihrer Wahl in die Augen zu schauen. Die Antwort erhielten sie prompt.

Trotz aller Begeisterung für ihren Job und die Landwirtschaft, wollte Caroline jedoch nicht auf dem Land leben, sondern in der Stadt bleiben. Sie liebte das gesellige Treiben der Großstadt. Die Cafés, vielen Freunde und kulturelle Möglichkeiten. Der Weg auf den Hof von Berlin aus, nahm nur wenig Zeit in Anspruch, weshalb sie öfters hin und her pendelte. Die erste Strecke legte sie, diesmal gemeinsam mit der ganzen Familie, mit der Magnetschwebebahn zurück. Es gab Züge, die zunächst innerhalb und anschließend außerhalb der Stadt verkehrten. Nach dem Übertreten der Stadtgrenze beschleunigten sie auf mehrere hundert Stundenkilometer, so dass Entfernungen kein großes Hindernis waren. Durch das gesamte Land verlief ein grobmaschiges Netz aus Stelzen, an denen die Züge entlangglitten. Am zum Bauernhof nächst gelegenem Knotenpunkt stiegen sie in autonom fahrende Gleiter um, die allen zur Verfügung standen. Der Eingriff in die Landschaft durch das derzeitige Verkehrssystem war ausgesprochen gering. Einzig die Trasse für die Magnetschwebebahn durchzog das Land. Die individuelle Ziele ansteuernden Gleiter hingegen brauchten nichts. Sie schwebten auf „unsichtbaren Straßen“ ein Stück über dem Boden. Sensoren achteten auf eine ruhige Fahrt durch großzügige Anpassung an die Topografie des Untergrundes. Nach dem Aussteigen am Bauernhof entfernten sich die Gleiter zu den nächsten in der Nähe gelegenen, neuen Passagieren.
Die Effizienz dieses Verkehrssystems war enorm.

Diese Verkehrsmittel passten sich zudem harmonisch in die Stadtbilder ein. Wichtige Hauptachsen wurden durch die Magnetschwebebahn bedient, individuelle, verästelte Wege konnten mit den Gleitern zurückgelegt werden. Es gab aber auch eine Art Schweberoller, der aussah, wie eine Mischung aus Skateboard und Roller und für Einzelfahrten genutzt werden konnte. Alle diese Verkehrsmittel funktionierten autonom und waren durch ein intelligentes Logistiksystem regelmäßig im Einsatz. Durchgängig asphaltierte Straßen gab es nirgendwo, da die Verkehrsmittel hierfür nicht mehr existierten. Einzig großzügige Wege waren angelegt worden, damit Fußgänger trockenen Fußes und Radfahrer sich bequem fortbewegen konnten. Das Fahrrad, eine der genialsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte, war übrigens das einzige Verkehrsmittel, dass die Jahrhundertwenden überlebt hatte.
Einzelne einladend gestaltete Plätze luden die Bewohner in Cafés, zum gesellschaftlichen Austausch oder für Spiele ein. Versiegelte Flächen waren die Ausnahme. Die Bereiche zwischen den Häusern waren von engagierten Anwohnern unterschiedlich begrünt worden, manche als Park, andere als Wiesen oder sogar hier und dort als Gemüsebeet oder Obstplantage. Bei allen Grünflächen erfolgte die Bewässerung durch die gleichen unterirdisch verlegten, intelligenten Rohrsysteme, wie auf dem Land.

So sah die Welt des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts aus.
Nichts anderes kannten Victor, seine Familie und alle auf der Welt lebenden Menschen.
Erstmalig bot sich Victor nun durch die entdeckte Wohnung die Gelegenheit, einen Blick in die unbekannte, fremde Welt des beginnenden einundzwanzigsten Jahrhunderts zu werfen.


Das Schreien eines Kindes riss den immer noch tagträumend am Fenster stehenden Victor aus seinen Gedanken. Sollte er seine ursprünglich für diesen Tag geplante Beschäftigung aufnehmen? In sein Atelier gehen, um zu malen? Er entschied sich natürlich dagegen und pfiff auf seine routinierte Struktur. Dem Fund vom Vortag würde er nachgehen. Keine Frage! Er hatte sich vorgenommen, die ganze Wohnung auf den Kopf zu stellen, um das Geheimnis der Toten zu lüften. Victor wollte um jeden Preis herausfinden, was geschehen war und warum. Zwei Thesen standen im Raum und wollten überprüft werden: Handelte es sich um einen verzweifelten Selbstmord oder waren die Toten Opfer eines Psychopathen. Hatten sich die Bewohner selbst versteckt oder wurden sie gefangen gehalten?

Langsam stellte sich wieder die Begeisterung des Vorabends ein. Seine morgendliche, innere Zerrissenheit löste sich in Wohlgefallen auf. Nicht nur der historische Kriminalfall interessierte ihn, sondern auch die Welt, die er in der Wohnung entdecken könnte. Mutter hatte nie etwas aus dieser Zeit erzählt. Wie sahen die Menschen damals aus? Was taten sie? Wie lebten sie?
Victor hielt seine innere Erregung kaum noch aus, so dass er sich unverzüglich an die Arbeit machte.

Zunächst ging er in das zweite, hintere Treppenhaus, um nach dem Hintereingang zu suchen. Die sehr alten, herrschaftlichen Wohnungen aus dem neunzehnten Jahrhundert, hatten in der Regel zwei Eingänge, einen für die Herrschaften im Vorderhaus und einen für das Personal im Hinterhaus. Die abgetrennte Wohnung müsste demnach über den Dienstboteneingang verfügen. Es gab aber keinen. Auch Fenster konnte er von außen keine entdecken. Allerdings fiel ihm auf, dass in den anderen, tiefer liegenden Stockwerken Fenster waren, auf der Höhe der versteckten Wohnung keine. Im Grunde hätte mensch sich tatsächlich über den gestörten Rhythmus der Fassade wundern müssen. Es war allerdings Jahrzehnte her, dass die Öffnungen verschlossen wurden und wer weiß, wie oft seitdem das Haus renoviert, saniert oder verputzt worden war.

Die unglaubliche Entschlossenheit, mit der die Wohnung von der Außenwelt abgetrennt wurde, beeindruckte und schockierte Victor zugleich. Das sprach für ein herausragendes, folgenschweres Ereignis. Bestimmt war es keine leichtfertige Entscheidung gewesen, sich einzumauern - es sei denn, die Bewohner waren psychisch krank. Auch das wäre eine Möglichkeit, sagte sich Victor. Vieleicht waren sie einfach irre? Immerhin starben sie lieber, als die Wohnung zu verlassen.
Um die Wahrheit herauszufinden würde Victor die Wohnung gründlich untersuchen müssen. In den letzten, verstaubten Winkel wollte er kriechen.

Er rechnete mit massivem Widerstand von Mutters Seite, war aber überrascht, dass sie, ohne zu zögern, ihm freien Lauf ließ.
Zu seiner großen Freude hatte sie sogar die Wohnung säubern und die Skelette entfernen lassen. Der ganze Staub war verschwunden und Luftreiniger hatten den unangenehmen Geruch eliminiert. Jetzt machte es ihm nichts mehr aus, die Tür wie selbstverständlich offen stehen zu lassen, denn die von ihm bewohnte Wohnung hatte somit wieder ihre ursprüngliche Größe.
Nach kurzem Zögern überschritt er erneut die Schwelle zu einer anderen Welt.
*********rlust Mann
2.972 Beiträge
@*******o_F :
Zu schön, um wahr zu sein. Nachtigall, ick hör dir trapsen...

Für mich ist der Text seit deinen Änderungen des ersten Posts flüssiger zu lesen und stringenter.

Was mir auffiel:

Über das "nämlich" im 4. Abschnitt bin ich gestolpert.

Die Logik verstehe ich nicht: "Er hatte sich vorgenommen, die ganze Wohnung auf den Kopf zu stellen, um das Geheimnis der Toten zu lüften.", dann säubert Mutter das Ganze und Victor freut es?: "Zu seiner großen Freude hatte sie sogar die Wohnung säubern und die Skelette entfernen lassen."

Was ist "Schwelle zu einer anderen Welt" wenn da nur noch eine saubere, leere Wohnung ist?

LG Tom_
*******o_F Mann
3.127 Beiträge
Themenersteller 
Mutter hat nur Skelette und Staub entfernen lassen, die unangenehmen Gerüche eliminieren. Mehr nicht.

Er betritt die Welt des 21.Jhd.

Kommt das so nicht rüber?
*******o_F Mann
3.127 Beiträge
Themenersteller 
„ So sah die Welt des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts aus.
Nichts anderes kannten Victor, seine Familie und alle auf der Welt lebenden Menschen.
Erstmalig bot sich Victor nun durch die entdeckte Wohnung die Gelegenheit, einen Blick in die unbekannte, fremde Welt des beginnenden einundzwanzigsten Jahrhunderts zu werfen.“
*********cht76 Mann
858 Beiträge
Ein paar Vorschläge:

Zitat von *******o_F:
Am zum Bauernhof nächst gelegenem Knotenpunkt stiegen sie in autonom fahrende Gleiter um, die allen zur Verfügung standen.
Am Knotenpunkt, der dem Bauernhof am nächsten lag...

Zitat von *******o_F:
Nach dem Aussteigen am Bauernhof entfernten sich die Gleiter zu den nächsten in der Nähe gelegenen, neuen Passagieren.
...zu den nächsten Passagieren. (Passagiere sind nicht irgendwo gelegen.)

Zitat von *******o_F:
Das Fahrrad, eine der genialsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte, war übrigens das einzige Verkehrsmittel, dass die Jahrhundertwenden überlebt hatte.
...das einzige Verkehrsmittel, das...

Zitat von *******o_F:
Bei allen Grünflächen erfolgte die Bewässerung durch die gleichen unterirdisch verlegten, intelligenten Rohrsysteme, wie auf dem Land.
kein Komma vor wie

Zitat von *******o_F:
Das Schreien eines Kindes riss den immer noch tagträumend am Fenster stehenden Victor aus seinen Gedanken.
...Victor, der immer noch tagträumend am Fenster stand,...
*******o_F Mann
3.127 Beiträge
Themenersteller 
Danke für deine Vorschläge und Korrekturen, @*********cht76. Ich werde sie gerne übernehmen.
*******tia Mann
5.158 Beiträge
Zitat von *******o_F:
Mutter hat nur Skelette und Staub entfernen lassen, die unangenehmen Gerüche eliminieren. Mehr nicht.

Er betritt die Welt des 21.Jhd.

Kommt das so nicht rüber?

Doch, schon. Aber ich bin misstrauisch, was Mutter noch alles mit weggeräumt hat.
*zwinker*
Genauso wie ich gespannt darauf warten, ob es Schattenseiten der schönen Utopie gibt und wann diese deutlich werden ...
*******o_F Mann
3.127 Beiträge
Themenersteller 
Mutter 5/ 15
Victor verschaffte sich zunächst eine Übersicht über die ganze Wohnung. Er inspizierte einzeln alle Zimmer und sammelte weitere Eindrücke. Mutter bestätigte erneut die Vermutung über den Zeitraum der Wohnung. Noch vor Mitte des 21. Jahrhunderts musste die Tragödie stattgefunden haben. Ein weiteres Indiz hierfür lieferten die im Regal stehenden Bücher. Sie waren allesamt in deutsch verfasst, einer Sprache, die heute zwar noch existierte, aber im allgemeinen Gebrauch nicht mehr üblich war. Alle Menschen weltweit sprachen englisch. Einzig ein paar Literaturbegeisterte pflegten noch diese alte Sprache. Die tiefe oder doppelte Bedeutung vieler Wörter, sowie das Subtile der Sprache, ließen sich kaum übersetzen, so ihr Standpunkt. Sie schwärmten von der Weisheit, die Wörter offenbaren könnten, nachdem sie in ihre Wortstämme zerlegt wären. Wie das Wort „Ent-täuschung“, das durch den verborgenen Sinn, dem Ende der Täuschung, sogar zusätzlich Lebenshilfe als Antworten gäben würde.
Victor war das egal und entlockte ihm lediglich ein müdes Schulterzucken. Wenn sie meinten.

Er nahm die Bücher einzeln aus dem Regal, blätterte sie gewissenhaft durch und stellte sie wieder ordentlich zurück. Weder in noch hinter den Büchern war Erhellendes versteckt. Die auf dem Tisch liegenden Papierstapel sahen dagegen vielversprechend aus. Sie waren ziemlich vergilbt, aber mit Hilfe seines Holi-Scanners konnte er nicht nur die Texte als Übersetzung lesen, sondern auch Bilder wiederherstellen und betrachten. Die würde er sich später in seinem Teil der Wohnung genauer ansehen und ließ die Inhalte automatisch speichern. Interessant war ebenso der silberne Kasten auf dem Tisch. Dies sei ein Computer, klärte Mutter ihn auf, genauer gesagt, ein Laptop. Heute brauchte mensch solche Endgeräte nicht mehr, da die Funktionen überall verfügbar waren. Wollte mensch etwas bearbeiten, bildete sich ein skalierbares Hologramm als dreidimensionaler Bildschirm mit integrierter Tastatur. Mutter erwartete jeden Moment einen Techniker, der den gesamten Inhalt dieses Geräts scannen würde. Somit hatten sie dann uneingeschränkten Zugriff auf alle Daten. Hiervon erhoffte sich Victor die entscheidenden Informationen über das Geschehene.

Victor versuchte die Geschichte zu verstehen, die ihm die Wohnung über deren Bewohner und die Ereignisse erzählen konnte. Zu tiefgreifenden, forensischen Analysen war er sowieso nicht fähig, weshalb er ganz dankbar war, dass die Wohnung jetzt in hellem Scheinwerferlicht erstrahlte und der ganze Staub und Gestank verschwunden waren. Mutters Techniker hatten die Strahler sogar so installiert, dass das Licht wirkte, als würde Sonnenlicht durch Fenster scheinen. Diese Atmosphäre stand zwar in extremen Widerspruch zu der Stimmung, die in der Wohnung in all den Monaten des Eingesperrt seins geherrscht haben musste, verhinderte aber gleichzeitig die unnötige seelische Belastung Victors.
Die Durchsuchung war nichts anderes als ein wunderbarer Zeitvertreib. Ein kleiner Nervenkitzel. Mehr nicht.

Auffallend fand er, dass es von allem sehr viel gab. Die Wohnung war ziemlich vollgestopft mit allem möglichen Kram. Sehr viele Bücher, sehr viele Klamotten, sehr viel Geschirr, sehr viele elektronische Geräte. Sehr viel „Sehr-Viel“. Natürlich hatten die Bewohner alles Mögliche in diesen Teil der Wohnung geschleppt, da sie sich in dieser langen Zeit ja irgendwie beschäftigen mussten, aber auch verteilt auf die ursprüngliche Wohnungsgröße, war das immer noch sehr viel. So hatte er in einem Schrank im Schlafzimmer unendlich viele Kleidungsstücke gefunden. Solch eine Menge hatte er noch nie auf einem Haufen gesehen. Mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht kam ihm die Idee, das eine oder andere Kleidungsstück mal anzuprobieren. Manche waren zerfallen, aber andere makellos. Allerdings zu groß. Trotzdem schlüpfte er in das eine oder andere Outfit und drehte sich damit vor dem Spiegel. So sahen die Menschen damals also aus. Er machte sich ein neues Loch in den Gürtel, so dass die Hose nicht mehr rutschte und behielt die Klamotten erst einmal an. Was Caroline wohl dazu sagen würde?

Die meiste Zeit hatten die damaligen Bewohner wohl in dem Raum verbracht, der an seine Wohnung angrenzte. Das war naheliegend, da er auch am größten war. In einer Ecke gab es sogar Turngeräte, um sich körperlich fit zu halten. Die Gebrauchsspuren deuteten darauf hin, dass die Geräte viel benutzt worden waren. Natürlich. Victor ging in die Küche, um die Anzahl der Konservendosen und Wasserflaschen grob zu überschlagen. Er kam auf über tausend Dosen und mehr als tausendfünfhundert Flaschen. Außerdem entdeckte er unzählige, zusammengefaltete, durchsichtige Tüten, in denen laut stark verblasten Aufklebern ursprünglich Reis und Nudeln verpackt waren. Das dürften bei vier Personen die Vorräte für etwas mehr als ein halbes Jahr gewesen sein. Vielleicht auch sieben oder acht Monate. Mehr aber nicht. Je nachdem, welche Theorie stimmte, währte die Bedrohung also länger, als die Vorräte gereicht hatten. Vermutlich mindestens ein dreiviertel bis ganzes Jahr.
Was wohl der Grund gewesen sein mag?

Dem Geschirr und der im Schrank befindlichen Wäsche nach zu urteilen, hatten die Bewohner Zugang zu Wasser und vermutlich auch zur Elektrizität. Ein Blick ins Bad bestätigte diesen Eindruck. Nichts deutete darauf hin, dass sich hier Zentnerweise menschliche Hinterlassenschaften gestapelt hatten. Die gesamte Wohnung machte insgesamt einen sehr aufgeräumten Eindruck. Alles schien an seinem Platz zu sein.
„Naja“, dachte sich Victor, „Zeit zum Ordnung halten hatten sie ja zur Genüge“.
Er schaute noch in verschiedene Schränke und Kommoden, aber Aufschlussreiches konnte er nicht entdecken. Vermutlich würden ihm erst die Scans und der Laptop die entscheidenden Hinweise geben.

Er wollte gerade die Wohnung verlassen, als ihm einfiel, dass er fast vergessen hätte, Fenster und Wohnungstür zu überprüfen. Immerhin musste er dort ablesen können, von welcher Seite die Wohnung verschlossen wurde. Das würde mit ziemlicher Sicherheit die entscheidenden Hinweise geben können, ob es sich um Mord oder Selbstmord gehandelt hatte. Von innen verschlossen bedeutete Selbstmord, von außen, Mord. Diese Überprüfung erwies sich tatsächlich als Treffer. Eindeutige Indizien sprachen dafür, dass die Wohnung von den Bewohnern von innen verschlossen wurde.
Eine weitere, merkwürdige Entdeckung machte den ganzen Vorgang noch seltsamer. Victor hatte sich auch die von ihm demontierte Schrankrückwand noch einmal angeschaut und dabei festgestellt, dass ein Teil der Bretter von innen zur Seite geschoben werden konnte. Auch eine der Schranktüren war mit einem gut verstecktem Mechanismus versehen, um sie von innen öffnen zu können. Somit war die Möglichkeit gegeben, die Wohnung durch den Schrank jederzeit zu verlassen. Sie taten es aber nicht.
Warum? Zumindest waren sie nicht gefangen.

Die ganze Geschichte wurde immer rätselhafter. Victor verstand nun gar nichts mehr. Alle vier hatten die Wohnung durch den Schrank betreten und hätten auf dem gleichen Weg nach draußen gehen oder sich zumindest neue Vorräte besorgen können. Sie wählten stattdessen den Freitod.
*********cht76 Mann
858 Beiträge
Nur eine einzige Sprache! Horrorvorstellung für mich *panik*
**********henke Mann
9.664 Beiträge
Ich würde bei der GASAG nachfragen - die haben bestimmt Strom und Gas abgedreht, als nicht mehr gezahlt wurde. *zwinker*

1000 Dosen à 1kg und 1500 1,5l-Flaschen sind über 3t - das muss eine Altbaudecke erstmal aushalten. (Als kleiner Tipp, worüber Victor noch nachsinnen könnte.)
*******o_F Mann
3.127 Beiträge
Themenersteller 
Guten Morgen @**********henke

Gut verteilt würde ich in meiner Altbauwohnung die Mengen unterbekommen - nicht unbedingt in der Mitte eines Zimmers, aber vor den Wänden und in an der Wand befestigten Regalen gestapelt, schon.
Die Rolle der GasAg kommt tatsächlich noch.
*********cht76 Mann
858 Beiträge
Ach ja, bezüglich der Sprachen: ist es nicht etwas widersprüchlich, wenn alle Englisch sprechen, aber die Namen französisch ausgesprochen werden sollen, wie Du vorher irgendwann schriebst, @*******o_F?
erhebende 11 Zentimeter...
*****a99 Frau
3.535 Beiträge
Vielleicht, um sich wenigstens ein bisschen Individualität zu bewahren?
*******o_F Mann
3.127 Beiträge
Themenersteller 
@*********cht76

Bei der gemeinsamen Sprache geht es einzig um die Vereinfachung von Kommunikation und nicht um das Nivellieren der individuellen Wurzeln. Menschen an allen Orten dieser Welt können dadurch miteinander kommunizieren. Durch eine gemeinsame Sprache entfällt diese Barriere.

Ich dachte, dass ich das auch genauso geschrieben hätte.

In den arabischen Ländern ist das heute schon so. Ob in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain oder Saudi-Arabien, überall wird offiziell fast nur englisch gesprochen. Das sind alles Länder mit einem sehr großen Ausländeranteil. (die allerdings mit wenigen Rechten als Personal arbeiten)

Die Zweitsprachen, bzw. Heimatsprachen existieren untereinander weiterhin.
Die Araber sprechen untereinander arabisch, die Pakistaner oder Inder ihre Landessprachen.

Aber es gibt eine gemeinsame Sprache.
Das war meine Inspiration. In meiner Geschichte bin ich aber davon ausgegangen, dass die Menschen ihre ursprüngliche Sprache vergessen würden, da keine Notwendigkeit bestand, sie weiterhin zu lernen.
*********cht76 Mann
858 Beiträge
Den Gedankengang verstehe ich schon, aber eine schöne Vorstellung ist es für mich trotzdem nicht.
*******o_F Mann
3.127 Beiträge
Themenersteller 
Ich mag meine Sprache auch ausgesprochen gerne.

Ich habe aber schon so spannende Menschen kennengelernt, mit den ich mich nie unterhalten kann - was manchmal auch richtig weh tut.

Ich habe zum Beispiel einen Geschäftspartner in Paris, den ich seit 20 Jahren schon kenne und richtig gerne mag. Wir werden nie unsere Gedanken austauschen können. Das bedaure ich sehr.
*******o_F Mann
3.127 Beiträge
Themenersteller 
Mutter 6/ 15
Victor rief Caroline als HoliCall an. Es materialisierten sich allerdings nicht nur ihr Hologramm, sondern auch die fast aller Familienmitglieder. Wie ein Überfallkommando fielen sie in der oberen Etage ein. Sie schnatterten wild durcheinander, so dass kaum ein Wort zu verstehen war. Caroline brach in lautes Lachen aus, sobald sie Victor in seinem über hundert Jahre altem Outfit erblickte. Einige Hologramme betraten sofort voller Neugierde, die am Vortag entdeckte Wohnung. Nach der Stille und andächtigen Durchsuchung der Räume war dieser Menschenauflauf für Victor kaum auszuhalten - auch wenn er nur digital war. Er versuchte grob zu berichten, was alles seit der Entdeckung vorgefallen war, er herausgefunden und welche ersten Schlüsse er gezogen hatte. Wilde Spekulationen machten die Runde, aber eine wirkliche Idee über die Hintergründe hatte niemand. Auf großen Anklang hingegen fiel Victors Kostümierung. Wie gerne hätten sie sich jetzt selbst über den Kleiderfundus hergemacht, aber für Hologramme war es leider nicht möglich, sich umzuziehen. Das würden sie sich für den nächsten Tag aufheben müssen, sobald sie leibhaftig hier wären. Das hielt aber niemanden davon ab, nicht jetzt schon ein wenig rumzualbern, als wären sie Deutsche aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert.
„Guten Tag, schöne Frau. Wie geht es zum Bahnhof?“
„Danke. Ich suche mein Hotel.“
...
Jede weitere Konversation ging in albernem Gelächter unter.

Bei einer weiteren Sache waren sich alle einig. Sie wollten dabei sein. An der Aufklärung mitarbeiten. So etwas Aufregendes und Spannendes hatten sie noch nicht erlebt und sie wollten nichts, aber auch gar nichts, verpassen. Am nächsten Tag würden sie eine frühe Magnetschwebebahn nehmen. Victor könne mit Mutters Unterstützung die Unterlagen ja schon mal sichten, sortieren und vorbereiten. Wenn sie dann eingetroffen wären, könnte das Detektivspiel losgehen. Mensch war das aufregend!

Im Laufe des Vormittags am darauffolgenden Tag füllte sich schlagartig das ganze Haus wieder mit Leben. Kinder schrien, Eltern schimpften, Stimmen drangen hoch bis in den vierten Stock. Unüberhörbar war die Familie wieder komplett.
Die Speisekammern füllten sich mit den vom Land mitgebrachten Lebensmitteln und auch die Tische bogen sich sprichwörtlich von der Fülle der Speisen.

Das gemeinsame Essen war jeden Tag eines der wichtigsten Ereignisse der Familie. Die ganze Gruppe hielt die Spannung wegen der Entdeckung im vierten Stockwerk zwar kaum aus, aber zunächst wollten alle zusammen essen. Ganz wichtig: Diskutieren. Quatschen. Quatsch machen. Sich austauschen.
Hierfür gab es im Erdgeschoss einen großen Gemeinschaftsraum mit einem gigantischen Tisch in der Mitte, der Platz für alle bot. Angegrenzt befand sich die Küche. Die leckersten Düfte verbreiteten sich im gesamten Haus, so dass allen schon das Wasser im Munde zusammenlief. Die Familie hat viel frisches Gemüse mitgebracht, das bereits in den verschiedenen Töpfen garte.

Während die einen in der Küche standen und mit großer Leidenschaft die Speisen zubereiteten, fing eine kleine Gruppe an zu musizieren. Sie spielten eine sehr heitere und fröhliche Musik. Schnell. Laut. Rhythmisch. Sofort sprangen die meisten Familienangehörigen, egal ob Kind oder Greis, zum Tanz animiert auf, so dass sich binnen kürzester Zeit das geschäftige Treiben in eine wilde Party verwandelte. Alle stimmten in die Musik ein und fingen an, tanzend zu singen - nicht immer die Noten treffend. Aber egal. Es war einfach eine wunderbare Stimmung. So entspannt und ausgelassen. Das Leben war schön.

Anscheinend angelockt durch das rege Treiben und die leckeren Düfte, erschien auch Victor im Speisesaal. Die heiter hin und her geworfenen Köpfe drehten sich lachend, singend und tanzend nach und nach in seine Richtung um - und verstummten.
Spannungsgeladene Stille kehrte ein. Die Musik erstarb. Ein letzter schiefer Ton erklang. Dann war gespenstische Ruhe.
Mit Entsetzen musste die Familie feststellen, dass Viktor kreidebleich war, seine Augen sahen verweint aus. Sein ganzes Gesicht war nass, sein Blick leer. Er war kaum in der Lage zu sprechen und sobald er hier und da Blickkontakt aufnahm, schossen ihm wieder die Tränen in die Augen. Er schluchzte verzweifelt und konnte keinen einzigen zusammenhängenden Satz formulieren.
So hatte ihn noch nie jemand gesehen. Als sie ihn gestern Abend verlassen hatten, schien doch noch alles in bester Ordnung gewesen zu sein?


(Ende 1. Kapitel)
*******tia Mann
5.158 Beiträge
Wow, @*******o_F, dass Ende von Kapitel 1 sitzt!
*********cht76 Mann
858 Beiträge
Bist Du vom Familienverband jetzt doch zur Familie gewechselt, oder gibt es da einen Unterschied, der mir nur noch nicht klar geworden ist?
"Angegrenzt befand sich die Küche": wenn überhaupt, dann "angrenzend", aber für meinen Geschmack noch lieber "daneben" oder "nebenan".
Etwas später im selben Absatz müsste es statt "hat" m.E. "hatte" heißen.
*******o_F Mann
3.127 Beiträge
Themenersteller 
Am Anfang der Geschichte habe ich das Wort „Familie“ vermieden, damit keine Assoziation zu der verwandtschaftlich verbundenen Familie geweckt wird, wie wir sie kennen.

Daher „Familienverband“.

Mittlerweile hat die Geschichte erklärt, dass es sich bei der Familie um eine Art Rudel handelt, die nicht zwangsläufig in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zueinander steht. Somit wissen die Leser:innen, wie die Familie zu verstehen ist.

Deswegen ist „-verband“ mMn nicht mehr notwendig.

Nach dem 1. Teil wurden die beiden Begriffe „Familienverband“ und „Wohnbereich“ bemängelt. Auch bei dem 2. Wort wollte ich vermitteln, dass es sich nicht um die Wohnsituation handelt, die wir gewohnt sind.

Nachdem die Gesellschaft des 22.Jhd. beschrieben wurde, weiß jeder im Prinzip, was unter Familie und Wohnung zu verstehen ist.

Seit ihr nun mit beiden Begriffen einverstanden oder sollte ich diese am Anfang doch ändern?
**********henke Mann
9.664 Beiträge
Zitat von *******o_F:
Mittlerweile hat die Geschichte erklärt, dass es sich bei der Familie um eine Art Rudel handelt, die nicht zwangsläufig in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zueinander steht. Somit wissen die Leser:innen, wie die Familie zu verstehen ist.
Denk Dir doch für sowas zentrales was neues aus: Höhlenmenschen lebten in der Horde, Ackerbauern und Viehzüchter in Sippen, der moderne Mensch in Familien und die Menschen der Zukunft in Horppien oder Fardippen z. B.
*******o_F Mann
3.127 Beiträge
Themenersteller 
Oh, *ja* das ist eine gute Idee. Darüber werde ich mal nachdenken. *top*
*******tia Mann
5.158 Beiträge
@**********henke:
Der ist gut. Ich schaue jetzt mal, was ich meiner Fardippe zu Essen mache *zwinker*
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