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Was heißt denn für dich sich der Angst hingeben? Nehmen wir mal folgendes Beispiel: Ich habe die Befürchtung dass jemand den ich treffe und der in einer Beziehung ist seinem anderen Partner gegenüber nicht offen und ehrlich ist was unser Verhältnis angeht - das einfach auszuhalten und keine Transparenz einfordern würde an meinen Bedürfnissen vorbei gehen. Denn ein wichtiger Grundsatz für mich in Beziehungen ist Transparenz allen Partnern gegenüber (was ich im übrigen auch immer von Anfang an klarmache).
Hier wäre die grundlegende Frage, ob du Angst empfindest bei dem Gedanken, dass dein Partner nicht offen spielt.
Wenn es sich um einen moralischen Grundsatz handelt, der aber an und für sich nicht angstauslösend ist - ist das kein Hingeben.
Wenn ich zB Angst empfinde, weil mein Geliebter (möglicherweise) mit einer anderen irgendetwas hatte - und ich fordere nun ein darüber XYZ zu erfahren (je nach gewünschter Transparenzstufe), dann agiere ich in dem Moment meine Angst aus.
Meine Angst erzeugt das Bedürfnis „zu wissen“, weil sie nach Sicherheit trachtet.
Das einzufordern wäre Hingeben. Es füttert die Angst, auch wenn sie kurzfristig besänftigt wird.
Hingegen wäre ein mutiger Akt, dieses Bedürfnis wahrzunehmen und bei passender Gelegenheit zurückhaltend und neugierig zu fragen. Mit der Wahrnehmung, dass mir das Angst macht, ich gerne mehr erfahren würde und dennoch respektiere, dass mein Gegenüber evtl nicht viel oder mir unangenehme Dinge preisgeben will.
Schwierig so zu erklären. Für mich ist das in der Empfindung so, als ob ich einem inneren Druck nachgebe und nach etwas dürste, wenn ich die Angst ausagiere. Es fühlt sich in dem Moment befriedigend und „berechtigt“ an.
Andersrum, „mutig“ sein, erfordert ein inneres Eingeständnis und Handlung, die mich Überwindung kostet. Ich nehme meine innere Unruhe wahr, mein Bedürfnis nach „Sicherheit“ und verhalte mich dennoch so, wie es „richtig“ wäre. Es fühlt sich zwar richtig an, nur halt nicht so richtig gut.
Liebe ist bedingungslos, Beziehungen sind es nicht.
Du sagst es selber, „in der Regel“.
Ich lebe eine regelfreie Beziehung, es existiert keine „Bedingung“.
Seit 2 Jahren und 3 Monaten.
Regeln bieten eine Scheinsicherheit. Wir verlassen uns darauf und verdrängen derweil, dass keine Regel der Welt mich oder ein anderes Individuum davon abhält, diese zu brechen.
Das ist auch kein Urteil. Ich habe den Eindruck, dass du oder auch andere das ein wenig „rechtfertigen“.
Dazu besteht keine Notwendigkeit.
Falsch oder Richtig sind sehr relative Bewertungen.
Mir gehts nur darum, die Realität möglichst beim Namen zu nennen (soweit das aus der eigenen Positio heraus halt möglich ist)
Erst das ermöglicht es einem, evtl. Änderungen anzustreben oder selbst einen Haken dahinter zu setzen oder zu sehen, dass es auch anders sein könnte.
Ich gebe mich auch immer wieder irgendwelchen Ängsten hin
Ich bin froh, wenn ichs bemerke. Dann kann ich besser entscheiden, wie ich damit umgehe.
Einfach weil ich sonst Dinge tue, die ich im Grunde, aus einer Ruheposition heraus, nicht für richtig halte. Gemessen an meiner Moral, an meinem inneren Kompass.
Der ist bei jedem verschieden.
Jeder hat unterschiedliche Ziele.
Und zum Punkt Bedürfnisse:
Die nehmen wir auf Grund unserer Gefühle wahr.
Und die können sich irren.
Gefühle geben meine Einschätzung wieder und nicht zwingend die Realität.
Ich empfinde (nahezu gleiche) Situationen ganz unterschiedlich.
Und auch wenn ich etwas permanent sehr ähnlich fühle und so ein gewisses Bedürfnis habe, kann ich da einfach „falsch“ liegen. Das Ganze falsch interpretieren. Manchmal merkt man nach vielen Jahren, dass man da mit etwas falsch lag.
Das findet man nur raus, wenn man sich diese Möglichkeit offen lässt. Was passiert, wenn ich die Bedürfnisbefriedigung aufschiebe, was wenn ich sie für weniger wichtig oder gänzlich belanglos erkläre?
Was, wenn ich einfach nicht tue, wonach es mich gerade innerlich drängt?
Das eröffnet einfach Möglichkeiten. Die muss man nicht gehen, nicht sehen, nicht wollen.
Es ist nur gut zu wissen, dass es sie gibt. Falls man mal nicht weiter weiß, immer wieder am (für einen persönlich) „falschen“ Punkt angelangt.