Ich denke, dass der Mensch an sich eine starke Neigung hat, sich für das Ungewöhnliche zu faszinieren - darunter eben auch für das "Böse". Ursachen können ganz vielfältig sein - zum Beispiel eine Flucht aus der Trivialität, Sensation Seeking, etc - aber unterm Strich zieht uns das Ungewöhnliche, Außergewöhnliche an, ob besonders gut (zB. Musik- und Filmstars, Wohltäter, etc), oder besonders böse (zB. Gewaltverbrechen und -verbrecher).
(Mich faszinieren zum Beispiel tatsächlich Serienmörder sehr stark, vor allem die psychopathischen und soziopathischen Verhaltensweisen und auch die manchmal damit einhergehenden sexuellen Fetische (zB. Jerome Brudos' Schuh- und Fußfetisch, oder Jeffrey Dahmers Kannibalismus). Ich sehe mir regelmäßig Dokumentationen an, lese auch Berichte und Bücher zum Thema "Bösartigkeit", bin aber nicht "positiv" gefangen, leide nicht am Amiga-Syndrom oder an Hybristophilie, sondern meine Faszination fußt eher auf Morbidität und Abstoßung. Ich erkenne das Böse als böse.)
Mich selbst fasziniert an einvernehmlicher Gewalt wahrscheinlich auch ein wenig der Tabubruch. Das ist etwas, das man unter "normalen" Umständen nicht tut, nicht nur, weil es moralisch verwerflich ist, sondern auch, weil normalerweise eine Strafe droht. Dieses "Böse" im gegenseitigen Einvernehmen ausleben zu dürfen, lässt das Herz schon ziemlich klopfen.
Vielleicht bin ich auch ein ganz klein wenig dem Rotkäppchen-Syndrom erlegen, denn bis zu einem gewissen Grad faszinieren mich zumindest Männer, die in der Lage sind, den Wolf, das Biest in sich, von den Ketten zu lassen. Sexuell gesehen ist der situativ rüde bis brachiale Mann eine Feuchte-Höschen-Fantasie von mir und übt starke Anziehungskraft auf mich aus.
Es ist für mich zudem besonders aufregend, zu erfahren, welche Giftschrankfantasien ein Mensch hat und es ist ein genauso aufregender Drahtseilakt, sich am Abgrund zu bewegen, ohne dabei wirklich Schaden zu nehmen. Es ist eine besondere Seite an jemandem, die sich da für einen öffnet. Etwas, das über "ein bisschen härter im Bett" hinausgeht und nicht mit jedem möglich ist. Es schafft eine besondere Form von Intimität.
Am faszinierendsten und befriedigendsten für mich persönlich ist ein Sadist, der mir wirklich gerne wehtun will, weil er gar nicht anders kann. Da spielt durchaus ein gewisser Egopush eine Rolle, denn ja: Es gefällt mir, einen Menschen auf diese Weise zu triggern und Bedürfnisse in ihm auszulösen, genauso wie das umgekehrt der Fall sein dürfte.
Mein Masochismus wird sehr ausgiebig emotional gefüttert, nicht nur rein körperlich. Also ich gehöre nicht zu jenen, die allein durch das Erfahren von Schmerzen geil werden, sondern bei mir hat das sehr viel mit der Motivation des Sadisten zu tun, und mit meiner Beziehung zu ihm. Je tiefer meine Gefühle für ihn, desto mehr und stärkeren Schmerz wünsche ich mir meist von ihm. Ich empfinde das als Aufmerksamkeit, vielleicht sogar als Form von Liebe, aber nur, wenn er es auch so empfindet.
Was die Ohnmacht betrifft: Für mich ist sie zum einen relativ bequem, da ich eine sehr scheue und introvertierte Sexualität besitze und Zwang mir hilft, Dinge zu tun und zu ertragen, die ich mich initiativ nicht traue.
Zum anderen ist es für mich auch einfach der Rausch der Angst, das Ungewisse, die Erkenntnis, sich nicht mehr wehren zu können und in jedem Fall erdulden zu müssen, was nun passiert. Der "Tunnel" fasziniert ja nicht nur im BDSM, sondern man stelle sich nur vor, wie aufregend es ist, wenn man in den Sitz einer Achterbahn geschnallt wird, vor der man tierischen Schiss hat, man hört das Klicken und weiß: Jetzt gibt es kein Zurück mehr, man muss da durch.
Die einvernehmliche "Gewalterfahrung" durch einen anderen Menschen bietet mir die Möglichkeit, mich Dingen zu stellen, vor denen ich Angst habe, mich schäme oder ekle. Sie gibt mir die Möglichkeit, das zu erfahren, wovor ich mich eigentlich drücken will, mich aber gleichzeitig verzehre. Zwang und Schmerz durch einen anderen Menschen kann unheimlich befreien. Außerdem ermöglicht es es mir, auf sehr ungewöhnliche Weise mit einem Menschen intim zu werden und eine besondere Form der Nähe und des Vertrauens herzustellen, bei denen das "Böse" in uns nicht verurteilt, sondern begrüßt und akzeptiert wird.