[Story] Geist in der Dunkelheit
Da stehst Du nun in mitten des Raumes, dessen Dimensionen Du nicht kennst. Auf eigenartige Art und Weise bist Du Dir aber sicher, dass Du genau in der Mitte stehst. Deine Arme strecken sich zu Wänden aus, die Du nie berühren wirst. An Deinen Handgelenken spürst Du die Fesseln, spürst ihren gleichbleibenden unerbittlichen Zug, der Dich in Deiner Position verharren lässt. Genauso verhält es sich mit Deinen gespreizten Beinen und den Riemen an Deinen Knöcheln. Um Deinen Hals windet sich das Halsband. Dein Kehlkopf hüpft mit jedem Schlucken dagegen, versucht, sich daran vorbeizuwinden. Das Halsband geheißt Dir Haltung. Irgendwo über Dir muss die Leine befestigt sein, straff und gespannt. So stehst Du da.Dein Atem pfeift in schnellem Rhythmus durch Deine Nasenlöcher. Gegen den Gaumen drückt sich eine dunkle Kugel, die fest auf Deiner Zunge eingebettet ist wie ein Edelstein auf einem Samtkissen. Die Kugel rührt sich nicht, da auch sie von elastischen Riemen gehalten wird, die deine Mundwinkel auseinanderziehen.
Die dunkle enge Membran drückt gegen Dein Gesicht, umschließt Deinen ganzen Kopf und alles andere. Perfekte Passform, wie ein ummantelnder Sog, so ganz glatt und makellos. Das Hören ist nunmehr ein Rauschen, der grisselig brummende Herzschlag, der sich nicht mehr damit begnügt, allein in Deiner Brust stattzufinden. Er pulsiert in Deinem Kopf, bildet Deine Aura. Er lässt Dich schweben im süßen Nirgendwo Deiner Fesseln.
Blindheit. Schönheit. Allein das Fühlen bleibt. An Deinem ganzen Körper ist es präsent. Eine einzige knallenge Hülle - so gleitet Deine neue Haut auf einem hauchdünnen Film aus Schweiß über Dich. Du windest Dich in den Fesseln, machst kleine Bewegungen, streckst Dich. Immer spürst Du es gleiten, spürst es haften auf Dir. Du bist ein auf Hochglanz poliertes Stück Klavierlack. Du saugst das Licht auf, wirfst matte Spiegelungen zurück und reißt gleißende Spitzlichter in die Dunkelheit.
Es umschließt Deinen Torso. Beim Einatmen arbeitest Du dagegen an. Beim Ausatmen, kämpft es Dich zurück, bleibt bei Dir ganz eng. Keine Luftblase, kein Fältchen, nur Umarmung und Innigkeit. Es schmiegt sich in Deinen Schritt. Es formt Deine Schenkel. Du wirst in Echtzeit aus schwarzem Obsidian gemeißelt, während es lustvoll und gierig über Deinen Körper schmatzt. Du lässt es geschehen, rauschendes Bumm Bumm Bumm in Deinen Ohren gedimmt wie die Bässe einer Disco, in sie Dich nicht reingelassen wollen.
Und dann schwingt hinter Dir die Tür auf, glaubst Du. Die Luft um Dich herum strömt pflichtbewusst an Dir vorbei und reißt Deine Aura mit sich. Du spürst es auf Deiner neuen Haut. Es wird kurz kalt. Härchen wollen sich aufstellen und ein Schauer schnellt Deinen Rücken empor. Du kneifst Deine Pobacken zusammen, drückst Dein Becken nach vorne. Du gehst tief in den schwarzen Druck, hinein in die kühle und warme Berührung, die dich nicht loslässt, die immer nur reibt, geduldig streichelnd wie Melasse in Zeitlupe. Sie kommt immer mit, spannt sich über Wölbungen und Täler. Ketten rasseln. Halsband eng an der Gurgel. Dein Atem lässt einem trockenen Schlucken den Vortritt. Da schließt sich die Tür auch wieder, ... glaubst Du. Nein, Du weißt es. Nun hörst Du sie mit metallischem Schallen einrasten.
Schritte erklingen. Nicht laut. Sind es Schritte? Das Tosen Deines Blutes übertönt alles. Dein Atem pfeift durch die winzigen Löcher der Gummimembran. Es sind Schritte. Oder vielmehr nur ein einziger Schritt. Du spürst eine Erschütterung im Boden. Jemand lässt sich Zeit. Jemand schleicht sich an. Du könntest Dir die Schritte auch nur eingebildet haben, so unregelmäßig tauchen sie auf, so langsam. Das Rauschen in Deinen Ohren unter der Haube unhörbar und alles übertönend. Du bist Dir sicher, dass es Schritte sein müssen. Die Tür hast Du Dir nicht eingebildet!
Der kühle, marmorne Ölfilm gleitet um Deine Rippen, als Du Deinen Torso drehst. Kalte, geduldige Liebkosung schmiert über Deinen ganzen Körper, als Du versuchst Dein blindes Antlitz nach hinten zu wenden. Vergebens.
Dann beginnt es. Zunächst ist es nur ein sachtes, unbestimmtes Glühen. Doch die Wärme wird intensiver. In Wellen trifft sie auf Deinen Rücken, auf Deine Hüften und Dein Gesäß. Die Wellen werden von Dir aufgesogen im Rhythmus Deines Blustroms. Die lackschwarze Membran, die Dich umgibt, leitet die Impulse ab, lässt sie wohlig über Dich hinwegziehen. Noch stärker werden die Empfindungen. Das Kribbeln in Dir kommt von einem Punkt, ja, von einem Körper, genau hinter Dir. Eine andere Aura nähert sich. Sie schiebt sich gegen Dich, beschießt Dich mit Körperwärme, Duft und ... Gegenwart. Die Impulse, die Dich am Rücken treffen, wandern zwischen deinen Beinen entlang ins Zentrum und donnern aus Dir heraus. Du keuchst, während Du merkst, dass Du nicht atmest. Die Wärme kommt näher. Sie ist nun an deiner gesamten Rückseite zu spüren. Zwei heiße Kreise schweben an Deinem Hintern - und werden zu Realität, als Dich Hände fassen.
Finger graben sich in Dein Muskelfleisch, lassen es durch die Windungen des knallengen Kokons gleiten. Dein Fleisch jauchzt - Dein Arsch gepackt von sinnlichen Händen! Du spürst den Atem in Deinem Nacken. Aus diffuser Hitze wird heißkalte Berührung. Ein Körper drückt sich gegen Dich. Die Hände halten Deine Hüfte. Brüste drücken sich gegen Deinen Rücken, während jemand Deinem Kopf plötzlich ganz, ganz nah ist.
"Na, was haben wird denn hier?", fragt sie.