Arbeitsurlaub im Mittelalter - ein Reisebericht
Hallo,nachdem ich mich schon vor längerer Zeit hier angemeldet habe finde ich jetzt auch einmal die Zeit um etwas beizutragen.
Schon vor ein paar Jahren habe ich im Netz vom
https://www.campus-galli.de/
erfahren und war fasziniert.
Ich "kannte" das Mittelalter von den Märkten und mein bisher intensivster Kontakt war das lagern auf eben diesen.
Hier haben sich Menschen vorgenommen mit den Mitteln des 9. Jahrhunderts eine ganze Stadt zu bauen.
Wie soll das gehen? Wie lange dauert denn das? Wissen wir heute überhaupt noch wie das geht?
Viele Fragen auf einmal und meine Neugier war geweckt.
Jedermann kann dort als Freiwilliger mindestens eine Woche helfen.
Ich liebe es mit den Händen etwas zu erschaffen und die Möglichkeit Entstehungsprozesse begreifen zu können.
Das ist in unserer modernen Welt oft nicht mehr vollumfänglich möglich und die Aussicht dort mitmachen zu können hat mich fasziniert.
Also flugs den Anmeldekalender aufgerufen, und... schade... komplett ausgebucht.
Sollte man sich mit dem Gedanken tragen im Campus Galli helfen zu wollen sollte man sich beeilen sobald die Anmeldung geöffnet wird, innerhalb von Tagen oder bestenfalls Wochen sind alle Plätze vergeben.
Nachdem in den vergangenen Jahren die Möglichkeiten eingeschränkt waren habe ich mich Anfang dieses Jahres zusammen mit @****tia angemeldet. Ein paar Tage des bangen Wartens und wir bekamen eine Zusage!
Unsere Erfahrungen in Handwerken sind recht differenziert. Ich verbringe einen guten Teil meines Lebens damit mit Metall, Holz und anderen Werkstoffen zu werken, Xhantia hatte bis dahin eher weniger Erfahrung als Handwerker.
Was würde uns erwarten? Können wir dort wirklich dabei helfen Gebäude zu bauen?
Schmieden? Töpfern?Holzwerken???
Wir haben uns noch eine nette Ferienwohnung gebucht und sind Anfang Mai gestartet.
Am ersten Tag haben wir den Mitarbeitereingang gefunden und landen in einer Art Containerdorf.
Hier gibt es Umkleiden, Werkräume, einen Aufenthaltsraum usw.
Unter einem großen Vordach brennt ein großes Feuer an dem lauter altertümlich ausschauende Gestalten sitzen. Die ca.25 fest angestellten Arbeiter und ca. 15 Helfer.
Wir werden freundlich empfangen und zur Kleiderkammer geschickt wo man und mit schwerer Leinenkleidung, einem Beutel, einem Krug für Wasser usw. ausstattet.
Dann gibt`s eine kleine Einweisung zu Sicherheits- und anderen Themen.
Anschließend gibt`s eine kleine Führung durch das Campus Galli das das besondere dieses Ortes sehr deutlich werden lässt.
Der Campus liegt inmitten eines großen Waldes und immer wieder tun sich kleine Lichtungen auf auf denen kleine Hütten, Unterstände, aber auch eine Kirche, eine große Scheune und ein zentraler großer Platz finden auf dem Holz hergerichtet wird.
Meine erste Aufgabe: Wald roden.
Ich muss zugeben das ich im ersten Moment wohl etwas dumm geschaut habe.
Okay, am ersten Tag wird noch kein Messer geschmiedet.
Im Nachhinein ist klar das viele grundlegende Aufgaben auf die Menschen warten die mitten im Wald etwas bauen wollen und mit dem Roden von Wald beginnt es.
Nur mit einer Axt, einem Seil und einer Hacke Bäume samt Wurzeln aus dem Boden zu reißen ist sauanstrengend!
Ich kenne das mit Trecker und Forstwinde.
Der Unterschied ist fast nicht zu beschreiben.
Nach ein paar Stunden habe ich die Leistungen der Menschen in der alten zeit mit ganz neuen Augen gesehen.
Die Arbeit unterscheidet sich von jeder Arbeit die ich bisher in der Moderne erledigt habe.
Es ist sehr mühsam und man kennt nach Feierabend jeden Baum den man geschafft hat beim Vornamen, hat Schwielen an den Händen und ist total fertig, aber über den ganzen Tag gibt es kein Geräusch von Maschinen, man hört nur die Menschen und den Wald und das ist eine unglaublich schöne Erfahrung.
Nach ein paar Tagen bin ich zum Schindelmacher gewechselt.
Da liegt dann ein wohl 40cm im Durchmesser messender Baum und möchte in ca. 50cm lange Abschnitte zersägt werden.
Zuhause macht das bei mir die Kettensäge in Sekunden mit einem Höllenlärm.
Auf dem Campus erlernt man das schärfen der wohl 2m langen Säge mit einer Feile. Allein dies dauert eine Stunde.
Die Säge dann am Stamm zu führen war weit weniger anstrengend als ich dachte, doch genau im rechten Winkel durch den Stamm zu sägen hat einen Tag Übung gebraucht.
Die halben Meter werden dann mit einem Schindeleisen und einem Rindslederhammer gespalten und zum Schluss mit Ziehmessern abgezogen.
All dies durfte ich erlernen und bin reicher an Techniken, erleben des Waldes und arbeitender Menschen.
Ich mag das Wort "Entschleunigung" manchmal nicht gern. Ist es doch ein Modewort geworden das oft und gern verwendet wird.
Hier jedoch verwende ich es.
Dinge passieren in der Geschwindigkeit des Waldes und der Menschen.
Ich bekomme am Morgen einen Auftrag und am Abend berichte ich über das Ergebnis. Keine Telefone die wichtige Dinge an mich herantragen und zu Unterbrechungen und Störungen führen und mehr als eine Aufgabe zur gleichen Zeit machen zu wollen ist aussichtslos, und das ist ein tolles Gefühl.
Zur Mittagszeit treffen sich alle zum vegetarischen Essen, wer mag grillt über dem großen Feuer eine Wurst, man füllt den Tonkrug mit Wasser auf und geht wieder an die Arbeit.
Für uns sind 2 Wochen wie im Fluge vergangen.
Campus Galli hat Lust gemacht auf mehr Urlaub dieser Art.
Etwas schaffen, zur Ruhe kommen, Menschen kennen lernen.