Ich kann beide Positionen, die von Marlis und die von womaninblack, gut nachvollziehen.
Ich habe 1968 mit dem Studium begonnen, das hieß, ich fiel mitten aus einem Leben als gut behütete Tochter einer gut bürgerlichen Familie in die Aufbruchsstimmung einer universitären Umgebung, in der ich mich irgendwie zurecht finden musste. Alle gesellschaftlichen Konventionen wurden damals hinterfragt, unterschiedliche Modelle und Gegenmodelle diskutiert und teils ganz konkret ausprobiert, der Slogan "Das Private ist politisch"bedeutete, dass auch die Sexualität darauf hin untersucht wurde, wie repressiv sie eigentlich im Rahmen einer autoritären Gesellschaftsstruktur sei und inwiefern "man" sich davon befreien sollte oder als intellektuell anspruchsvoller Mensch sogar dies tun müsse. Und zu all dem kam dann auch noch die Notwendigkeit, ein neues Rollenverstöndnis als Frau zu entwickeln.
Das war, im Rückblick betrachtet, ungeheuer anstrengend und , ebenfalls im Rückblick, oft auch überfordernd. Es gab, zumal für uns Frauen, ja noch sehr wenige Rollenmodelle, die den neuen Anforderungen entsprachen, und nicht jede taugte zur Simone de Bouvoir , die wir damals verehrten, oder war so unbeirrt wie Alice Schwarzer und andere.
Ich persönlich habe damals auch auf sexuellem Gebiet soviele Dinge ausprobiert, dass ich mich heute wundere, wie verhältnismäßig unbeschadet ich letztlich daraus hervorging. Ich hatte jedenfalls ein ziemlich genaues Wissen darum, was mir sexuell gut tat und was nicht und was ich wollte und was nicht.
Das bedeutete aber nicht automatisch, dass ich im weiteren Verlauf meines Lebens, das zugegebener Maßen sehr bunt, spannend und vielfältig war, wofür ich sehr dankbar bin, auch - gleichsam "automatisch" sich daraus ergebend - immer in einer Partnerschaft eine Sexualität erleben konnte, die diesem Wissen um meine idealen Vorstellungen und meinen tiefsten Bedürfnissen wirklich entsprochen hätte.
Aber da Sexualität in einer Partnerschaft eben nur ein Aspekt ist und es viele andere, ebenfalls wichtige Aspekte gibt, die ebenso schwer wiegen und in einer Liebesbeziehung zum Tragen kommen, nahm ich das hin, zumal ich sie ja nicht als wirklich vollkommen unbefriedigend erlebte, es gab schon immer wieder mal auch wunderbare Gipfelerlebnisse dabei.
Dann kam bei mir eine gut 20jährige Phase der Asexualität als Resultat einer traumatischen Gruppenvergewaltigung, nach der ich die intime Nähe eines Mannes einfach nicht mehr ertragen konnte, und mich daher stattdessen voll auf meine berufliche Karriere konzentrierte, wo ich dann auch sehr erfolgreich war und lange eine hohe Position als einzige Frau weit und breit in einem überwiegend männlich geprägten Wirtschaftszweig bekleidete.
Meinen damaligen Beruf habe ich geliebt und den Umgang mit Macht und Einfluss, der damit verbunden war, habe ich durchaus genossen. Doch irgendwann kam der Punkt, an dem ich spürte, dass ich so nicht den Rest meines Lebens verbringen wollte, weil ihm eine wichtige Dimension fehlte, und auch, weil ich ausgehungert war nach körperlicher Berührung und Nähe, und dies sich in Form einer massiven Depression zu manifestieren begann.
Auf meiner Suche nach einem Weg, dies zu ändern, ohne dabei meine Würde zu verlieren, stieß ich auf das Tantramassageangebot eines seriösen Studios, das ich nach langem inneren Hin und Her und vielen Rückziehern im Vorfeld schließlich buchte, und zwar bei einer Frau. Da war ich bereits nahe der Sechzig, und - endlich - auch innerlich unabhängig genug, Dinge auszuprobieren, die eben nicht unbedingt im Mainstream liegen.
Die Massage damals war für mich wie ein endlich nach Hause kommen. Es passte einfach alles, die äußere Umgebung, der "Draht" zu meiner Masseurin, und vor allem deren innere Haltung, die sie auch bei der Arbeit vermittelte, und worüber wir uns anschließend auch noch längere Zeit unterhielten. Ich blieb, auf Anraten dieser Masseurin, dran, d.h. ich suchte mir jemanden, die mit mir regelmäßig aus einer tantrischen Haltung heraus körpertherapeutisch gearbeitet hat, und habe es mit dieser Frau zusammen tatsächlich geschafft, nicht nur meine Depression zu überwinden, sondern auch meine sexuelle Empfindungsfähigkeit vollkommen zurück zu erobern.
Zwischen dem Ausprobieren meiner selbst als junge Studentin und dem Erproben neuer Erfahrungen heute liegen Welten, nicht allein der Zeitraum von gut 40 Jahren, sondern natürlich auch die inzwischen angesammelte Lebenserfahrung. Ich bin heute eine andere Frau als ich es damals war, auch wenn bestimmte Kerneigenschaften und Bedürfnisse die selben geblieben sind.
Ich habe das große Glück, im fortgeschrittenen Lebensalter hier im Joyclub in BFlat nochmals einen Partner gefunden zu haben, mit dem sich eine tiefe und innige Liebesbeziehung entwickelt hat. Das empfinden wir beide als ein großes Geschenk den Lebens. Sexualität spielt in unserer Beziehung eine zentrale Rolle, und wir schätzen uns beide gleichermaßen glücklich, in dieser Partnerschaft gemeinsam (!!!) tabulos auf Erkundungsreise gehen und erforschen zu können, welche der Facetten und Dimensionen von Sexualität, die ja hier im JC so überreichlich angetroffen werden können, wir für uns beide als zuträglich und bereichernd erleben.
Das bedeutet nicht, dass wir "auf Teufel komm raus" alles durchprobieren und von einem Bett oder Event zum nächsten hüpfen, sondern es bedeutet die ungeheure Freiheit, sich gegenseitig seine intimsten Wünsche und Phantasien mitteilen zu können und offen und einander zugewandt darüber sprechen zu können, welche dieser Phantasien Phantasien bleiben sollen und welche wir vielleicht einmal für uns ausprobieren wollen. Das tun wir dann, und das kann dann auch durchaus einmal einschließen, andere Menschen in unsere Intimität einzubeziehen und damit Dimensionen von sexuellem Erleben zu ermöglichen, die eben zu zweit nicht erlebbar sind.
Das tun wir mit Bedacht und großer Sorgfalt im Vorfeld und dabei sind wir auch sehr wählerisch in Bezug auf geeignete Personen. Gerade im Joyclub besteht aber aufgrund seder großen Vielfalt seiner User und deren Interessen eine außerordetlich gute Möglichkeit, immer wieder auf solche Personen zu stoßen und mit ihnen in Kontakt zu treten, und Dinge dann auch einfach reifen zu lassen. Wir haben hier jedenfalls einige Menschen kennen gelernt, mit denen wir inzwischen tatsächlich freundschaftlich verbunden sind, weit über die rein sexuelle Komponente hinaus.
Dreh- und Angelpunkt bei allem ist für uns aber immer unsere Zweierbeziehung als festes Paar, die durch nichts in Frage gestellt werden kann und wird. Es gibt weder Alleingänge noch Heimlichkeiten und keiner von uns beiden hat den Wunsch, ohne den anderen etwa einen Club aufzusuchen oder sich mit jemandem separat zu einem erotischen Tete-a-Tete zu treffen. Dafür stellen wir jedes Mal nach einem gemeinsamen erotischen Erlebnis fest, dass wir uns einander nur noch tiefer verbunden und nahe fühlen als davor. Und in gleicher Weise haben wir beide noch in keiner Beziehung vorher dieses Mass an höchster Freiheit und Selbst-Sein-Dürfen bei gleichzeitiger innigster Vertrautheit und Verbundenheit erlebt, wie es jetzt der Fall ist.
Ich bin mir bewußt, dass jetzt einige hier protestieren werden, wenn ich sage, dass ich persönlich dies als eine möglich Form der Monogamie betrachte. Denn was für mich ausschlaggebend dafür ist, ist die unbedingte zentrale Bezogenheit zweier Partner aufeinander, und diese ist auch in unserer Partnerschaft vorhanden. Wie so oft ist eben auch hier nicht alles entweder "schwarz" oder "weiß", es gibt sehr viele Zwischentöne - wobei ich damit keinesfalls einen Bezug herstellen möchte zu dem unsäglichen "Shades of Grey" Bestseller , sondern dazu ermutigen möchte, sich zu trauen, die jeweiligen Handlungsspielräume einer sich als "monogam"definierenden Beziehung ganz individuell auszuloten und dabei nicht von vornherein auszuschließen, dass punktuell tatsächlich gelegentlich Grenzen durchlässig werden und andere Menschen in die erotisch-sexuelle Zweisamkeit eingeschlossen werden können, ohne dies als Sakrileg zu stigmatisieren, das gleichbedeutend mit dem Scheitern bzw. dem Ende einer monogamen Partnerschaft wäre.
Tantrissima