Ist Archetypus Weib determiniert?
Ich habe zu einer Zeit eine Ingenieurwissenschaft studiert, als es noch keine Frauenbeauftragten an den Unis gab, und der weibliche Anteil in unserem Studiengang bei 3% lag. Kam eine Studentin zu spät zur Vorlesung ins Audimax, wurde sie von der anonymen 1000-köpfigen Menge ausgepfiffen. Und im Hauptstudium wurde ich mit den Worten von Professor A. begrüßt: "Guten Morgen meine Herren, Damen sind ja jetzt sicherlich nicht mehr unter Ihnen".
Mit Anfang 20 hat mich das (und etliche vergleichbare Erlebnisse) sehr geprägt, mehr als mir damals bewusst war. Sowohl äußerlich - androgyne Kleidung, keine Schminke um ja nicht aufzufallen - als auch mental. Passend zum damaligen Zeitgeist war es Mitte der Achtziger Jahre nur ein kleiner Schritt, um sich zur Speerspitze der Frauenbewegung zu fühlen. Mein Archetypus zu diesem Zeitpunkt - sicherlich unweigerlich verzerrt - also definitiv Amazone und Wettkämpferin mit einem Hauch von Sirene.
Wer kennt noch "Der Tod des Märchenprinzen" von Svende Merian?
Mein Gott, was haben wir damals über dieses Buch diskutiert. Und dann, ein wenig später, als Antwort der deutlich witzigere Roman "Ich war der Märchenprinz". Hätte ich aber ums Verrecken damals nicht zugegeben. Da war es nur ein dünnes belangloses Heftchen...
Der Stolz auf die eigene Unabhängigkeit, sowohl was die Ausbildung betraf aber auch nach einem unverbindlichen ONS bei einem durchaus aktives Sexualleben, war andererseits mit dem verwirrenden Gefühl gemischt, gerade als Frau nicht von den Kommilitonen akzeptiert zu sein, weil es für sie gleichbedeutend mit 'unweiblich' war. Aussagen, die heutzutage undenkbar sind, haben mich einerseits zutiefst empört
und gleichzeitig wegen ihrer inhaltlichen Dummheit verstummen lassen: "Frauen, die Ingenieurwissenschaften studieren, sind keine richtigen Frauen" oder "... die suchen nur nach einem Mann". Deshalb schaudert's mich auch heute noch bei Pauschalsätzen, die mit "Eine richtige Frau ... (oder ein richtiger Mann)" anfangen. Da bleibt nicht viel Raum einen weiblichen Archetypus auszubilden.
Gottseidank hat sich in den letzten 30 Jahren nicht nur an den Unis viel getan, sondern auch bei mir persönlich. Nach den intensiven Brutpflegejahren, macht es mir inzwischen unendlich viel Spaß
den inneren Bauplan Weib auszuloten und damit zu spielen. Zur Prinzessin werde ich mich wohl nie entwickeln, aber die Sirene hat einen viel größeren Anteil bekommen und auch die Priesterin ist mir nicht fremd.