Ich freue mich gerade wirklich über diesen Thread, weil mich einige der Beiträge noch einmal intensiv zum Nachdenken gebracht haben – danke dafür!
Zuvorderst möchte ich zwischen
devotem Verhalten und
'devot' als Charaktereigenschaft unterscheiden. Devotes Verhalten kann ebenso wie dominantes Verhalten erlernt werden und sozusagen "auf Abruf" gezeigt werden, z. B. einem Vorgesetzten gegenüber. Die Charaktereigenschaft hingegen (nennen wir sie substantiviert mal 'Devotion') zeichnet sich, denke ich, dadurch aus, dass man sich bei besagtem devotem Verhalten
gut fühlt – d. h., dass es einem liegt, dass es dem eigenen Wesen entspricht.
Zweitens besteht ein Unterschied zwischen Devotion im sexuellen und im nicht-sexuellen Kontext. Diese Eigenschaften können, müssen aber nicht miteinander korrelieren: Eine Person kann im "normalen" Leben dominant sein (und sich dabei gut fühlen), trotzdem aber im Bett liebend gern devot sein – und umgekehrt. Wenn die Devotion sowohl im Alltag als auch im sexuellen Bereich eine vorherrschende Eigenschaft ist, kann man wohl von "naturdevot" in Shanias Sinn sprechen.
Drittens möchte ich die Konzepte der 'Schwäche' sowie der 'Kontrollabgabe' noch einmal aufgreifen. Ich denke, devotes Verhalten ist grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, dass man
die Kontrolle jemand anders überlässt. Dies beinhaltet die Abgabe der Entscheidungsgewalt darüber, was geschehen soll; es beinhaltet Gehorsam; es beinhaltet oft genug auch (zeitweise) den Verlust der Kontrolle über den eigenen Körper – und ist insofern eine Art von Schwäche. Wenn diese Schwäche, dieser Kontrollverlust als positiv empfunden werden, kann sich eine Person wohl mit Fug und Recht als 'devot' in dem betreffenden Bereich bezeichnen.
Viertens ist es ein Unterschied, ob die Kontrolle
aktiv abgegeben wird oder man lediglich
passiv zulässt, dass sie einem abgenommen wird. Lediglich keine Gegenwehr zu leisten, ist bekanntlich deutlich einfacher, als aktiv zu handeln. Ich kann mir vorstellen, dass diesem Konflikt die bekannte Unterscheidung zwischen 'devot' und 'submiss(iv)' zugrunde liegt (s. o.).
Fünftens denke ich, je größer die Diskrepanz zwischen dem im Alltag präferierten Verhalten und der sexuellen Vorliebe ist, desto schwieriger ist es, die entsprechende Rolle einzunehmen – auch wenn die Stärke der Neigung da sicherlich auch eine große Rolle spielt. Daraus erkläre ich mir z. B. das bekannte Konzept der "ASF" (Alpha Submissive Female) – selbstsicher und autonom im Alltag, devot im Bett, allerdings auf sehr selektive Art und eher vom Typ "submiss(iv)".
Konkret bedeutet dies:
Es gibt Personen, die Devotion als Charaktereigenschaft in allen Bereichen besitzen. Entsprechend fällt ihnen devotes Verhalten sowohl im Alltag als auch in der Sexualität leicht, dominantes hingegen schwer. Ich würde mutmaßen, dass sich diese Personen durch einen hohen Grad an Servilität und "aktiver Devotion" auszeichnen, d. h. nicht warten, dass jemand ihnen seine Kontrolle "aufzwingt", sondern aktiv jemand die führende Rolle zuschreiben.
Menschen, die im Alltag (gern) dominant sind und nur im Bett dominiert werden möchten, dürften hingegen eher zum Typ "submiss(iv)" gehören und einen höheren Grad an aktiver Unterwerfung brauchen, um die Kontrolle abzugeben – bzw. sie sich abnehmen zu lassen.
Wenn ich schließlich bei mir selbst beobachte, dass ich tendenziell eigentlich immer eher "submiss" war, sich aber mein Verhalten, meine Einstellung bei meinem Top hin zu einer servileren Devotion verändern, dann kann ich mir das so erklären, dass bei ihm zum einen der Triggerreiz extrem stark ist (und mir daher das starke Umschwenken von dominantem Alltagsverhalten zu sexueller Devotion leicht macht) und zum anderen das wiederholte Erleben seiner Dominanz mich insofern konditioniert hat, als ich mich im extremeren Bereich der Devotion, der Schwäche, der Kontrollabgabe immer wohler fühle und immer leichter dorthin gelange.