Grässliche Erfahrungen, die auf meine Kappe gingen...
Oh Gott, ich tue das nicht gerne- aber wenn ich so darüber nachdenke, fallen mir spontan eine ganze Reihe an Situationen ein, in denen ich mich im Nachhinein mit wachsendem Verantwortungsgefühl für meine 50% des Geschehens gerne anders verhalten hätte.
• ich habe eine langjährige (acht Jahre!) Beziehung ohne eine ehrlich eingeräumte Chance auf Gespräche, gemeinsame Arbeit oder ähnliches beendet, weil ich der Meinung war, "er würde mich eh nicht verstehen" und "wir wollen in dieser Beziehung einfach nicht das Gleiche". Aua. Junge, Junge- das war eine der bescheuertsten Ideen meines Lebens. Und das finde ich heute noch- auch wenn ich glaube, dass wir heute auch so nicht mehr zusammen wären. Aber trotzdem.
• Diesen Mann habe ich dann ein halbes Jahr später zu meiner Geburtstagsfeier eingeladen, weil ich so gerne weiterhin einen Platz in meinem Leben für ihn einräumen wollte- und ihm am Tag meines Geburtstages davon erzählt, dass übrigens meine neue Freundin auch da sein würde. Ebenfalls: autsch! (ich schäme mich wirklich sehr dafür mittlerweile- auch wenn ich mir irgendwie zugute zu halten versuche, dass ich mir was dabei gedacht haben werde damals. Irgendwie. Hoffentlich...)
• und einer der letzten großen Coups an groben Fahrlässigkeiten war eine große Feier, zu der ich alle (aber auch wirklich
alle) Menschen eingeladen habe, die mir aktuell oder in der jüngeren Vergangenheit nahe standen. Und die sich nicht kannten- auch wenn sie voneinander wussten. Es gab einen ganzen Abend lang "Kontaktverbot" von allen an mich und ich habe mich dabei erwischt, wie ich auf meiner eigenen Party "heimlich" in irgendwelchen Ecken stand zum Knutschen, in der Hoffnung, dass gerade keiner gucken kommt, weil ich es irgendwie nicht eingesehen habe, das nicht "zu dürfen", wenn doch alle Bescheid wissen. Ehrlich.
Lerneffekte
Sooooo viele! Zum Beispiel:
• Alles hat seine Zeit. Wenn ich merke, dass ich irgendwas "ganz schnell und ganz dringend und ganz unbedingt" will oder zu brauchen meine (Treffen, Sex, Kennenlernen der Partner, Familie, etc.)- dann versuche ich, mir echt doppelt Zeit zu nehmen und das Gefühl von "Haben, haben, haben!" so lange auszuhalten, bis ich wieder einigermaßen das Gefühl habe, von dieser Illusion des "mir fehlt irgendwas und ich will es JETZT, sonst ich sterbi!" runterzukommen. Is nämlich nicht so. Und alles, was ich gerne in meinem Leben haben mag, ist es wert, sich entwickeln zu dürfen.
• Wenn ich merke, dass ich aus Trotz Dinge tue oder lasse ("Da kann er ja mal gar nichts sagen! WIr haben das abgesprochen! Und wenn er das doof findet, dann ist das seine Baustelle, so! Pff!") dann ist das für mich mittlerweile ein sehr deutliches Signal, dass ich es eigentlich besser weiß und gerade dabei bin, Verhalten von mir zu rechtfertigen, das ich eigentlich selber nicht in Ordnung finde. Dann gilt ebenfalls: Bedürfnisse und Bedürftigkeiten bei mir klären, Tempo rausnehmen und den anderen aus seiner "der bremst mich aus und schränkt mich ein"- Sündenbock-Rolle frei sprechen.
• Meinem Gegenüber Dinge zutrauen. Musste ich auch erst lernen: wenn jemand sagt, etwas sei in Ordnung für ihn/sie, das dann auch für bare Münze zu nehmen und nicht uns beide in ein Almosenkarussell einzusperren (a la: ich merke ja,
eigentlich meint er das ja noch gar nicht so, traut sich nur nicht zu sagen, dass es weh tut, ich sollte lieber Rücksicht nehmen, etc.pp.).
Führt erfahrungsgemäß dazu, dass ich eine (größtenteils unberechtigte, s.o.) Wut auf jemanden entwickele, weil ich auf das reagiere, was ich vermute und nicht auf das, was er/sie sagt.
Wenn jemand mir sein Okay gibt, muss es ja noch nicht die Anspruchshaltung geben, dass er völlig problemlos mit der Situation zurecht kommt. Aber ich denke, jede_r hat das Recht, selbst zu entscheiden, wie und wie weit man sich solchen Situationen aussetzt. Und ich möchte das auf Augenhöhe und ohne Barmherzigkeitsattitüde akzeptieren lernen (auch, wenn es mir manchmal das Herz bricht)
• Aber... (ganz großes, fettes, riesiges ABER!): wenn ich längerfristig das Gefühl bekomme, jemand macht solche Zusagen aus Angst, mich sonst zu verlieren oder unsere Beziehung zu beschädigen, wenn er/sie "nicht mitzieht", kommt das sowas von auf den Tisch. Und dann drücke ich auch ganz deutlich beides aus. Das Zutrauen und mein Vertrauen-Wollen in die eigene Einschätzung des anderen, aber auch meine Sorge und mein Unbehagen. Bisher haben solche Gespräche so oft ganz viel Nähe in den Prozess gebracht- egal, was die tatsächliche Position und Begründung des Gegenübers war.
Und hierin liegt für mich auch der Unterschied von liebender/liebevoller Zuwendung an jemanden + Zutrauen in seine Verantwortlichkeit für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse und dem Freifahrtsschein von "Geht mich nichts (mehr) an, er/sie hat ja gesagt, alles töfte" (mal überspitzt formuliert)
Konklusion
Mein Bauch, meine Wahrheit, meine Antennen für Menschen und Situationen, Befindlichkeiten, Wohl-und Unbehagen sind für mich mittlerweile die maßgeblichen orientierungsgebenden Dinge. Bin ich unsicher über etwas davon, suche ich das Gespräch. Zirkulär, immer wieder, phasenweise- bis ich klarer bin. In Zeiten, in denen ich über etwas davon unklar bin, nehme ich Tempo raus- egal, ob die Unklarheit bei mir oder bei jemand anderem liegt.
Von daher stellt sich mir nicht so sehr das Problem von "wie lange soll/will ich jemandem Zeit geben". Solange wir in Klarheit oder im Gespräch über Unklarheit sind, befinden wir uns im Prozess, der immer sein eigenes Tempo hat. Das ist für mich völlig zulänglich. Versiegt das Gespräch, sperrt sich jemand im Dialog, fühle ich mich nicht in Kontakt mit der inneren Wahrheit eines anderen (wie auch immer die auch aussieht), mahne ich das an, kommuniziere mein Bedürfnis danach, gebe Zeit- und ziehe im Zweifelsfall irgendwann für mich mit Ankündigung zum "letzten (Wieder)Einstieg" die Konsequenzen, mich und mein Herz zu schützen und Wege mit (anderen) Menschen zu gehen, mit denen Verbindung möglich bleibt, auch wenn unterschiedliche Wahrnehmungen oder Bedürfnisse aufeinander treffen.
PS: Ich freue mich gerade sehr über den Austausch mit euch und wünsche jedem Einzelnen, jeder Einzelnen ganz richtig arg von Herzen ganz viel Segen und Freude und Glück für die anstehenden Wege