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Brahmacharya

Brahmacharya
Hallo ihr Lieben!

Fundamental für Yoga, also als „sine qua non“ um überhaupt an Yoga überhaupt zu denken sind nach den Yogasutren von Patanjali, die Einhaltung der „Yamas“ - was in etwa einen Verhaltenskodex entspricht.
Nach Gewaltlosigkeit (Ahimsa), Wahrhaftigkeit (Satya), Nicht Stehlen (Asteya) kommt „Brahmacharya“ - was meist mit „sexueller Enthaltsamkeit“ übersetzt wird. Das Gebot dient dazu, den Geist von oft affektgetriebenen Verlangen nach Sex zu befreien um die Konzentration in den Übungen, beim Pranayama, in der Meditation zu schärfen und damit der echten Glückseligkeit (Samadhi) näher zu kommen.

Nun sind wir Yoga praktizierende hier in diesem Forum - das unterstelle ich nun ganz frech uns allen hier - weit, weit weg von diesem Gebot.

Ich hab aber eine Frau kennen gelernt, sie praktiziert tantrisch/vedantischen Yoga, die schon sehr viel Freude an Sex hat, nur immer wenn sie merkt, dass sie einem Orgasmus nahe kommt, bremst sie sich ein, hält sie sich zurück. Sie möchte dadurch nicht die Stufe, die sie mit der Praxis erreicht hat, damit verlieren, sagt sie.

Was habt ihr für Erfahrungen mit Enthaltsamkeit, sei es im Yoga oder im Leben allgemein? Bringt es mehr Energie in anderen Bereichen?

Liebe Grüße, Xamez
******Fox Mann
2.208 Beiträge
Zitat von ***ez:
Was habt ihr für Erfahrungen mit Enthaltsamkeit, sei es im Yoga oder im Leben allgemein?

Es gibt Strategien, die für Samadhi das Gegenteil propagieren, z.b. einzelne Tantraströmungen.
Enthaltsamkeit hat im Yoga eine hohe Bedeutung, ich finde den Gedanken auch wertvoll.

Wobei ich einige Zweifel in mir habe, daß das was seinerzeit mal damit gemeint war, heute noch das ist, was wir darunter verstehen.

So sehe ich z.B. in der Idee der Enthaltsamkeit nicht ein Ziel, sondern die Folge von etwas.

Ich sehe in ihr eines der bedeutendsten Potentiale sich selbst näher zu treten, kennen zu lernen, sich von seinen begrenzenden Zwängen duch Erkenntnis (Bewustwerdung) zu befreien, weil für mich Enthaltsamkeit halt die Enthaltsamkeit von Vermeidungsstrategien ist. Der Vermeidung von Gefühlen, von altem Schmerz, Mustern, etc etc, in letzter Konsequenz die Vermeidung des Göttlichen in uns.

Muster und Gefühle nicht mehr zu vermeiden kann auf sie zuzugehen bedeuten, sich mit ihnen auseinander zu setzen, oder sie schlicht anzuerkennen und anzunehmen, um sie nicht mehr ausagieren zu müssen. Nicht mehr zu Vermeiden bedeutet in dem Sinne Heilung. (Vermeidung = Angst)
Und um die Heilung geht es in meiner Wahrnehmung ja in jeder Religionsgeschichte, Erleuchtungsstrategie und Seinsanleitung.

Enthaltsamkeit bedeutet für mich nicht das, was dann irgendwann später kommt, mehr Bewusstsein, bessere Konzentration und so weiter, wenn Enhaltsamkeit keine Anstrengung mehr braucht. Das wäre für mich das Ziel im Fokus zu haben ohne den Weg zu berücksichtigen.

Ohne den Weg bleibt das Ziel ein Wunsch wie jeder andere. Dabei gehe ich aber natürlich von mir aus, von meiner Geschichte und meinem Nichtsein.


Und um auf deine Frage zu antworten, welche Erfahrungen ich mit Enthaltsamkeit habe und wie ich sie erlebe, ich hoffe das ist aus meinen Zeilen heraus zu lesen. Ich schrieb oben von meinen Erfahrungen, durch die ich manche Schlagwörter wie das um das es hier mit Enthaltsamkein geht, anders verstehen gelernt habe.

Und ich habe auch Erfahrungen damit Orgasmus nicht zuzulassen und folglich Sexualität ganz anders zu erleben. Das klappt nur leider nicht dauerhaft und auch nicht lange, ist aber etwas das ich jedem (aus meiner Sicht den Männern) wärmstens ans Herz lege, Sexualität wird dadurch etwas anderes und neues, das dem Horizont sonst fehlt.
*********sing Frau
432 Beiträge
Für mich ist Sexualität etwas Menschliches und zutiefst befriedigendes und auch heilendes. Daher: Nein, ich bin nicht enthaltsam.
Aber ich kann meine Energie in andere Bahnen lenken, wenn ich nicht dauernd in Sexualität schwelge, wenn ich es „nur“ mit bestimmten Menschen teile, wenn ich auch die Gedanken daran eher zügeln kann, wenn ich nicht dauernd auf der Jagd nach dem nächsten Orgasmus, dem nächsten Kick bin.
Ich probiere gerne aus, aber ich kenne inzwischen meine Grenzen sehr viel besser, kann für mich Ruhepausen viel mehr akzeptieren und bin nicht mehr die Sklavin meiner Hormone, sondern kann das ganz bewusst zulassen.
Ich verurteile damit aber auch niemanden, für den Sex eben eine Jagd ist und der viele wechselnde Partner hat. Ich möchte es nur für mich nicht mehr.
*****205 Mann
774 Beiträge
Was ich beobachte, ist, dass Yoga meistens etwas prüde praktiziert wird, dass das Sexuelle, ähnlich wie oft bei Wellnessmassagen oder Physiotherapie, systematisch ausgeklammert wird. Sogar Nacktheit beim Yoga wird von vielen tabuisiert, bis auf spezielle Strömungen wie Tantra-Yoga.

Mit Brahmacharya könnte gemeint sein, dass man nicht der Sklave seiner Triebe ist, sondern das Sexuelle auf einer höheren Bewusstseinsstufe erlebt. Es wäre naiv, ein einfaches Gebot daraus zu machen im Sinne "Du sollst den Sex vermeiden". Die sexuelle Energie ist eine der stärksten, die wir haben, wir sollten sie nicht mit oberflächlichen Vermeidungs-Ideologien kaputtmachen (wie es die meisten institutionalisierten Religionsgemeinschaften tun).
Mein Lehrer übersetzt Brahmacharya mit "Vermeiden von unangemessenen Sex" oder "sexuellem Fehlverhalten".

Danach lebe ich.

Ich halte mich beim Sex an Ahimsa und Satya als oberste Regel.

Praktisch gesehen heißt das für mich als Single, keinen Sex mit einem in einer was auch immer Beziehung, denn dabei entstehen eigentlich fast immer Verletzungen, oder Lügen.

Ich lebe nicht enthaltsam, doch bin ich aufrichtig, authentisch und habe wenn, dann innigen Sex, bei dem der jeweilige Partner ganz im Fokus steht und nicht der Orgasmus.
******ere Frau
2.877 Beiträge
Gruppen-Mod 
Das Brahmacharya kommt aus einer Zeit, in der es gut und richtig war, sich abzuwenden von der materiellen Welt, um den geistigen Welten näher zu kommen. Dazu gehörte auch Entsagung. Und zwar in möglichst allen Richtungen, um sich an nichts Materielles mehr zu hängen. Es war eine Art "Sterben" für die Welt. Man ging aus der Familie ohne Wiederkehr, legte die Kleider ab, entsagte allen Genüssen und gab nur noch dem Körper, um zu überleben. Die Hinwendung zu heiligen Schriften, zu einem Lehrer/Meister war angesagt, um der Maya zu entkommen und sich immer mehr zu durchgeistigen.

Für viele Menschen, die sich einer geistigen Schulung hinwenden, mag das heute noch richtig sein. Doch es gibt inzwischen auch (Yoga-)Strömungen, die andere geistige Aspekte der Entwicklungsgeschichte einbeziehen. So kenne ich von einem Yoga die Einbeziehung der Anthroposophie, die besagt, dass durch das Leben und Sterben des Christus die Liebe in alle Materie hineinging. Wendet man sich also heute dem Geistigen ab, lehnt man diese Liebe auch ab. Wendet man sich einer Sache bis in aller Tiefe hin, verwirklicht man den Christus. Wenn man es unter diesem Licht betrachtet, wäre eine Hinwendung auch zur Sexualität, wenn man das Wesen bis in die Tiefe erfassen möchte, damit gemeint. Oberflächlicher Sex zur Triebbefriedigung ist jedoch damit nicht gemeint.
****imu Mann
1.296 Beiträge
Ich habe in meinem Leben die Erfahrung gemacht, das zuviel des Guten annspruchsvoll und überdrüssig macht und eine zeitlich begrenzte Einschränkung von Genüssen insgesamt die Lebensfreude anhebt, da dann diese schönen Dinge nicht alltäglich und selbstverständlich werden.
Das gilt nicht nur für die Sexualität, sondern für Essen Trinken, Komfort, Reisen und sonstige Vergnügungen.
Die interessantesten Erfahrungen habe ich beim Bergsteigen gemacht. Nach mehreren Tagen Kälte, Hunger, Durst und Strapazen sind dann die einfachsten Dinge wieder ein Hochgenuss.


Die asketischen Strömungen des Yoga zielen darauf ab, durch Enthaltsamkeit in allen irdischen Genüssen den Zustand der Begierdelosigkeit erreichen und die Abgängigkeit davon zu verringern.

Das ist im Prinzip möglich, geht aber oft daneben, weil die unterdrückten Begierden sich dann an anderer Stelle zeigen. Die erzwungene sexuelle Enthaltsamkeit von Priestern und Mönchen ist das beste Beispiel dafür.
Sozusagen als Ergänzung zum Yoga ist schon in alten Zeiten das Tantra entstanden mit dem Ziel die Begierden nicht zu unterdrücken, sondern in einer disziplinierten Form auszuleben, sodass diese Abhängigkeit nicht entsteht.
Die Fähigkeit, eine Zeit lang enthaltsam zu sein, ohne das als Beschränkung zu erleben, gehört für mich zu den zentralen Aspekten meiner yogisch-tantrischen Lebenseinstellung. Ich merke aber, dass das mit zunehmendem Alter schwieriger wird.
******ore Frau
4.536 Beiträge
Letztendlich trifft "Entsagung" das auch allein vom Wort her nicht.

Es ist mehr eine Form der Transformation gemeint, wenn Sexuelle Energie vom Sakralchakra zu den höheren Chakren geführt wird.
Wer im tantrischen schon mal die Vereinigung der Energien über Ida und Pingala erlebt hat, der weiß, wo die Reise langgeht. Es ist keine Entsagung im Sinne von Enthaltung, sondern eine Hochführung zur Erfüllung.

Der Verzicht ist dann völlig freiwillig, wenn das, worauf verzichtet wird, nicht an das heranreicht, was stattdessen erzielt wird: vollständige Erfüllung.

Ich kenne es außer in der tantrischen Vereinigung auch aus dem Fasten. Nach 3 Wochen ein gedünsteter Apfel ist einfach der Himmel.
*********sing Frau
432 Beiträge
Ich kenne das aus dem Ramadan, der erste Schluck Wasser ist himmlisch...
Aber ich komme aus einer Tradition, die sagt, dass das Yoga zum Leben passen soll, nicht das Leben zum Yoga. Natürlich verändert es mich (soll es ja auch), natürlich bekomme ich andere Prioritäten und werde im besten Fall ein besserer Mensch. Aber ich ziehe mich deshalb nicht völlig aus dieser Welt und ihren Genüssen zurück. Ganz im Gegenteil, in einer einsamen Höhle oder alleine im Wald kann jede(r) ein Heiliger sein.
Für mich besteht das Leben und auch Yoga darin, dass ich auslote: Was tut mir langfristig gut? Was ist „nur“ eine Versuchung, der ich vielleicht auch nachgeben will, die mich aber ins Wanken bringt? Was möchte ich damit erreichen? Und ganz wichtig: Schade ich damit mir und / oder anderen?
Das ist für mich Spiritualität. Nicht auf der Matte sitzen und nachsingen und nichts tun.
Sorry für den Rant.
*****205 Mann
774 Beiträge
Es ging hier in mehreren Beiträgen um verschiedene Einschränkungen, die als sinnvoll hingestellt werden:
• sexuelle Enthaltsamkeit
• Vermeiden von unangemessenen Sex oder sexuellem Fehlverhalten
• kein oberflächlicher Sex zur Triebbefriedigung
• keinen Sex mit Partnern, die in einer "Beziehung" leben
...

Wenn ich in mich hineinspüre, scheint mir das schon irgendwie plausibel, aber wie sieht die konkrete Umsetzung aus? Sobald ich anfange aus diesen Richtlinien ein Handlungskonzept für mich selbst zu machen, finde ich kein befriedigendes.

Jede Art von Sexualität, und sei sie noch so sauber, moralisch, edel oder sublimiert lebt vom zugrundeliegenden animalischen Trieb. Ähnlich wie bei der Liebe, würde ich auch bei der Sexualität keine harte Grenze ziehen zwischen gut und schlecht. Das meiste spielt sich in der Grauzone ab, die vom Erlebniswert viel interessanter ist als die (mehr oder weniger hypothetischen) Extreme.

Es gibt Gesetze und Moralvorstellungen, die mir, wenn ich sie übertrete, Ärger einbringen können. Aber die sind nur von Menschen gemacht, erscheinen mir oft willkürlich und kontraproduktiv und unterliegen dem Zeitgeist. Daher scheinen sie mir für eine Klärung von Brahmacharya unbrauchbar.

Was bleibt also übrig von diesem Yoga-Gebot? Eigentlich nichts. Sind solche Gebote also sinnlos?

Logisch-formal gesehen würde ich sagen: ja. Aber das gilt nur, wenn ich sie rational vom Denken her betrachte - dann muss ich sie verwerfen.

Trotzdem scheint in den Alten Geboten irgendeine Form von kryptischer Weisheit zu stecken. Wir sind gewohnt, alles, was wir hören und lesen entweder zu glauben oder nicht zu glauben, zu akzeptieren oder nicht zu akzeptieren, irgendwie zu bewerten. Aber wir können es auch in der Schwebe lassen. Gebote sind vielleicht gar nicht dafür gemacht, dass man sich streng daran hält - ähnlich wie eine Metapher oder eine Redewendung, die, wenn man sie wörtlich nimmt, gar keinen Sinn macht.

Vor diesem Hintergrund erscheint es mir auch verständlich, dass ein Prediger nicht unbedingt das erfüllen muss, was er predigt. Vielleicht ist die Doppelmoral gar keine Verfehlung, sondern einfach nur eine logische Konsequenz aus dem Zusammenspiel menschlichen Denkens und Handelns.
@*****205
Interessante Herangehensweise *nachdenk*
******ore Frau
4.536 Beiträge
@*****205

allein die Anzahl der Bewertungen wie "enthaltsam", "unangemessen", "Fehlverhalten", "oberflächlich" scheint mir ungeeignet, um hier Aufklärung zu schaffen.

Sex ist Trieb.... ja, evolutionsbedingt mag das stimmen, aber das erklärt nur die unterste von 7 Stufen menschlichen Triebs.

Die maslowsche Bedürfnispyramide hat noch ein paar Stufen mehr.

Die oberste ist die Transzendente. Und auf der würde ich die Lösung dieses Rätsels vermuten.

Von der körperlichen Vereinigung bis zur geistig- seelischen Vereinigung sind es also noch ein paar Stufen.

Und mir erklärt sich daran der Unterschied zwischen Enthaltsamkeit und Erfüllung.

Freud hätte das mit der Sublimierung erklärt, ich persönlich empfinde das als unzureichend. Es ist, als würde man "blau" anhand eines Farbtöpfchens erklären, anstatt in den Himmel zu deuten.

Es lässt sich nicht mit Handlungsweisen erklären, was sich nur fühlen lässt. Solange Du andere zum Hüter Deines Selbst machst, lässt sich die Erfahrung nicht machen. Erst, wenn Du selbst Deine völlige Freiheit lebst, zu tun und vor allem zu lassen, wird sich dieser Himmel offenbaren.

Wenn alle Gebote ihren Sinn verlieren, geht es ins All-eins.
Hallo,

Ich möchte mich für all eure reflektierten und detailliert ausgeführten Beiträge bedanken, die mir Aspekte vorgeführt haben, die ich so noch nicht gekannt habe. Es hat mich ein (kleines) Stück weiter gebracht.

Eine Bekannte von mir, sie arbeitet in einem Ayurveda-Shop, hat mir zu diesem Thema gesagt: da gibt’s nichts zu deuten und diskutieren. Inder sind direkt, wenn sie Enthaltsamkeit sagen, meinen sie: kein sex, nicht mal dran denken. 😅

Liebe Grüße!
******ore Frau
4.536 Beiträge
Hat sie auch dazu gesagt, was die Inder unter Sex verstehen?
Haha! Gute Frage, nein hat sie nicht 😂
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