„Und ich glaube wir möchten alle nicht, dass es irgendwann heisst, BDSM soll wieder unter Strafe gestellt werden, weil es einen gesellschaftlichen feministischen Druck gibt, dieses zu tun. Weil immer lauter werdende feministische Gruppen, die nicht verstehen, was Feminismus heisst (oder im BDSM Kontext heisst) meinen, Menschen was gutes zu tun, wenn sie dieses verbieten lassen. Im Glauben und Unverständnis, BDSM wäre frauenfeindlich (man denke an Alice Schwarzer und der letzte negative Artikel in feministischer Richtung kommt aus dem letzten Jahr, also aktuell).
Ich sehe ja eher einen gesellschaftlichen Druck vonseiten der erstarkenden Rechten – auch wenn das nicht hierher gehört. Der Feminismus hingegen ist meiner Wahrnehmung nach in seiner Extremform eine Randerscheinung; zahlreiche Dinge, für die Feminist(inn)en gekämpft haben, sind mittlerweile für die meisten von uns eine Selbstverständlichkeit und müssen nicht mehr viel thematisiert werden.
****pa:
Ein ganz anderes Thema ist Homosexualität und der § 175. Homosexualität ist im Gegensatz zu SM keine Spielart von Sexualität, sondern mMn eine Veranlagung und sexuelle Identität. Homosexualität zu verbieten, bedeutet, jemandem seine Sexualität/Identität gänzlich abzusprechen und ihm die Möglichkeit zu nehmen, überhaupt eine Liebesbeziehung zu führen und sich als Mensch umfassend zu verwirklichen. Wäre SM verboten, bedeutete dies lediglich, dass eine von vielen möglichen sexuellen Spielarten wegfiele.
Das mag deine Sichtweise und dein Erleben sein, aber es gibt viele, viele BDSMler, für die SM weitaus mehr als nur "eine von vielen möglichen sexuellen Spielarten" ist. Die sich eine Sexualität bzw. Partnerschaft ohne BDSM nicht vorstellen können und für die BDSM sehr stark identitätsprägend ist. Das beginnt im Schlafzimmer, endet aber bei weitem nicht dort. Auch wenn zugegebenermaßen ein D/s-Verhältnis bei einem heterosexuellen Pärchen leichter zu "kaschieren" ist als eine homosexuelle Beziehung.
Für viele von uns ist BDSM nicht nur Sex, sondern auch so etwas wie ein Hobby. Man geht auf Partys, man erfreut sich am Erwerb feinen Zubehörs, man hat Freunde innerhalb der Szene, mit denen man sich über die Neigung und alles, was damit zusammenhängt, austauscht. Das gibt es übrigens praktisch überall; je nach Gesetzeslage und gesellschaftlicher Akzeptanz freilich mehr oder weniger offen oder ganz im Geheimen. Ganz so einfach ist es nicht, den Leuten das zu verbieten; da gibt es schon ein gewisses Bedürfnis.
****pa:
Und was den von Dir zitierten Psychiater betrifft, empfehle ich Dir die Lektüre des ICD-10: F 65 fortfolgende ("Störungen der Sexualpräferenz"): Sadomasochismus F 65.5 findest Du direkt unter Pädophilie. Zum Arzt zu gehen mit einem grünblauen Hämatom-Hintern und dem aufs Ohr zu binden, dass Du auf SM stehst, würde ich Dir nicht raten.
Die Psychologie ist da gottlob schon weiter, auch wenn das offenbar in vielen Köpfen noch nicht angekommen ist. Schon heute gilt Sadomasochismus nicht mehr per se als behandlungsbedürftig, sondern nur, wenn beim Betroffenen und/oder anderen Personen deshalb ein Leidensdruck herrscht. Und in der nächsten Fassung des ICD, dem ICD-11, soll Sadomasochismus (mit der Ausnahme von nicht-einvernehmlichem Sadismus) sogar ganz von der Liste der "Störungen der Sexualpräferenz" gestrichen werden.
****pa:
Deshalb mein Argument: Wovon niemand Kenntnis hat oder bekommt (Schlafzimmertür zu, keine Outdoor-Spiele im öffentlichen Raum, keine Foto-Uploads in Inet-Foren), kann auch nicht vorm Richter landen.
Verzeih, aber gerade im Zeitalter von Internet, Social Media etc. ist es völlig unrealistisch, von den Leuten zu verlangen, mit ihrer Neigung, ihrem Hobby doch gefälligst in ihrem Schlafzimmer zu bleiben. Das Problem ist vielmehr, was passiert, wenn man damit vor dem Richter landet bzw. ob ein unbedarfter Dorfpolizist dafür überhaupt eine Veranlassung sieht. Heute noch kann es Karrieren kosten, wenn bekannt wird, dass eine Person des öffentlichen Lebens auf SM steht – und dafür braucht es meistens nicht mal ein aktives Outing, geschweige denn den Vorwurf der Nichteinvernehmlichkeit.
Ich denke, wir sind uns hier alle einig, dass nichts Schlechtes daran ist, wenn zwei erwachsene, selbstbestimmte Menschen im gegenseitigen Einvernehmen Sexualpraktiken ausüben, die ihnen beiden gut tun – auch, wenn sie für andere Menschen diese höchst befremdlich finden. Etwas, das niemandem schadet, aber den Beteiligten gut tut, sollte per Gesetz nicht sanktioniert werden. Und auch nicht von anderen Menschen.
Deshalb sind wir noch lange nicht fertig mit der Aufklärungsarbeit. Und deshalb ist "bleibt in eurem Schlafzimmer" keine Option.