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@all zum Advent 2015

****ta Frau
2.135 Beiträge
Themenersteller 
@all zum Advent 2015
Werden wir in diesem Jahr an einem Punkt sein, an dem wir uns fragen müssen: Wieder nichts gelernt?
Oder werden wir diesmal, endlich, unsere Ärsche hoch kriegen und den Mut zum Schulterschluss aufbringen, und für das Aufstehen, was uns ermöglicht hat, hier in Ruhe zu leben: Der Frieden.
Sagen wir 'NEIN' wenn es nötig ist?
Und werden wir bereit sein, Multi-Kulti zu leben? – und nicht nur, weil es 'hip' ist? Werden wir wirklich allen Menschen in unserem Land mit offenem Herzen die Hand reichen können? Werden wir lernen wollen, auch die zu verstehen, die weniger Glück hatten als wir?
Wie viel ist uns die Freiheit wert – die unsere und die aller anderen?


****ta:
Sagen wir 'NEIN' wenn es nötig ist?

Wann ist es "nötig"?

Der Bundestag hat es beschlossen, also ist es laut geltender Rechtssprechung richtig. Selbst wenn der Bundestag beschließt Bomben fallen zu lassen, ist dies dann richtig. Berufe ich mich darauf, was richtig ist, kann ich getrost für eine lange Zeit schweigen.

****ta:
Wieder nichts gelernt?
Solange wir uns auf die Richtigkeit unseres Denkens fixieren, haben wir alles bereits gelernt. Das es richtig ist unser Klima retten zu wollen, und das es richtig ist dies dann doch nicht zu tun, weil die dafür nötigen Veränderungen ökonomisch nicht richtig sind.

Wir lernen erst wieder, wenn wir bereit sind, auch das falsche wieder zu umarmen. Die Bereitschaft etwas falsches (Auflehnung gegen das Richtige/Recht) zu tun hat die Meilensteine der Gesellschaftlichen Entwicklung (z.Bsp. frz. Revolution) erst ausgelöst.

Insofern bleibt bei mir die Frage, wenn wir zur Zeit der frz. Revolution gelebt hätten, ob wir mit auf die Straße gegangen wären. Oder ob wir richtig gehandelt hätten und zu Hause geblieben wären, und darauf gewartete hätten, das andere es tun. Mein Verdacht: Die heutige Gesellschaft bliebe zu dieser Zeit zu Hause. Und die damalige Gesellschaft würde in heutiger Zeit die Regierungen stürzen, um ein System zu etablieren welches endlich die drängenden Probleme der Zeit angeht.
**yx Mann
1.258 Beiträge
Wer ist das "Wir" in dieser Frage?
****ta Frau
2.135 Beiträge
Themenersteller 
@Keyx
Das ist eine Standardfrage, und man verzeihe mir die Verallgemeinerung, als ich den Beitrag abgefasst habe.
Du magst anders sein, einige hier sind es bestimmt, aber ich kann doch nicht jeden einzeln ansprechen - also habe ich pauschalisiert. Ich bin davon ausgegangen, dass sich nicht jeder gemeint fühlen wird.

@****ub
Wir lernen erst wieder, wenn wir bereit sind, auch das falsche wieder zu umarmen.
Das ist ein guter Satz, denn er lenkt die Gedanken darauf, den entsprechenden Anlass als Gelegenheit zur Veränderung zu sehen. Ohne das Unrecht gäbe es kein 'Recht' - wobei mir bewusst ist, dass das Thema Recht in eine Grauzone führt. Wir haben in diesem Forum schon oft über den Stellenwert des öffentlichen 'Rechts' diskutiert - das, was offiziell für Recht erklärt ist, muss nicht unser Rechtsempfinden spiegeln.
Wobei noch immer die Frage offen ist, ob dieses Rechtsempfinden einer allgemein gültigen Ethik entspringt.
**yx Mann
1.258 Beiträge
Hmm, meine Frage ist eine Verständnisfrage und hat nichts Negatives in der Absicht. Ich möchte wissen, auf welche Schnittmenge sich Dein "Wir" bezieht.
Die ganze Welt, denkbar wie jetzt in Paris, kann es nicht sein, denn dazu gibt es zu viel Unentwickelte. Meinst Du Europa, Deutschland, wir Philo-Mitglieder oder nur die, die Du für Wert hältst? Oder ist es das an alle appellativ ausgesprochene Wir zur Ermutigung?
"Wir" ist für mich wir alle. Die Menschheit. Und zwar jeder auf seine Weise, relativ, nicht absolut. Denn nur das macht Sinn. Selbst wenn wir in in der Philogruppe die Weißheit mit Löffeln gegessen hätten, es würde sich nichts ändern. Mazitas Beitrag aber hofft auf eine Veränderung, wozu für diese Veränderung eine "kritische Masse" vorhanden sein muss, die wir vermutlich nicht mal in Deutschland auftreiben können, jedenfalls nicht wenn wir im globalen Strom weiterschwimmen wollen.

Mit dem Wort "Unentwickelte" wäre ich sehr vorsichtig. Unentwickelt sind wir allesamt, wenn wir erstmal auf diese Schiene des Denkens steigen. Denn in 500 Jahren wird man auf uns wegen unserer Dummheit herabsehen, genauso wie wir über die Menschen die vor 500 Jahren wegen ihrer "Unentwickelt"-heit herabsehen.
*******enza Mann
3.454 Beiträge
...
Wer ist das "Wir" in dieser Frage?
Die, die wieder "wer" sind.
Ein sozusagen autoexclusiver (heterologisch nach Russel) Gebrauch dieses Pronomens, was in der Tat grammatisch sehr merkwürdig, gleichwohl weitverbreitet ist. Der Sprecher/die Sprecherin will sich damit als Speerspitze kollektiver Selbstkritik inszenieren.

Sagen wir 'NEIN' wenn es nötig ist?
Wann ist es "nötig"?

Du. Mann an der Maschine. Darf ich aus Deiner Gegenfrage schließen, dass das Gedicht von Wolfgang Borchert, auf das Mazita hier fraglos Bezug nimmt, und das normalerweise zum Innehalten anhält, aus dem Bildungskanon gestrichen wurde, seit wir wieder wer sind?

Wolfgang Borchert
Dann gibt es nur eins!

Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen - sondern Stahlhelme und Maschinengewehre. dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mädchen hinterm Ladentisch und Mädchen im Büro. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Granaten füllen und Zielfernrohre für Scharfschützengewehre montieren, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Besitzer der Fabrik. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst
statt Puder und Kakao Schießpulver verkaufen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Forscher im Laboratorium. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst einen neuen Tod erfinden gegen das alte Leben, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Dichter in deiner Stube. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Liebeslieder, du sollst Haßlieder singen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Arzt am Krankenbett. Wenn sie dir morgen befehlen, du
sollst die Männer kriegstauglich schreiben, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Pfarrer auf der Kanzel. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst den Mord segnen und den Krieg heilig sprechen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Kapitän auf dem Dampfer. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keinen Weizen mehr fahren - sondern Kanonen und Panzer, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Pilot auf dem Flugfeld. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Bomben und Phosphor über die Städte tragen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Schneider auf deinem Brett. Wenn sie dir morgen befehlen,
du sollst Uniformen zuschneiden, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Richter im Talar. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst zum Kriegsgericht gehen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mann auf dem Bahnhof. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst das Signal zur Abfahrt geben für den Munitionszug und für den Truppentransport, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mann auf dem Dorf und Mann in der Stadt. Wenn sie morgen kommen und dir den Gestellungsbefehl bringen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mutter in der Normandie und Mutter in der Ukraine, du, Mutter in Frisko und London, du, am Hoangho und am Mississippi, du, Mutter in Neapel und Hamburg und Kairo und Oslo - Mütter in allen Erdteilen, Mütter in der Welt, wenn sie morgen befehlen, ihr sollt Kinder gebären, Krankenschwestern für Kriegslazarette und neue Soldaten für neue Schlachten, Mütter in der Welt, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN! Mütter, sagt NEIN!
Denn wenn ihr nicht NEIN sagt, wenn IHR nicht nein sagt, Mütter, dann:
dann:
In den lärmenden dampfdunstigen Hafenstädten werden die großen Schiffe stöhnend verstummen und wie titanische Mammutkadaver wasserleichig träge gegen die toten vereinsamten Kaimauern schwanken, algen-, tang- und muschelüberwest den früher so schimmernden dröhnenden Leib, friedhöflich fischfaulig duftend, mürbe, siech, gestorben -
die Straßenbahnen werden wie sinnlose glanzlose glasäugige Käfige blöde verbeult und abgeblättert neben den verwirrten Stahlskeletten der Drähte und Gleise liegen, hinter morschen dachdurchlöcherten Schuppen, in verlorenen kraterzerrissenen Straßen -
eine schlammgraue dickbreiige bleierne Stille wird sich heranwälzen, gefräßig, wachsend, wird anwachsen in den Schulen und Universitäten und Schauspielhäusern, auf Sport- und Kinderspielplätzen, grausig und gierig, unaufhaltsam - der sonnige saftige Wein wird an den verfallenen Hängen verfaulen, der Reis wird in der verdorrten Erde vertrocknen, die Kartoffel wird auf den brachliegenden Äckern erfrieren und die Kühe werden ihre totsteifen Beine wie umgekippte Melkschemel in den Himmel strecken -
in den Instituten werden die genialen Erfindungen der großen Ärzte sauer werden, verrotten, pilzig verschimmeln -
in den Küchen, Kammern und Kellern, in den Kühlhäusern und Speichern werden die letzten Säcke Mehl, die letzten Gläser Erdbeeren, Kürbis und Kirschsaft verkommen - das Brot unter den umgestürzten Tischen und auf zersplitterten Tellern wird grün werden und die ausgelaufene Butter wird stinken wie Schmierseife, das Korn auf den Feldern wird neben verrosteten Pflügen hingesunken sein wie ein erschlagenes Heer und die qualmenden Ziegelschornsteine, die Essen und die Schlote der stampfenden Fabriken werden, vom ewigen Gras zugedeckt, zerbröckeln — zerbröckeln — zerbröckeln —
dann wird der letzte Mensch, mit zerfetzten Gedärmen und verpesteter Lunge, antwortlos und einsam unter der giftig glühenden Sonne und unter wankenden Gestirnen umherirren, einsam zwischen den unübersehbaren Massengräbern und den kalten Götzen der gigantischen betonklotzigen verödeten Städte, der letzte Mensch, dürr, wahnsinnig, lästernd, klagend - und seine furchtbare Klage: WARUM? wird ungehört in der Steppe verrinnen, durch die geborstenen Ruinen wehen, versickern im Schutt der Kirchen, gegen Hochbunker klatschen, in Blutlachen fallen, ungehört, antwortlos, letzter Tierschrei des letzten Tieres Mensch – all dieses wird eintreffen, morgen, morgen vielleicht, vielleicht heute nacht schon, vielleicht heute nacht, wenn – wenn – wenn ihr nicht NEIN sagt.

zitiert aus: Wolfgang Borchert, Das Gesamtwerk, Rowohlt 1986, Seite 318 ff

http://www.bo-alternativ.de/borchert.htm

Borcherts Gedicht entstand 1947.

Ein Jahr später veröffentliche George Orwell ("1984") das heute wohl gängige Szenario: Drei supranationale totalitäre Machtblöcke machen den Krieg zum Dauerzustand. Der Schrecken desselben erreicht die Kernbevölkerung nur noch über den Televisor. An der Lautstärke des Geschreis der Zuschauer erkennen die Machthaber, wie stabil ihr Schweinesystem ist; sobald es zu leise wird, wird Terror nachgelegt. Die inhaltliche Bedeutung des Geschrieenen interessiert außer dem jeweiligen Schreihals keine Sau, und da alle durcheinander rufen, fällt das auch gar nicht auf.

No way out.
****ulf Mann
333 Beiträge
...und damit hat Orwell
mehr als mit allem anderen
die Zukunft im Kern richtig gedeutet
die nun unsere Gegenwart ist

kein Entrinnen?
vielleicht nicht
jedoch mit Sicherheit nicht
wenn wir es nicht versuchen
1947 / 1984
W I R haben das Lied dazwischen:
"Sag mir wo die Blumen sind"
vergessen.
Wäre dann nichts machen und zuschauen auch eine Option.

Ich fürchte es werden so einige Blumen verschwinden, mit oder ohne militärischen Eingreifen. Es gibt keine einfachen Antworten auf diese Fragen. Egal wie wir antworten, wir werden für unsere Antwort "bezahlen", auf die eine oder die andere Art.
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