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Welche Art von Tantra? Leitfaden zur Orientierung

*****urt Mann
345 Beiträge
Themenersteller 
Welche Art von Tantra? Leitfaden zur Orientierung
Angeregt durch eine Frage via PN möchte ich hier eine Art Leitfaden zur Verfügung stellen, damit sich Neulinge auf dem Gebiet des Tantra einigermassen orientieren können. Nach meiner Auffassung gibt es heute mindestens drei verschiedene Arten von Tantra. Selbstverständlich ist die Trennlinie nie ganz scharf, und diverse Mischformen sind denkbar.

Welche Art von Tantra ist die richtige für mich?


1. Tantramassage

Was
Tantramassage ist eine Ganzkörpermassage die...
1. im Gegensatz zu herkömmlichen Massagetechniken (wie z.B. Sportmassage) explizit auch die erogenen Zonen des Körpers mit einschliesst, und
2. in einem ritualisierten Kontext stattfindet.
Normalerweise findet Tantramassage in einem 1:1 Setting statt, wo es einen passiven Part und einen aktiven Part gibt. Der Passive lässt sich massieren, greift aber in die Massage nicht aktiv ein, sondern fokussiert sich auf das eigene Empfinden von Körper, Geist und Seele. Der Aktive massiert.
Oft sind sowohl der aktive wie auch der passive Part nackt oder mindestens teilweise nackt.
In einem Gespräch wird vor der Massage abgemacht, was der Massierte möchte und was nicht. Beispielsweise, ob die Genitalien ebenfalls massiert werden sollen oder nicht, oder ob ein Orgasmus grundsätzlich erwünscht ist oder gerade nicht. (Das Weglassen der Erwartung, einen Orgasmus zu haben, stellt für viele Menschen eine Entlastung dar, wodurch sie sich mehr auf das körperliche Empfinden einlassen können.)
Ein Geschlechtsakt mit Penetration findet üblicherweise nicht statt (ausser vorher explizit abgemacht), und viele Praktizierende stehen der Vermischung von Sex und Tantramassage eher skeptisch gegenüber, da dadurch erneut gewisse Konditionierungen hervorgerufen werden können, die üblicherweise mit Sex in Verbindung stehen.
Ziel ist Kultivierung einer eher langsamen und achtsamen Sexualität, die weniger auf Leistungsdruck und Konditionierungen abzielt, als auf die Schulung von tatsächlichem Körperempfinden. Für manche Menschen kann Tantramassage auch helfen, sexuelle Traumatas bewusst zu machen und diese aufzulösen.
Tantramassage gibt es selbstverständlich im privaten Kontext unter Paaren, aber auch als kommerzielle Angebote durch professionelle Masseure und -innen. Oft gibt bereits die Webseite eines Instituts einem sehr rasch einen Überblick, ob es sich um ein eher seriöses Angebot handelt, oder ob hier jemand eher aufs Geldmachen aus ist.
Lernen kann man Tantramassage am einfachsten in Kursen, die oft in kleinen Gruppen ausgeführt werden, alternativ aus Filmen/DVDs oder auch Büchern.
Praktiken, die energetische Zusammenhänge betreffen, werden in Tantramassagekursen eher selten vermittelt, wenn dann nur in fortgeschrittenen Kursen, und nicht in Anfängerkursen, und auch dann eher unsystematisch.

Voraussetzungen
Für Tantramassage gibt es wenige Voraussetzungen. Ethisches Verhalten ist - wie in jedem Lebensbereich - wichtig, die Fähigkeit zu achtsamem Umgang mit Mitmenschen. Körperwahrnehmung für den eigenen und den anderen Körper.

Für wen
Für alle, die diese Art von Sexualität schätzen. Viele Paare schätzen an Tantramassage, dass sie ihnen eine neue Sprache der Sexualität vermittelt, weg von gewissen Vorstellungen und Konditionierungen, wie Sex auszuschauen habe, und von Sex, der hauptsächich auf die Genitalien fokussiert ist hin zu Sex, der viel stärker den ganzen Körper einschliesst. Manche Frauen (oder auch Männer) haben insbesondere nach der Geburt von Kindern wenig Lust auf Sex mit Penetration, und da kann Tantramassage eine interessante Alternative darstellen.


2. Traditionelles buddhistisches oder hinduistisches Tantra
Was
Traditionelles Tantra ist ein jahrtausendealter spiritueller Praxisweg mit dem ultimativen Ziel, das volle Potential in Menschen zu realisieren, und die uranfängliche eigene Identität zu erkennen. Die versprochenen Früchte der Praxis sind extrem tiefgehend: im buddhistischen Kontext beispielsweise die vollständige Befreiung von sämtlichen leidhaften geistigen Zuständen. Ritual, Studium, Meditation und die Übertragungslinie durch den Lehrer bilden zentrale Elemente sowohl von hinduistischem als auch buddhistischem Tantra.
Dabei ist Tantra (nebst dem Daoismus) einer der wenigen religiösen Praxispfade, welches expizite Übungen kennt, die die Sexualität einschliessen, etwas das im Christentum beispielsweise schlicht nicht bekannt ist. Alle tantrischen Systeme stimmen jedoch überein, dass diese sexuelle Vereinigungspraxis nur jenen offensteht, die über eine lange, anstrengende und gründliche meditative Vorbereitung verfügen. In Tat und Wahrheit wird im traditionellen Tantra > 99% der Zeit für Praxis alleine oder in der Gruppe aufgewendet, und der sexuelle Praxisteil macht < 1% aus.
Die sexuelle Vereinigungspraxis benötigt folglich zwei Partner, die beide den gleichen Praxishintergrund haben, also vom gleichen Lehrer Instruktionen erhalten haben bzw. im gleichen System praktizieren, so dass ihre Vorbereitung vergleichbar ist.
Manchmal wird auch zwischen linkshändigem und rechtshändigem Tantra unterschieden. (Die linke Hand galt früher als "unrein", da man sie beim Toilettengang verwendete.) Linkshändiges Tantra war immer schon subversiv. Es benutzte schon immer teilweise schockierende Elemente, um mittels des bewussten Verstosses gegen gewisse internalisierte Normen das eigene Bewusstsein aus der Umklammerung herkömmlicher Vorstellungen zu befreien. Rechtshändiges Tantra, obschon auch nicht immer konform mit gesellschaftlichen Vorstellungen, war oft viel orthodoxer, nicht selten klösterlich geprägt, und bedient sich viel eher symbolischer Entsprechnungen, ist deshalb i.a. gesellschaftskonformer in Bezug auf die benutzten Praktiken. Nichtsdestotrotz kennen beide im Prinzip sexuelle Vereinigungspraktiken, und eine scharfe Trennziehung letztlich nicht möglich.
Mehr zu dem Thema im anderen Diskussionsthread: Tantra: Die Voraussetzungen für Karmamudra/Maithuna.

Voraussetzungen
Ohne Einweihung und Meditation geht hier gar nichts, tatsächlich handelt es sich bei der traditionellen sexuellen Vereinigungspraxis um eine Art meditative Yoga-Praxis. Die Anforderungen an die Vorbereitung der Beteiligten sind sehr hoch, die Fähigkeiten zu ausgeprägter meditativer Konzentration, Achtsamkeit, Visualisation, intellektuelle Schulung in einem bestimmten System und einiges mehr müssen entwickelt sein, bevor sexuelle Vereinigungspraxis denkbar ist. Mantra-Rezitation und Visualisation einer Gottheit sowie yogische (Pranayama-) Techniken sind wesentlicher Bestandteil dieser Art Praxis. Wer sich dafür nicht interessiert oder nicht für die notwendige langwierige Vorbereitung begeistern kann, für den ist diese Art Praxis wohl nichts.
Auch ist ein Lehrer unabdingbar, der die Praxis kennt, und eine Anleitung geben kann, solche Lehrer sind sehr schwierig zu finden.

Für wen
Für alle Menschen, die bereit sind, den Rest des Lebens an sich zu arbeiten, weil sie ein inneres Bedürfnis nach Wachstum verspüren, das sie nicht ignorieren können. Für alle, die bereits über eine langjährige Meditationspraxis verfügen, die sie mit Sexualität verbinden wollen. Für alle, die genügend andere therapeutische Praktiken ausgeübt haben, so dass sie den transformativen Charakter dieser System zu schätzen wissen. Auch für jene, die glauben, mittels sexualmagischen Techniken weltliche Ziele erreichen zu können.


3. Modernes Tantra mit Energiepraktiken
Was
Eine moderne Mischform aus 1 und 2. Diese Art Tantra existiert wie auch Tantramassage erst seit ca. den 1970erjahren, und wurde usprünglich insbesondere von Osho (Sri Rajnesh) geprägt. Es handelt sich um eine nicht eindeutig festgelegte Mischung aus (paar- und körper-) therapeutischen Konzepten, gewissen Yoga- und Energie-Techniken des traditionellen Tantra jedoch unter weitgehender Weglassung der meisten meditativen Techniken des traditionellen Tantral, und ritualisierter sexueller Vereinigung. Massage kann unterstützend angewandt werden, steht jedoch eher nicht im Vordergrund. Von allen Tantra-Anbietern fokussieren nur wenige auf diese Art Praxis, und viele Tantramasseure haben selbst keine Erfahrung mit den Energietechniken. Die meisten benutzten Energietechniken stammen recht unsystematisch zusammengewürfelt aus älteren daoistischen, tantrischen und Hatha-Yoga Schulen, und stellen oft stark vereinfachte Versionen der sehr viel komplizierteren ursprünglichen Praktiken dar.
Der Fokus liegt dabei auf relativ einfachen Energiepraktiken, die zu einer temporären Aufhebung der Grenzen des Körpergefühls führen. Dies funktioniert im traditionellen sexuellen Tantra zwar nicht prinzipiell anders, jedoch ist die Einordnung, Interpretation und Zielsetzung eine andere (tiefere) und reicht meist weit über diese eher temporären Effekte hinaus. Während in der traditionellen sexuellen Vereinigungspraxis diese temporären veränderten Bewusstseinszustände als Sprungbrett für weitergehende Realisationen oder Zielsetzungen verwendet werden, begnügen sich i.a. im modernen sexuellen Tantra mit Energiepraxis die Beteiligten auf das Erreichen dieser veränderten Bewusstseinszustände.
Viele Lehrer in diesem Bereich lehren auch Techniken zum "trockenen Orgasmus", also einem Orgasmus ohne Ejakulation und der (oft) darauf folgenden Ermüdung.

Für wen
Für Forscher im Bereich der Sexualität, des Körpers und des Geistes. Für Menschen, die wenig Interesse am teilweise mühseligen traditionellen Tantra und der vielen Meditation haben, sich aber wiederum für mehr als nur Tantramassage interessieren. Für "Energiejunkies", die darauf abfahren, durch Sexualität Energien im ganzen Körper zu spüren, und die Grenzen des eigenen Körpergefühls aufzulösen.
Tantra als Lebensphilosophie ist für mich Tantra und kann nicht in Einzelteile getrennt gesehen werden.
Das Praktizieren von Tantra ist so vielfältig, wie es Menschen tun und die "selbsternannten" Tantrameister es lehren und an andere vermitteln.
*******963 Mann
30 Beiträge
Hallo Johogurt.
Herzlichen Dank für deine Zusammenfassung. Perfekt beschrieben und alle Punkte dabei, die das Tantra so wertvoll machen.
Geist, Koerper, Langsamkeit und ohne Orgasmus Druck.
Danke dafür !
Namaste
Karl-Heinz
********x_bw Paar
34 Beiträge
Danke dir vielmals!
Klasse! Danke! Kann man den Beitrag irgendwie anpinnen oder anderweitig als eine Art Referenz festhalten?

Mich sprechen vor allem Art 1 + 3 an.
*****ini Frau
441 Beiträge
@*****urt - toll! Danke. Auch für die sehr angenehme Sprache
****imu Mann
1.296 Beiträge
Danke für diese sehr präzisen und erhellenden Aussagen über Tantra, die immer mal wieder notwendig sind und denen ich voll zustimmen kann.
Mir sind zu den 3 beschriebenen Arten von Tantra besonders folgende Gesichtspunkte wichtig:

1. Tantramassage ist nur eine Facette von Tantra, die zudem ganz neu ist. Leider wird heute oft der Begriff Tantra mit Tantramassage gleichgesetzt.

2. Mit der Behauptung, man praktiziere ursprüngliches, traditionelles Tantra, sollte man vorsichtig sein.
Das fängt damit an, dass die klassischen asiatischen Lehrer-Schüler-Rollen (kritiklose Unterwerfung) absolut unzeitgemäß sind und hört damit auf, dass heute kaum jemand bereit ist, so viel Zeit in diesen Schulungsweg zu investieren.

3. Was heute jenseits der Tantranmassage praktiziert wird lässt sich fast ausnahmslos unter 3. einordnen.
*****205 Mann
774 Beiträge
Was mich betrifft, ordne ich die Tantramassage als Teilbereich unter 3. ein, während 2. eigentlich nur noch historisch interessant ist.

Für eine "Orientierung" scheint es mir sinnvoll, ganz konkret zu beschreiben, was in heutigen Tantra-Events im Detail gemacht wird. Da gibt es ein großes Spektrum verschiedener Aktivitäten, Übungen und Rituale, in denen der Geist des Tantra zum Ausdruck kommt.
Danke für diese tolle Erklärung....🙏👍 der Weg ist das Ziel......
*******iva Mann
406 Beiträge
Danke lieber @*****urt für diesen Thread - und danke @*****205 für Deine Differenzierung.

Gestern (oder heute Morgen?) kam in mir auch der Impuls hoch, die Beschreibung zu 3 zu differenzieren - denn wo Tantra draufsteht, ist nicht unbedingt das Tantra drin, was man sich wünscht. Man sollte sich die Wundertüte vorher genau anschauen! *zwinker*

Ich sehe bei Seminaranbietern bzgl. dem modernen Tantra zwei Strömungen: die einen, die ihren Schwerpunkt in Tantra als spirituellen Weg haben, und die anderen, die den Fokus auf Tantra als Selbstfindungs- und persönlichen Wachstumsweg legen. Hier sollte man sich im vorhinein klar sein, in welche Richtung man/frau gehen möchte bzw. welchen Schwerpunkt man/frau bevorzugt.

Namasté und alles Liebe

Klaus
******ore Frau
4.531 Beiträge
Es ergänzt sich ja auch manchmal gut: entweder man besucht unterschiedliche Anbieter oder es gibt auch welche, die beides vereinen.

Ich denke da an das integrale Tantra von Silvio Wirth. Wer das Buch von ihm gelesen hat, weiß, wie es gehen kann.
*****205 Mann
774 Beiträge
*******iva:
... wo Tantra draufsteht, ist nicht unbedingt das Tantra drin... die einen, die ihren Schwerpunkt in Tantra als spirituellen Weg haben, und die anderen, die den Fokus auf Tantra als Selbstfindungs- und persönlichen Wachstumsweg legen.

In den letzten 10 Jahren habe ich sehr unterschiedliche Tantra-Stile und Tantra-Gruppen erleben dürfen. Für mich ist die Frage wichtiger: "Was haben sie alle gemeinsam?" als die Frage: "Wo liegen die Unterschiede und was ist richtiges Tantra?"

*******iva:
... die einen, die ihren Schwerpunkt in Tantra als spirituellen Weg haben, und die anderen, die den Fokus auf Tantra als Selbstfindungs- und persönlichen Wachstumsweg legen.

An der Oberfläche gibt es große Unterschiede. Die einen haben eine Vorliebe für Sanskrit-Mantras, Räucherstäbchen und esoterische Musik, andere machen Psycho-Spiele und Kommunikationstraining, wieder andere sind Körper-, Yoga-, und/oder Massage-orientiert, oder es gibt Puristen, die die reine absolute Liebe aus dem Nichts heraus wachsen lassen. Ob man das "Spiritueller Weg" oder "Persönliches Wachstum" nennt, ist für mich eher eine Frage nach der Sprache, in der man es beschreibt, als nach fundamentalen Unterschieden in der Sache.

Tantra ist keine spezielle Religion oder Weltanschauung - das zeigt sich schon in seiner traditionellen Verankerung in sehr unterschiedlichen Religionen wie Hinduismus, Buddhismus, Sufismus, Schamanismus, ... . Im Tantra gibt es zwar Götter wie Shiva und Shakti, prototypische Meditationsgottheiten oder abstrakte Begriffe wie "Sexuelle Energie" oder "Liebe", aber das sind nur mentale Objekte und Vorstellungen, die als Werkzeuge dienen, an denen man nicht anhaftet wie an einem Götzen, auf den die Naiv-Gläubigen geprägt sind.

Wenn ich nach dem Gemeinsamen in den unterschiedlichen Tantra-Stilen frage, komme ich auf einen Aspekt von Freiheit. Tantra ist für mich ein Befreiungsweg - von Tabus und naiven Glaubens-Anhaftungen, von pathologischen inter-personellen Abhängigkeiten, von körperlichen Verkrampfungen, ... . Es ist die Befreiung von den Schattenseiten der menschlichen Kultur mit all ihren Zwängen, aber auch teilweise von biologischen Programmierungen, die uns ein Trieb-gesteuertes Verhalten aufdrängen. Im Grunde genommen ist es die Befreiung von dem Ich-Aspekt, mit dem wir uns selbst im Weg stehen. Oder vielleicht ist es die grundlegende Frage: Wem stehen wir da eigentlich im Weg?

Aber jetzt ist's, glaube ich, wirklich genug mit der Theorie ...
*******sima Frau
2.437 Beiträge
shiva205:
Wenn ich nach dem Gemeinsamen in den unterschiedlichen Tantra-Stilen frage, komme ich auf einen Aspekt von Freiheit. Tantra ist für mich ein Befreiungsweg - von Tabus und naiven Glaubens-Anhaftungen, von pathologischen inter-personellen Abhängigkeiten, von körperlichen Verkrampfungen, ... . Es ist die Befreiung von den Schattenseiten der menschlichen Kultur mit all ihren Zwängen, aber auch teilweise von biologischen Programmierungen, die uns ein Trieb-gesteuertes Verhalten aufdrängen. Im Grunde genommen ist es die Befreiung von dem Ich-Aspekt, mit dem wir uns selbst im Weg stehen. Oder vielleicht ist es die grundlegende Frage: Wem stehen wir da eigentlich im Weg?

Ich danke Dir für diese Formulierung, @*****205, denn so etwa sehe ich das ebenfalls - einerseits jedenfalls. Andererseits erhebt sich für mich die Frage, inwiefern all dieses nicht in einem ähnlichen Maße über die Mittel und Wege der modernen humanistischen Psychologie und ihrer Methoden erreichbar ist. Mich beschäftigt das oft, denn das ist der Weg, den ich selbst gegangen bin, und als ich dann irgendwann in meinem Leben über das Instrument(!) der Yoni-Heilarbeit gestolpert bin und auch daraus für mich großen Nutzen gezogen habe, habe ich mich selbstverständlich auch etwas intensiver über die spirituellen und philosophischen Aspekte des Tantra informiert.

Ganz generell liegt meinem inneren Wesen eine inkludierende Haltung weit näher als eine exkludierende, ungeachtet der jeweils in Frage stehenden Philosophie oder Religion, aus der sie je individuell geschöpft oder abgeleitet wird. Immer dann, wenn Vertreter einer Richtung sich auf fundamentalistische, exkludierende Positionen zurückziehen, fühle ich mich unwohl und eingeschränkt auf dem Weg, die verschiedenen Aspekte des Seins und der Weltbetrachtung in meinen, von ganz individuellen Erfahrungen und Lebensumständen geprägten, ganz individuellen persönlichen Weg zu einem befreiten Leben in und aus der Fülle zu integrieren und dafür Verantwortung zu übernehmen.

Und darum geht es mir persönlich im Kern, nicht um Etiketten und Schilder und diejenigen, die meinen, auf diese einen persönlichen "Gebrauchsmusterschutz" oder ein für allemal festgelegtes "Patent" innezuhaben, @****imu hat in seinem Beitrag bereits die Vorsicht gegenüber entsprechenden Positionen angemahnt.

Gerade davon unterscheidet sich jedoch in meinen Augen der sehr ansprechende Text des EP von @******urt sehr wohltuend und ermöglicht Orientierung ohne Vorwegnahme einer exkludierend wertenden Beurteilung.
*****205 Mann
774 Beiträge
Jahrtausende
*******sima:
... die Frage inwiefern all dieses nicht in einem ähnlichen Maße über die Mittel und Wege der modernen humanistischen Psychologie und ihrer Methoden erreichbar ist.

Ja, im Prinzip schon. Auch hier sehe ich keine Abgrenzung, weil Tantra-Gruppen zum Teil auch auf moderne Methoden der Psychologie zugreifen. Allerdings macht es für mich einen Unterschied, ob ich mit dem Tantra durch die Jahrtausende blicke oder mit der Psychologie nur auf ein paar "Schulen" in den letzten 100-200 Jahren.

Liebe Grüße,
Ingo
****imu Mann
1.296 Beiträge
Für mich ist der entscheidende Unterschied zwischen Tantra und moderner Psychologie, dass Tantra auch Prozesse mit einschließt, die jenseits des heutigen rein materialistischen Weltbilds aller Wissenschaften liegen. Für mich ist Leben und Geist mehr als chemische Reaktionen und Hirnströme.
Die "Freiheit", die @*****205 als zentralen Aspekt von Tantra sieht, ein Gedanke, dem ich voll zustimmen kann, wird ja von der modernen Wissenschaft komplett verneint. Auch die Idee eines immateriellen, den Tod überdauernden Wesenskerns des Menschen wird komplett negiert. Man muss als "Tantriker" nicht unbedingt an Karma und Reinkarntion glauben, aber nach meinem Verständnis von Tantra passen solche Konzepte durchaus dazu - bei den klassischen östlichen Formen bilden sie eine Grundlage.
******n68 Mann
3.520 Beiträge
Gruppen-Mod 
Jaja, die moderne Wissenschaft...
@****imu wo in der Psychologie oder Psychotherapie findest Du Quellen, dass es KEINE Reinkarnation gibt? Das, was ich bisher gelesen habe (was aber zugegeben nicht viel ist) schwieg sich darüber immer aus.
*******sima Frau
2.437 Beiträge
@****imu:
Willst Du wirklich hier den (in meinen Augen) müßigen Methoden- und Legitimations-Streit zwischen Geistes- und Naturwissenschaften neu befeuern? Deine These vom
...heutigen rein materialistischen Weltbilds aller Wissenschaften...
möchte ich jedenfalls so nicht als gegeben akzeptieren, ohne hier weiter ins Detail zu gehen, weil das meines Erachtens das Thema an dieser Stelle komplett sprengen würde. Das mag so auf einen Teil der Neurobiologie zutreffen, die Psychologie ist da vielfältiger und facettenreicher strukturiert, soweit ich das verstehe, und sieht doch eher in
... Leben und Geist mehr als chemische Reaktionen und Hirnströme...
.

@*****205:
Allerdings macht es für mich einen Unterschied, ob ich mit dem Tantra durch die Jahrtausende blicke oder mit der Psychologie nur auf ein paar "Schulen" in den letzten 100-200 Jahren.
Magst Du erläutern, auf welchen Unterschied es Dir dabei ankommt und wozu bzw. inwiefern Du der Tatsache, dass "Tantra" zeitlich gesehen länger in der Welt zu sein scheint als "Psychologie" Du jener mehr Autorität oder Überzeugungskraft zuschreibst als dieser, wenn es um den individuellen Weg des Freiheitserwerbs geht?

Für mich sind beide Zugänge gleichermaßen möglich und wertvoll insofern als sie beide das Ziel verfolgen, sich selbst auf die Schliche zu kommen und sich beharrlich, freudig, mutig, zugewandt und vertrauensvoll auf die Welt und das Leben einzulassen.
*****205 Mann
774 Beiträge
Magst Du erläutern, auf welchen Unterschied es Dir dabei ankommt und wozu bzw. inwiefern Du der Tatsache, dass "Tantra" zeitlich gesehen länger in der Welt zu sein scheint als "Psychologie" Du jener mehr Autorität oder Überzeugungskraft zuschreibst als dieser, wenn es um den individuellen Weg des Freiheitserwerbs geht?

Es ist ein Feeling: Die Jahrtausende machen ein Kribbeln über den Rücken, während die Psychologie mehr im Denken verwurzelt ist. Ich kann es nicht wirklich beschreiben, es ist nicht die Gläubigkeit in eine Autorität, es liegt irgendwie im Unbewussten.
Zitat von *****205:
Es ist ein Feeling: Die Jahrtausende machen ein Kribbeln über den Rücken, während die Psychologie mehr im Denken verwurzelt ist. Ich kann es nicht wirklich beschreiben, es ist nicht die Gläubigkeit in eine Autorität, es liegt irgendwie im Unbewussten.

@*****205 - DANKE!

Genau darum geht es für mich im Tantra: Um das Fühlen meiner Gefühle und um das Handeln daraus; unterstützt, aber nicht geleitet durch meine Gedanken. Und erst recht nicht um Leitbilder von anderen Menschen, die versuchen, ihr Erleben, Fühlen und Denken als Leitbild für mich und andere zu formulieren oder zu postulieren. Es geht für mich um mein Erleben und mein Teilen mit anderen, ohne diese in ihrem Erleben überhaupt in Frage zu stellen. Ja, mit Grenzen, Abgrenzung. Aber nein - nicht mit Ablehnung oder Überzeugungswillen.

Vor einigen Jahren habe ich lebhaft mit einem Buddhisten im Austausch gestanden, als wir uns im Atelier einer Freundin kennenlernten. Auf meine Frage, wozu er das ganze Gerüst von Vorgaben und Einschränkungen benötigt erntete ich - Stille.

In meinem Erleben trage ich die Verantwortung dafür, was ich lebe, erlebe, teile, annehme und ablehne. Niemand sonst. Natürlich streife ich alles erlernte und erlebte nicht einfach ab; ich bin das Produkt meines Erlebens. Und doch nehme ich mir die Freiheit, wie ein Hochseilartist das Jetzt ohne Netz und doppelten Boden feiern zu wollen. Und dazu benötige ich Mut und Neugier; aber keine Vorgabe, wie sich das Jetzt zu entwickeln hat.
*****urt Mann
345 Beiträge
Themenersteller 
Ich halte das jeweils so. Wenn jemand kommt und sagt: "Alles ist eins." Dann halte ich ihm/ihr die Unterschiede zwischen den Dingen vor Augen. Und wenn jemand kommt und sagt: "Das kannst du aber nicht alles in denselben Topf werfen!" Dann sage ich: "Es ist aber letztlich alles eins."

Synthese und Analyse sind beiderlei bloss Instrumente des Intellekts. Sie mit der Welt zu verwechseln, wie sie ist, ist ein Fehler.

Darum widerspreche ich natürlich, wenn jemand behauptet, es gehe bei Tantra um Freiheit. In Wahrheit tun die Neo-Tantriker nur so als ob sie daran seien, innerlich freier zu werden, während sie sich letztlich einfach weiterhin in ihre eigenen Vorstellungen von Befreiung verstricken, und sich konditioniert haben, ihre Konditionierungen loswerden zu müssen. Wäre es anders, dann hätten die Hippies einen nachhaltigeren Einfluss auf die Befreiung der Sexualität gehabt, als sie es eben hatten.

Aber wir schweifen hier tatsächlich ab.
@*****urt
Zitat von *****urt:
Ich halte das jeweils so. Wenn jemand kommt und sagt: "Alles ist eins." Dann halte ich ihm/ihr die Unterschiede zwischen den Dingen vor Augen. Und wenn jemand kommt und sagt: "Das kannst du aber nicht alles in denselben Topf werfen!" Dann sage ich: "Es ist aber letztlich alles eins."

Das ist eine "Ja, aber"-Haltung deinem Gegenüber gegenüber. Für mich empfinde ich da ein Koan als hilfreicher. Es schaltet den Geist durch Überforderung aus.

Zitat von *****urt:
Synthese und Analyse sind beiderlei bloss Instrumente des Intellekts. Sie mit der Welt zu verwechseln, wie sie ist, ist ein Fehler.
Für mich habe ich das klar formuliert, dass Fühlen und Erleben wichtiger als das ist.

Zitat von *****urt:
Darum widerspreche ich natürlich, wenn jemand behauptet, es gehe bei Tantra um Freiheit.

Richtig. Es geht nicht um Freiheit von, sondern um Freiheit für ( Osho ). Das bedeutet, Verantwortung und Absicht in die Welt zu bringen, und nicht Ablehnung statt Akzeptanz zu leben.

Zitat von *****urt:
Aber wir schweifen hier tatsächlich ab.

Nö. Wir verlassen nur gerade die Sicherheitsgerüste und Erklärungen, und begeben uns auf das Terrain dessen, worum es wirklich geht. Akzeptanz, Verantwortung, Unbedingtheit. Finde ich gut und wichtig!
*****205 Mann
774 Beiträge
Freiheit
*****urt:
Darum widerspreche ich natürlich, wenn jemand behauptet, es gehe bei Tantra um Freiheit.

Ja und nein, es geht im Tantra nicht um Freiheit, sondern um Freiheit *lach* . Freiheit für Osho, Freiheit von Osho, Freiheit jenseits von Osho, Freiheit ganz ohne Osho, ... . "Freiheit" ist ein vager, zäher, verwaschener, aber auch ein ermunternder, kämpferischer und strahlender Begriff, vielleicht ähnlich wie "Wahrheit" oder andere mentale Objekte, mit denen die Philosophen um sich schmeißen und versuchen Tore zu schießen. Ein Widerspruch macht keinen Sinn, schon gar nicht ein Widerspruch gegen einen Widerspruch.

... hätten die Hippies einen nachhaltigeren Einfluss auf die Befreiung der Sexualität gehabt, als sie es eben hatten

Was die Hippies anbelangt, finde ich, dass sie echt gute Arbeit geleistet haben - so gut sie halt konnten. Mich haben sie jedenfalls befreit - wer sonst hätte mich rausgeholt aus dem bürgerlich-steril-prüden Kerker der Nachkriegszeit. Immerhin gibt es jetzt Foren wie den Joyclub, wo man sich öffentlich zeigen, seine Meinung vertreten und Sex- und Tantra-Events anbieten kann ohne von irgendjemandem dafür dumm angemacht zu werden. Ohne die Vorarbeit der Hippies wäre so etwas nicht möglich.

LG Ingo
*********riel Mann
78 Beiträge
Zur Frage: "Wo Tantra draufsteht ist auch Tantra drin?" gibt es im Tantranetz einen gleichlautendenen Themen-Newsletter mit sechs Beiträgen ...
https://www.tantranetz.de/ne … ufsteht-ist-auch-tantra-drin
****ti Frau
928 Beiträge
Danke, für den tollen Beitrag.

Diesen Artikel hätte ich mir 2016 sehr gewünscht.

Dankbare Grüße
Sumati
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