Grundsätzlich möchte ich zu oben etwas ergänzen:
Dort schrieb ich vor allem über die Sorge von Verlust. Denn letztendlich ist es ja die um die es geht, wenn man sich die Frage stellt "reiche ich dann noch, wenn sie erst einmal woanders Witterung aufgenommen hat?"
Daran schließt sich die Frage nach der Motivation an:
Warum will man etwas, wie hier Wifesharing, überhaupt anfangen?
Ist das wirklich ein beidseitiger Reiz? Wenn ja: Alles was ich oben schrieb, plus Glitzer
Wenn Nein: Was ist dann die Motivation?
Wenn sie nur einseitig wäre und man damit auf etwas reagierte, dann wäre das total okay, solange es keine klaren Grenzen bei einem Selbst überschreitet. Dabei meine ich keine Übergriffigkeit, sondern reine allgemeine persönliche Grenzen. Ein Beispiel für eine solche wäre, dass ein Paar zwar BDSM-D/s lebt, dies aber sexuell monogam tut. Wenn einer der beiden jetzt auf eine Fremdbenutzungsfantasie kommt bricht das beim anderen eventuell die Grenze der sexuellen Monogamie, D/s hin oder her.
Wenn wir von solchen Grenzen reden, dann machen wir das idR. in Bezug zu devoten / passiven Partnern. Dort ist man - völlig zu Recht - sehr darauf bedacht darauf hinzuweisen, dass keine Grenzen übertreten werden sollen, man also nichts mitmachen solle, was man eigentlich strikt ablehnt, was demnach den Metakonsens verletzt, nur weil ein aktiver Part das verlangt. Das gilt für BDSM-Praktiken, aber auch den allgemeinen Umgang miteinander, auch in einer Beziehung und fern der Session.
Dasselbe gilt jedoch auch für den aktiven Part, auch wenn man darüber seltener spricht.
Wir sind auch keine Maschinen und haben Emotionen, unsere Grenzen, Sorgen, unser Gepäck auf dem Rücken und, auch wenn viele MaleDoms dies ungern zugeben, Unzulänglichkeiten und Schwächen.
Nur weil meine Partnerin etwas unbedingt möchte bedeutet das noch lange nicht, dass ich das mitmachen muss, gerade wenn es sich für mich nicht gut anfühlt. Gerade wenn man in einer Partnerschaft ist kommt hier gerne ein marktwirtschaftlicher Habitur zum tragen, der einen vielleicht gar nicht so bewusst istund der mit Verlustsorgen zutun hat - und mit miesem kapitalistischen Denken, das sich mittlerweile bis in die privatesten Bereiche des menschlichen Lebens ausweitere und dort einsickerte, sowie festbiss:
Ich muss etwas leisten!
Ich muss produktiv sein!
Ich bin nur etwas Wert, wenn ich etwas biete!
Mein Selbstwert ergibt sich aus dem Produkt, das ich für andere erwirtschafte!
Mein Vater wurde mit diesen "westfälisch-preußischen", oder auch schlicht kapitalistischen, Grundsätzen erzogen und hat auch mir diese in Kindertagen eingeimpft. Es kostete unfassbare Mühe mich halbwegs daraus zu befreien. Rein berufstechnisch hat mich das sogar vor 12 Jahren in die Depression, Angststörung und den Burnout getrieben. Rein beruflich war ich danach weitestgehend davon "geheilt".
Mir wurde aber erst Jahre später, dass dieser Habitus auch im privaten Einzug hielt.
Erst gestern hatte ich das Gefühl, dass ich, obschon ich überarbeitet, übermüdet und schwer erkältet war, aufspringen und "rennen" müsste um mit jemandem Schritt halten zu können. Ich konnte aber nicht. Das hat sich absolut mies angefühlt. Ich habe mich abgekanzelt, abgehängt und faktisch stehengelassen gefühlt, was ich jedoch zu meiner Verantwortung machte, denn ich konnte ja gerade nicht mit laufen, nicht Schritt halten. Ich konnte nichts bieten. Weder mein Ohr, noch etwas "spannendes Neues an Erfahrung oder Wissensgewinn". Ich konnte nur ich sein, so wie ich hier sitze. Und das war, so fühlte es sich für mich zumindest an, nicht genug.
Was mir gestern nicht klar war war, dass hier mein anerzogener Reflex kickte:
Ich biete gerade nichts.
Ich bin gerade nicht produktiv.
Ich tauge gerade nicht als Dienstleister.
Ergo: Das Interesse an mir geht verloren. Man zieht alleine weiter.
Und genau das ist der Knackpunkt:
Ich genüge nicht, deshalb geht das Interesse an mir als Mensch verloren, deshalb wendet man sich ab, deshalb ist jemand oder irgendetwas anderes interessanter und deshalb wird das "gewohnte" nicht nur langweilig, sondern abgeworfen.
Hier gibt es nun zwei Möglichkeiten:
1. Meine Sicht ist falsch
Ich genüge vollkommen. Das Problem ist mein anerzogenes Verhalten, mein Habitus.
Es wäre völlig okay einfach zu rasten. Es wäre völlig okay nicht immer etwas zu liefern. Das Problem liegt bei mir und dem Anspruch dies tun zu müssen, obschon es von mir gar nicht verlangt oder erwartet wird.
Die Lösung des Problems:
Den eigenen Kopf waschen und locker bleiben.
2. Meine Sicht ist richtig
Es gibt Menschen, die permanent neue "Sensation" brauchen und deshalb suchen.
Manche können gar nichts dafür und ticken so. Sie halten ohnehin keine Langzeitbeziehungen, weil der Alltag, der in jeder noch so abenteuerlustigen Beziehung irgendwann Einzug hält, sie ermüdet und sofort den Wunsch nach Tapetenwechsel eskaliert.
Das ist schade für sie, sagt aber nichts über deine eigene Beziehungsfähigkeit oder gar deinen Selbstwert aus.
Es gibt Menschen, die andere ausnutzen. Manche davon tun es bewusst, andere unbewusst.
Diese Menschen suchen nicht dich als vollwertigen Menschen, sondern die Bedürfnisbefriedigung, die du liefern kannst. Das kann Sex sein, BDSM, D/s, das kann aber auch so etwas sein wie:
Ein Freund in schweren Zeiten sein oder ein Ohr, das zuhört, oder eine Schulter, wenn es einem gerade schlecht geht oder jemand der einen aufhebt, wenn man gerade zu Boden fiel, oder Dünger für das eigene Wachstum. Wenn du diesen Nutzen nicht mehr erfüllst, dann bist du...nutzlos geworden. Uninteressant. Dann braucht man dich nicht mehr.
Wie geschrieben agieren manche Menschen völlig bewusst so, andere eher unbewusst.
Auch hier gilt: Das sagt rein gar nichts über dich selbst aus.
Es tut natürlich in beiden Fällen weh, wenn man einen Menschen dann doch verliert.
Die Alternative wäre aber, dass man immer nur bietet und bietet und bietet, permanent produktiv ist, immer wieder "Sensationen" liefert, damit das Spotlight bloss nicht abrutscht.
Aber all das sagt auch vor allem eines:
Das das Kerninteresse nicht dir als vollwertigen, ganzheitlichen Menschen gilt, sondern nur Teilaspekten deines Selbst.
Wenn die andere Person kein Interesse daran hat auch bei dir zu sein, wenn du einmal eine Woche völlig kaputt und geistig wie körperlich zerstört auf einem Sessel sitzt, weil du gar nicht mehr anders kannst, wenn sie dann nicht einmal ehrliches(!) Interesse daran zeigt wie es dir gerade geht, sie dafür aber sofort "so!" sagt, "bis später!" ruft und durch die Tür geht um woanders wieder "Spass" haben zu können bis du wieder "funktionierst" und "interessant" bist oder sie dich "braucht", dann wechsel die Schlösser aus.
Ich bin kein Stundenhotel.
Ich bin ein nach hinten eingerücktes Mordhaus - mit gemütlichen Sesseln