Ich komme aus der Automobilindustrie und hab über 30 Jahre Fertigungsanlagen gebaut und dann Produktions-Projekte geleitet. Für machinist das kein Wunder, eher das Gegenteil, dass derzeit eine sehr fragwürdige Qualität auf den Markt kommt. Durch Corona ist insbesondere der Wohnmobilbedarf explodiert und die Neuzulassungszahlennhaben sich insbesondere in Deutschland von 2018 auf 2022 nahezu verdoppelt.
Niemand in der Fahrzeugindustrie legt seine Produktionskapazitäten so aus, dass er in kurzer Zeit den Output verdoppeln kann. Die Produktionskapazität setzt sich zusammen aus zwei ganz wesentlichen Faktoren, einmal die technisch installierte Kapazität, das ist das, was ein Fertigungsband an Stückzahl je Stunde produzieren kann. Daran kann man in Grenzen noch drehen, aber es lässt sich da nicht einfach doppelt so schnell arbeiten, das mag vielleicht in einem Bereich von 10% liegen. Der andere Faktor ist dann die Laufzeit pro Tag, im Kern sind das Schichten, die gearbeitet wird. Und damit sind wir dann auch beim Personal. Kein Produzent hat jetzt Anlagen installiert (und investiert), die 1.000 Einheiten am Tag in einem Dreischichtbetrieb produzieren können, wenn er nur 300 absetzen kann, geschweige ist das Personal dafür an Bord.
Wie also ist diese enorme Steigerung möglich? Ich vermute, dass man vor Corona allenfalls in einem Zweischichtbetrieb gearbeitet hat, in einen Dreischichtbetrieb zu gehen heißt dann, dass man ca. ein Drittel Personal aufbauen muss, das man sicher so nicht einfach am Arbeitsmarkt fix und fertig bekommen konnte. Es wurde das Stammpersonal auf die abschickten verteilt und die Lücken mit neuen Leuten gefüllt. Das kann nur auf Kosten der Arbeitsqualität gehen.
Ein weiteres Problem ist sicher, dass auch die Lieferketten nicht auf so einen enormen Anstieg in so kurzer Zeit eingerichtet waren und qualitätsgerecht reagieren konnten. An unserem Fahrzeug (übernommen noch in 2022 und produziert in 2021) sind an allen Ecken und Enden unterschiedlichste Schrauben verbaut, es wurde verschraubt, was grad am Band war. Zu lang ging nicht, also waren einige zu kurz, was bei Scharnieren eben … ist. In der kompletten Lieferkette, bei allen Komponentenherstellern trat das selbe Phänomen auf, es müssen nicht mal die WoMo-Hersteller selbst sein, die für eine ungenügende Qualität verantwortlich sind, da mag der Wurm auch bei den Lieferanten drinstecken. Bei uns war es die Therme, die rumgezickt hatte, jetzt wird noch das Oberlicht ausgetauscht nach zwei Jahren.
Aus meiner Sicht ist die komplette Branche über mehrere Jahre sehr deutlich an der Gesamtkapazitätsgrenze gelaufen. Die Konsequenzen sieht man heute an dem, was aus den Fabriken kommt. Niemand ist im Stande, eine komplette Branche innerhalb von so kurzer Zeit um einen Faktor hoch und womöglich wieder runter zu fahren.