Technische Entwicklungen – Bildstabilisation
Bildstabilisation wird immer wichtiger. Die Auflösungen steigen, aber wir betrachten die Schärfe eines Fotos weiterhin in der 100% Ansicht. Analoge Negative wurden früher unter der Lupe geprüft, heute nehmen wir ein „Mikroskop“. Die Sony a7RIV hat 9504 Pixel auf 35,7 mm Breite. Bei 100% Ansicht betrachte ich einen Ausschnitt von 1920 Pixel auf 51,7 cm Breite (24 Zoll-Monitor). Das entspricht einer 72-fachen Vergrößerung. Das gesamte Foto wäre bei dieser Vergrößerung 2,55 × 1,71 m² groß, bei 50 cm Betrachtungsabstand zum Monitor.Bei dieser Vergrößerung führen selbst kleinste Bewegungen des Fotografen zu sichtbaren Verwacklungen. Die Bildstabilisation soll und muss das korrigieren. Es gibt verschiedene Wege dafür.
Mechanische Bildstabilisierung
Immer wieder vergessen, wenig benutzt, das Stativ. Aber sehr effektiv! Neben dem klassischen Dreibein gibt es auch Einbein-Stative, die sich für Teleobjektive und Makroaufnahmen eignen. Für schwere Teles eignen sich auch Schulterstative oder Gimbal-Köpfe für Dreibein-Stative.
Für Video-Aufnahmen gibt es auch Gimbals (kardanische Aufhängung der Kamera an einem Handstativ), Rigs oder Steadicams (Schulterstative mit Gegengewichten).
Optische Stabilisierung im Objektiv
Die Objektiv-Stabilisierung gibt es seit 1995 (Canon). Der Ausgleich erfolgt über ein Linsenelement oder eine Linsengruppe.
Vorteile
- Optimal auf das Objektiv abgestimmt
- Auch andere Optiken wie Ferngläser können stabilisiert werden
- Spezielle Makro-Stabilisierung bei Makroobjektiven möglich (leicht vor- und Zurückwackeln)
- Für analoge und digitale Kameras einsetzbar
- Ergebniskontrolle im Sucher, auch bei optischem Sucher
- Jedes Objektiv muss einen eigenen Stabilisator haben
- Jeder Stabilisator kostet Gewicht, Platz und Geld.
- Keine Stabilisation von Roll-, Nick- und Gier-Bewegungen (roll-pitch-yaw) (sind für Videos wichtig).
- Im Objektiv sitzt immer – auch bei ausgeschalteten Stabi – ein Linsenelement, das nicht zu Verbesserung der Bildqualität beiträgt und sogar Bildfehler, chromatische Aberration, verursachen kann. Wird das Linsenelement aktiv eingesetzt, wird es aus der optischen Achse verschoben, was nicht unbedingt der Bilsqualität dient.
Moderne Objektiv-Stabilisierung bietet bis zu 5 Blendenstufen.
Optische Stabilisierung in der Kamera
2004 brachte Minolta die erste Kamera mit IBIS, in-built image stabilisation, Sensor-Stabilisierung. Heute können diese Sensoren fünf Achsen stabilisieren.
Vorteile
- Ein Sensor für (fast) alle Objektive
- Neben den Verschwenkungen in x- und y-Richtung werden auch Roll-, Nick- und Gier-Bewegungen ausgeglichen.
- Bei DSLR ist das Ergebnis nicht im Sucher kontrollierbar (Pentax)
- Nicht alle Objektivarten können stabilisiert werden
Wen es interessiert: hier die Rechnung dazu. Wem Rechnungen zu dumm sind, kann den blauen Text überspringen.
Ein Objektivstabi kann bis 0,5° Verwacklungen bis stabilisieren, ein Sensor kann sich max. 1 mm bewegen. Beides ist gleich, egal welche Brennweite bzw. welchen Bildwinkel wir verwenden. Wir müssen Objektiv-Winkel mit Sensor-Millimeter gleichsetzen, um vergleichen zu können.
Die Bildhöhe beim Vollformat beträgt 24 mm. Der vertikale Bildwinkel eines Objektivs ergibt sich zu 2 × arc tan (Brennweite/halbe Bildhöhe). Das ergibt 25 mm -> 51,4°, 50 mm -> 27°, 100 mm -> 13,7°, 200 mm -> 6,9°, 400 mm -> 3,4 ° und 600 mm -> 2,2°.
Ein Objektivstabi kann 0,5° Verwacklungen stabilisieren. Wieviel Bildhöhe deckt 0,5° im Vergleich zur Brennweite ab? Das ergibt sich aus tan (0,5° / 2) / tan (Bildwinkel / 2). Das ergibt: 25 mm –> 0,5%; 50 mm –> 0,9%; 100 mm –> 1,8%; 200 mm –> 3,6%; 400 mm –> 7,3%; 600 mm –> 11%.
Ein stabilisierter Sensor kann sich zwischen 0,5 mm und 1 mm bewegen, genaue Angaben für die einzelnen Kameras gibt es leider nicht. 0,7 mm sind 2,9% der Bildhöhe, 1 mm sind 4,2% der Bildhöhe.
Je nach der Strecke, um die der Sensor verschoben werden kann, kommt dieser zwischen 160 mm und 230 mm Objektivbrennweite an die Grenze, ab der er nur noch weniger leisten kann als ein Objektivstabi. Deswegen haben alle modernen Objektive ab 70 – 200 mm und länger einen eingebauten Stabi, auch für die spiegellosen Systeme.
Diese Brennweiten ergeben sich bei allen Sensorgrößen. Nur die Bildwinkel sind unterschiedlich. So gesehen hat der kleinere Sensor Vorteile, 230 mm bedeutet bei MFT „mehr Tele“ als bei Vollformat oder Mittelformat. Der Sensor-Stabi kann bei MFT Objektive bis zum Bildwinkel von 3,2° stabilisieren, bei Vollformat nur bis zu 6° (beides 230 mm). Bei Mittelformat ist der Bildwinkel noch kleiner.
Ebenfalls nicht ausgleichen kann der Sensor Vor- und Zurückbewegungen (parallel zur Bildachse), wie sie bei Makroaufnahmen auftreten können.
IBIS bietet bis zu 7 Blendenstufen.
Dual- Stabilisierung Sensor und Objektiv
Was ist, wenn Objektiv-Stabi und Sensor-Stabi zusammentreffen? Beides zugleich, das geht schief. Daher gilt die Regel, dass der Kamera-Stabi Pause hat, wenn ein Objektiv-Stabi aktiv ist.
Olympus und Panasonic können auch Dual-IS. Dabei arbeiten beide Systeme zusammen. Dadurch kann die Leistungsfähigkeit des Stabis erweitert werden. Das funktioniert aber nur mit ausgewählten Objektiven, denn das Objektiv muss daraufhin ausgelegt sein, Stabi-Daten mit der Kamera auszutauschen. Bei Panasonic-Vollformat ist das nur das 2.8/70-200 mm. Die kommende Canon EOS R5 soll auch Dual-Stabi haben.
Digitaler Stabilisierung
Digitale Bildstabilisierung gibt es nur für Video-Aufnahmen. Dabei gilt es weniger, das einzelne Bild während der Dauer der Belichtung zu stabilisieren, als Verschiebungen der einzelnen Bilder gegeneinander auszugleichen. Bei Samtzpho9nes funktioniert das sehr gut, aber auch die Nikon Z7 bietet dieses Feature. Dort kann zusätzlich zum Sensor-Stabi noch eine speziellen Video-Stabilisierung eingeschaltet werden. Das Bild wird dazu um den Faktor 1,2 gecroppt. Dadurch ergibt sich der Rand, der für den Ausgleich benötigt wird.