„...an Kommunikations- und Cooperationsfähigkeit mangelt.
Damit meine ich die Bereitschaft :
1. mit seinem Gegenüber auf Augenhöhe zu kommunizieren, und
2. auch der Wille, sein Gegenüber als gleichwertig zu betrachten, und
3. darüber hinaus die Bereitschaft zu haben, Cooperation überhaupt herzustellen.
Die Frage ist, fällt Männern das grundsätzlich schwerer, weil sie nicht darauf sozialisiert wurden mit Frauen so zu interagieren?
Fehlten ihnen womöglich gute männliche Vorbilder?
Oder ist es vielleicht auch nur Bequemlichkeit?
Oder ist es einem bestimmten Frauenbild geschuldet? Thema Patriarchat…
Oder liegt es womöglich an der Plattform Joy, wo man denkt es geht ja hier nur um Sex und wir wissen doch alle warum wir hier sind...
Ich möchte ganz bewusst das Geschlecht ausklammern, denn ich glaube, die verschiedenen Geschlechter zeigen sich allesamt im Verhältnis gesehen oft nicht von ihrer besten Seite. Statt jetzt also Beispiele zu bringen, wo ich im schriftlichen Kontakt mit Frauen - statt mit Männern - sehr irritiert war oder mich gar verletzt fühlte, möchte ich meine Gedanken zu dem Wieso teilen, denn allzu schnell sind wir trotz aller Bemühungen, geschlechtsneutral zu bleiben, das eben nicht mehr, wenn wir schreiben: "Männer machen oft dies, Frauen machen oft das".
Leider hast du Fragen gestellt, die nämlich doch wieder genau darauf abzielen: Wieso fällt es Männern schwer, Frauen stilvoll anzuschreiben? Wieso können Männer keine Profile lesen? Wieso fordern Männer im Joyclub?
Ich weiß, dass du das nicht wirklich angreifend und abwertend allen(!) Männern gegenüber meinst, denn natürlich kenne ich dich von deinen Beiträgen her und kann das schon etwas einschätzen, denke ich, aber der schale Beigeschmack, wenn du die Fragen so stellst, bleibt, da nützt auch meiner Ansicht nach der Hinweis, dass du ja nur vom Kontakt mit Männern berichten kannst, nicht viel, um das gerade zu rücken.
Ich glaube, das beschriebene Verhalten, sehr direkt und offen jemanden anzuschreiben und um Sex zu fragen, ja fast schon einzufordern, ist tatsächlich der Plattform, ihres Auftretens und ihrer Versprechungen geschuldet. Und ja, das machen Frauen durchaus auch, wenn auch vielleicht nicht als ClubMail-Anschreiben, aber so doch in ihren Anzeigen und Homepages. Achte mal darauf, dass auch Anzeigen von Frauen durchaus sehr direkte Forderungen stellen und manche Homepage durchaus Männer abwerten.
Wenn ich mir die Wirkung anschaue, die der Joyclub auf mich macht, wenn ich mich hier umschaue, dann sehe ich eine Art Internetportal mit Dates und Events, wo es ohne lange Anlaufzeit jede Menge Sex gibt; ich sehe Kontaktanzeigen, wo Männer für Herrenüberschusspartys, devote Frauen für BDSM-Zirkel und allerlei Menschen für Seitensprünge, Affären und Schäferstündchen im Hotel gesucht werden; ich sehe Fotos und Videos, wo Menschen sich dabei filmen und zeigen, wie sie nackt ausschauen, was sie mit sich selbst sexuell gerne anstellen und wie sie mit anderen sexuell tätig sind; ich sehe ein Magazin und eine Reihe an "offiziellen" Vorträgen und Streams, in welchen es immer(!) um Erotik und Sex geht; und ich sehe jede Menge Gruppen, in welchen sexuelle Themen besprochen werden, Kontakte dafür geknüpft oder Probleme im sexuellen Umgang miteinander erörtert werden (harmlose Gruppen gibt es auch, aber die sind eben klein und in der Minderheit, fallen also weniger auf). Um es kurz zu machen: Der erste Eindruck des Joyclub ist der eines virtuellen sexuellen Spielplatzes, wo man scheinbar mit wenig Einsatz zum Zug (= zum Sex) kommen kann.
Dazu kommt noch, dass das Virtuelle oftmals schnellen Sex verspricht. Da gibt es im Internet zig Webseiten und Portale, die Porno und Sexkontakte auf sehr direktem Wege versprechen. Es geht gleich ums Ganze, ohne Anlaufzeit, ohne Verpflichtungen und ohne am Ende eine Beziehung zu führen, die eben sehr oft gar nicht gesucht wird. Ich denke, die Menschen, die hier im Joyclub wirklich den Menschen, nicht den Körper, tiefergehend kennenlernen möchten, bevor Sex überhaupt zur Debatte steht, sind deutlich in der Minderheit.
Das meine ich gar nicht verwerflich. Wenn zwei Menschen, egal welchen Geschlechts, nach ein paar ClubMails schon Sex miteinander haben möchten, weil sie der Meinung sind, das Schriftliche ein paar Tage reicht als Kennenlernen dafür schon aus, dann bin ich damit fein. Wenn Menschen sogar nach ein paar Drinks im Club miteinander vögeln, bin ich auch damit fein. Ich wundere mich allerdings nicht, dass hier in einer Sex-Community das menschliche Kennenlernen, wie ich es z.B. bei der Suche nach einem Menschen für eine jahre- oder jahrzehntelange feste Partnerschaft anstreben würde, nicht im großen Rahmen gelebt wird. Das ist einfach der falsche Ort für wochen- oder monatelanges Beschnuppern, ohne intim miteinander zu werden.
Und dann zieht man sich eben ein Klientel heran, welches bei all dem präsentierten Sex denkt: "Ja, wo sind sie denn nun, die freizügigen Menschen, die wie ich schnell eine Nummer schieben wollen? Ah, diese 'Herzfee72' mit dem Busenfoto, die ist doch bestimmt gerade auch so scharf wie ich, die schreib ich mal an."
Bitte nicht falsch verstehen, ich möchte die Diskussion darüber, dass ein Busenfoto noch lange keine Einladung zum Sexeln darstellt, gar nicht erst eröffnen. Ich glaube allerdings durchaus, dass eine Außenwirkung eben Wirkung zeigen kann, sonst hieße sie ja nicht so. Und die Außenwirkung des Joyclubs, und dazu gehören eben auch seine Community, ist in meinen Augen eine schon sehr Sexuelle.
Ich glaube nicht, dass es Männern grundsätzlich schwerer fällt, sich zu benehmen oder zu kommunizieren. Dass sie das können, zeigt sich doch eigentlich überall. Natürlich gibt es schwarze Schafe, aber die gibt es auch bei den anderen Geschlechtern. Wieso Männer hier also oft die Augenhöhe vermissen lassen? Ich glaube, viele befürchten, dass ihnen das als Schwäche ausgelegt wird. Gerade im Joyclub lese ich in Beiträgen oft davon, dass ein gefestigter Charakter zählt, dass ein fester Standpunkt und die Verteidigung dessen attraktiv ist und dass Rückgrat oft mit Erfolg gleichgesetzt wird. Und ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass für Viele dieser feste Standpunkt und dieses Rückgrat auch bedeutet, den Blick über den Tellerrand zu vermeiden, seine Ansichten nicht mehr zu überdenken (und ggf. sogar hier "öffentlich" zu wechseln) und vermutlich bedeutet das auch, dass man auch dem anderen Geschlecht gegenüber eine gewisse Stärke und Härte ausstrahlen sollte, um nicht als Schlappi zu gelten.
Was auch denkbar ist, finde ich, ist der Gedanke, dass das "starke Geschlecht" das harmlose Flirten mit Flair, und dazu zähle ich durchaus die von Frauen oft gewünschten Anschreiben mit Stil, in welchen auf sie eingegangen wird und Mann dennoch nicht total zurückhaltend und erzkonservativ verstaubt scheint, verlernt hat, gar nicht gelernt hat, oder gar sich das nicht mehr traut.
Wenn ich an die alten Showmaster der Anfangstage der Samstagabendshows denke, was haben die mit ihren weiblichen Kandidatinnen geflirtet. Sicher, aus heutiger Sicht ist Vieles davon durchaus grenzwertig oder sogar absolut nicht mehr okay - und war es vielleicht damals schon nicht. Und so ein Gottschalk ist heute noch mehr als peinlich. Mir scheint es jedoch so, als hätten wir es verpasst, uns beim Flirten anzupassen und weiter zu entwickeln. Als würden wir denken: "So wie früher darf es (natürlich) nicht mehr sein, aber da ich nicht weiß, was noch sein darf, flirte ich am besten gar nicht mehr". Damit möchte ich gar keine Schuldzuweisung betreiben und um Himmels Willen auch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte nicht absprechen. Die moderne, offene und auch queere Gesellschaft ist mir sehr lieb und ich möchte, dass jede Lebensweise und jedes Geschlecht absolut gleichberechtigt leben und wirken darf!
Ich wünschte mir wirklich von Herzen so sehr, dass wir eine Leichtigkeit im Umgang zwischen den Geschlechtern entwickeln, die es ermöglicht, dass wir auf Augenhöhe miteinander flirten und sprechen können, leicht und verspielt oder ernsthaft und tiefgehend. Ich möchte so gerne davon lesen, wie angenehm männliche Anschreiben waren, wie humorvoll und berührend statt ordinär und fordernd und wie kreativ Anzeigen von Frauen waren, frivol und leidenschaftlich statt plump und direkt. Aber wie wir dorthin kommen, das weiß ich nicht.