Ich befinde mich nicht in dieser Situation, aber so rein hypothetisch (!): ich GLAUBE, ich könnte es nicht. Also, mit jemandem (in einer Beziehung) zusammenleben, der nicht vegan lebt. Da ich nie in einer WG gewohnt habe, spreche ich jetzt rein vom Leben mit dem_der Lebenspartner_in.
Bitte lasst es mich erklären.
Ich bin in einer Hippie-Familie vegetarisch aufgewachsen, habe also nie Fleisch verzehrt und wurde dann irgendwann vegan, nachdem ich mich mal (viel zu spät!) mit dem Thema auseinandersetzte, da für mich (ich rede hier nur für mich! Dass das jetzt keine_r auf sich bezieht, bitte) ethisch motivierter Vegetarismus nicht ausreichend war. Habe also
null Bezug zu Fleisch. Für mich ist es SO normal, nicht andersherum - ich meine, KEIN Fleisch ist für mich normal, nicht Viecher auf dem Teller, und ich meine es total Ernst, wenn ich sage, dass ich das auch nicht begreifen kann, weshalb das jemand tut. Das soll keine Arroganz implizieren - ich stehe wirklich wie der Ochs vorm Berg - und für die Mehrheitsgesellschaft ist es ja eher so, dass nicht begriffen wird, warum sich da jetzt eine_r KEINE Viecher bzw. deren Sekrete oder andere Ausscheidungen auf den Tisch oder in den Kleiderschrank oder ins Bad stellt. Da prallen schon mal Grundsätzlichkeiten aufeinander. Ich bemühe mich, das nicht zu zeigen, weil ich sonst wie ein Alien wirke. In Wahrheit bin ich komplett ratlos.
Für mich geht es dabei also um eine politische Einstellung, die mich mehr oder weniger ausgeprägt bereits mein Leben lang begleitet - die sich in so viele Lebensbereiche auswirkt - Kleidung, Kosmetika, Lebensmittel stellen für mich nur die sichtbare Oberfläche dar - dass ich mir nicht vorstellen kann, mit Menschen zusammenzuleben, die diese Einstellung nicht teilen.
Ich bin nun auch nicht wenig aktivistisch unterwegs und sowas muss ich mit meinem Partner teilen können (ich habe zwar eine Fernbeziehung, aber wenn mein Mann da ist, kommt er z.B. mit zu Vorträgen/etc. und wenn ich ohne ihn gehe, kann ich mich im Anschluss, sofern wir telefonieren können, darüber austauschen). Wenn ich mit meinem Mann im Urlaub bin, will ich nicht diskutieren müssen, weshalb ich keinen der dort angebotenen, abgewetzten und ungepflegt wirkenden armen Esel für einen Ritt mieten möchte - ich will, dass ich mich mit meinem Mann hinsetzen und eine Beschwerdemail aufsetzen kann, die die Verantwortlichen auf die Missstände hinweist, dass die Tiere da mit Verletzungen herumlaufen.
Ich will nicht nachdenken müssen, ob sein Gürtel aus Leder ist, wenn er mir damit den Hintern versohlt (darf man hier so SMige Sachen erwähnen...? Will ja keinem zu Nahe treten. - ich hoffe, das ist okay, ist ja immer noch ein Erotikforum, ansonsten sagt es, dann lösche ich den Teil. Also alles einvernehmlich und so :)).
Ich will mir auch nicht vorstellen müssen, dass diese Lippen, die ich küsse, an Körperteilen mümmeln. Einen Menschen küssen, der DAS verantworten kann, was da für ein Rattenschwanz dranhängt? Für mich der Abturn überhaupt - und ich sehe SOFORT den Rattenschwanz, selbst, wenn ich im Supermarkt nur an der Milch vorbeigehe. Ich KANN das nicht ausblenden, diese Fähigkeit geht mir völlig ab. Obwohl sie manchmal so hilfreich wäre. Es ist nicht das Ei im Kühlschrank. Es ist das, wofür es steht. Ich kann das nicht.
Ich will, dass wir zusammen auf Gatherings zu Tierbefreiungs/Tierrechtsthemen fahren und gemeinsam an Workshops teilnehmen oder diese gegebenfalls mitgestalten. Ich mag es, mit ihm eine daunenfreie Winterjacke für ihn zu suchen, einen wollfreien Schal oder ein lederfreies Portemonnaie. Mit ihm zu Filmabenden zum Thema zu gehen und dass er mein Händchen hält, wenn ich losheulen muss, weil eine Szene oder Information zu heftig für mich war und er genau weiß, wie ich mich fühle. Hysterisch in der Drogerie auf nem Dorf nach veganen Kondomen zu suchen, weil wir uns vor dem Trip dummerweise nicht bevorratet haben (da war mir gerade die Hormonspirale entnommen worden). Dass wir für den nächsten Berlin-Besuch eine Stippvisite im dortigen veganen Sexshop fest eingeplant haben. Dass völlig klar ist, dass unser Hochzeitsdinner für die Gäste im einzig veganen Restaurant stattfindet, welches die Örtlichkeit, wo wir uns trauen ließen, bietet.
Alles so einvernehmlich. So diskussionsfrei. So selbstverständlich. Ich empfinde das auch null als kompliziert. Es geht mir (meistens ;)) super so. Ich fühle mich frei.
Diese Lebenseinstellung oder wie auch immer man es nennen mag ist natürlich nicht alles, ich bin mehr als das. Bitte versteht mich nicht falsch. Aber es ist so, so viel, es geht so tief, und
wir können es teilen. Das ist ganz, ganz wichtig für mich (als wir zusammengekommen sind, das ist fast acht Jahre her, waren wir übrigens beide noch nicht vegan lebend, das entwickelte sich).
Konnte ich mich einigermaßen verständlich ausdrücken? Die Uhrzeit ist eines solch wichtigen Themas eigentlich nicht angemessen, aber ich bin so aufgekratzt, dass ich gerade sowieso nicht schlafen kann
Ich bin so froh, dass ich mich nicht ernsthaft mit dem Topic des Threads auseinandersetzen muss, sondern eben nur hypothetisch.
Mein bester Freund ist übrigens Omni, nur als Anmerkung. Er ist mein Bro, seit Jahr und Tag. Aber als er mal eine WG vorgeschlagen hat, habe ich freundlich-dankend abgelehnt, da hätten wir uns nur verzofft. Ich thematisiere das übrigens NIE, wenn ich mich mit nicht-vegan lebenden Menschen herumtreibe. Ich wüsste nicht, warum, es hat sowieso jede_r seinen_ihren Standpunkt und gibt den nicht mal eben auf. Wozu sich also Stress machen.
Ich merke gerade, wie viel Glück ich eigentlich habe. Ich bin die Randnische der Randnische der Randnische, dann auch noch mit perversen Fetischen und in erotischer Hinsicht sowieso ganz schlimm und abartig und extrem und so - und trotzdem seit Jahren in fester Beziehung. Danke, Schicksal!