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Cirque Des Perversions

*******der Mann
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Themenersteller 
Cirque Des Perversions
Sanft umschmeichelte der Nebel die weiblichen Formen des Mittellandes, das unter mir lag. Ich hatte die Gardinen zur Seite geschoben und delektierte mich am Sonnenschein, der sich gerade anschickte, die Feuchtigkeit in Ebenen unterhalb seines Rückzugsortes, einer stolzen Behausung aus Fachwerk und Ziegeln, zu vertreiben. Für einen Moment schloss ich die Augen und drehte mich, wie eine Sonnenblume, vollständig zur himmlischen Lichtquelle.

Dann wandte ich mich um. Die in meinem Gesicht gespeicherte Wärme setzte in die wunderbare Komposition aufsteigenden, tiefen Wohlbefindens ein. Genährt wurde die Glückseligkeit, welche mein Herz in all meine Glieder auszustrahlen begann, durch den Anblick der Weiblichkeit vor mir, noch immer schlafend. Minutenlang verharrte mein Blick auf ihr, und wie der Nebel über den Hügeln draussen lag das Duvet über ihren Kurven, nur ihr Kopf und der rechte Fuss lugten hervor.

Elly.

Ich kniete an das Bettende, zu ihrem hell erleuchteten Knöchel, der in diesem Moment so anbetungswürdig war wie ein Gral, den man niemals anfassen darf, damit seine Magie nicht verloren geht. Es waren die vom Himmel gesandten Sonnenstrahlen, die ihre Haut weich wie die eines Babys erscheinen liessen, fast wie ein ortsverwirrter Heiligenschein. Ich schmunzelte, schaute nochmals hoch zu ihr, um mich zu vergewissern, dass sie wirklich noch schlief, und küsste ihren Fuss.

Die Markierungen des unbarmherzigen Metalls von gestern Nacht waren am Fussgelenk noch deutlich sichtbar. Es hatte gescheuert, als sie sich gewunden hatte, in traumhaft schöner und gleichermassen realer, harter Agonie. Der Club in Venedig, damals auf der Reise, er war schon aussergewöhnlich gewesen. Aber eine Welt, dermassen den Fugen geraten wie gestern, das war, wie der englische Zeremonienmeister süffisant bemerkt hatte, «Beyond Compare».

«Dom G., wo bist du mit mir hin?», rief Elly halb entsetzt, halb in gespannter Erwartung, als die schwere Eisentür mit den verschnörkelten Griffen meinem Druck nachgegeben und den Blick in den mittelalterlichen Saal freigegeben hatte. Der Umgang mit einer anonymen Öffentlichkeit war noch nie Ellys Stärke gewesen, schon gar nicht, wenn es um unser BDSM ging. Das Erlebnis in Paris lag schon eine Weile zurück, die Erinnerung daran war so surreal wie ein Traum. Endlich wieder ein gemeinsames Wochenende, nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich mich so nach ihr verzehrt hatte.

«Hi there!» begrüsste uns Gareth, der bärtige Mann in schwarzem Lodenmantel mit goldenen Knöpfen, als er uns erblickte. «Welcome to hell!»

Die Wände des riesigen, hohen und mit Möbeln aller Art vollgestopften Raumes waren mit unzähligen Holzreliefs getäfelt, die, soweit das Dämmerlicht es erkennen liess, erotische Darstellungen aus vergangenen Jahrhunderten zeigten. Wie der Saal im Schloss Riveau, aber doch irgendwie anders. Der helle Fussboden aus antiken Kalksteinplatten war so uneben, so unstet, wie es unsere keine Norm passende Liebesbeziehung in all den Jahren gewesen war. Aber noch aussergewöhnlicher war die Beleuchtung: Sie bestand aus mehreren Dutzend aus Metall geformten Schneckenhäusern, jedes mit einem Durchmesser von etwa einem Meter, die in kurzen Abständen an der Wand befestigt waren. Durch ihre schiere Grösse waren sie voluminös genug, um über viele Stunden Brennmaterial zu enthalten. Das Feuer, das durch die nach oben gerichtete Schneckenöffnung loderte, war blauer und dunkler als das einer Fackel und hüllte den Raum in eine mystische, vielleicht sogar etwas gespenstische Stimmung.

Es waren sicher dreissig oder vierzig Gäste da; wie in einem Surround-System hörte man aus unterschiedlichen Ecken manchmal lautes Klagen, mal erlösende Schreie; alles unterlegt mit einem Grundgeräusch, einem bizarren Soundteppich gleich, bestehend aus mehrstimmigem Wimmern.

Genau mein Geschmack, freute ich mich.

«So you guys are free to browse through the site of crimes here», lachte der bärtige Zeremonienmeister, «or, wie ihr Deutschsprackige jeweils say: Tatorts, right?»

Meine rechte Augenbraue hob sich, als ich mich zu Elly umdrehte; mein Lächeln sollte ihre sichtbare Nervosität mildern. «Die Engländer haben einen seltsamen Humor, Elly.» Aber mein Sub wusste genau, dass diese Art von Bemerkung wieder nur eine meiner unzähligen Finten war, um sie trotz der Hitze des Raumes aufs Glatteis zu führen.

Die Wahrheit über das, was noch passieren würde – es lag kaum fassbar in der riesigen Unübersichtlichkeit des Gewusels, das im Saal herrschte; das, was sich vor unseren Augen gerade abspielte, mutete gar extraterrestrisch an. Und keine Frage: Elly musste davon ausgehen, dass wir nicht nur als Zuschauer gekommen waren, und alles einem unausgesprochenen Plan folgen würde.

Über der Mitte des Raumes, entlang einer Strasse, die zum gegenüberliegenden Ende des Raumes führte, hing eine nackte Frau kopfüber an einem trapezförmigen Gestänge und schwang hin und her. Es sah fast aus wie eine Zirkusnummer, nur dass ihre Flugbahn viel näher am Boden verlief und ihre langen roten Haare mit den Spitzen die Steinplatten streiften, wenn sie vorbeiging. Ihre Reise durch die Mitte des Raumes wurde durch die Kraft zweier ganz in Leder gekleideter Männer beschleunigt: Der eine trug Handschuhe und hielt einen Single Tail fest umklammert, der andere stand nur mit seinen grossen nackten Pranken da. In der Vorwärtsbewegung spürte die Rothaarige die Hand des einen, in der Rückwärtsbewegung die Enden der Peitsche, die mit jeder Halbschwingung eine neue Markierung auf ihrem Körper hinterliess.

«Frischen wir hier etwa die Erinnerungen an Paris auf?» fragte mich Elly. «Nein. Vergiss Paris. Vergiss Venedig. Der Nabel der Welt ist hier. Und er ist jetzt.»

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Oliver G. Wolff - 2021 & 2023

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Das ist ein Kapitel aus meinem neuen Buch: "Elly - Tanz in Schwarz", das als e-Book und bald auch als Print-Version verfügbar ist. Die Geschichte wurde in einer BDSM-Gruppen schon in einer früheren Version veröffentlicht und wurde im Zuge des Buches überarbeitet. Wer ist neugierig? ;-)
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