Das ist ein Überfall, Teil 2Ein Überfall mit etwas anderen Folgen...

Jill erwartete eigentlich Anweisungen, Hilfestellung für ihre selbstgewählte Aufgabe als Vermittlerin, wofür sie sich in den Hintern treten sollte. Das mit dem Wagen hatte sie aus Krimis – sie las gerne Romane und die ganze Situation erinnerte sie an so manchen Hollywood-Streifen, den sie gesehen hatte, ohne den Realitätsbezug in Frage zu stellen. Es fühlte sich so unwirklich an, plötzlich selbst in dieser Lage zu sein. Aber sie war ganz ruhig, und sie spürte, dass der Mann vor ihr daran schuld war. Er strahlte diese Ruhe aus, Gelassenheit, egal, was noch passieren würde, auf ihn könnte man sich verlassen, er würde sie nicht im Stich lassen, ihr nie weh tun.

"Frau Brenner, sagen Sie dem Anführer, dass ich mit ihm persönlich sprechen will."

Jill hielt Mr Big den Hörer hin, froh, dass sein zärtliches Spielen mit ihrem Haar und die Berührungen ihrer Haut an Hals und Schulter, die immer öfter wie zufällig passierten, damit beendet würden – das machte sie nervöser als die ganze Sache selbst. Doch er schüttelte den Kopf und flüsterte:

"Nein. Du machst das gut. Sie müssen mich nicht kennenlernen." Seine Augen lächelten spöttisch und seufzend sprach Jill also wieder in den Apparat:

"Leider nicht drin, Herr Kommissar. Was ist nun mit dem Wagen? Sie lassen uns gehen, wenn sie den Wagen sehen. Und keine Polizisten mehr auf der Straße."

Automatisch lächelte sie zurück, als Mr Big wieder sein Verständnis zeigte und nickte. Er drehte sich zu Ede und Rambo, die an der Tür warteten und befahl ihnen mit einer Geste, am Fenster das Geschehen draußen zu beobachten. Jill wurde bewusst, dass mehr als drei Augenpaare auf sie gerichtet waren. Durch die Scheiben des Schalterraums sah sie die anderen Leute, die ungewollt in diese missliche Lage geraten waren und ganz offensichtlich und ganz verständlich Angst hatten, vor den möglichen Folgen der ganzen Sache, vor den Räubern, Angst um ihr Leben vielleicht sogar.

Wieso war sie diejenige, die aktiv wurde? Warum hockte sie nicht ebenso ängstlich und vorsichtig wie die anderen in der Ecke? Das war doch gar nicht typisch für sie. Normalerweise war Jill froh, unauffällig zu sein, ihr Leben störungsfrei leben zu können. Sie betrachtete das Leben als Bühne, auf der sie meist nur Zuschauer war, keine Agierende, das war viel zu anstrengend und niemals hätte sie bewusst Aufregungen gesucht. Was da gerade alles passierte, hätte sie nie für möglich gehalten. Sie wollte doch nur nach Hause, Tommy in den Arm nehmen und trösten und sich, wenn er schlief, an ihren PC setzen, um weiter an der Übersetzung zu arbeiten. Das war die perfekte Aufgabe – perfekte Formulierungen zu finden, die doch nie von ihr selbst ersonnen, sondern nur Interpretationen der Gedanken anderer waren.

Heute tat sie etwas Außergewöhnliches und sie fühlte sich so lebendig wie selten zuvor. Es fühlte sich gut an.

"Frau Brenner, sind Sie da? Wir wollen wissen, was jetzt passieren soll. Das mit dem Auto geht klar. Wir möchten aber, dass als Zeichen für die Mitarbeit der Männer zumindest die Hälfte der Geiseln gehen darf. Zum Beispiel alle Frauen zuerst. Was sagen sie dazu?"

Kommissar Eichler klang müde, als ob er sowas schon hundert Mal gemacht hätte. Jill sah Mr Big an, der immer noch vor ihr saß und zu überlegen schien. Er fuhr sich mit der Hand übers Kinn, was durch die Maske ein kratzendes Geräusch machte. Hoffentlich trug er keinen Vollbart, dachte sie. Ihr fiel auf, dass er schöne, gepflegte, schmale Hände hatte. Statt sie auch nur anzusehen oder Andeutungen zu machen, damit sie wusste, was sie antworten sollte, stand er plötzlich auf und ging nach vorne zu seinen Männern.

"Wir lassen alle gehen. Lasst sie vorne raus gehen, einen nach dem anderen."

"Was? Spinnst du? Und wir? Sobald sie wissen, dass keine Geiseln mehr hier sind, stürmen sie hier rein, das muss dir doch klar sein.", warf Rambo ein.

"Hat die Kleine so einen Eindruck auf dich gemacht, dass du ihr jetzt aus der Hand frisst? Ich will hier lebend raus, wenn möglich.", fragte Stressy höhnisch.

Nur Ede meckerte nicht, sondern fing an, die Leute behutsam in Richtung Ausgang zu schleusen, seine Waffe nach unten gerichtet. Jill kapierte ebenfalls. Mr Big befreite die Menschen, vermied, dass sie zu Schaden kommen würden, während die Polizei weiter im Dunkeln tappte, wie viele Geiseln es insgesamt waren und wie viele zurückblieben.

"Herr Kommissar. Achtung, sie kommen gleich raus. Wenn sie weg sind, muss der Wagen da sein – mit laufendem Motor und keine Verfolgung. Sobald Hubschrauber oder sowas gesichtet werden, machen sie ernst."

Auf eine perfide Weise gefiel Jill dieses Spiel immer besser. Sie zitierte irgendwelche Gangsterfilme – sie hatte keine Ahnung, ob die Polizei hier überhaupt über Hubschrauber verfügte. Aber sie wünschte diesen Männern, zu entkommen und irgendwo mit dem Geld ein feines Leben zu haben. Der Bank würden die zwei Taschen voll schon nicht übermäßig fehlen. Fast hätte sie gekichert.

Immer noch mit dem Hörer in der Hand stand sie da und beobachtete durch die Scheiben, wie die Leute durch die Tür verschwanden, die meisten fingen an zu rennen, sobald sie die Schwelle übertreten hatten. Stressy fluchte leise vor sich hin, wurde aber fast fröhlich, als er durch die Jalousienschlitze sah, dass man einen Wagen vor der Bank abstellte, wie er Ede und Rambo lautstark mitteilte.

"Ein Audi? Du hättest einen Porsche verlangen sollen, Boss, oder einen Ferrari, das wär doch ein ganz anderer Abgang, was? Aber Hauptsache, sie lassen uns verschwinden. Verdammte Scheiße, das sieht ja fast zu einfach aus.", lachte er.

Erst, als Mr Big in das Hinterzimmer zurückkam, wurde Jill bewusst, dass sie allein war – als einzige Geisel übrig, zusammengepfercht mit den vier Räubern. Was hatte er nun mit ihr vor? Er zeigte auf die Uhr und deutete Jill mit fünf ausgestreckten Fingern an, was sie sagen sollte.

"Kommissar Eichler? In fünf Minuten kommen wir raus. Wir steigen in den Wagen und möchten keine Störung. Sonst wird's ungemütlich."

Mr Big grinste verschmitzt, zumindest schien es so, denn seine Augen funkelten belustigt, als er ihr das Telefon aus der Hand nahm, dann einen Arm um ihre Taille legte und sie an sich drückte.

"Gut gemacht. Am liebsten würd ich dich mitnehmen. Wir sind ein gutes Team. Aber wir lassen dich ein paar Straßen weiter raus, wenn alles gut geht. Keine Angst. Du bist jetzt meine Lebensversicherung."

Fast erwartete sie, er würde sie küssen. Sein Blick war so sanft und ehrlich und liebevoll. Fast wünschte sie es sich - doch sie musste jetzt vernünftig sein. Sie käme hier raus. Das war es, was sie gewollt hatte, das war der ganze Zweck dieses Spiels. Dieser Mann war ein Gangster, so freundlich er auch tat, so beeindruckend er auch war, das dürfte sie nicht vergessen, sagte sie sich.

Der kurze Moment, in dem sie seinen Körper an sich gepresst fühlte, als er so sanft seinen Mund an ihr Ohr legte, um durch die Maske verständlich flüstern zu können, als sie seine Wärme und angenehme Nähe aufsog und ihn am liebsten fester an sich gedrückt hätte, war schnell vorbei. Er schob sie sanft vor sich her nach draußen, wo seine Männer aufgeregt tuschelten und sich bereit machten. Rambo und Ede trugen die Taschen, Stressy richtete seine Waffe auf alles um sich herum, als ob er mit Scharfschützen in der Vertäfelung rechnete.

Auf eine weitere, keinen Widerspruch gelten lassende Geste von Mr Big hin steckte Stressy die Waffe hinten in seine Hose. Auch Ede und Rambo verhielten sich ruhig, doch als sie geschlossen auf die Tür zugingen, fasste Mr Big Jill auf ein Mal von hinten ins Haar und zog derb ihren Kopf zurück. Erschrocken sah sie, dass er seine Flinte an ihren Hals hielt. Alles gefror an ihrem Körper, das Spiel nahm eine unangenehme Wendung. Doch nur, bis sie seine Stimme an der anderen Seite an ihrem Ohr hörte:

"Tut mir leid, Süße. Das muss sein, verstehst du hoffentlich. Bleib einfach so cool wie bisher, dann wird alles gut."

Jill fühlte sich in seiner starken Umarmung schwach werden. Sie glaubte ihm, alles würde gut werden, bestimmt.

Das Licht der untergehenden Sonne blendete sie kurz, als sie vor die Tür traten, und ihr wurde bewusst, wie spät es geworden war. Hoffentlich hatte jemand sich um Tommy gekümmert. Es war niemand auf der Straße zu sehen, als sie auf das große, schwarze Auto zuging, im Gleichschritt mit Mr Big, der sich an ihren Rücken presste. Sie verdächtigte ihn ein wenig, von der Situation Gebrauch zu machen, als seine freie Hand an ihrer Taille nach oben glitt und die Unterseite ihrer Brüste berührte, doch vielleicht spielte ihr da auch nur ihre Wahrnehmung durch den Adrenalinausstoß einen Streich, als sie sich durch seinen Körper so nah an ihr erregt fühlte.

Dann sah sie ca. 200 Meter weiter eine Reihe von Polizeiwagen, die die Straße für Verkehr sperrten, abwartend, ohne Blaulicht, aber sicher waren dort Männer mit Gewehren, die nicht zögern würden, auf einen der Räuber zu schießen, wenn sie die Gelegenheit bekämen. Jill war ihr Schutzschild, alle vier bückten sich hinter sie und beeilten sich, die Wagentüren aufzureißen und in den Audi zu springen. Selbst Mr Big stieg vor ihr auf den Rücksitz und zog sie nach, Ede schaltete schon und Jill machte mit einiger Mühe die Tür zu, als der Wagen lospreschte.

Stressy lachte und alle fielen ein, selbst Jill konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als die Männer sich erleichtert gegenseitig auf die Schultern klopften. Zwischen Rambo und Mr Big auf der Rückbank eingequetscht war ihr Mr Bigs Körper sehr bewusst. Er legte seine Waffe auf den Boden und einen Arm um sie, lachend, wie die anderen und so jung wirkend. Wie gerne hätte sie ihn nicht endlich mal ohne Maske gesehen, aber keiner der vier machte Anstalten, die Skihauben so schnell los zu werden. Sie redeten schnell und aufgeregt von dem fünften Mann, der anscheinend vor der Bank auf sie hätte warten sollen und abgehauen war, als die Polizei auftauchte. Stressy wollte ihn abknallen, die anderen hatten Verständnis und hofften, er würde später zu ihnen stoßen.

Jill schloss die Augen, plötzlich erschöpft, als hätte sie einen Marathon gelaufen. Drei Straßen und einen mit einem Höllentempo in der Mitte überfahrenen Kreisverkehr später bog Ede in eine Seitengasse ein, bremste plötzlich scharf und blieb mitten auf der Straße stehen. Er drehte sich zu Jill um und sagte: "Das war's Lady, und Danke für die Unterstützung."

Das war das erste Mal, dass sie seine Stimme hörte. Er hatte einen amerikanischen Akzent, was den Namen Ede völlig unpassend erscheinen ließ. Sie wusste nicht, was sie mit dem Danke anfangen sollte. Sie hatte doch nur ihre eigene Haut retten wollen, dachte Jill.

Sie öffnete die Autotür und wollte ohne ein weiteres Wort aussteigen, dies alles hinter sich lassen und nach Hause gehen, als sie eine Hand auf ihrem Bein fühlte. Kaum hatte sie sich Mr Big zugewandt, als der auch schon seine Maske anhob, Jill an sich zog und seinen Mund auf ihren presste. Er gab ihr einen Abschiedskuss, bei dem die anderen anfingen zu grölen. Jill war zu perplex, um zu reagieren, aber sie ließ sich küssen, mehr überrascht als schockiert von diesem überfallartigen, feuchten, leidenschaftlichem Kuss, von seiner Hand, die ihren Kopf hielt, aber diesmal zart und streichelnd. Bevor sie empört aufschreien oder ihn ebenso leidenschaftlich küssen konnte, hatte er sie schon wieder los gelassen und zog seine Maske runter, so dass sie gerade noch erkennen konnte, dass er keinen Bart trug, und das sein schiefes Lächeln genauso verführerisch war, wie sie es sich vorgestellt hatte.

Sobald sie ausgestiegen war, raste das Auto weiter. Sie blieb verwirrt und mit klopfendem Herzen zurück, in einer Straße, die sie nicht kannte und auf der niemand zu sehen war. Sie hatte diesen Gedanken gerade zu Ende gedacht, als auch schon ein Wagen in die Straße einbog und mit quietschenden Reifen neben ihr stehen blieb. "Frau Brenner? Alles in Ordnung?"

Man brachte sie nach Hause, ließ sie aber nicht in Ruhe, man wollte immer wieder hören, was gesagt und getan und nicht gesagt wurde in diesen paar Stunden in der Bank. Tommy war von einer Polizistin betreut worden, seit Jill ihren Namen gesagt hatte. Er hatte sie noch nicht mal richtig vermisst.

Die Aufregung hielt sich noch ein paar Tage, alle Mütter in der Schule wollten hören, wie schrecklich es gewesen war. Anwälte meldeten sich, die ihr von der Bank Entschädigung für den Stress verschaffen wollten. Jill wimmelte sie alle ab, sie wollte vergessen, sagte sie. Doch das war leicht gesagt. Mehr als einmal am Tag musste sie an diese Erfahrung denken und gestand sich ein, dass sie nicht aus reiner Neugier die Zeitungen durchforstete und Polizeinachrichten verfolgte – es interessierte sie, ob die Räuber davongekommen oder festgenommen worden waren. Nicht, weil sie glaubte, sie dürften ihrer gerechten Strafe nicht entgehen, sondern wegen ihm. Insgeheim gefiel es ihr, dass man keine Spur von den Männern gefunden hatte. Sie träumte davon, wie Mr Big mit dunkler Brille durch Rio spazierte und fragte sich, ob auch er noch an sie dachte. Schließlich waren sie wirklich ein gutes Team gewesen.

Noch Wochen später wurde sie angesprochen, ob sie die Jill Brenner sei, die diese Geiselnahme erlebt hatte. Wie aufregend alle das fanden, ob sie nicht wahnsinnige Angst gehabt hätte, ob sie nun in Therapie sie - so viel Blödsinn und sensationslüsterne Neugier ging ihr auf die Nerven. Jill hatte sich ein paar Standardsätze zurechtgelegt, mit der sie die Geschichte trocken abhandelte, so dass die Neugier der Leute befriedigt wurde und man sie in Ruhe ließ. Sie brachte wie gewohnt jeden Morgen Tommy in die Schule, erledigte Einkäufe und Hausarbeit und arbeitete dann zuhause an der Übersetzung eines Krimis, in dem es zum Glück um Mord und Totschlag und nicht etwa um Bankraub ging.

Als es eines Vormittags, fast zwei Monate nach dem Raub, an ihrer Wohnungstür klingelte, unterbrach sie verärgert ihre Arbeit, haute das letzte Wort in die Tastatur und ging an die Tür. Durch den Spion sah sie einen großen, ihr unbekannten Mann. Es könnte sich um Gaszählerablesung oder Ähnliches handeln. Sie öffnete. "Ja, bitte?"

"Guten Tag, Frau Brenner. Entschuldigen Sie bitte die Störung. Ich möchte mit Ihnen reden."

"Reden? Worüber denn?"

Etwas in seinem Gesicht kam ihr bekannt vor. Er hatte buschige Augenbrauen, etwas zu langes, hellbraunes Haar und graue Augen und war auffallend groß und schlank. Ein gutaussehender Mann, und sie war sicher, ihm schon mal irgendwo begegnet zu sein. Sie schluckte.

"Vielleicht wären Sie so nett, mich reinzulassen. Es geht um ihr heldenhaftes Auftreten in der Bank neulich. Sie haben da wahrscheinlich einigen Leuten das Leben gerettet. Ich bin hier, um sie dafür zu belohnen."

Diese Stimme! Automatisch machte sie die Tür weiter auf und der Mann trat ein.

Er ging ins Esszimmer und holte grinsend einen Umschlag aus der Innentasche seiner Lederjacke. Jill wurde fast schwindelig. Er war es, Mr Big, ganz ohne Zweifel. Seine Art zu reden, zu gehen, diese verschmitzt funkelnden Augen, als er sie weiter anlächelte und den Umschlag auf den Esstisch legte…

"Sie sind… der Bankräuber. Was machen Sie hier, um Himmels willen? Man sucht sie doch überall. Es ist gefährlich, hierher zu kommen. Warum sind Sie hier?"

Er grinste breiter. "Freust du dich nicht, mich hier zu sehen, und nicht hinter Gittern? Alles hat wunderbar geklappt. Ich hoffe, du hattest keine Schwierigkeiten wegen der Sache? Ich bin hier, um dir einen Teil der Beute abzugeben. Ohne dich wären wir niemals unbeschadet da raus gekommen. Wir haben alle zusammengelegt für dich. Und ich soll dich grüßen von den anderen."

Da Jill keine Anstalten machte, zu ihm zu kommen und den Umschlag anzunehmen, holte Mr Big nun einen dicken Stapel Geldscheine aus dem Kuvert, lauter Hunderter, es mussten mehrere Tausend Euro sein. Er legte das Geld auf den Tisch und trat einen Schritt zur Seite, als ob er verstehen würde, dass sie sich ihm nicht nähern wollte.

"Ich meine es ernst. Das ist für dich."

"Danke." Mehr brachte sie nicht über die Lippen. Sie bewegte sich nicht von der Stelle, blieb halb im Flur stehen und wartete ab. So ganz geheuer war ihr die Situation nicht.

"Und das war's? Deswegen bist du gekommen? Du hättest es auch in den Briefkasten stecken können."

"Tja, stimmt, aber dann hätte ich dich nicht wiedergesehen. Ich... ich hab an dich denken müssen und wollte sehen, wie es dir geht, und wie du so lebst. Ist dein Sohn zuhause?"

"Woher weißt du von meinem Sohn? Hast du mich ausspioniert?"

"Ausspioniert? Nun ja, nicht wirklich. Von deinem Sohn hast du doch in der Bank die ganze Zeit geredet."

"Ach so, ja. Er ist in der Schule."

Er nickte. Er wirkte so unsicher, das verwirrte Jill am meisten. Der coole Gangsterboss stand in ihrem Esszimmer, die Hände jetzt tief in den Taschen seiner ausgebeulten Jeans vergraben und jungenhaft grinsend, als hätte sie ihn dabei erwischt, wie er Kekse stibitzte.

"Jill, ich darf doch Jill sagen? – ich… ich war ein paar Wochen untergetaucht, aber jetzt scheint alles wieder friedlich, die Bullen haben keinen blassen Schimmer. Ich kann das Geld jetzt ausgeben und hab mir gedacht, ich würde es gerne… nun ja, mit dir tun. Ich meine… dir 'nen Urlaub spendieren oder so? Du hast mich echt beeindruckt, in der Bank. Du bist eine besondere Frau und ich, wie soll ich sagen, ich würde dich… gerne besser kennenlernen."

Jill blieb die Luft weg. Träumte sie? Bekam sie jetzt Halluzinationen? Nur mühsam löste sie ihre Füße vom Boden und ging auf ihn zu. Er atmete hörbar ein, wartete fast ängstlich auf ihre Reaktion. Jill blieb dicht vor ihm stehen und sah zu ihm hoch.

"Wie heißt du? Ich kann dich doch nicht Mr Big nennen."

"Was? Mr Big, wieso das denn? Ich bin Jakob. Jakob Munch. Was willst du jetzt machen? Die Polizei rufen?"

"Nein. Ich denke, ich werde dein Angebot annehmen. Ich könnte einen Urlaub vertragen."

"Das ist gut. Was hältst du von Rio de Janeiro?"

Jill lachte und fiel ihm in die Arme. Sie musste sich ganz schön strecken, aber er half mit. Als sich ihre lachenden Gesichter trafen und sie seine Augen ganz nah vor sich funkeln sah, konnte sie nicht anders, als ihn zu küssen. So, wie sie es sich in den Wochen seit dem Banküberfall vorgestellt hatte.

Die Autorin

Das ist ein Überfall!

Wir danken unserem Mitglied dornroeschen67 für die Kurzgeschichte.
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