BDSM und Recht - Themanabende am 1.07. und am 8.07.2020
S!M Stammtisch Dresden, BDSM und Recht #2Picabo hat uns hier Ihr Skript zur Verfügung gestellt:
Vortrag Stammtisch
Stellen wir uns eine Session vor, was wird wahrscheinlich passieren?
- Dom bezeichnet Sub als Schlampe, ohrfeigt sie um ihr ihren Platz zu zeigen, wird eventuell wesentlich ausfallender in seiner Wortwahl
- Befiehlt sie möglicherweise auf die Knie vor ihm und zwingt sie, ihm einen zu blasen
- Weil es ihm nicht schnell genug geht oder er sie etwas anspornen will, fängt er an sie mit der Gerte zu schlagen
- Anschließend sperrt er sie in einen Käfig und spielt von dort weiter mit ihr
Betrachtet man als Unbeteiligter die Szene, sieht das schnell wie ein Verbrechen aus, aber warum ist es das nicht?
Nehmen wir die Bestandteile mal der Reihe nach auseinander
§ 185 Beleidigung
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
- Einwilligung -> Rechtfertigungsgrund
- Antragsdelikt
Strafantrag vs. Strafanzeige:
- Antrag kann nur von Geschädigtem selbst gestellt werden, Strafanzeige von jedermann
- Eine Strafanzeigewird gem. § 158 I StPO gegenüber den dort genannten Behörden (Polizei, Staatsanwaltschaft, Amtsgericht) gestellt und benennt einen möglicherweise strafrechtlich relevanten Sachverhalt. Sie ist form- und fristlos möglich und kann von jedermann gestellt werden.
- Ein Strafantraghingegen muss vom Verletzten einer Straftat (§§ 77ff StGB) gestellt werden. Er drückt das Begehren der Verfolgung einer Straftat aus. Der Antrag muss „bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich“ gestellt werden, § 158 II StPO. Er ist gem. § 77b StGB innerhalb einer Frist von 3 Monaten ab Kenntniserlangung von Tat und Täter zu stellen.
§ 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
• Vergewaltigung nicht möglich, wenn Zustimmung vorliegt
§ 223 Körperverletzung
(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
- bei besonderem öffentlichem Interesse wird auch von Amts wegen ermittelt
- eine rohe Tat, eine erhebliche Misshandlung oder eine erhebliche Verletzung
- wenn der Täter einschlägig vorbestraft ist,
- oder besonders leichtfertig oder
- aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründen gehandelt hat
- dem Opfer wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann, Strafantrag zu stellen, und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist (Mögliche Beziehungsgewalt hierunter subsumieren)
- eine rohe Tat, eine erhebliche Misshandlung oder eine erhebliche Verletzung
§ 228 Einwilligung
Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.
- Nach herrschender Auffassung richtet sich die Sittenwidrigkeit vor allem nach Art und Gewicht des Erfolges der Körperverletzungen und dem Grad der möglichen Lebensgefahr. Der mit der Tat verfolgte Zweck ist nur dann von Bedeutung, wenn er eine eigentlich als sittenwidrig zu bewertende Körperverletzung kompensiert, weil er positiv oder einsehbar ist (z.B. bei lebensgefährlichen ärztlichen Eingriffen, die zur Lebensrettung vorgenommen werden). Je gravierender die tatsächlich eingetretenen Verletzungen oder die drohenden Gefahren sind, desto eher kann die Sittenwidrigkeit angenommen werden. Ob die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten ist, ist aufgrund einer „ex ante“ vorzunehmenden Beurteilung zu entscheiden.
- Angriff auf körperliche Integrität, die nicht mit Menschenwürdegarantie vereinbar ist
- Konkrete Todesgefahr
- FALLBEISPIEL BGH URTEIL 2004: Eisenstange zur Atemreduktion
Irrt sich ein Täter über die tatsächlichen Gefahren eines Eingriffs, hält er also z.B. bei sadomasochistischen Praktiken den Eintritt schwerer Körperverletzungen oder gar des Todes nicht für möglich, so ist die Einwilligung zwar unwirksam, es liegt aber ein Erlaubnistatbestandsirrtum vor, der ggfs. nur zur Bestrafung aus einer Fahrlässigkeitstat führt. Kennt der Täter hingegen die Gefahren, bewertet aber gleichwohl die Tat nicht als sittenwidrig, so irrt er sich in rechtlicher Hinsicht, so dass ein Verbotsirrtum gem. § 17 angenommen werden kann. Hier hängt die Strafbarkeit davon ab, ob der Irrtum vermeidbar war.
§ 226 Schwere Körperverletzung NICHT MÖGLICH
§ 239 Freiheitsberaubung
(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(Sklaven)Verträge als Schutz?
- Vertrag als Willenserklärung zwischen zwei Parteien, hier 2 Personen
- Sobald zwei Personen Vertragsverhandlungen aufnehmen, entsteht zwischen ihnen ein gesetzliches „Schuldverhältnis aus Vertragsverhandlungen“.
- -> heißt auf Deutsch: etwas muss einklagbar vor Gericht sein
- BEISPIEL:
- Ich vermiete ein Auto an Person X, diese bringt es beschädigt zurück und will nicht für den Schaden aufkommen, obwohl er dafür verantwortlich ist. Ich kann also den Schadensersatz vor Gericht einklagen (das es hierfür auch Versicherungen geben mag sei der Einfachheit halber mal ignoriert)
- FALL BDSM: Ich habe einen Vertrag mit Dom X, dass ich Zuhause nackt zu sein habe und in der Öffentlichkeit keine Unterwäsche tragen kann. Ich verstoße dagegen. Klar, er kann die Strafe nach seinem Maßstab wählen, aber er kann schlecht vor Gericht gehen und mich dazu zwingen lassen
- ABER: Falls es zu einem Verfahren kommen sollte, ist es definitiv ein Indiz, dass das Einverständnis vorher bereits vorgelegen hat
Steht Dom also schon mit einem Bein im Gefängnis?
- Generell nein, das Spiel wird in den meisten Fällen auf einer Vertrauensbasis durchgeführt
- Eine Anzeige gehört zum Lebensrisiko, das könnte auch in einer Vanillabeziehung passieren (z.B. Vorwurf der Vergewaltigung)
- Problematisch wird es allerdings, wenn wir uns die verschiedenen Spielweisen anschauen, SSC, RACK und CNC (Metakonsens)
- SSC und RACK haben beide in der Regel gleich, dass es ein Safeword gibt, mit dem jederzeit abgebrochen werden kann und die Zustimmung entzogen wird
- Metakonsens lässt diese Möglichkeit nicht, denn nach dem gängigen Verständnis wird vorher eingewilligt auch Dinge zu tun, die man in dem Moment nicht möchte
- SSC und RACK haben beide in der Regel gleich, dass es ein Safeword gibt, mit dem jederzeit abgebrochen werden kann und die Zustimmung entzogen wird
- -> Metakonsens ist also theoretisch immer im strafrechtlich relevanten Rahmen, ABER nur weil es das ist, heißt es nicht, dass Dom tatsächlich auch die Grenzen überschreitet
- Privileg der Einwilligung lebt davon, dass sie jederzeit widerrufen werden kann (inwiefern aus in der jeweiligen Situation noch möglich ist, ist die andere Frage)
- WICHTIG: Der der die Einwilligung erteilt muss zu dem Zeitpunkt einwilligungsfähig sein und sich der Tragweite seines Handelns bewusst sein