Traurig aber wahr:
Der einzige allgemein gesellschaftlich akzeptierte Weg für eine Frau, eine dauerhafte nicht-sexuelle enge Bindung und tiefe Vertrautheit mit einem neuen Mann aufzubauen, ist: Sie bringt Söhne zur Welt oder widmet sich den männlichen Nachkommen anderer Familienmitglieder.
Ausnahmen davon findet man am ehesten bei den heute jungen Erwachsenen.
Als meine Generation (40 bis 45) noch jung war, fand man dort auch noch viele Ausnahmen.
Früher oder später haben Menschen dann aber doch "dem/ der Partner(in) zuliebe" den Kontakt zu einem/ einer engen platonischen Freund(in) oberflächlicher gehalten oder ganz abgebrochen. Und als diese Menschen wieder Single wurden, war die alte Freundschaft nicht mehr zu retten.
Je häufiger ein Hetero-Mann "der neuen Partnerin zuliebe" platonische Freundschaften zum anderen Geschlecht geopfert hatte, desto weniger ließ er sich auf neue platonische Freundschaften mit Frauen ein. Und desto kürzer hielt seine Begeisterung an als ich davon sprach, dass er trotz unserer Partnerschaft enge platonische Freundschaften mit Frauen führen könne.
Genau das hatte er sich vor Jahren gewünscht. Doch was hatte er nun davon?
All seine platonischen Frauen-Freundschaften waren relativ oberflächlich oder kurzweiliger Natur. Er musste quasi bei Null anfangen. Und was den Aufbau von platonischen Freundschaften mit Frauen anbelangte, war er aus der Übung. In Situationen, in denen er sich mehr auf die Freundschaft einließ, kamen obendrein die Eifersuchtsdramen mit seiner Ex hoch und dass damals viele in seinem sozialen Umfeld gesagt hatten: "Bist du doof? Sowas kannst du nicht bringen. Klar steigt dir da deine Partnerin aufs Dach." Da hätte er ganz ungute Gefühle. So als würde er mich verraten, etwas Unrechtes tun, etc.pp. Schlechtes Gewissen. Weil das doch so nicht sein dürfe.
(Wenn dann auch noch obendrauf kam, dass er durch Arbeitsplatzbedingte Umzüge Freunde verloren hatte, wurde er obendrein neidisch. Ich hatte die Art "alte Männerfreundschaften", die er gerne gehabt hätte.)
Auch veränderten sich durch den zunehmenden Wegfall der platonischen Freundschaften zwischen Mann und Frau die Erwartungen an sexuelle Beziehungen.
Das Bedürfnis nach Vertrautheit mit dem anderen Geschlecht... (vertrauliche Gespräche, die ein Mann so eigentlich nur mit Frauen führen konnte, da er sich mit anderen Männern eigentlich gar nicht über seine Beziehungen, Gefühle und Bedürfnisse unterhalten wollte)... wurde zunehmend in sexuelle Beziehungen gepackt.
Bei den Männern war das Bedürfnis nach Vertrautheit mit dem anderen Geschlecht durch die Bank höher. So groß, dass es zunehmend mehr Männer gab, die es sogar in völlig unverbindlichen sexuellen Abenteuern erfüllt haben wollten.
Bei den Frauen war das Bedürfnis nicht so hoch. Wir Frauen unterhalten uns ja seit Generationen untereinander über Beziehungen, Gefühle und Bedürfnisse. Gehen da in den Erfahrungsaustausch. Versuchen zu verstehen. Und wenn uns unser Leben durcheinander bringt und vor Fragen stellt, über die wir noch nie nachgedacht haben, unterstützen wir uns gegenseitig beim Sortieren unseres inneren Chaos. - All das hatte ich auch schon immer in meinen platonischen Freundschaften mit Männern. So ganz ohne Sex.
Und es macht doch einen himmelweiten Unterschied, ob ich nur einen oder mehrere mögliche Gesprächspartner habe, denen ich mich anvertrauen kann, wenn ich mal völlig durch den Wind bin.
Und es macht doch einen himmelweiten Unterschied, ob mein Gesprächspartner mich seit langem kennt und mich mal eben an meine alten Stärken erinnern kann. Oder ob ich das Gespräch mit einem Menschen führe, der mich erst seit wenigen Monaten kennt und mich bloß im Hormonrausch sieht - zumal dieser selbst im Hormonrausch steckt.
Ich glaube nicht daran, dass sich die Männer einen Gefallen damit tun, solche Gespräche ausschließlich mit ihrer Sexualpartnerin zu führen.
Als Partner waren mir immer die Männer am liebsten, die mindestens eine langjährige enge platonische Freundin hatten.
• Die platonische Freundin sah ihn klarer als der Mensch, der er ist. Ich kannte ihn noch nicht so lange. Und bei mir war die Gefahr größer, dass ich ihn im Hormonrausch als den Partner, den ich gerne hätte, sehe.
• Und während ich in einem Gespräch authentisch traurig und/ oder ängstlich reagierte, wenn er einen Weg in Erwägung zog, den ich nicht mitgehen kann und welcher das Ende unserer Partnerschaft bedeuten könnte, blieb seine platonische Freundin gelassen. Sie war unbefangen bei der Erörterung, wie wichtig das für ihn im Vergleich zu anderen Möglichkeiten ist.
Also wenn in Punkto Beziehungsgestaltung ein Thema aufkam, bei dem mein Partner noch nicht wusste, wie er selbst dazu steht, empfand ich es immer als Erleichterung, wenn er sich die Zeit nahm, mit seiner besten Freundin alle Möglichkeiten durchzuspielen. Danach kam er wohl sortiert zurück.
Dann war er ein Mann, der wusste, was er will. Wo seine Prioritäten liegen und wo er Kompromisse eingehen kann. Und wir konnten uns im Gespräch auf das Wesentliche konzentrieren.
Wenn sich ein Mann stattdessen der Meta-Amour anvertraute, war das anders!
Ich glaube nicht daran, dass sich die Männer einen Gefallen damit tun, solche Gespräche ausschließlich mit ihrer Sexualpartnerin zu führen. Und mir tun sie damit auch keinen Gefallen.
Jedenfalls stelle ich fest:
Meine Generation konnte mal tiefgehende platonische Freundschaften zwischen Mann und Frau.
Wir hatten das patriarchalistische Mantra, dass Mann und Frau nie echte Freunde sein können über Board geworfen.
Nicht alle. Aber viele von uns.
Doch im Laufe der Jahre hat die Mehrheit es dann doch dran gegeben.
Wegen dem Ärger mit dem/ der Partner(in).
Und mir scheint, viele versuchen da nun mittels Polyamorie nachzubessern.
Doch das löst bei diesen Menschen nicht die Verknüpfung "engste Vertraute >-< Sexualität" auf.
Das führte immer wieder zu Missverständnissen.
Sicherlich hätten mein engster Vertrauter (platonischer Freund) und ich das Verständnis-Problem aus der Welt ficken können.
Hätten wir gefickt, hätten meine Poly-Partner unsere Beziehung verstanden.
Aber wir wollten nicht miteinander ficken.
Bei den heute jungen Erwachsenen schaut es schon besser aus.
Es sind 1. mehr, die das patriarchalistische Mantra, dass Mann und Frau nie echte Freunde sein können über Board geworfen haben, 2. halten sie länger an gemischt-geschlechtlichen Freundschaften fest und 3. sind es auch mehr junge Männer, die sich mal untereinander über Beziehungen, Gefühle und Bedürfnisse unterhalten.