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Religion=Institution=Macht?

****42 Mann
4.687 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Religion=Institution=Macht?
Cil hat mich angeregt dieses Thema separat zu diskutieren. In den Zeiten fundamentalistischer Umtriebe, im Rückblick auf die dunkle Geschichte der Kirche in Europa, die Vernichtung ganzer Kulturen in Amerika im Zeichen des Kreuzes und der engen Verkopplung von Kirche und Staat in Deutschland und anderen christlichen Ländern, stellt sich mir immer wieder die Frage, ob es in der menschlichen Gesellschaft möglich ist einer Religion nachzugehen, die nicht verdrängend auf andere wirkt. Unsere pluralistischen Lebensumstände führen oft in zwei Richtungen. Die einen verlassen diese Zwänge und treten in unserem Lande aus der Kirche aus, weil sie sich mit den antiquierten und selbstherrlichen Denkansätzen nicht mehr identifizieren können. Diese reagierte erst kürzlich mit separatistischen Äußerungen, wie Kirchensteuerrechung am Kircheneingang vorlegen. Andere verlegen sich auf die extremistische Richtung und missbrauchen die Religion (nicht den Glauben) als politisches Druckmittel. Wie steht ihr zu der Institutionalisierung der Religionen als Machtmittel und politisches Werkzeug? Wie vereinbart sich das mit wirklichem Glauben, mit dem humanistischen Grundgedanken, der fast jeder Religion zu Grunde liegt? Wie sollte man mit dieser seit Jahrtausenden anhaltenden Pervertierung des Gottglaubens denn umgehen? Ist Religion eine Form sich die Menschen gefügig zu machen, indem sich Gottes selbst ernannte Vertreter auf Erden höchstselbst in den Stand von Heiligen und Herrschern erheben? Auch heute noch.

Herzlichen Gruß
Hendrik
Religion
Religion, Politik und Macht sind untrennbare Begriffe, die schon immer mit einander verwurzelt sind.
Am Anfang der Menschheit war der kleinste gemeinsame Nenner die Familie. Der Mann, oder die Frau als Oberhaupt und die anderen als Untergebene. In der Tierwelt sehen wir sehr oft gleiche Beispiele wie bei Wölfen, Menschenaffen und sehr vielen anderen Arten.

Wir unterscheiden uns von den Tieren dadurch, daß wir denken können. Je mehr wir denken, desto mehr Gesetze brauchen wir, um ein gemeinsames Überleben zu ermöglichen. So kam es, daß wir uns Götter schufen, die wiederum Gesetze schufen, an die wir uns halten. Erst ein Oberhaupt, ein Gott, ein Herrscher, den wir alle akzeptieren, sorgt dafür, daß wir gefahrlos miteinander leben können, ohne uns gegenseitig an die Kehle zu gehen. Dafür aber streiten wir mit anderen Menschen, die an ein anderes Oberhaupt, einen anderen Gott oder Herrscher glauben.

Es war vor 10.000 Jahren so und es ist auch heute noch so. Wenn wir einen Querschitt durch alle Länder dieser Erde machen, so wird deutlich, daß der Ursprung aller Gesetze in den verschiedenen Religionen der einzelnen Ländern liegt. Religionen sind somit nichts anderes, als Machtorgane.

Wir Menschen sind nicht unfehlbar und wir Menschen haben auch Religionsgemeinschaften gegründet, die somit auch nicht unfehlbar sein können. Die römisch-katholische Kirche wurde von Menschen gegründet und nicht von Gott, also von fehlbaren Personen.

Eine Religion kann nur so gut sein, wie die Gesamtheit seiner Gläubigen. Der Glaubensführer (z.B. Pabst) hat die Aufgabe, als politische Kraft den Zusammenhalt seiner Gemeinschaft zu gewährleisten und zu erweitern. Der Glaubensführer ist aber leider auch nur ein Mensch, der es nicht allen seinen Schäfchen recht machen kann.

Mike
Meine Meinung
habe ich wohl in dem anderen Thread schon etwas ZU deutlich formuliert, also verzichte ich an dieser Stelle darauf.

Euch eine anregende Diskussion wünschend,
Cîl
********igel Mann
138 Beiträge
nicht jede Religion ...
hat diesen Machtanspruch. Ursache für diesen Machtanspruch ist in erster Linie wohl der Mono-Theistische Ansatz, der sowohl dem Judentum als auch den daraus sich entwickelten Religionen Christentum und Islam zu finden ist. Allen gemeinsam ist der Anspruch der Alleinstellung Gottes. Und selbst wenn in diesen 3 Religionen eigentlich immer der gleiche Gott gemeint ist, will jede dieser Religionen mit Macht die Alleinstellung durchsetzen. So gesehen ist dieser Machtanspruch ein "Geburtsfehler" aller dieser Religionen, wie auch anderer Ein-Gott-Religionen.

Aber auch in anderen Religionsansätzen (Naturreligionen) sieht es nicht sehr viel anders aus. Wenn wir aus dem Thema die Institution erst einmal herauslassen (also Religion=Macht?), dann kommen wir der Lösung vielleicht eher auf den Grund. Was ist Religion anderes als des Eingestehen des Menschen, sich mit seinem Geist, seinem Wissen, seiner Macht nicht alles erklären zu können. Nicht zuletzt ist das auch wohl ein Grund, warum viele Menschen, die besonders viel Wissen angesammelt haben, mit zunehmendem Alter wieder religiöser werde. Und wenn dann schon diese großen Denker oder Gelehrten nicht mehr weiterwissen und an etwas höheres Glauben, dann doch erst Recht das einfache Volk.

Ich will es jetzt hier bewusst etwas verkürzt darstellen, schließlich will ich hier keine Abhandlung darüber schreiben. Aber dieser Einfachen Ansätze: Religion beginnt da, wo wir Menschen nicht mehr weiterwissen mit unserem Latein. Und die Macht entsteht daraus, dass die ersten, die erkennen, wie klein doch eigentlich unser Wissen ist, die geistig Größten sind, die unsere Vorbilder und unsere Führer sind.

Wenn aber nach dieser Definition die Religion in der Nähe der Mächtigen liegt, ist es von der Religion zur Macht nicht mehr sehr weit. Und um dieses Konstrukt zu manifestieren bedarf es einer gewissen Institutionalisierung. Also Religion=Institution=Macht.

Und wenn es heute zur Rebellion kommt, dann passt auch das in dieses Bild. Denn viele glauben heute, sie könnten da schon mitreden. Ihre Freiheiten, die sie in unserer Gesellschaft heute genießen, läßt sie glauben, sie könnten in der oberen Liga mitreden oder noch besser, sie glauben, sie hätten so viel Wissen, dass sie keinerlei Religion mehr bedürften.

Ich gehöre hier im JC schon zu den etwas älteren Semestern. Und interessanterweise stelle ich fest, dass mit dem Alter die Einsicht siegt, dass man sich wohl doch überschätzt hat. Interessanterweise verzeichnen die Kirchen mit zunehemndem Alter wieder Kircheneintritte. Diese können wegen der Demografischen-Entwicklung die Austritte nicht kompensieren, aber sie bestärkt mich in meiner These.

Diese These ist nicht von mir und sie ist auch nicht neu. Ich hatte einen Religionslehrer, der sehr offen mit dem Thema Religion umging. Ich war damals sehr wissenschaftlich interessiert und hatte sehr früh meine Zweifel. Er hat mir gsagt: "du kannst jetzt gegen die Religion wettern, du kannst Begründungen finden, die gegen eine Religion sprechen. Aber glaube mir, je mehr du meinst mit deinem Wissen noch mehr gegen die Religionen gefunden zu haben, umso mehr wirst du anfangen zu glauben. Also spare dir den Umweg." Anfangs habe ich ihn belächelt. Aber schnell habe ich bei meiner späteren Arbeit gemerkt, dass er Recht hat. Nein, ich bin kein frommer Kirchgänger geworden. Aber ich bin sehr religiös geworden. Ich wurde im Christentum erzogen und stehe ihm nahe. Aber das heißt nicht, dass ich auch nur eine anderer Religion deswegen gering schätze. Ich habe mich mit vielen von ihnen sehr intensiv beschäftigt.

Ja, Religion ist Macht. Und wenn sie diese nicht auch ausübt, dann geht sie unter im Streit der "Religionskämpfer". Wer heute nicht religiös aktiv ist, wird morgen überrannt von Kämpfern im Namen der Religion (Fundamentalisten jeder Colour, aber auch die schon erwähnten Missionierer früherer Zeiten). Darum bin ich bekennend religiös, zeitweilig auch christlich, manchmal sogar konfessionell. Ich möchte, dass wir uns diese Freiheit der Religion(en) bewahren.

Darum sollten wir nicht anti-religiös werden oder die Religion verdammen. Das schafft nur Unfreiheit, wenn nicht morgen, dann übermorgen. Und für diese Art von Religionsfreiheit stehe ich ein. Und ich finde diese Form von Macht überhaupt nicht verwerflich. Die Institutionen nutzen, damit Ordnung in diese Freiheit kommt. Denn ohne diese Ordnung wäre die Freiheit auch schnell am Boden. Und da in den Institutionen auch nur Menschen arbeiten kann ich mit deren Fehlern leben.

Ich kenne schon die Gegenreden. Aber ich träume nicht von Gewaltfreiheit. Die gibt es nicht, auch und gerade nicht in Fragen der Religion. Darum sollten mit den Mitteln der Ordnung und Macht Freiheiten bewahrt werden, damit wir auch morgen noch solche Zeilen schreiben können und uns Kirchenaustritte erlauben können.

Mal wieder ein stacheliger Beitrag vom
IGEL
Respekt
vor solch starken Beiträgen, die ich weder stachelig noch in irgendeiner Weise beanstandenswert finde. Alle drei Vorredner haben spannende und zielführende Gedankenansätze entwickelt, die ich mit Genuss mehrfach gelesen habe. Schade fand ich nur, dass ich wieder mal keinen Benachrichtigung zu dem neuen Thread erhielt und ihn nur per Zufall entdeckte.

Meine Einstellung zu Glaube und Kirche kennen die meisten aus den bisherigen Beiträgen. Als sehr gläubiger und christlich orientierter Mensch - und ebenfalls fortgeschrittenen Alters- ist mein Glaube ein existenzielller Eckpfeiler in meinem Leben, und der Besuch eines guten Gottesdienstes gibt mir weit mehr als ein Kinofilm. Dennoch stehe ich der katholischen Kirche, der ich angehöre, sehr kritisch gegenüber und finde vieles schlicht indiskutabel, was da als alleingültige Lehrmeinung verkündet wird. Und das beginnt schon beim Alleingültigkeitsanspruch, bei der Stellung des Papstes und führt insbesondere bei den Thesen zum Thema Verhütung, Sexualmoral und Schutz durch Kondome eine Fortführung.

Den Menschen Ratzinger finde ich interessant und finde sein Pontifikat weitaus erträglicher als zu Beginn befürchtet- wenngleich ich nicht eine einzige wirklich durchschlagende Idee dieses "Übergangspapstes" erkennen kann. Die von ihm entwickelte und von JP II umgesetzte Schließung der Schwangeren-Konfliktberatung ist in meinen Augen eine Katastrophe und trieb unzählige Frauen erst Recht in die Abtreibung- gerade sein Verhalten als Leiter der Glaubenskongregation war für mich pures JHardlinertum und Machtausübung.

Obwohl ich der katholischen Kirche angehöre, gibt es für mich kein größeres menschliches Vorbild als Tenzin Gyatso, den 14. Dalai Lama. Er bewegt mich praktisch nichts mehr als seinem bloßen Leben weit mehr als ein katholischer Papst. Er benennt die schlimmsten Menschenrechtsverlertzungen beim Namen, wo die katholische Kirche schweigt. Er lebt Glauben mit Zuversicht und einem steten Lächeln, während katholische Würdenträger mit herabhängenden Mundwinkeln sauertöpfische Moralpredigten halten. Er braucht keine Macht, keine Leibwächter, keine "Armee" zu seinem Schutz.

Deshalb mein klares Urteil:
Religion= Institution? JA.
Institution= Macht? Jein
Religion= Macht (mathematisch verkürzte Gleichung)? NEIN.

Mit abschließendem Dank an Hendrik, Mike und den "Igel" für ihre starken Beiträge: Martin.
ich möchte zu dieser diskussion einen beitrag zitieren, der ein etwas anderes über-thema hat - aber meiner meinung nach hier sehr gut reinpaßt)

auch

weil erzählt wird, wie ich z.b. erzogen worden bin, bzw. als kind und jugendliche "kirche" erlebte....

und weil es mein denken und empfinden wiederspiegelt



.......Es kommt immer darauf an, was der Einzelne und Dritte daraus machen und wem gestattet ist, die Religion zu verbreiten. Letzteren wird Macht eingeräumt und das Macht missbraucht werden kann, also auch korrumpiert wird, steht außer Zweifel und darf überall erfahren werden.

So wurde und wird „Gott“ im Christentum quasi – oftmals auch von den Eltern – zum „big brother“ auserkoren. Er sieht und durchschaut alles. Kein Winkel bleibt vor seinem wachsamen Auge verschont und er gestattet auch keine Intimität. Ob auf dem Schulweg, bei den Freunden oder nachts im Bett. Immer dann, wenn die Kinder dem Blickfeld der Eltern entzogen sind, muss Gott herhalten, um mögliche Defizite in der Erziehung auszugleichen. Ich weiß nicht, ob es ihm tatsächlich gefallen würde, als derart praktisches Erziehungsinstrument in Form eines Gesetzes- und Schuldnergottes missbraucht zu werden. Der Glaube wird entwürdigt und dazu benutzt, jede selbständige und gesunde Entwicklung mit den sich hieraus ergebenden Folgen zu verhindern. Frielingsdorf hat hierzu einmal sinngemäß – konkret kann ich es nicht mehr wiedergeben - gesagt, es handele sich um einen Gott, "der alles akkurat in die Lebensrechnung eintrage. Er sei so ein unheimlicher Schnüfflers und moralischer Wachhund in der Stellung als Weltpolizist und als Schuldnergott". Wird man so durch das Christentum erzogen, ist man dazu berufen, einen Frondienst mit unüberschaubaren Verboten und Geboten zu leisten. Es werden immer unbezahlte Rechnungen für übertretene Gesetze, genommene Freiheiten und für nicht erbrachten Gehorsam offen bleiben. Die hiermit einhergehenden Schuldgefühle werden das Leben zur Qual machen und dies stellt zweifelsohne einen Machtmissbrauch derjenigen dar, denen diese Macht gegeben worden ist.
Das Christentum und die Religion in seinen Ursprüngen soll befreien und wird oder wurde in der pseudoreligiösen Erziehung, an der die Kirche nicht ganz unbeteiligt ist, als Instrument der Unterdrückung verwandt. Aber die Verantwortung tragen weder die Glaubensrichtungen, die Religion und beim Christentum die Kirche. Immer sind es die Menschen, denen die Macht verliehen worden ist, die Religionen zu missbrauchen. Macht korrumpiert insoweit tatsächlich und deren Missbrauch griff auch auf die Sexualität über. Was nicht gewünscht war, wurde zur Sünde deklariert. Man denke historisch nur an Offene Haare, kurzen Röcken, Tanzen, selbst der Blick in den Spiegel oder das an sich oder miteinander Spielen und die Lust, die verteufelt worden ist.
Die so vergewaltigten Religionen haben die menschliche Lebendigkeit im Laufe der Zeit eingeschränkt. Es ist schwer aus den Köpfen herauszubekommen, dass die Bibel grundsätzlich sexualfeindlich sei und sich hieraus ergeben solle, auf viele der heute praktizierten Formen von Sexualität zu verzichten. Das Ganze nimmt auch kein Ende. Man denke an die Bewegung „Wahre Liebe wartet“ um die sexuelle Abstinenz vor der Hochzeit zu propagieren. Religiöse Sexualfeinde, die Sexualängste schüren, wird es – befürchte ich - immer geben. Die Verurteilung und Diskriminierung der Sexualität hat im Christentum eine lange Tradition und wird leider mit Uneinsichtigkeit gepflegt. Möglicherweise liegt es daran, dass gelebte Sexualität durch Loslassen – im Übrigen eine tief religiöse Erfahrung - gewohnte Ordnungssysteme verlässt. Die Wildheit und Unkontrolliertheit der Sexualität macht allem Anschein nach denjenigen Angst, die der jeweiligen Glaubensrichtung weltlich vorstehen, also Macht ausüben. Um die – besser ihre – Stabilität nicht zu gefährden, muss die Sexualität folglich streng kontrolliert werden. Diese Kontrolle benötigt aber eine Legitimation. Im Christentum wird hierzu auf die Bibel zurückgegriffen und die Sexualfeindlichkeit dort einfach hineinprojiziert. Ich persönlich finde sie dort aber nicht. LG Cabal


[hinweis für jc-mods:
der verfasser erlaubte mir das zitieren]
********igel Mann
138 Beiträge
nicht nur im Christentum ...
findest du diese Form der Allgegenwart Gottes. Sie ist im Judentum wie auch im Islam durchaus gleichwertig anzusehen, wenn nicht teilweise noch krasser.

Das Moralansichten durch die Religion verbreitet werden, ist in der Natur der Religion begründet. Dass dort, wo die Kontrolle dieser Moralvorgaben nicht mehr überwacht werden können, ein Druck durch die Gemeinschaft und besonders die Religionsvorturner ausgeübt wird, ist aber kein Alleinstellungsmerkmal des Christentums, der Judentums oder des Islam. Die Drohung bei Nichtbeachtung von Regeln ist eines der gebräulichsten Mittel bei den meisten, wenn nicht allen Religionen.

Opferungen, oftmals zur Besänftigung nach Regelverstößen, sind auch bei anderen Religionen bekannt. Aber ch stimme dir zu, dass gerade die katholische Kirche mit dem Instrument der Beichte dies auf die spitze getrieben hat. Und wenn dies dann auf die Eltern abgefärbt hat, wundert mich das nicht. Nur ich glaube kaum, dass das heute noch so ist.

Die Bibel kann nicht mit Dingen aufwarten, die in der Zeit der Entstehung unbekannt waren. Auch ist die Sprache der Bibel für uns heute nicht immer leicht zugänglich. Wer aber die Zusammenhänge der Entstehung der einzelnen Bücher oder Kapitel kennt, wer weiß, in welchem kulturellen Umfeld etas geschrieben wurde, der kann die Bibel in die heutige Welt übertragen. Und es gibt im übertragenen Sinne viele Stellen, in denen Drohungen gegen Regelbrecher direkt oder indirekt ausgsprochen werden, in erster Linie im AT, das ja allen drei großen Religionen eine Richtung weist (Beispiel Sodom und Gomorra).

Damit will ich das nicht beschönigen. Ich will nur den Eindruck, es sein ein Problem der christlichen Kirchen, widersprechen.
natürlich hast du recht mit dem, was du schreibst @ igel55
...nicht nur im christentum.....

das zitierte
ist auch nur das,
wie ich katholische kirche in meiner jugend kennenlernte...

und wohl der erfahrungsschatz des einen oder anderen
in meiner altersklasse...


meine vorliebe für geschichte
und insofern auch religions-/kirchengeschichte
hat mir dann als junger erwachsener
die richtige relation finden lassen....

menschen, die macht haben...
gebrauchen sie gerne für ihre ziele
und manchesmal wird macht damit missbraucht.....

das ist ein menschlicher "fehler",
der in jeder religion vorkommen kann...

so wurde z.b. ja leider ein an und für sich sinnvolles "instrument"
wie die beichte.....
die menschen das leben erleichtern sollte.....
pervertiert und missbraucht... und endete in einem ablaßhandel...

aber vielleicht werde ich jetzt zu religionsphilosophisch
*sorry*
Meine Gedanken hierzu:
Für mich ist die Kirche als solche eine Institution, die mit meinem Leben des Glaubens nicht viel gemeinsam hat. Ich benötige nicht den allwöchentlichen Gottesdienst (wo viele nur ihre Kleidung spazieren tragen) sondern begnüge mich lieber damit, mich in eine ruhige Ecke zurückzuziehen.
Mag sein, dass Euch jetzt die Haare zu Berge stehn...
LG
M
dein beitrag erinnert mich daran......

zu erwähnen....

dass ich kirchen - kapellen - moscheen - synagogen - heilige haine und flüsse
als orte der besinnung und meditation sehr liebe....
(so alleine wie möglich)

aber die gefeierte gemeinsamkeit ebenso schätze
z.b. ein lateinisches lied in einem fremden land anstimmen
und andere stimmen ein.... diese "traditionelle sprache verbindet uns dann und ist alles andere als tot"

aber das hat nur noch am rande zu tun - mit diesem thema
*sorry*

~~

@ cil
es würde mich freuen, wenn du dich an der diskussion beteiligen würdest....
********igel Mann
138 Beiträge
Gemeinschaft
Religion ist immer etwas, was in Gemeinschaft ausgeübt wird. Auch wenn ich in vielen Dingen so denke wie DM4239, so gehe ich doch auf kirchliche Veranstaltungen oder in Gottesdienste (egal welcher Religion, welcher Konfession). Da wird nicht nur Kleidung spazieren getragen (außer vielleicht zu den hohen Feiertagen).

Auch ich liebe die Stille von Gotteshäusern. Sie gibt mir in der Hektik unserer Zeit einen Ruhepunkt. Doch auch und gerade die Gemeinsamkeit, die Gemeinschaft mit anderen, das Aufgenommen werden in eine Gemeinschaft bedeutet mir viel. Wer nur die oftmals abstoßende Kälte der Gemeinschaft in vielen deutschen Kirchen kennt, dem empfehle ich einmal im Ausland (z. B. Urlaub) dort als Fremder einen Gottesdienst zu besuchen.

Aber ich glaube, wenn wir wir hier von Macht und Instutition im Zusammenhang mit Religion reden, dann haben wir diese deutsche Form der Kirche im Kopf. Instutition Religion kann auch etwas Positives sein. Und dann ist es schön, wenn es z. B. eine gemeinsame Sprache im Lied gibt, um sich heimisch zu fühlen.

Doch leider wird dieser Wunsch nach dem Aufgefangen werden in der Religionsgemeinschaft den Kirchenführern viel zu oft viel zu viel Macht, die dann missbracht wird. Und so gesehen haben die letzten Beiträge für mich sehr wohl was mit dem Thema zu tun.

IGEL
@ cioccolata
*bravo*

hier kann ich dir nur zustimmen. So sehr ich mich über M's ersten Beitrag seit langem (?) freue *freu*, kann ich ihr leider nur bedingt zustimmen- natürlich gibt es Menschen, die dort nur ihre Mode präsentieren. Der Querschnitt ist das allerdings ganz sicher nicht.

Ich erinnere mich an einen katholischen Gottestdienst im fernen Sarajevo vor vielen Jahren, von dem ich kaum etwas verstand und doch eigentlich alles, denn die Sprache war unerheblich. Als dann der Osterpsalm mit dem großen Osterhallelujah (für Eingeweihte Gotteslob Nr. 530/7) ertönte, liefen mir Tränen über die Wangen.

In den letzten Jahrzehnten habe ich Gotteshäuser auf der ganzen Welt besucht, unabhängig von der Konfession. Ich war in Moscheen und Tempeln, in Kirchenruinen und stolzen Kathedralen- es war stets die ganz persönliche Einkehr, die Besinnung auf das Wesentliche, die von C zitierte Meditation, die mich bewegte.

Von daher schlage ich den Bogen zur Ausgangsfrage ganz kühn: Religion (jein), der Glaube ist für mich Institution und Macht. Höhere, positive Macht. Und die kann mich ganz schön ergriffen machen.


Ganz besonders herzliche Grüße: Martin
****42 Mann
4.687 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Das Zitat ...
ist sehr interessant, aber widersprüchlich.

Aber die Verantwortung tragen weder die Glaubensrichtungen, die Religion und beim Christentum die Kirche.

Was bitte ist die Kirche? Eine Nebelbank, eine Hirngespinst ... nein eine Einrichtung mit genau diesen Menschen, denen von der Religion unabhängiger Missbrauch vorgeworfen wird. Sorry, diese Trennung ist zu billig und sie trennt die Verbrechen, die Verdummung und Verarmung der Menschen durch diese Institutionen (ich nenne bewusst keine Namen) von diesen und damit von der Religion. Ein Mensch, ein Christ, ein Jude, ein Moslem ist nach dieser Sicht sofort frei von der Religion, wenn er ein Verbrechen unter ihrem Deckmantel begeht. Eine Religion trägt wahnsinnig viel Verantwortung für das, was in ihrem Namen geschieht. Diese Sicht ist so gefährlich und bequem, dass sie z.B. die Verstrickung der Kirche in die Verbrechen des dritten Reichs zuließ. Wo waren die unbescholtenen Vertreter der Institution Kirche? Die Kirche hat sich, um den eigenen Fortbestand zu sichern, dem System angebiedert, es fundamentiert und damit ist sie nur eine Machtstruktur, die den Mantel in den Wind hängt. Auch deshalb wird das bis heute totgeschwiegen. Die Zeit der Fortschrittlichkeit ist lange vorbei. Wenn eine Religion das "Zusammenleben" mit dem Menschen nicht übersteht, dann ist sie nicht dazu geeignet ihm zu dienen. Die Lehren der Bibel sind weder alltagstauglich, noch dazu geeignet eine wirkliche Lebenshilfe darzustellen. Das können erst die Interpretationen. Warum hat sich die Kirche weit über tausend Jahre geweigert diese Lehren für das gemeine Volk lesbar zu machen? Weil dann die Interpretationen jedem selbst zugekommen wären. Diese Angst war berechtigt, weil die Pervertierungen des christlichen Basiswerkes zu offensichtlich waren. Wer hat es denn zugelassen, dass es so wurde? Wer hatte eine Chance zu verhindern, dass die Erde per Dekret zur Scheibe wurde? Selbst hochintelligente Menschen konnten es oft nicht, die Machtstrukturen waren zu mächtig. Das Trennen der Religion von ihrer Institution auf Erden ist nicht zulässig, aber sehr bequem, wenn man sich der Verbrechen des göttlichen Bodenpersonals entledigen will.

Wie euch aufgefallen sein wird, habe ich die Vokabel "Glauben" nicht unter die Tasten genommen. Deshalb habe ich diesen Thread von der Diskussion um den Glauben an sich getrennt. Hier in diesem Thread sehen wir, dass Religionsgemeinschaften immer den gleichen Hintergrund haben. Selbst stark zu werden und Andersdenkende zu verdrängen aus dem eigenen Einflussgebiet. Daran hat sich nichts geändert. Auch in einer modernen Welt nicht. Der Verdrängungskampf ist nur subtiler geworden, wenn man vom religiös motivierten Terrorismus absieht.

Religiöse Interessengemeinschaften sind immer an Machtstrukturen gekoppelt, bedienen sich derer und lassen zu, dass sie sich benutzen lassen. Dass es schon immer so ist, macht es aber noch lange nicht entschuldbar. Der gemeinsame Nenner z.B. der deutschen Politik ist das Christum, nicht die politische Ausrichtung. Es steht in den Parteiprogrammen, der Staat treibt die Kirchensteuer ein, erhebt sie sogar von Nichtchristen und erzwingt sogar den Beitritt bei Beschäftigten in kirchennahen Einrichtungen. Das zum Thema Religionsfreiheit. Wir alle gestatten es der Kirche. Wenn man diese Kirche von allen denen befreien würde, die das billigend in Kauf nehmen, dann wäre sie leer. Oder?

An vielen Stellen haben aus meiner Sicht Religion und Kirche nichts mehr mit Glauben zu tun. Der humanistische Grundgedanke bleibt leider zu oft im Sturm von Ritualen und verknöcherten Denkstrukturen auf der Strecke.

Zum Thema Sünde, Beichte, Absolution kann ich nur sagen, dass der Maßstab von Sünde nicht festgelegt ist, mir keiner verzeihen darf außer dem Betroffenen und ich keinen Richter brauche, der über mich urteilt. Schon gar nicht im Hinblick auf ein Leben "danach". Kaum eine Religion ist zu totorientiert wie das Christentum. Wäre das nicht so, dann gäbe es Diskussionen über die Sexualität nicht. Die fehlende Lebensbejahung ist das, was mir den Zugang zu ihr (der Religion) letztendlich vollständig verwehrt. Ich lasse mich von keinem permanent als Sünder handeln.

Aus meiner Sicht ist die Krux, dass die Religion als solche von ihrer Umsetzung durch ihre Vertreter im Alltagsleben nicht mehr trennbar ist. Außer, man trennt sich von dieser Institution, tritt aus der Kirche aus und pflegt sein eigenes Christentum. Warum eigentlich nicht? Was spricht dagegen?

Hendrik

PS:Zum Schluss, ich habe die christliche Religion als ein Beispiel gewählt. Dieses ist auf fast jede andere Religion übertragbar.

Die Besinnlichkeit eines Kirchenbesuches als Ort der Ruhe genieße ich auch, aber aus der Sicht der mentalen Entspannung, die ich auch an der sturmumtosten Küste Englands finden kann. Der Erhabenheit der Geschicht und der Architektur kann ich mich auch nicht entziehen, aber das ist ein anderes Thema.
gemeinschaftlich
Ich wage es nochmal, das Thema gemeinschaflicher Gottesdienst anzusprechen. Ich hatte das Glück, bereits drei mal zu Ostern in Rom gewesen zu sein und wenn man da mit zig tausend Gläubigen zusammen die Heilige Messe miterleben darf, dann ist es eine Atmosphäre, wie man sie nirgendwo anders je erleben wird. Es reißt einen mit und man ist einfach nur begeistert.

"Wo zwei, drei, oder mehrere in meinem Namen zusammen sind", kommt Euch das bekannt vor. Man wird getragen und unterstützt sich gegenseitig im Glauben und in der Gemeinschaft. Im Gebet finden Menschen zueinander. Was bitte ist daran falsch.

Ok, ich bin schon lange kein sehr fleißiger Kirchgänger, doch selbst bei Trauerfeiern merkt man sehr deutlich, daß man mit seinem Leid nicht allein ist und findet leichter Trost, als wenn man allein in seinem Kämmerlein sitzt und sich die Augen ausheult.

Mike
einmal neutral ohne wertung betrachtet
nehmen wir das "flaggschiff römisch-katholische kirche"


Die Römisch-katholische Kirche (v. griech. καθολικός, katholikos: allgemein, über alles bzw. alle herabkommend, allgemeingültig) ist die größte religiöse Gruppierung der Welt, sowie die zahlenmäßig größte Kirche innerhalb des Christentums. Sie umfasst 23 Teilkirchen mit eigenem Ritus, darunter die nach Mitgliederzahl größte lateinische Kirche (bestehend aus drei Teilkirchen) und die unierten Ostkirchen. Mit den anglikanischen, den altkatholischen und den orthodoxen Kirchen teilt die katholische Kirche alle sieben Sakramente einschließlich des Weiheamtes, aufgegliedert in Bischof, Priester und Diakon (Klerus). Unterscheidendes Merkmal ist die Anerkennung des Primats des römischen Bischofs über die Gesamtkirche. Der römisch-katholischen Kirche gehören weltweit etwa 1,13 Milliarden Mitglieder an. Wikipedia

wieviel ordnung - gesetze - logistik - institution und macht braucht es, um diese weltumspannende organisation so vieler menschen in geregelte bahnen zu bringen?

die glaubensbotschaft selbst ist tausende jahre alt....
wurde über die zeit "bewahrt" .....

und geschichtlich gesehen, war die röm-kath. kirche noch nie so "wenig mit politischer macht verbunden" wie jetzt......


es mag sein, dass vieles auf der strecke bleibt....
und trotzdem habe ich es ganz anders erlebt....
eine kirche des herzens - eine spirituelle gemeinschaft.....

~~

über beichte, habe ich bereits im anderen thread geschrieben.....
es geht nicht um richten - es geht um verantwortung übernehmen, um reue - buße und v e r z e i h e n ......

~~

was kirche als arbeitgeber betrifft
sehe ich nichts unbilliges dabei
nur menschen zu beschäftigen,
die sich mit dem leitbild ihres arbeitgebers identifizieren können.....
das macht jeder betrieb so- oder?

und das ist einer der gründe,
warum ich "nicht mehr in der kirche beschäftigt" bin.....

~~

egal welche religion....
sie ist fast immer mit regierender macht verflochten....
man mag es sogar "verfilzt" nennen...

und manchesmal wird religion politisch benutzt/missbraucht
und manchesmal ist es kirchenpolitik, die ich heftig kritisiere....

kirche ist - bis auf wenige ausnahmen - weltumspannend -
g l o b a l

wieviele kulturen - wieviele nationen - wieviele unterschiedliche geschichte wird da "unter einen hut gebracht"....

und ja- wieviele greueltaten wurden im namen der kirche verübt, wieviele kriege "gesegnet"......
aber auch: wieviele gläubige wurden ermordet oder verfolgt aufgrund ihrer religionszugehörigkeit...

bei aller kirchenkritik:
manchmal wünschte ich, weltpolitisch würden wir ein klein wenig von so einem flaggschiff auch lernen.....
sonntägliche gedanken als nachtrag
totorientiert ......

dieses wort geisterte mir nächtens durch den kopf....
mit allerlei interpretationsmöglichkeit, was damit gemeint sein könnte... da ich aber zu keinem eindeutigen ergebnis kam....
meine frage:

was meinst du mit totorientiert? @ hendrik



was dein genanntes beispiel betrifft:
"die amtskirche" hat sich mit den machthabern des nationalsozialismus angebiedert und verbrüdert....
so wie in anderen ländern mit "dem faschismus"....
ist das "die kirche"?

wohin gehören dann die christen und kleriker, die wegen ihres widerstands in gefängnisse kamen oder konzentrationslager?
ist das *die kirche*?

in dem umkreis, in dem ich lebe,
gibt es darüber kein totschweigen...
sondern den versuch einer auseinandersetzung mit der geschichte...
Kirche und drittes Reich
Dieser Aspekt rückt zunehmend in den Fokus, und da es sich um eines meiner Spezialgebiete der Literatur handelt, möchte ich kurz und gerne auch darauf eingehen.

Papst Pius XII, Eugenio Pacelli, war schon als Kardinalstaatssekretär unter seinem Vorgänger Pius XI. maßgeblich an dem Abschluss des „Reichskonkordats“ 1933 mit Hitler beteiligt. Es ist davon auszugehen, dass sich der Vatikan eine Verbesserung der Möglichkeiten freier Religionsausübung erhoffte, vor allem aber der Schutz Unschuldiger vor Deportation und Hinrichtung- was sich bekanntlich als kaum erfolgreich erwies. Zum Papst gewählt wurde er nur wenige Monate vor Kriegsausbruch und somit zu einem Zeitpunkt, als für die meisten Zeitgenossen das wahre Ausmaß des Dritten Reiches wahrlich kaum absehbar war.

Bereits seine erste, kurz nach Kriegsausbruch erschienene Enzyklika "Summi pontificatus" wandte sich gegen Rassismus, den Herrschaftsanspruch von Diktaturen und die Besetzung Polens, doch musste er bald erkennen, dass sich das Dritte Reich kaum um seine Appelle scherte. Dennoch sei aus Wikipedia zitiert:
"Auf seine Weihnachtsansprache 1941 reagierte die New York Times:

„Die Stimme von Pius XII. ist eine einsame Stimme im Schweigen und in der Dunkelheit, welche Europa an dieser Weihnacht umfangen. Er ist so ziemlich der einzige Regierende auf dem europäischen Kontinent, der es überhaupt wagt, seine Stimme zu erheben. […] Indem er eine ‚wirklich neue Ordnung‘ forderte, stellte sich der Papst dem Hitlerismus in die Quere. Er ließ keinen Zweifel daran, dass die Ziele der Nazis mit seiner Auffassung vom Frieden Christi unvereinbar sind.“ – New York Times, 25.12.1941 (Spätausgabe), Seite 24."

Dort ist auch nachzulesen, dass nach dem Überfall auf Polen
"die Nationalsozialisten ... 3.642 Priester, 389 Kleriker, 341 einfache Brüder und 1.117 Nonnen in Konzentrationslager gesperrt [hatten], letztendlich wurden 4 Bischöfe, 1.996 Priester, 113 Kleriker und 238 Nonnen ermordet.

Noch weniger bekannt ist auch die Tatsache, dass sein Nachfolger Angelo Roncalli (Johannes XXIII) als Apostolischer Botschafter in der Türkei und später in Frankreich zigtausenden Juden das Leben rettete, in dem er ihnen gefälschte Taufbescheinigungen ausstellen ließ, die sie als vermeintliche Christen vor der Judenverfolgung rettete.

Das alles mag das weitgehend bestehende Urteil über den Zusammenhang von Kirche und Nationalsozialismus kaum korrigieren, stellt es aber vielleicht in einem anderen, differenzierteren Licht dar.

Herzliche Grüße vom kirchengeschichtsinteressierten Martin
****42 Mann
4.687 Beiträge
Themenersteller Gruppen-Mod 
Es gab Ausnahmen ...
ja, die gab es überall. Und ich behaupte, dass diese Menschen aus Idealismus und tiefer ethischer Reinheit gehandelt haben, weniger aus rein religiösem Antrieb. Opfer sind in allen Schichten zu beklagen gewesen und kein Verdienst, nur um das Zitat der Opfer zu kommentieren. Leider ist der Umgang mit dem Widerstand in Deutschland in Deutschland selbst sehr bedauernswert. Man braucht Spielberg um den Menschen Schindler nahezubringen, von den Mutigen der Kirche oder den Antifaschisten redet keiner. Es gibt nur den Grafen von Stauffenberg, der aufgrund seiner adligen Abstammung ins offizielle Bild des Widerstandes passt und deshalb genehm ist. Das zum verkorksten Umgang mit unserer Vergangenheit.

Es ist davon auszugehen, dass sich der Vatikan eine Verbesserung der Möglichkeiten freier Religionsausübung erhoffte, vor allem aber der Schutz Unschuldiger vor Deportation und Hinrichtung- was sich bekanntlich als kaum erfolgreich erwies. Zum Papst gewählt wurde er nur wenige Monate vor Kriegsausbruch und somit zu einem Zeitpunkt, als für die meisten Zeitgenossen das wahre Ausmaß des Dritten Reiches wahrlich kaum absehbar war.

Freie Religionsausübung für Christen, für niemanden anders, war danach möglich. Doch um welchen Preis. Zu Gunsten der Ausübung der Religion hat man sich mitschuldig gemacht. Die meisten der "Täter" waren auch Christen. Was soll ich als Atheist davon halten? Und nach dem Krieg war keiner Nazi gewesen, sondern nur noch Christ. Ich benutze bewusst diese Schwarz-Weiß-Plattheit, um es auf den Punkt zu bringen. Sehr wohl wissen, dass das Thema sehr viel komplexer ist und sehr weit unter den Teppich gekehrt wurde und wird.

Zum Papst kann ich nur sagen. Wer erst 1939 den Charakter des Regimes in Deutschland erkannt hat, der hat seit 1931 die Augen zugemacht.

In einer Erklärung der Paderborner Kirchenprovinz wurde bereits 1931 festgestellt:

"Er (der Nationasozialismus) macht das Gefühl einer Rasse zum Richter über religiöse Wahrheiten, über Gottes Offenbarung und über Zulässigkeit des von Gott gegebenen Sittengesetzes. In seiner letzten Konsequenz leugnet er den universalen Charakter der katholischen Kirche. Das Reich Christi gilt uns Katholiken aber als international, universal, katholisch. ... so ist für katholische Christen die Zugehörigkeit zur NSDAP unerlaubt, "solange und soweit sie kulturpolitische Auffassungen kundgibt, die mit der katholischen Lehre nicht vereinbar sind."

Das wurde später von der Kirche selbst gekippt.

Und spätestens 1938 waren alle Karten der Strategie auf dem Tisch und warum hat er in Italien, wo alles hautnah ablief, nichts merken wollen? Außerdem besteht die Kirche nicht nur aus dem Vatikan und der nicht nur aus dem Papst. Dieser ist nur die Spitze eines gigantischen Apparates, der sogar in die Regierungsgeschäfte verwickelt war. Dort hat auch keiner etwas gewusst? Sorry, wer das glaubt, hat den letzten Schuss nicht gehört. Es war ein Arrangement mit der Macht. Die Kirche lässt sich nunmal nicht auf den Papst reduzieren. Pius XII hat seine Stimme erhoben und den Vorwurf, dass ER zu wenig für die Juden getan hat, ist unhaltbar. Ich spreche von denen vor Ort. Den deutschen Bischöfen, Kardinälen und Kirchendienern, die sich arrangiert haben, ja sogar in Einzelfällen zu aktiven Mittätern wurden. Die christliche Kirche versteht sich als Kirche des Volkes und dort hat sie versagt und nach dem Krieg alles unter dem Deckmantel des Schweigens begraben wollen. Es besteht also kein Unterschied zwischen dem politschen und kirchlichen Umgang mit diesem Kapitel. Ich finde auch die bekannte Formulierung, dass die "ideologische und organisatorische Selbsterhaltung" die Form des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus war, als grenzwertig. Was bemerkenswert ist, ist die Tatsache, dass es einen riesigen Unterschied zwischen der katholischen und evangelischen Kirche gab. Letztere ließ nationalsozialistisches Gedankengut im Kirchenraum zu. Die katholische Kirche nicht, so wie sie auch ihren Mitgliedern zunächst die Mitgliedschaft in der NSDAP untersagte. Als Hitler kulturpolitische Zugeständnisse machte, wurde das Verbot gekippt (siehe oben). In der Fuldaer Erklärung, in der das NS-Regime anerkannt wird, steht, dass die Kirch staatsbürgerlichen Gehorsam leistet. Irgendwie passt doch alles nicht zusammen. Der Kirche als Institution kann ich keinen Widerstand gegen das NS-Regime abgewinnen, einzelnen Personen sehr wohl. Nicht umsonst gibt es ein formelles "Reuebekenntnis" z.B. der französischen katholischen Kirche, die unter dem Vichy-Regime die Deportation der Juden hinnahm ...

Ich möchte darauf nicht weiter rumreiten, weil ein großer Teil der Fakten genauso wenig bekannt ist, wie die Verstrickung von Politikern, Intellektuellen und Industriellen. Das Maß der Aufdeckung war genauso groß, wie unbedingt nötig. Alles andere wurde in beiderseitigem Interesse der Hoffnung auf Vergessen übergeben.

Hendrik
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Aus gegebenem Anlass ...
ein paar Worte zur Kritik an der Kanzlerin. Ich habe wahrlich nicht viel übrig für Angela, aber die Kritik am Großinquisitor in Rom war mehr als nötig. Ein Deutscher auf dem "heilgen Stuhl" leugnet mit dieser Geste die Geschichte des eigenen Landes, an dem die Kirche aktiven Anteil hatte. Mir ist einfach zum Kotzen. Sorry für den Ausdruck.

Kein Politiker hat sich zu DEM Umgang mit unserer Vergangenheit geäußert. Unsere Politkasper sind nur mit sich selbst beschäftigt. Im Wahljahr wird in Deutschland nicht mehr regiert, sondern nur noch intregiert und belogen. Da opfert man den korrekten Umgang mit der eigenen braunen Vergangenheit mal ganz schnell. Und, holla, eine erhebt die Stimme gegen seine Unfehlbarkeit, seine Heiligkeit, sein Borniertheit, den Papst. Ein Aufschrei geht durch die scheinheiligen Christen in ihren Parteihinterzimmern, die ihren Glauben für parteipolitische Grabenkämpfe wieder entdecken. Ich begrüße die Austrittswelle, denn eine Kirche, die sich auf die Seite der Geschichtsfälscher und Menschenverachter alias Pius-Bruderschaft stellt, hat in dieser Zeit nichts mehr zu suchen. DAS ist genau das, was ich dieser Institution hasse.
Jetzt stellt man auch noch die Frage, ob die Staatschefin eines souveränen Staates Kritik am Papst üben darf. Wo sind wir hingeraten? Dass wir rückständig sind, war mir schon klar, aber dass das Mittelalter wieder Einzug hält, ist schon heftig. Ich hoffe, dass endlich mal die Basis reagiert.

Hendrik
Pius-Bruderschaft und Berlin
Lieber Hendrik,

mit deinem wie immer spannenden und eindeutigen Artikel hast du deine Meinung über die derzeitige Stimmung recht zutreffend beschrieben. Wieviel wirklich von all dem wahr ist, vermag ich auch als engagierter Christ nicht zu beurteilen, doch bleiben für mich ganz andere Fragen offen.

Zunächst befremdet mich, dass der Heilige Vater erst durch Medienberichte darüber in Kenntnis gesetzt werden muss, dass die von ihm unterzeichnete Rehabilitation einen Gottesmann wieder in Amt und Würden bringen wird, der sich so unglaublich gegen die Geschichte stellt.

Erfreulich fand ich hingegen die klaren Worte des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, des Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch, der sich für einen erneuten Ausschluss des Holocaust-Leugners Richard Williamson aus der katholischen Kirche ausgesprochen hat. Dass nun alle antikatholischen Ressentiments, die in Deutschland schlummern, jetzt an die Oberfläche kommen, hätte der Papst durch eine bessere rechtzeitige Informationspolitik im eigenen Hause verhindern können und müssen.

Dass der englische Bischof Williamson am Wochenende klarstellte, vorerst bei seiner Haltung zum Holocaust zu bleiben, ist für mich schlicht der Gipfel der Unerträglichkeit. "Er wolle erst die historischen Beweise prüfen", sagte er. "Und wenn ich diese Beweise finde, dann werde ich mich korrigieren. Aber das wird Zeit brauchen." Hierzu mache sich jeder selbst ein Bild. Nicht auszudenken, ein deutscher Bischof hätte so gesprochen- die Welt (und vorneweg England!) wäre über ihn und unsere gesamte Nation hergefallen.

Aber aus diesem Grunde aus der Kirche auszutreten? Dann dürfte ich auch keinen Telekomanschluss mehr nutzen, nicht mehr bei Aldi einkaufen oder an einer deutschen Tankstelle vorfahren. So lösen wir keine Probleme.

Für mich ist Josef Ratzinger seit Jahrzehnten kein Vorbild. Alleine sein Verhalten in der Frage der Schwangerenkonfliktberatung und ganz aktuell sein neuerliches Vorgehen gegen Mitglieder von Donum Vitae machen mich tieftraurig über einen Mann, der sich für den Stellvertreter Gottes hält.

Erschütterte Grüße: Martin
****42 Mann
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Themenersteller Gruppen-Mod 
Es ist wirklich erschreckend, ...
dass Williamson noch nach "Beweisen" will. Mich erbost diese Ignoranz und Menschenverachtung, gepaart mit Geschichtsfälschung von einem Mann Gottes ganz erheblich. Wenn nicht unterschwellig Zustimmung in den höchsten Kreisen der katholischen Kirche gegeben wäre, dann wäre alles wieder mal ein bedauerlichr Einzelfall. Jede Entscheidung des Papstes wird von x Kardinälen geprüft, es gibt keine Alleingänge und dumm ist auch keiner. Das ist aus meiner Sicht ein klare Provokation und ein Zeichen für die exzkonservative Ausrichtung von Ratzinger. Mir ist nur noch nicht klar, was er damit bewirken wollte. Wir werden trotzdem erleben, dass bei seinem Besuch in Berlin wieder alle vor ihm auf die Knie gehen ohne sich daran zu erinnern. Wie schnell doch das Vergeben geht.

Zum Austritt aus der Kirche kann jeder doch greifen ohne seinen Glauben aufzugeben. Denn der Glaube an Jesus sollte doch wohl nicht an eine solche Institution gebunden sein. Das sage ich jetzt mal als Außenstehender. Welche Einflussnahme hat das Mitglied in der Kirche denn eigentlich? Proteste sind nicht erwünscht, es bleibt das Murren, aber wo ist der hörbare Protest? Eigentlich müssten die ehrlichen Gläubigen jetzt auf die Straße gehen und gegen den Papst protestieren. Statt dessen hört man eher Kritik an der Kritik. Oder einige ziehen eben still die Konsequenzen und gehen, weil sie keinen Ansatzpunkt für Veränderungen sehen.

Hendrik
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