Fantasie: In die Tiefe
Es musste eine alte, schwere Tür sein, die knarrend geöffnet wurde und einen kühlen Luftzug verursachte, der ihre nackte Haut frösteln ließ. Sie konnte nicht sehen, wo sie war, die lederne Augenbinde machte es unmöglich, und sie war auf Vermutungen angewiesen. Nackt, mit auf den Rücken gefesselten Händen, war sie viele Stufen lang an einem Halsband in die Tiefe geführt worden und musste sich nun schon meterweit unter dem Erdboden befinden. Dabei hatte alles so harmlos angefangen. Ihre Freundin, die ein Faible für das Mittelalter hatte, hatte sie zu einer Geburtstagsfeier in dieser alten Burg eingeladen. Der Mann, der nun die an ihrem Halsband befestigte Kette hielt, war ihr als Harald vorgestellt worden. Sie hatte ihn noch nie vorher gesehen, fand ihn aber auf Anhieb sympathisch, obwohl da noch etwas an seiner Ausstrahlung war, das sie ein wenig beunruhigte. Es war schwer in Worte zu fassen, aber er schien auf eine angenehme Art gefährlich zu sein.
Sie hatten lange miteinander geplaudert, und als der Abend schon fortgeschritten war, hatte er sie gebeten, ihm nach unten zu folgen, weil er ihr, wie er sagte, „ein Geheimnis dieser Burg" zeigen wollte. Im Erdgeschoss angekommen, führte er sie durch einen Vorhang in einen kleinen, mit Kerzen erleuchteten Nebenraum, in dem nur eine große hölzerne Truhe stand. Er öffnete den Deckel der Truhe und statt eines Bodens war eine nach unten führende Treppe zu sehen. "Neugierig?" fragte er und sah sie schmunzelnd an. Sie brachte vor Aufregung keinen Ton hervor, nickte aber. "Gut, dann werde ich Dir das Geheimnis zeigen, aber vorher muss ich Dir die Augen verbinden". Widerspruchslos hatte sie sich die Lederbinde umlegen lassen, aber als sich das Halsband um ihren Nacken schloss, war sie zurück gezuckt. Er küsste sie sanft auf den Hals und flüsterte: "Vertrau mir" und beim Klang seiner Stimme fiel die Angst von ihr ab und sie wehrte sich auch nicht, als er ihr die Kleider auszog und die Hände mit Ledermanschetten auf den Rücken fesselte. Sie hatte sich vollständig in seine Gewalt gegeben und war mit ihm in die Tiefe gestiegen, bis zu dieser Tür, die sich nun vor ihr öffnete.
Was mochte auf der anderen Seite sein?