Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Youngster Nürnberg
1747 Mitglieder
zum Thema
Sexuelle Revolution oder neuer Biedermeier?146
Ich möchte eine Beobachtung teilen und bin interessiert, ob ihr diese…
zum Thema
Sexuelle Orientierung finden31
Bisher habe ich mich als bi-interessiert definiert, da ich nicht…
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

wie sich unser leben ändern wird-Quelle Focus

****_by Paar
27 Beiträge
Themenersteller 
wie sich unser leben ändern wird-Quelle Focus
interessantes für die Zukunft, bedenkt man, am Anfang war der Neandertaler,...... Sexuelle Revolution 1969, ist dies die nächste Revolution.....

Ein Text zur Disskussion.....

Quelle Focus:

TITEL
Wie liebe ich – und wenn ja, wie viele?
Mehrere Partner gleichzeitig, Potenz bis ins hohe Alter. Das Ende der Romantik, aber auch des Egoismus. Und Männer könnten die Verlierer von morgen sein. Zukunftsforscher und Wissenschaftler beschreiben, wie sich Gefühle, Sex und unsere Beziehungen verändern werden. Letzte Folge der siebenteiligen FOCUS-Zukunftsserie
Von FOCUS-Redakteurin Carin Pawlak und FOCUS-Reporter Andreas Wenderoth

Silvio Wirth und Mara Fricke lieben dreidimensional. Sie lieben polyamor. Sie sind mit mehreren Partnern gleichzeitig zusammen – mit Kopf, Herz und Körper. Im Jahr 2030 wird der Psychologe Wirth 60 Jahre alt sein und die Kunsttherapeutin Fricke 56. Und vielleicht werden sie dann ein bisschen schmunzeln darüber, dass sie die Zukunft schon 2010 vorweggenommen haben. Zwar ist ihre Familie bei Belzig in Brandenburg verankert, doch praktizieren die Eltern einer Tochter neben der Tantra-Lehre auch partnerschaftliche Grenzenlosigkeit. Sie führen mehrere Nebenbeziehungen, ausdrücklich offen, also „mit der Zustimmung oder Billigung aller Beteiligten“. Glücklich seien sie damit, beteuern beide. „Auch wenn es schmerzhafte Momente gibt, an denen wir aber wachsen wollen.“

Müssen wir uns die Zukunft der Liebe mehrdimensional vorstellen? Und also auch Gefühle sozusagen in 3-D?

Für den Philosophen und Schriftsteller Sven Hillenkamp ist die Lebensweise von Silvio Wirth und Mara Fricke eine realistische Spielart der Welt von 2030. „Netzwerke von polyamor lebenden Menschen erneuern den Gedanken der offenen Beziehung“, so der Literat. „Diese Menschen glauben, sie könnten auf Dauer an beidem teilhaben: an einer Partnerschaft und an den unbegrenzten Möglichkeiten.“

Auch Swingerclubs könnten sich ausbreiten und gesellschaftlich akzeptiert werden. „Diese Entwicklungen machen aber nur – wie Kunstwerke – durch Übertreibung sichtbar, wie die Gesellschaft sich insgesamt verändert.“

In seinem gerade mit dem Clemens-Brentano-Preis ausgezeichneten Buch „Das Ende der Liebe. Gefühle im Zeitalter unendlicher Freiheit“ führt Hillenkamp aus, dass der Glaube an Zuneigung auf Lebenszeit verschwinde wie „Absolutismus und Sowjetsozialismus, wie die Ohnmachtsanfälle der Frauen“. Der 39-Jährige erklärt, dass sich die Gesellschaft lange an das Liebesideal der Romantik geklammert habe. Mit dem Credo „Je mehr Leid, desto mehr Liebe“.

Seit der Mensch „dauerhaft der Freiheit ausgesetzt ist“, habe er ein anderes Denken entwickelt. Er wolle jetzt Verantwortung für sein Leben übernehmen, sich selbst schützen. „Er hat nicht mehr die Mentalität eines Werther. Er sagt: Der andere muss mir guttun. Ich habe keine Lust mehr auf all die neurotischen Verwicklungen“, resümiert Hillenkamp.

Ist der libidinöse Spießer von heute im Jahr 2030 ein hoffnungsloser Spießer, wenn er nicht mehrdimensional liebt? Oder wird der Mensch der Zukunft gar zu einem dieser zwanghaften Wesen, die der Autor Aldous Huxley schon 1932 in „Schöne neue Welt“ herbeifantasiert? „Die gesellschaftlichen Normen fordern von den Bürgern mit kontinuierlich wechselnden Partnern zahlreiche sexuelle Kontakte“, heißt es dort. „Liebe und emotionale Leidenschaft gefährden nach Meinung der Weltregierung die Stabilität.“

Ein Blick ins Jahr 2030 lässt sich leichter verkraften, wenn man kurz zurückschaut auf die vergangenen zwei Jahrzehnte.

War es Anfang 1990 vorstellbar, dass Deutschland im selben Jahr wiedervereinigt würde? Dass dadurch eine Frau Kanzler werden würde, noch dazu eine aus dem Osten? Hätte jemand dem 1991 frisch examinierten Juristen Barack Obama zugetraut, keine 20 Jahre später der erste schwarze US-Präsident zu sein? Der 500 Millionen Dollar Wahlkampf-Spenden übers Internet sammelt? Schöne neue Welt!

„Die beste Art, die Zukunft vorauszusagen, ist die Zukunft zu erfinden“, posaunte Alan Kay, der als Computerpionier tatsächlich viel erfunden hat. Als er in den 80ern für Apple arbeitete, hätte keiner gedacht, dass Jahrzehnte später die ganze Welt der Versuchung durch den Apfel kaum widerstehen kann. Geradezu polyamor funktioniert dieses Geschäft: Der Trend geht zum geliebten Zweit- und Dritt-iPod, das iPhone ist sichtbares Glaubensbekenntnis, Apps scheinen so wichtig wie einst die Steintafeln Mosis.

Auch Fernsehen ist richtig scharf geworden dank Flach-TV und HD, nur noch Unverbesserliche fotografieren analog, und wer sein Leben nicht auf XXL-Flatrate umgestellt hat, sollte es besser gleich ganz sein lassen. Und sich in die virtuelle Irrenanstalt googeln. Zum Abschied noch „HDGDLD“, wie das im SMS-Sprech heißt: „Hab dich ganz doll lieb, Dinosaurier.“ Und tschüss.

Deutschland verschwindet wirklich. In der Tendenz. Die Geburtenrate kommt über 1,4 nicht hinaus. Wie auch, wo es künftig weniger potenzielle Mütter gibt. Und mehr Männer, die sich verweigern, unter anderem weil keine Wirtschaftswunder zu erwarten sind. Die Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen wollte von 14- bis 34-Jährigen wissen, wie sie ihre Zukunft einschätzen. 69 Prozent der 2000 Befragten sehen „mehr Arbeitsplatzunsicherheit“ und 47 Prozent einen „geringeren Lebensstandard“. Soll das also die Generation sein, die mehr Kinder bekommt, sich nach einem klassischen Familienmodell sehnt und an die große Lebensliebe glaubt?

„Liebe? Auch so ein Problem, das Marx nicht gelöst hat“, spöttelte der französische Dramatiker Jean Anouilh. Schon jetzt findet man sich zur Lösung vor dem Richter wieder, jede zweite Ehe wird geschieden. Und die Entwicklung geht zur Zweit- und Drittfamilie. Zum Patchwork-Alltag. Zum Lebensabschnittsgefährten-Dasein.

„Die Liebe wird künftig projekthafter sein“, sagt Peter Wippermann, Chef des „Trendbüros“ in Hamburg. Wenn er in seiner Firma auf die Speicherstadt blickt, sieht er, wie schnell sich die Welt zuweilen verändert. Wo zwischen neogotischem Backstein bis vor ein paar Jahren Zölle eingetrieben wurden, stehen nun schicke Wohnungen am Wasser. Fast überwiegend leben gut verdienende Singles dort, für Eltern und Kinder sind diese Heimstätten weniger geeignet.

Aber das bisher angestrebte und praktizierte Familienprinzip unserer Gesellschaft erklärt Wippermann ohnehin zur auslaufenden Form. „Der Nestbau, der einhergeht mit Karrierestabilisierung, wird künftig nicht mehr so leicht funktionieren.“

Die Gesellschaft sei im „Übergang von der Industrie- zur Netzwerkwirtschaft“. Alte Arbeitsstrukturen fielen weg, es gebe weniger Sicherheit. Ein Grund, warum die Geburtenrate nicht steigen wird: „Schon jetzt treten 44 Prozent der männlichen Hochschulabgänger in den Vaterschaftsstreik.“

Der Philosoph Hillenkamp vergleicht dieses Phänomen mit dem Sprödigkeitsverhalten der Tiere. Es könnte ja noch ein besserer Partner für die Paarung kommen. „Der Mensch schiebt jede Entscheidung hinaus – Beruf, Liebe, Wohnort, Lebensform -, bis er unter furchtbarem Zeitdruck steht, einem Lebenszeitdruck.“

Ist die 2030-Sippe also gar keine mehr?

„Der traditionelle Familienbegriff ist dann überholt“, prophezeit der Wissenschaftler Horst Opaschowski. Der Freundeskreis trete künftig gleichwertig neben Familie. „Vor allem für 1-Personen-Haushalte werden Freunde zu einer Art Ersatzfamilie mit Wahlverwandtschaftscharakter.“ Diese fungierten dann „als soziale Konvois und lebenslange Wegbegleiter“.

Eine radikale Veränderung der Strukturen erkennt auch Matthias Horx. „Die Normfamilie gibt es in Zukunft nicht mehr“, ist sich der 55-jährige Forscher sicher. Dagegen spreche der „Pluralisierungstrend, den wir schon jetzt erleben“. Seine Studien legen nahe, dass „die Menschen dann mehrere Familienstrukturen durchschreiten“. Wenn einer bis zu drei Berufe in seinem Arbeitsleben ausübe, werde er vielleicht auch drei Familien haben.

Horx sieht „etwa fünf verschiedene Ehemodelle“. Nach seiner „Liebes-Arithmetik“ wird es unter anderem Ehen auf Probe geben, Trainingslager für Beziehungen – und vor allem „eine nüchterne Art der Partnerwahl“. Kurz: einer für die Familienplanung, einer für den Sex, einer für den geistigen Austausch.

Und möglicherweise, denkt man an die Polyamoristen Silvio Wirth und Mara Fricke, all das gleichzeitig.

Ist die Zeit dann endlich reif für Cybersex? Außer Ankündigungen, Labortests und cineastischen Spielereien war davon bislang wenig zu erleben. Zwar hat Altfilmer Woody Allen 1973 in „Sleeper“ mit dem „Orgasmatron“ eine futuristische Erotikmaschine entworfen. Zum echten Höhepunkt reichte es nicht.

Auch bei Howard Rheingold nicht, der in den 90ern die Neudefinition des Datenverkehrs ausrief und sexuelle Interaktion in einem hochtechnisierten Ganzkörperanzug versprach.

Wie weit sind wir mit Cyber und Sex bis 2010 gekommen? Mit einem Mausklick öffnet sich die Welt der Hardcore-Pornografie, einen Partner braucht es nicht. Weder real noch virtuell. Und wenigstens ein Bonmot Woody Allens wird weiterhin funktionieren: „Sagen Sie nichts gegen Masturbation – es ist Sex mit jemandem, den man wirklich liebt.“

Sex hält Trendvisionär Wippermann für eine Währung der Zukunft. Wenn der ältere 2030-Mensch zwar vielleicht keine körperliche Polyamorie mehr schafft, aber einen Rest an Jugendlichkeit retten will, brauche es dafür einen Maßstab: „Und der ist Sex.“ Wippermann kommt zu der Schlussfolgerung: „Wenn ich nicht begehrenswert bin, fühle ich mich doppelt so alt.“ Und alt zu sein in einer alten Gesellschaft – das bedeutet den sozialen Tod.

Deshalb glaubt der Hamburger Forscher, dass das „Anti-Aging“ der Gegenwart künftig zum „No-Aging“ wird. Bei seinem Kollegen Matthias Horx heißt das „Down-Aging“.

Männer werden sich selbstredend die Haare färben – und die ungeliebten jenseits des Kopfes entfernen. Beide Geschlechter, postuliert Peter Wippermann, werden deutlich mehr kosmetische und operative Behandlungen über sich ergehen lassen.

Seit den Korrekturen aus der Ära Cher und Michael Jackson hat sich die Schönheitschirurgie ja weiterentwickelt. Wie die Zahlen. Gab es in Deutschland 2004 erst 5300 Botox-Injektionen bei Männern, waren es vier Jahre später mit 9514 fast doppelt so viele. Faltenfreie Aussichten für die Zukunft.

Verjüngende DNA-Reparaturcremes werden künftig Standardprodukt im Drogeriemarkt, ebenso Gleitmittel sowie potenzsteigernde Substanzen. „Sonst wird es schwierig mit dem Alterssex“, sagt Trendsucher Wippermann. Er sagt auch: „Keiner wird sich mit hässlichen Alten umgeben wollen.“ Durch hochauflösendes TV sehe man schon jetzt jede Hautpore genauer, als einem lieb ist. Deshalb geht Wippermann davon aus: „Wer nicht mithalten kann, wird sich zurückziehen müssen.“ Für sich selbst hat der Hamburger übrigens wenig Zukunftsängste. Im Jahr 2030 wird er 80. „Frühestens in diesem Alter wird man sich alt fühlen müssen.“

Die Grenze in der 2-Klassen-Zukunft verläuft also nicht nur entlang der wirtschaftlichen Potenz, sondern definiert sich auch durch die ästhetische. Die agilen, wohlhabenden, sexy Alten? Sie werden unter sich bleiben, in Gated Communities, neudeutsch für Reichen-Ghettos, wie diese schon jetzt etwa hinter hohen Zäunen von „Arcadia“ in Potsdam zu besichtigen sind.

Diese Alten werden holografische Konzerte erleben, die in New York stattfinden und direkt auf eine Multimedia-Brille übertragen werden. Sie werden Trend-Wein trinken, der nicht mehr aus Südafrika kommt, sondern aus Schleswig-Holstein, wo dank des Klimawandels blühende Rebenlandschaften entstehen.

Die 2010 erfolgreiche Fernsehserie „Der Bergdoktor“ wird dem Zuschauer dann so alt vorkommen wie heute Luis Trenkers „Kampf ums Matterhorn“. Denn die Televisionszukunft hat einem längst die ganze Alpenkette samt Glühen in 3-D ins Wohnzimmer gestellt, und der Kinobesucher kann mit beweglichen Sitzen, Windmaschinen und Nebeleffekten sogar eine vierdimensionale Erlebniswelt genießen.

Internet ist dann selbstverständlich Outernet, an jeder Stelle lässt sich alles antippen und auswählen und abbuchen. Mein Haus, mein Auto, meine Jacht. Und mein Partner. Den kann man bei Bedarf einfach wieder wegklicken. Dem Smartboard sei Dank.

Wird es einen regelrechten Krieg um junge Frauen geben, wenn diese Spezies doch vom Aussterben bedroht ist? Muss der Mann, alt und reich, für sein Begehren noch teurer bezahlen?

Und was ist eigentlich mit den armen, hässlichen Alten, die ausgeschlossen sind vom Markt aus Begierde und Buhlen? Setzen die auf Kooperation mit anderen Armen und Hässlichen? Hoffen sie darauf, dass ihnen Jüngere helfen, also die Generation 60plusminus? Dürfen sie damit rechnen, von den wenigen wirklich Jungen gestützt zu werden, wenn der Second-Hand-Rollator quietscht?

Es wird eine „Neudefinition von Generationenvertrag“ geben, ist sich Reiner Klingholz sicher, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Blickt der 56-Jährige ins Jahr 2030, sieht er mehr Fürsorge. „Das Großelterndasein auf Kreuzfahrtschiffen und Golfplätzen wird vorbei sein.“ Auch die Rollen würden anders verteilt. „Derzeit ist die Pflege der Angehörigen zu 90 Prozent Frauensache. Das wird sich ändern“, so Klingholz. „Denn Fürsorge ist eine Aufgabe von Menschen, nicht von Geschlechtern.“

Forscher Opaschowski spitzt den Gedanken sogar noch zu. In seinem Buch „Wir! Warum Ichlinge keine Zukunft mehr haben“, das im Herbst erscheint, sieht der Wissenschaftler die Egoisten auf dem Rückzug. Eine Umfrage seiner Stiftung für Zukunftsfragen bei 14- bis 34-Jährigen ergab, dass immerhin 22 Prozent „gegenseitige Hilfe in der Gemeinschaft“ anstreben. Dieser Wertewandel ist allerdings keine Errungenschaft aus freien Stücken. „Unsicherheiten am Arbeitsmarkt und sinkende Realeinkommen sorgen für eine neue Bescheidenheit“, so Opaschowski. Er sieht die Menschen in den nächsten Jahrzehnten näher zusammenrücken. „Sie werden die Erfahrung des Aufeinanderangewiesenseins machen.“ Deshalb glaubt der 69-Jährige an „ein Comeback der guten Nachbarn“.

Auffallend ist, dass Firmen ihre Produkte schon heute mit Werten wie Fürsorge anpreisen. So stehen im Spot der WWK-Versicherungen alle Schüler auf, als die Lehrerin nach einem Streich drohend fragt: „Wer war das?“ „Es ist die Gemeinschaft, die uns stark macht“, lautet die Werbebotschaft.

Wie männlich oder weiblich wird diese Gemeinschaft sein? Nimmt mit steigendem Einkommen der Frauen gleichzeitig die Geduld mit Männern ab? Blamieren sich ältere Herren, wenn sie ihre rollende Gehhilfe tieferlegen und deren Felgen verchromen?

Die kanadische Psychologin Susan Pinker macht sich schon jetzt Sorgen. Um die Männer. Mädchen seien besser ausgebildet, überrundeten Jungen in der Schule und an Universitäten. Unter den Männern von morgen sieht Pinker „viele Verlierer“. Nur weil derzeit höchstens 15 Prozent der Frauen bereit sind, eine Karriere nach männlichem Vorbild anzustreben, seien die Chefsessel überwiegend noch von Männern besetzt. Auch wenn sich in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Frauen in deutschen Vorständen verdoppelt hat – auf 2,4 Prozent.

Das klingt nicht nach durchschlagendem Erfolg, möglicherweise aber nach einem Wandel. Zahlen des Statistischen Bundesamts weisen aus, dass 10,5 Prozent der deutschen Professoren im Jahr 2000 weiblich waren. 2008 stieg die Quote immerhin auf 17,4 Prozent.

Forscher Opaschowski sagt lapidar: „Spätestens 2030 verlieren die männlichen Helden der Arbeit ihre Privilegien.“ Der Karrierebegriff würde neu definiert, „das männlich geprägte Bild vom schnellen Erklimmen der Karriereleiter überholt sich“. Frauen könnten, glaubt Opaschowski, „bei Arbeitslosigkeit mit der Abkoppelung der Erwerbsarbeit von der Identität ihres Lebens besser umgehen, während Männer Identitätsanker verlieren“.

Vom „Re-Design der Geschlechter“ spricht gar David Bosshart, Chef des Gottlieb Duttweiler Instituts in Zürich. Frauen seien viel fitter im Überlebenskampf. „Die Weltwirtschaftskrise war keine Rezession, sondern eine Manzession, wie der ,Economist´ richtig schrieb.“ Bosshart geht sogar so weit, dass fortan keinesfalls die Frauen gehätschelt werden dürften. „Männerförderung wird das große Thema.“

Selbst schuld. Sagt Stephan Jansen. Der 38-jährige Präsident der Zeppelin Universität in Friedrichshafen, an der mehr Studentinnen als Studenten eingeschrieben sind, erkennt „Testosteron statt Reflexion als das Muster vieler rein männlicher Vorstandsetagen“. Auch Jansen hält die Zukunft für weiblich. „Die Feminisierung der Bildung ist nur die Vorstufe zur Feminisierung der Führung: Frauen schauspielern weniger, fragen mehr und sind zeitlich besser organisiert – das merken zunehmend auch Aufsichtsräte und Headhunter.“

Wird die Gruppe der „Alpha Women“, wie Forscher Horx sie nennt, also größer werden? Und wird dadurch das unfreiwillige Singletum weiter wachsen? Oder gehört es dann einfach zum Status dieser Turbofrauen, dass sie sich einen Mann nach Bedarf holen? Hauptsache attraktiv. Und mindestens 20 Jahre jünger.

Wird es auch 2030 garantiert keine Hausmänner geben, wie Trendanalytiker Bosshart meint? Oder ist es so, wie Horx vorausdenkt, „dass Jagen und Sammeln für beide Geschlechter möglich sein werden“. Zwar glaubt der in Wien lebende Experte, dass dies ein „gesellschaftliches Puzzlespiel ist, das Mann und Frau mühsam erlernen müssen“. Aber man könne sich eben nicht zurückziehen in die vermeintlich heile Welt der 60er.

Also doch neue Rollen?

Nach Horx´ Erkenntnissen kümmern sich gegenwärtig etwa 15 Prozent der Väter intensiv um ihre Kinder. „2030 werden das bis zu 50 Prozent der Männer sein“, behauptet er. Die Politik will eine solche Entwicklung unterstützen, indem sie in der Arbeitswelt die Bedingungen für aktive Väter verbessert (s. Interview mit Bundesfamilienministerin Kristina Schröder S. 84).

Verfehlungen sind auch in Zukunft geschlechterübergreifend. Die Chefin der deutschen Protestanten, Margot Käßmann, war sich nach ihrer Alkoholfahrt im Februar der eigenen Schuld schnell bewusst. Und trat zurück. Der katholische Bischof Walter Mixa tat seine Gewalt gegen Kinder zwar lange als Banalität ab und quälte sich und seine Kirche wochenlang. Sein Amt gab er dennoch auf. Am Tag des FOCUS-Gesprächs mit Käßmann zur Zukunft der Kirche hatte die damalige Bischöfin noch geringere Sorgen als die spätere Promille-Tat. „Nichts ist gut in Afghanistan“, hatte sie da gerade gepredigt und Empörung bei Politik und Soldaten verursacht – aber auch Tausende zustimmender E-Mails aus dem Volk erhalten.

Darf die Kirche sich einmischen in die Probleme des Staates? Oder muss sie das künftig sogar stärker? Und wer sagt, dass es Kirchen dann überhaupt noch gibt? Ist es mit dem Glauben nicht schon heute wie im polyamoren Liebesmodell? Also ein bisschen Christentum, ein wenig Buddhismus und Gebete über Twitter?

Käßmann kennt die Probleme. „Man darf die vielen Austritte nicht kleinreden.“ Trauen die Menschen der Kirche nicht mehr zu, Werte zu verkörpern? Und wer braucht überhaupt noch den kirchlichen Segen, wenn er einen oder mehrere Liebesbünde fürs Leben schließt?

Die 51-Jährige hält die Kirche dennoch für zukunftsfähig. „Wer in 20 Jahren Christ ist, wird eine klare Wertehaltung haben.“ Die kirchliche Tradition werde künftig sogar noch „einen höheren Stellenwert einnehmen“. Sie wagt eine weitere Prognose: „2030 wird es ein gemeinsames Abendmahl geben.“

Eine Verbrüderung mit den Protestanten sieht Abtprimas Notker Wolf mit Skepsis. Der Benediktiner-Boss von weltweit 1000 Klöstern und 25 000 Mitarbeitern sagt schlicht: „Ich will nicht evangelisch werden.“ Auch wenn er einzelne Protestanten sehr schätzt. „Margot Käßmann hätte nicht zurücktreten sollen“, meint er. Die Gesellschaft brauche starke Menschen wie sie. „Wir müssen zugestehen, dass es Perfektion nicht gibt.“

Mit Kritik hält sich der 69-Jährige auch nicht zurück, wenn es um seinen Chef geht, den Papst. Bei diesem Thema kann der Abtprimas sehr selig lächeln und darauf verweisen, dass sich schon Paulus für die Redefreiheit ausgesprochen habe.

„Wir haben heutzutage zu viele Duckmäuser in unserer Gesellschaft“, prangert er an. Er selbst habe Spaß daran, „ab und zu ein Bömbchen zu legen“. Zur Entspannung spielt er dann gern Led Zeppelins „Stairway To Heaven“ auf seiner E-Gitarre.

Das Altern der Gesellschaft empfindet der gebürtige Allgäuer mit Wohnsitz Rom „auch als geistige Verknöcherung“. Vom Appell, sich zu wandeln, schließt er seine Kirche nicht aus. „Um in Zukunft bestehen zu können, müssen unsere Pfarrer mehr in Menschlichkeit geschult werden.“ Dass es 2030 noch eine Volkskirche geben wird, glaubt selbst der Berufsgläubige nicht. „Aber wir werden eine Kirche mit Überzeugungschristen haben“, sagt er.

Wie also leben und wen lieben wir 2030?

Die Bergwelten sind 4-D und auch die Beziehungen längst nicht mehr eindimensional. Manche helfen einander über die Abgründe des Alltags, andere bleiben schön, sexy – und unter sich.

Sind wir glücklich dabei? Vielleicht weiß der Herr im Himmel darauf eine Antwort. Aber wenn die Forscher mit ihrem Feminisierungstrend richtig liegen, könnte Gott bald eine Frau sein.

Endlich färben sich alle Männer die Haare. Potent sind sie sowieso, auch bis 80. Und wenn der Partner einem trotzdem nicht mehr gefällt? Klickt man ihn einfach weg. Und prostet darauf an mit Wein aus Schleswig-Holstein
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.