Marie fährt übers Meer. 1/2
Die Idee entstand bereits im Frühjahr. Wir sind auf Fanø untergebracht, haben jetzt auch wieder Rømø bereist. Dazwischen liegt noch so eine ganz kleine Insel: Mandø. Vogelinsel, Natur pur. Nur wenige Häuser.
Also habe ich mich erkundigt. Es gibt die Möglichkeit, das eigene Auto bei einem Wattmuseum auf den Parkplatz zu stellen und mit Traktorbussen auf die Insel zu fahren. Klingt nach Abenteuer. Mann bearbeitet, Termine mit Wettervorhersagen verglichen und als einzig richtigen Tag im Urlaub den Donnerstag herausgefunden. Dementsprechend tags zuvor das Doppelte auf den Grill gelegt, um zumindest ein stärkendes Vesper mit dabei zu haben. Kalbsflanksteak, mit einer Scheibe Ekstralageret Øst und eine Schicht dänische Remoulade, oben darauf ein paar Scheiben Salatgurke, Champignons hätten noch gepasst, hatte ich aber nicht, sehr leckere Frokost. Mjam.
Eigentlich wollte ich bei Mandøbussen telefonisch reservieren, wie empfohlen, aber viel zu spät daran gedacht. Dementsprechend hatte ich etwas Bammel, ob es klappt, andererseits, das Wetter war nur suboptimal, womöglich bleibt der Bus leer und wir haben ihn für uns? Pustekuchen, wir waren zwar das erste Auto auf dem Parkplatz, aber schon, dass da drei Traktor-Busse bereitstanden, machte mich misstrauisch. Im Minutentakt kamen Kleinbusse, einzelne PKWs und mein Mann beeilte sich, die Tickets zu kaufen. Offiziell geht es einmal täglich hin und wieder zurück, von März bis Oktober, Plan gibt es tatsächlich im Internet. Die Preise gehen, laut Plan 60 Kronen, vor Ort wurden dann nur 50 Kronen pro Nase verlangt.
Als eine ganze englische Klasse auf dem Parkplatz ankam, bekam ich Panik. Ich wollte unbedingt auf dem offenen Dach mitfahren, zwecks fotografieren, wenn die da auch alle hinauf wollten? Also schnell alles gepackt, was man so brauchen könnte untertags, und diesen an einen Traktor angehängten Wagen betreten. Gewöhnungsbedürftig. Aber gut, oben die Sitzgelegenheiten wie quer angebrachte Bierbänke. Während ich mich dort häuslich niederlasse, erobert die Schulklasse den daneben stehenden Traktorbus für sich alleine. Die dürfen auch als erste fahren.
Wir Menschen auf dem ersten Bus werden vom Fahrer wieder heruntergeholt. Man würde den alten Weg fahren, dadurch müssten alle erst Mal unten Platz nehmen. Dafür dürften wir später raus. Also runter, in normalen Bussitzen gemütlich gemacht. Die ersten Minuten wirklich gemütlich, außer, dass die Fenster schon jetzt beschlagen waren, was sich fürs Fotografieren nicht wirklich als förderlich erwies. Teerstraße über den Deich, vorbei an neugierig schauenden Kühen und Schafen. Die wundern sich auch. Deichkrone überfahren und nach mehreren Metern verstehe ich, warum wir unten sitzen. Es ist keine wirkliche Ebbe. Wir fahren den durch Birkenreisig abgegrenzten Watt Weg, mitten durchs Meer, Wattenmeer und es ist Wasser um uns herum. Der Wagen rumpelt wie eine alte badische Postkutsche (durfte ich wirklich mal mitfahren). Ich versuche, mich mit Armen und Beinen zwischen Sitz, Rückenlehne, der Fensterfront und meinem Mann so einzuklemmen, dass ich das Meer um uns herum fotografieren kann. Utopischer Gedanke. Irgendwann taucht der zuerst fortgefahrene Bus neben uns auf und ich habe mich endlich an das Geschaukel gewöhnt. Erste Fotos gelingen. Und ich fasse Mut, dass wir nicht als Fischnahrung enden, sondern diese zwei Gefährte tatsächlich die Insel erreichen könnten. Plötzlich hält der Bus. Panik! Geräusche an der Seite deuten darauf hin, dass die Treppe heruntergelassen wird. Ich sehe den Fahrer, der jetzt ins Watt stapft, an einer Hand einen Gummihandschuh, nimmt etwas in die Hand, geht zu einer tieferen Stelle und spült ab, was er in der Hand hält. Langsam verstehe ich. Er werkelt an dem Ding herum, öffnet die Tür und kommt mit ausgestreckter Hand durch den Bus. Eine Auster, bietet an, wer mal schlürfen will, Zitronen sind auch mit an Bord. Ich verzichte dankend. Aber er hat einen guten Deal, aussteigen, selbst Austern sammeln. Einige folgen dem Aufruf, ich auch, aber nur, weil ich so die Chance habe, mal mitten im Watt zu stehen. Alleine haben wir uns noch nie so weit rausgetraut. 10 Minuten stehen wir da. Der Busfahrer kommt nicht mehr hinterher, die Muscheln zu öffnen. Aber es gibt auch eine klare Völkertrennung. Dänen schlürfen die Austern, Deutsche fotografieren. Zum Rauchen langt es für beide.
Der Fahrer scheucht uns irgendwann wieder in den Bus, sagt, sobald wir den festen Fahrweg erreicht haben, können wir nach oben. Gesagt, getan. Es ist eine herrliche Landschaft, die wir so zu sehen bekommen, der leichte Nieselregen stört niemand. Nur das Hin- und Her-Geschaukel hat etwas von einem Fahrgeschäft auf dem Rummel. Kranich- und Gänse-Schwärme am Himmel, all überall Schafe. So stelle ich mir übrigens Irland und Schottland vor. Die letzte schwere Strecke ist der Anstieg zum Inseldeich. Runter, wie eine kleine Achterbahn im Europapark. Trägt auf jeden Fall oben auch zur Völkerverständigung bei. Ich lande fast auf dem Schoß von einem Dänen.
Nach dem Ausstieg werden wir aber streng getrennt, Deutsche links, Dänen rechts, ähm, ja, der Fahrer wollte es so. Klar, so kann er erst seine Landsleute ermahnen, pünktlich zur Abfahrt um 14 Uhr wieder da zu sein. Gewartet wird nicht. Den Deutschen bietet er an, 13.15 Uhr kurz über die Geschichte Mandøs zu informieren. Dieses Angebot wurde übrigens nicht genutzt, die Landschaft hatte alle zu sehr im Bann. Die Gruppe löst sich auf. Sternförmig. Uns zieht es zuerst an den Strand. Blick zu? Keine Ahnung, jetzt weiß ich, Rømø. Kleine grasbewachsene Dünen, die in kurzen Sandflächen münden. Wenige Möwen, viel Landschaft. Leider auch immer wieder Plastikflaschen am Strand.
TBC