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Fremde Welt

********iler Mann
766 Beiträge
Themenersteller 
Fremde Welt
Wusste nicht so recht wohin, also hier rein! Falls es nicht passt, vielleicht kann es ja ein Mod verschieben.
Habe eine etwas länger Kurzgeschichte, die ich euch gern präsentieren würde.
Ich hoffe die Absätze sind nicht all zu lang. Hab versucht sie passend zu setzen.

Viel Spaß beim Lesen!

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Fremde Welt

Es war einer dieser Montagmorgen, Dominik quälte sich verschlafen aus dem Bett. Der Wecker hatte ihn pünktlich um 6:25 Uhr aus seinen Träumen gerissen und in das Hier und jetzt befördert. Mit schweren Beinen trottete er, wie jeden Morgen, aus seinem Zimmer, den schmalen, mit Blumen und Schuhschrank zugestellten Flur entlang, bis zum Badezimmer. Dominik kennt den Weg im Schlaf, deshalb machte er sich kaum die Mühe seine Augen richtig zu öffnen. Erst im Badezimmer drängte ihn das grelle Licht die weißen, goldverzierten Fliesen zu betrachten. Sein Körper war wach, doch sein Geist sehnte sich zurück an die Stelle seines Traumes, die als Letztes vor seinem geistigen Auge erschien, kurz bevor sein Wecker dieses nervtötende Schrillen durch sein Zimmer schickte. Dominik musste sich beeilen. Schon in dreißig Minuten würde sein Bus fahren. Verpasste er ihn bedeutet dies mindestens zwei Fehlstunden. Deutsch und Geografie wären dann, zumindest für diesen Montag, abgehakt. Das Donnerwetter aber würde folgen. Um dies zu vermeiden sprang Dominik unter die Dusche. Das Wasser war kalt und zwang nun auch den noch verschlafenen Geist aufzuwachen. Ein kurzes Schütteln, ein kalter Schwall im Rücken, Dominik war wach. Nach der Dusche folgten Zähneputzen und Stylen. Dominik legte viel Wert auf sein Äußeres. Es war zwar kalt draußen und der Winter stand vor der Tür, aber Haargel musste sein.
Der Blick in den Spiegel verriet Dominik, dass er fertig war. Beim Schritt aus dem Bad schaute er auf die große runde Uhr über der Eingangstür. "Mist, schon so spät" fluchte er innerlich. Schnell schnappte er sich seinen Rucksack und lief zur Tür. Noch bevor diese in das Schloss gefallen war, stand Dominik auf der Straße und hastete Richtung Bushaltestelle. Die fünf Grad Kälte und den leichten Nebel nahm Dominik zunächst nicht wahr. Gerade als er die Straße überquerte kam der Schulbus. Mit einem Satz stand Dominik auf der Einstiegsschwelle, fummelte eilig seinen Schülerausweis hervor und setzte sich dann auf einen der noch freien Plätze. Es dauerte nicht lange und neben ihn setzte sich sein Kumpel Stephan. "Hey Alter" begrüßte dieser Dominik und stupste ihn mit seiner Faust an dessen Schulter. "Alles Bombe" erwiderte Dominik wortkarg.

Die Busfahrt dauerte rund fünfzehn Minuten. Zeit und Ort waren für die Kinder im sich langsam durch den Berufsverkehr quälenden Bus relativ. Die Straßen, die Gebäude, ja selbst die Menschen, die jetzt auf den Straßen zu sehen waren, waren immer die Gleichen. In der Schule angekommen begrüßten Dominik und Stephan ihre Klassenkameraden, zumindest jene, mit denen sich die beiden verstanden. Auch einigen Mädels reichten sie freundlich die Hand und wünschten schon beinahe aufdringlich einen guten Morgen. Im ersten Unterrichtsraum angekommen, feuerte Dominik schon von Weitem seinen Rucksack in Richtung seines Sitzplatzes. Er kümmerte sich wenig um den Inhalt. Es waren doch sowieso nur Schulbücher und Hefte. Bevor er sich selbst hinsetzte, nutze er noch die Gelegenheit, um mit Stephan und Marco über das gestrige Fußballspiel zu diskutieren. Pünktlich zum Ertönen der Schulglocke kam die Klassenlehrerin Frau Heidesand in den Raum. Alle in der Klasse waren erstaunt. Frau Heidesand war nicht ihre Deutschlehrerin und ein Wechsel im Stundenplan war ebenfalls nicht ausgehangen. Dominik und Marco waren so erstaunt, dass sie noch immer bei Stephan am Platz standen, beziehungsweise auf dem Tisch saßen. "Marco runter vom Tisch, Dominik was stehst du da so rum, ab auf deinen Platz" ermahnte Frau Heidesand die beiden in scharfem Ton. Beide machten sich sogleich daran ihre Plätze aufzusuchen und sich hinzusetzen. Erst jetzt nahm Dominik seine Tasche und kramte sein Deutschbuch, sein Heft und einen Kugelschreiber hervor.

"Liebe Klasse, ihr fragt euch sicher, warum ich in diese Stunde gekommen bin. Nun es liegt nicht an Frau Baas, die wohl gern die Deutschstunde geführt hätte. Nein der Grund ist Ayoub." "Ayoub was?" Dachte sich Dominik. "Liebe Klasse Ayoub ist ein in Pakistan üblicher Mädchenname und der Name eurer neuen Mitschülerin. Ayoub ist mit ihrer Familie aus politischen Gründen aus ihrem Heimatland geflohen und möchte nun in unserer Schule, in eurer Klasse lernen. Bitte begrüßt mit mir gemeinsam Ayoub" führt Frau Heidesand aus bevor sie zur Tür ging und das neue Mädchen hereinholte. Ayoub war schlank, etwas kleiner als die Mädchen in Dominiks Klasse, hatte lange schwarze Haare und war, anders als alle dachten, ziemlich modern gekleidet. "Ayoub, dies ist deine neue Klasse. Die 9.1, lass dich von den Jungs nicht all zu sehr umschwärmen und versuche alle deine Fragen zu stellen, wenn dir etwas wichtig erscheint" riet Frau Heidesand dem Mädchen mit einem Augenzwinkern, bevor sie der Neuen einen Platz zuwies. "Da die Deutschstunde ausfällt und wir noch jede Menge Zeit haben, schlage ich vor, dass wir uns alle kurz einmal vorstellen." Ein Raunen ging durch die Klasse. Keiner war besonders scharf darauf den anderen seine Hobbys zu verraten, geschweige denn etwas von sich zu erzählen. Der mühevoll aufgebaute Status innerhalb des Klassenverbandes drohte bei einigen zu bröckeln. "Also mal ehrlich, was hab ihr euch denn so" wollte Frau Heidesand wissen und begann, um das Eis zu brechen, sogleich selbst damit an sich vorzustellen. Ihr folgten, eher zögerlich, Marie, Sebastian, Thorsten, Sofie und Christoph. Alle gaben nicht mehr von sich preis, als notwendig. Wortkarg berichteten sie alle von ihren Hobbys und wie lange sie schon in dieser Klasse waren. Ayoub bemerkte, dass sich kaum jemand Mühe machen wollte, ihr ein sichereres Gefühl zu geben und gerade als Dominik von Frau Heidesand aufgefordert wurde, von sich zu erzählen, unterbrach das Mädchen durch eine Handbewegung. Ihr Deutsch war gebrochen, aber verständlich. Worte die ihr nicht einfielen oder unbekannt waren ergänzte, sie beinahe fließend durch englische Vokabeln. "Bitte, Bitte! Ich will setzten auf mein Platz und the lesson German Stunde lernen" bat Ayoub mit einer zarten, aber hellen Stimme. Dominik fand diese Art der Kommunikation interessant. Der Wechsel zwischen zwei Sprachen innerhalb eines Satzes war für ihn etwas Besonderes. Er selber hatte so seine Schwierigkeiten mit den Fremdsprachen. In Englisch quälte er sich immer zwischen einer Drei und einer Vier. Französisch hat er nach einem Jahr zugunsten des Sports abgewählt und wollte damit auch nicht wieder anfangen. Latein gefiel ihm zwar, war aber auch mehr eine Pflicht, als eine Kür. Mit seinem Blick folgte er dem fremden Mädchen aufmerksam, bis dieses an ihrem Platz angekommen war. Um ihr den Einstieg weiter zu erleichtern schlug Frau Heidesand vor, dass alle Schülerinnen und Schüler ein Kärtchen mit ihren Namen basteln und auf ihre Plätze stellen sollen. So wollte sie eine direkte Kommunikation zwischen Ayoub und den anderen erreichen. Für Dominik war dies aber überflüssig. Längst hatte das pakistanische Mädchen sein Interesse geweckt. Er wollte mehr von ihr wissen, doch er hatte noch bedenken, wie seine Klassenkameraden dies auffassen und dann zu seinem Nachteil nutzen würden. Ihm blieb nichts weiter übrig, als den Tag abzuwarten und auf eine Gelegenheit nach der Schule zu hoffen.

Den Heimweg trat Dominik nach der achten Stunde nicht wie üblich mit dem Bus an. Er hatte noch Termine in diversen Geschäften in der Innenstadt. Das Weihnachtsfest stand vor der Tür. Seinen Eltern und seiner Schwester wollte er deshalb noch etwas Persönliches kaufen, etwas, das mehr war als Kommerz und Markenware. In seiner Familie war dieses Prinzip von klein an in die Erziehung mit eingeflossen. Sein Vater war studierter Theologe. Arbeitete nun aber in einer Sozialstation der Kirche. Auch seine Mutter hatte mit den Ärmsten der Armen zutun. Als Sozialreferentin der Stadt kümmerte sie sich um all die Belange, die sein Vater täglich persönlich erlebte. Doch für Dominik war dies kein Thema. Er war jung, er wollte etwas erleben und machte sich wenige Gedanken darüber, wer in seiner Heimatstadt ein Dach über dem Kopf hatte und wer nicht. So schlenderte er durch die lichtdurchflutete Stadt. Vorbei an den Schneeflocken, tannenbaumverzierten Schaufensterscheiben und gestressten Menschen, die mit ihm hier lebten. Schnell hatte er gefunden, was er für persönlich, für weihnachtlich hielt und trug seine Beute in großen Plastiktüten zurück zur Busstation. Es waren nur noch zwei Straßen bis zur Haltestelle, als plötzlich sein Handy klingelte. Sein Vater war am Telefon und bat ihn, in seinem Büro vorbei zu kommen. Dominik mochte es nicht, seinen Vater dort zu besuchen. Die vielen dreckigen und ungewaschenen Männer lösten stets ein Unbehagen und eine Abneigung in ihm aus. Doch all seine Ausreden nutzen ihm diesmal nichts. Sein Vater bestand energisch darauf, dass Dominik zu ihm ins Büro kommt.

Als Dominik endlich bei seinem Vater angekommen war, begann es draußen bereits zu dämmern. Im fahlen Licht der Sozialstation sah Dominik nur wenige Gäste. Zwei Männer holten sich eine warme Tasse Kaffee und Decken. Sonst aber war es ruhig. Schnellen Schrittes drängelte sich Dominik vorbei an den Tischen, den Männern an der Theke und verschwand hinter einer Tür. Hier saß sein Vater. "Ah Dominik, schön dass du kommen konntest. Ich habe eine Bitte, mein Junge" begann der Vater mit zunächst freudiger Stimme. "Nun in den letzten Tagen sind zwei Obdachlose erfroren. Gott habe sie selig. Damit dieses Schicksal niemand weiter mehr teilen muss, haben wir uns dazu entschlossen in den nächsten Nächten mit einem Teebus durch die Stadt zu fahren. Da du mein Junge ja bald Weihnachtsferien hast, wollte ich dich bitten, ob du dich nicht anschließen möchtest. Diese Frauen und Männer sind von Gott nicht vergessen, wir kümmern uns in seinem Namen um sie" fuhr er ernsten Tones fort. Dominik war überrascht. Noch nie hatte ihn sein Vater darum gebeten, ihm bei seiner Arbeit zu unterstützen. Und nun sollte er mit Obdachlosen, Drogensüchtigen und Prostituierten verkehren? Nein das konnte er sich nicht vorstellen und wiegelte mit fadenscheinigen Gründen ab. Sein Vater war sichtlich enttäuscht. Erkannte aber die Abneigung und bedankte sich für die Zeit und Mühe, die sein Sohn auf sich genommen hatte, um bei ihm vorbei zu schauen. So war Dominiks Vater. Er bedankte sich immer für alles. Für das Essen auf dem Tisch, für das Beiseiteräumen von Schuhen, ja selbst für einen freundlichen Guten-Morgen-Gruß. Viele seltsame Gedanken schossen Dominik nach diesem Besuch durch den Kopf. Keiner dieser Gedanken aber war greifbar. So fuhr er nach Hause, versteckte die Geschenke geschickt in seinem Zimmer und verbrachte den Abend beim Spielen an der Konsole.

Nur noch drei Tage Schule, dann würde er seine Klassenkameraden, die Lehrer und dieses Gebäude für die nächsten zwei Wochen nicht wieder sehen. Ein Teufel, wer sich die Ferien einfallen lassen hat, dachte er schelmisch und fühlte sich gleich danach irgendwie schlecht. Der Einfluss seines Elternhauses machte sich immer wieder in seinem Leben bemerkbar. Jetzt in der zweiten großen Pause, hatte er keine große Lust auf Marco oder Stephan. Er stand für sich an einer Mauer gelehnt und beobachtete beiläufig das Geschehen auf dem Schulhof. Die heimlichen Raucher standen wie immer in der Ecke hinter den Mülltonnen, die Kleineren spielten wie immer mit Büchsen Fußball und hier und da standen kleinere Grüppchen beisammen und erzählten. Nichts Ungewöhnliches, bis er im Augenwinkel Ayoub entdecke. Das Mädchen war anders. Noch immer hatte es keinen rechten Klassenanschluss gefunden. Es saß allein auf dem Rand eines Beetes und aß. Danach schloss sie die Augen, legte ihre Hände in ihren Schoss und bewegte nur leicht die Lippen. Sofort stieß sich Dominik von der Wand ab, die ihm bis dahin Halt geboten hatte. "Betet die etwa?", dachte er sich so. "Die ist ja wie mein Vater." Er wollte es genau wissen und lief zu dem Mädchen hinüber. Gerade als sie ihre Augen wieder öffnete stand er nur wenige Schritte vor ihr. Erschrocken beugte sich Ayoub nach hinten. Dominik erschrak ebenfalls, sagte dann aber: "Hey keine Panik. Ich wollte dich nur etwas fragen." Dabei zeigte er versöhnlich mit seinen Handflächen in ihre Richtung. Ayoub richtete sich wieder auf. Packte eilig ihr Essen in ihre Tasche und schaute danach verlegen auf die Erde. "Du sag mal. Hast du gerade gebetet? Nicht falsch verstehen, mein Vater betet auch immer vor dem Essen. Wollte einfach nur wissen zu wem du betest. Ist es auch Gott? Oder heißt der bei euch anders?", überhäufte er Ayoub mit Fragen. Schüchtern, beinahe verlegen schaute sie Dominik mit großen Augen an. Freute sich innerlich endlich Beachtung zu finden, war aber gleichzeitig verwirrt ob der Fragen, die auch einen negativen Hintergrund hätten haben können. Nach einigen Sekunden der Stille öffnete Ayoub den Mund und antwortete. "Ja Gott, Allah. Danke für Essen. Al Hamdulillahil-ladhi 'aT~amani hadha wa razaqanihi min gheiri Haulin minni wa la quwwah." "Was?", warf Dominik dazwischen. Ayoub war erneut erschrocken und wandte ihren Blick wieder zum Boden. "Nein, Nein. Du, ich hab kein Wort verstanden. Geht das auch auf Deutsch. Mit dem hmmm, woher warst du noch mal? Türkei. Nee warte. Mit dem pakistanisch habe ich es nicht so" brabbelte Dominik eher stotternd und mit einem Grinsen. Ayoub schaute Dominik in die Augen und erkannte, dass er es nicht böse gemeint hatte. Auch sie lächelte nun. Das erste Mal seit ihrer Ankunft in Deutschland vor sechs Monaten hatte sie das Gefühl jemand würde sich ihrer annehmen. "Gepriesen sei Allah, der gab mir to eat and at Hand to me ohne Kraft oder power to me." Dominik war verwirrt. In seinem Kopf übersetzte er zunächst die englischen Worte, ordnete dann den Satz neu und verstand letztendlich was ihm das Mädchen sagen wollte. "Ah, interessant. Ihr dankt also Gott nach dem Essen. Mein Vater macht das immer vorher." Gerade als sich zwischen den beiden eine Vertrautheit entwickeln wollte, schrillte die Pausenglocke. Sofort setzte sich Dominik in Bewegung, fluchte "Scheiße" und rannte los. Er hatte seine Tasche noch an der Wand stehen lassen und musste diese erst holen. Ayoub hingegen wartete noch immer am Rand des Beetes und stand erst auf, als der Großteil der Schülerinnen und Schüler bereits im Gebäude verschwunden war.

Während des gesamten Unterrichtes schaute Dominik immer wieder zu Ayoub herüber. Ihn faszinierte das Fremde an ihr. Er wollte mehr wissen. Mehr über sie, über die Beweggründe, warum sie hier war und natürlich über ihre Familie. Ob Sozialkunde, Geografie oder Englisch überall nahmen die Lehrer das Mädchen zum Anlass, um eine Art Sonderstunde zu absolvieren. Ohne es zu ahnen, rückten sie Ayoub damit in den Mittelpunkt und hinein in einen Strudel aus Ablehnung und Neid. Die anderen Mitschüler waren es langsam leid, immer wieder nur über Pakistan, über Ayoub oder ihr hiersein zu reden. Und auch Ayoub mochte es nicht so zur Schau gestellt zu werden. In einer kurzen Pause, in der die Klasse den Raum wechselte, wartete Dominik auf Ayoub. Sie war wie immer die Letzte, die den Raum verließ. Abseits unscheinbar wollte sie sein, keinem zur Last fallen. Dies bemerkte auch Dominik. Als Ayoub das Klassenzimmer verließ, trat er neben sie, ging gemeinsam mit ihr den Flur entlang und lächelte. Ayoub fühlte sich wohl. Beschützt und weniger allein. "Du Ayoub, meinst du wir könnten uns heute Nachmittag treffen. So ganz zwanglos, unter Klassenkameraden." Ayoub schüttelte den Kopf. "Nix gut Treffen. Vater böse." Dominik war verwirrt. Was war so schlimm daran, wenn sich ein Junge und ein Mädchen treffen. Er verstand die Welt nicht mehr. War wie vor den Kopf gestoßen und irgendwie ein wenig beleidigt. Seine Schritte wurden hastiger als die des Mädchens, das plötzlich wieder allein durch das Gebäude lief. Allein war zwischen den vielen Fremden, dem Weihnachtsschmuck, den lärmenden Schülern. Allein in einem Land, das sie nicht kannte und dessen Menschen sie nicht verstanden.

Dominik war wirklich wütend. So wütend das er freiwillig zu seinem Vater in die Sozialstation ging, um ihm davon zu berichten. Mit lauter erregter Stimme schilderte Dominik seinem Vater das Pausengespräch und die anschließende Ablehnung auf dem Flur. Dabei war er sich keiner Schuld bewusst, ja meinte sogar im Sinne des Weihnachtlichen und Christlichen gehandelt zu haben. Sein Vater hörte sich das laute Auf und Ab seines Sohnes an. Lächelte am Ende, lobte ihn und erwiderte. "Nun Dominik nicht alles ist wie es auf den ersten Blick scheint. Diese Ayoub stammt aus einem muslimisch geprägten Land. Dort sind einige Sitten anders als bei uns. Dort tragen Mädchen ab zwölf normalerweise bereits ein Kopftuch. Frauen und Männer haben eigene Gesellschaften in denen sie sich bewegen. Beide Geschlechter zusammen in der Öffentlichkeit sind eher selten anzutreffen. Das Mädchen hätte sicher gern mit dir einen Tee getrunken oder wäre bummeln gegangen, aber da sie nun einmal anderes gewohnt ist, da ihre Familie andere kulturelle Ansichten vertritt, hat sie dich nur schützen wollen. Sie hat es sicher nicht böse gemeint. Sprich noch einmal mit ihr. Gib ihr Gelegenheit sich zu erklären, dann wird auch dein Zorn verfliegen." Dominik hört seinem Vater zu, verstand was er sagte, wollte es aber nicht so Recht war haben. Sein Stolz schien größer als die Einsicht, dass er überreagiert hatte. "Danke Papa. Ich geh dann mal nach Hause. Mal sehen, ob ich sie noch mal anspreche", brummte er und ging. Gerade als er an der Theke der Sozialstation vorbei kam, sah er draußen eine bekannte Gestalt. "Das ist doch - na klar. Was macht die denn hier?" dachte sich Dominik, ging vorbei an den Männern im Raum, hinaus auf die Straße und da stand sie, Ayoub. "Hi, was machst du denn hier?", ging er direkt auf Ayoub zu. Diese drehte sich erschrocken weg. "Du gehen, Vater hier drin. To cold in the asylum. Vater stolz. Ehre in danger." "Was? Zu kalt? Geht ja gar nicht. Die lassen euch frieren“, ärgerte sich Dominik. "Das geht so nicht. Warte ich kann da was drehen." Ohne auf die anderen um sich herum zu achten drängelte sich Dominik zurück in das Büro seines Vaters. Dort begann er sogleich lautstark Decken und Bettwäsche für die Bewohner des Asylbewerberheimes zu fordern. "Langsam, langsam. Was ist denn mit dir los?", wollte Dominiks Vater wissen. "Da draußen steht Ayoub. Ihr Vater ist hier drin und holt gerade Decken. Mehr widerwillig wie ich das verstanden habe. Da müssen wir hinfahren und was verteilen. Die können die Leute da doch nicht erfrieren lassen. So eine scheiß Stadt" brüllte sich Dominik gerade warm, als ihn sein Vater unterbrach. "Nun mal langsam. Die Stadt, ist in dem Fall auch deine Mutter. Vielleicht fragst du sie erst einmal warum dort nicht geheizt wird. Klar können wir helfen, doch auch wir kämpfen in letzter Zeit um Sponsoren und damit um Vorräte zum Verteilen. Ich spreche mal mit Kornelia und dann ruf ich dich an. Geh jetzt nach Hause. Gott beschützt die Guten und Schwachen, so auch die Familie deiner Klassenkameradin. Ich werde für sie beten." Dominik verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte sein Vater so ruhig bleiben. Sofort schnappte er sich sein Telefon und rief auf dem Weg zum Bus seine Mutter an. Ihr hielt er das Gleiche vor, wie nur wenige Minuten zuvor seinem Vater. Auch seine Mutter wiegelte ab. Ihr seien die Hände gebunden, der Etat der Stadt wäre zu schmal bemessen. Die Ausgaben würden den Besitzstand wahren, mehr könne sie nicht tun. Dominik war schwer enttäuscht. Um die Situation der Obdachlosen hatte er sich nie Gedanken gemacht. Er kannte sie nicht und irgendwie schienen sie ihm ja auch selbst Schuld. Nun war das aber etwas anderes. Jetzt betraf es ihn auf gewisse Art und Weise auch persönlich. Seine Eltern hätten so etwas verhindern müssen. Gerade jetzt wenige Tage vor Weihnachten. Wütend warf sich Dominik zu Hause auf sein Bett drehte das Radio lauter auf, als es für seine Ohren gut war und dachte nach.

"Du Papa, ich fahre in den Ferien im Teemobil mit, aber nur, wenn wir am Heim vorbei fahren und dort schauen, was die Menschen brauchen. Das wollte ich dir nur gesagt haben." Dominik wartete die Antwort seines Vaters nicht ab. Er nahm das Telefon vom Ohr und legte auf. So war er. Das war seine Art Konflikte zu lösen. Angebote und Forderungen bestimmten schon immer seine diplomatischen Erfolge und Misserfolge. Diesmal jedoch schien er Erfolg zu haben. Nur wenigen Minuten nachdem er das Telefon in die Ecke geworfen hatte summte und vibrierte es. Dominik sprang von seinem Bett auf, hob das brummende Teil auf und nahm ohne zu zögern das Gespräch an. Am anderen Ende war seine Mutter. "Mein Junge, ich habe gerade mit deinem Vater telefoniert. Er hat mir klar gemacht, dass wir helfen müssen. Auf dem kleinen Dienstweg habe ich deshalb etwas Geld besorgen können, das nun den Asylbewerbern zu Gute kommt. Als Erstes wird die Heizungsanlage im Haus überholt und funktionsfähig geschaltet. Danach bekommt die Sozialstation eine Überweisung mit der sie notwendige Haushaltsutensilien anschaffen kann. Bettwäsche, Geschirr, all so Sachen eben." Dominik freute sich riesig. Fühlte sich stark. Er allein, so seine Meinung, hatte das geschafft. Er allein. Am Abend schon saß er im Bus der Sozialstation neben Bergen an Wäsche, Haushaltsgegenständen und Essen. Die Fahrt an den Rand der Stadt zu einer alten Kaserne dauerte einige Zeit. Zeit, in der sich Dominik und sein Vater über Weihnachten, die Nächstenliebe und das Beschenken unterhielten. Dinge, die laut Dominik gerade auf die Heimbewohner zutrafen. Am Heim angekommen stand bereits die Sanitärfirma mit gleich drei Fahrzeugen auf dem Hof. Dominik war geschockt. Das war kein Zuhause, das war eine Ruine. Putz fehlte überall an der Fassade. Die Treppenstufen waren an vielen Stellen defekt und die Eingangstür war nicht mehr als ein Brett mit einer Scheibe drin. Dominik zögerte kurz. Hatte Angst, dieses Haus zu betreten. Für ihn sah es aus wie die Dealerhütten in den amerikanischen Filmen. Dieses Haus wollte er nicht betreten. Auf keinen Fall würde er dort rein gehen und an der nächsten Ecke vielleicht erstochen werden. Nein, soweit ging seine Nächstenliebe dann doch nicht. Statt einen Fuß auf die Treppe zu setzen, dreht er den Zündschlüssel des Transporters um und drückte dreimal kräftige auf die Hupe. Danach begann er die vielen Einkäufe, die die Sozialstation getätigt hatte, eilig aus dem Bus zu laden und daneben aufzureihen. Menschen verschiedener Hautfarben und Nationalitäten schauten derweil neugierig aus den Fenstern und bestaunten das Treiben auf dem Hof. Dominiks Vater war gemeinsam mit Kornelia noch immer im Haus. Dominik bedeutete mit Gesten den verstört dreinblickenden Bewohnern derweil, dass sie nach unten kommen sollten. Es dauerte einige Zeit, bis die Ersten von den Fenstern verschwanden und mit Dominiks Vater am Eingang auftauchten. In gutem Englisch erklärte dieser den Bewohnern, dass sie bekämen, was sie hier zum Leben bräuchten. Das sie die Sachen geschenkt bekämen und nicht verkaufen dürften. Als die Ersten Bettwäsche, Winterjacken und Putzzeug davon trugen, kamen auch die anderen, um ihren Teil einzufordern. Plötzlich herrschte ein heilloses Durcheinander. Keiner wollte auf den anderen warten. Alle hatten Sorge, nichts mehr zu bekommen. Dominik, sein Vater und Kornelia hatten alle Hände voll zutun, die Sachen zu behüten und bedarfsgerecht zu verteilen. Zwischen den vielen Menschen hatte Dominik, Ayoub noch nicht entdeckt. Immer wieder schaute er sich nach ihr um. Wegen ihrer Not hatte er sich mit seinen Eltern doch erst angelegt und nun war sie nicht da, als die Hilfe bereitstand. Heimlich versteckte er einige Decken, ein Geschirrservice und einige Lebensmittel im Bus. Diese wollte er für Ayoub und ihre Familie aufheben. Als alle Sachen verteilt waren, löste sich die Menschenmenge nach und nach auf. Ayoub war aber noch immer nicht zu sehen. Dominik ging zu seinem Vater und flüsterte ihm ins Ohr. "Du hör mal. Ayoub war nicht hier unten. Woher weiß ich dass ihre Familie etwas bekommen hat?" Sein Vater antwortete in seinem üblichen, lehrerhaften Ton. "Dominik, was hatte ich dir zu den Gepflogenheiten anderer Länder gesagt? Wenn jemand hier unten war, dann war es Ayoubs Vater. Sie hätte niemals gehen dürfen. Das hatte ich dir doch versucht zu erklären." "Scheiß drauf. Wegen ihr habe ich das hier alles angeleiert. Sie bekommt jetzt von mir was in die Hand gedrückt. Basta." Trotzig stampfte Dominik an die Ladefläche des Busses. Warf sich die Decken auf die Unterarme und legte das Geschirrservice oben auf. Mit dem Kinn hielt er alles an seinem Platz. Ging die defekte Treppe hinauf, stieß mit seinem rechten Fuß die Eingangstür auf und war im Haus verschwunden. Immer wieder rief er nuschelnd "Ayoub. Ich bin es Dominik. Ich hab hier was für euch. Komm raus." Aber Ayoub kam nicht. Stattdessen stand auf der Treppe zur letzten Etage ein junger Mann. Dieser kam Dominik entgegen und sagte in fast perfektem Deutsch. "Danke für deine Mühe. Ich werde Ayoub sagen, dass du extra für sie etwas mitgebracht hast." Dann verbeugte er sich leicht vor Dominik, drehte sich um und ging hinauf. Dominik war überrascht und verdutzt zugleich. War das ein Ausländer? Würde er hier nicht wohnen, dann hätte er dies nie für möglich gehalten. Sein Deutsch war nicht viel schlechter als das mancher seiner Klassenkameraden, die sowieso eine Unsitte aus ihrem Slang gemacht hatten. Dominik hatte Ayoub zwar nicht gesehen, dennoch war er nach dieser Begegnung irgendwie zufrieden. Zurück am Bus der Sozialstation fuhren die drei wieder los und freuten sich über ihre gute Tat.

Am nächsten Morgen, noch bevor Dominik den Schulhof betrat, dem letzten Schultag vor den Weihnachtsferien, stand Ayoub mit ihrem Vater vor dem Tor. In der Hand hielt sie ein großes Geschenk. Dominik glaubte seinen Augen nicht zu trauen und zögerte zunächst auf die beiden zu zugehen. Dann fasste er sich aber ein Herz und wollte die beiden begrüßen. "Guten Morgen Ayoub. Guten Morgen Herr…?" "Badini! Wir heißen mit Nachnamen Badini" unterbrach Ayoubs Vater noch bevor Dominik seine Frage zu Ende stellen konnte. "Meine Familie möchte sich bei dir, für deine Hilfe bedanken. Meine Frau hat etwas für euch gebacken. Ayoub möchte es dir gern geben." Dominik wandte sich zu Ayoub die ihre Hände nach vorn ausstreckte und ihm so das Geschenk übergab. Dominik nahm den mit einem Tuch abgedeckten Teller entgegen und bedankte sich bei Ayoub und ihrem Vater. Dann nutzte er die Gelegenheit und fragte "Herr Badini warum können sie so gut Deutsch?" Ayoubs Vater lächelte. "Ich war schon einmal für sechs Jahre in Deutschland. Habe hier Maschinenbau studiert und bin dann zurück in meine Heimat. Nun bin ich wieder hier, wenn auch unter anderen Umständen." "Ah", antwortete Dominik verdutzt. "Welche Umstände sind das?" "Nun, dass ist kompliziert, aber wenn du magst dann erzählt dir Ayoub alles", antwortet Herr Badini, klopfte Dominik auf die Schulter und ging. In der ersten Pause ließen sich Ayoub und Dominik das Gebäck schmecken. Beide saßen gemeinsam auf den Steinen am Rande des Beetes und Ayoub erzählte Dominik die ganze Geschichte. Ihre Mutter arbeitete in einer Textilfabrik. Oft 70 Stunden in der Woche. Das Geld reichte aber dennoch kaum zum Leben. Ihr Vater hatte eine eigene Firma, die Lüftungsgeneratoren wartete. So auch in der Firma ihrer Mutter. Die Arbeitsumstände in den vielen Textilfabriken störten Ayoubs Vater erheblich. So suchte er Kontakt zu den Arbeiterinnen, um mit diesen Arbeitervertretungen aufzubauen. Allein der Kontakt zu den Frauen brachte dem Vater viele Anfeindungen, denn es war gegen die gesellschaftlichen Regeln, dass sich ein Mann öffentlich mit Frauen traf und sich für deren Belange einsetzte. Der Regierung wiederum war der politische Gedanken von Gewerkschaften ein Dorn im Auge. Laut ihr würden Gewerkschaften nur Lohnerhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen fordern. Dies beides würde zu vielen Investitionen vonseiten des Staates, zu höheren Produktionskosten und damit zu weniger Steuern führen, da die zumeist ausländischen Auftraggeber dann in anderen, billigeren Ländern produzieren lassen würden. Alles zusammen führte dazu, dass Ayoubs Vater inhaftiert und angeklagt wurde. Er sollte für 25 Jahre ins Gefängnis wegen sittenwidriger Vergehen und wegen des Anstachelns der Bevölkerung. Dies hätte für seine Familie nicht nur den gesellschaftlichen Abstieg bedeutet, sondern auch das Ende einer Zukunft für Ayoub, die wohl nie eine Arbeit und einen Mann bekommen hätte. Bevor es jedoch so weit kam, gelang der Familie die Flucht nach Deutschland, wo sie Asyl erhielten. Dominik war erstaunt über das Schicksal. Dass es so etwas auf der Welt gab, das war ihm bisher nicht so deutlich vor Augen geführt worden.
"Das ist ja eine Sauerei. So was geht gar nicht. Gut das ihr hier her gekommen seid. Obwohl", hielt Dominik kurz inne. "Die Bruchbude in der ihr wohnt ist schlimmer als die Gefängnisse bei uns." Dominik begann Ayoub langsam zu mögen. Er bat sie noch einmal sich mit ihm zu treffen. "Ja ich weiß, dein Vater. Aber vielleicht fragst du ihn erst einmal. Wäre auf jedenfalls mal top, wenn ich dir hier was zeigen könnte." Ayoub lächelte und nickte. "Gut ich gebe Dir meine Handynummer. Ruf mich einfach an", freute sich Dominik.

Nur noch vier Tage bis Weihnachten. Überall in der Stadt waren dicke, weißbärtige Männer in roten Mänteln zu sehen, die mit ihrem „Ho, Ho, Ho“ den vorbeigehenden Passanten frohe Weihnachten wünschten. Dominik saß im Teebus der Sozialstation und fuhr gemeinsam mit Kornelia zu einem Park, wo sich viele Obdachlose trafen. Es war seine erste Nacht im Teebus. Viele Eindrücke prasselten auf ihn ein. Menschen, deren Habe in einen Rucksack passte. Menschen, die dem Alkohol mehr zugetan waren als ihnen guttat und Menschen, die alt aussahen und es dennoch nicht waren. Arme Menschen, die gerade zu Weihnachten vergessen schienen. Abgedrängt in die dunklen Parks, die kaum von weihnachtlichem Schmuck erleuchtet sind. Ausgeblendet aus der heilen Gesellschaft, die sich am Konsum labt. Dominik, der sich bisher nicht darüber klar war, welche Not es auch in seinem Land gab, konnte es nicht verstehen wie die Scheinheiligkeit der stets herbei geschworenen Nächstenliebe, Besinnlichkeit und Gemütlichkeit so triumphieren konnte. Die Menschen in den Parks, an den kleinen Bahnhöfen und in der Nähe der Schrebergärten waren dankbar. Dankbar, dass sich ihrer jemand annahm. Dankbar dafür, dass sie im allgemeinen Weihnachtstaumel in dieser Kälte nicht vergessen waren. Für Dominik war dieser Dank ehrlicher als jeder Dank, den er bisher in seinem Leben erhalten hatte. Er fühlte mit den Menschen, die aus welchen Gründen auch immer, aus der Gesellschaft herauskatapultiert worden waren. So wie Ayoub und ihre Familie, die vermutlich jetzt in diesem maroden Haus am Rande des Gewerbegebietes saßen und sich etwas besser vorgestellt hatten. Am nächsten Morgen fielen Dominik die Augen zu. Er war müde von einer kräftezehrenden Nacht. Gerade als sein Körper entspannt in einen tiefen Schlaf versank, klingelte sein Telefon. Benommen, orientierungslos griff er nach seinem Handy und murmelte "Ja, Hallo?" Am anderen Ende war Ayoub. "Hallo Dominik. Ich Telefon in Call Center with Euro. Wir können treffen heute Nachmittag? Sixteen o´clock on the Willy-Brand-Platz?" Dominik überlegte, setzte die englischen und deutschen Wörter noch schwerfällig zu einem neuen Satz zusammen, sagte dann dem Treffen zu. Er freute sich, bedankte sich und fiel dann zurück in einen noch tieferen Schlaf, aus dem er viel zu spät wieder erwachte. Es war 15 Uhr. Noch nur eine Stunde blieb ihm, um sich frisch zu machen und zum Willy-Brand-Platz zu gelangen. Die Dusche verließ er in Rekordzeit. Auf den Bus musste er warten. Vom Stadtrand in die Innenstadt würde er mindestens zwanzig Minuten brauchen. Das wird knappt dachte er sich. Doch zu spät kommen wollte er auf keinen Fall. Unruhig verlagerte er sein Gewicht auf dem Sitz im Bus von einer Pobacke zur anderen. Schaute mit kurzen Blicken aus dem Fenster und dann wieder nach vorn durch die große Windschutzscheibe des Busses. Wann, nur wann, würde der Bus endlich ankommen. Nur noch fünf Minuten blieben ihm als der Bus hielt und sich die Türen öffneten. Jegliche Erziehung außer Acht lassend, schupste er die anderen Fahrgäste beiseite, stolperte aus dem Bus und rannte zum Willy-Brand-Platz. Hier, wo ein kleiner Weihnachtsmarkt aufgebaut war, suchte er Ayoub, die er schließlich an der Seite eines kleinen Fahrgeschäftes fand. "Hallo" keuchte Dominik und pfiff aus dem letzten Loch. "Ich hab verschlafen. War in der Nacht unterwegs die Obdachlosen betreuen, weißt du." Ayoub lächelte und dreht ihren Kopf leicht zur Seite. Immerhin war er gar nicht zu spät, nur ein wenig aus der Puste, was auf Ayoub schon sehr belustigend wirkte. "Komm ich zeig dir den Weihnachtsmarkt. Weihnachten kennst du doch oder?", lud Dominik Ayoub ein. "Nein Weihnachten nicht in Pakistan. Alles neu, alles fremd", erwiderte diese. "Ach?", antwortet Dominik erstaunt. "Na, dann wird das jetzt eine Unterrichtsstunde außerhalb der Schule. Schau mal die Tanne in der Mitte ist der Weihnachtsbaum, den gibt es kleiner in jedem deutschen Haus zu Weihnachten. Die Leute schmücken ihn mit bunten Kugeln und Lichterketten." Ayoub wollte wissen warum und Dominik fiel auf, dass er das so recht auch nicht wusste. Um seine Unwissenheit zu überspielen lenkte er Ayoubs Aufmerksamkeit gleich auf die nächste weihnachtliche Sitte. "Glühwein und Stollen. Beides lecker. Gibt es auch nur zu Weihnachten. Willst du mal kosten?", fragte er. Ayoub wollte nicht ablehnen und willigte ein. Als sie allerdings die Tasse mit dem heißen Glühwein in den Händen hielt und den Alkohol roch, lehnte sie ab. "No alcohol. Sorry." "Ach schon gut, Gesund ist das Zeug ja eh nicht", gab Dominik zurück und kippt die beiden Glühweintassen demonstrativ in einen Gully. Ayoub lächelte wieder. Dominik mochte es, wenn Ayoub lächelte. Eine ganze Weile liefen sie über den Weihnachtsmarkt. Schauten sich Engel, Kerzen, Handgemachtes und vieles mehr an. Beide waren fröhlich und vergnügt. Ayoub vergaß ihre momentane Situation und erfreute sich an dem vielen Fremden in diesem Teil der Welt. Doch ein, als Weihnachtsmann verkleideter Mann riss sie zurück in die Realität. Sie hatte diese Männer schon oft gesehen in der letzten Zeit, doch nahe an sie heran, hatte sie sich nie getraut.
Die Bärte, sie brachten böse Erinnerungen an jene Männer, die ihren Vater eines Nachts aus dem Haus holten. Nun aber stand diese schreckliche Gestalt plötzlich unmittelbar vor ihr. Starr vor Schreck blieb sie stehen, rannte dann aber vor Angst davon. "Was ist denn mit der los?", wollte der Mann wissen. "Ach halts Maul", schrie Dominik und rannte hinter Ayoub her. An einer Kreuzung holte er sie wieder ein. Sie schaute ihn ängstlich an und er wusste sich nicht zu helfen, deshalb nahm er sie fest in den Arm. Ohne Worte standen sie beide so eine ganze Weile, dann löste sich das Mädchen von Dominik und bat darum gehen zu können.

"Du Mutti, sag mal können wir nicht zu Weihnachten mit Ayoub und ihrer Familie gemeinsam feiern? Wäre doch mal was anderes. Außerdem wohnen die doch in dieser Bruchbude und Weihnachten ist doch ein Fest der Gemeinschaft", stieß Dominik plötzlich während des Abendessens aus. Seine Mutter war überrascht, wusste nicht zu antworten. Sein Vater übernahm dies "Ja, wenn du Ayoub und ihre Familie einladen möchtest, dann versuch dein Glück. Wir werden dann sehen, dass wir ihnen hier ein wenig den Geist der Weihnacht zeigen und das Essen entsprechend abstimmen." "Sehr schön. Danke! Ich frag sie morgen gleich", überschlug sich Dominik mit seinen Worten. Am nächsten Tag fuhr er mit der S-Bahn hinaus zum Gewerbegebiet und lief zum Heim in dem Ayoub und ihre Familie wohnte. Dort angekommen blieb er kurz stehen, wieder hatte er dieses komische Gefühl. Wieder wollte er nicht wirklich in diese Bruchbude, die sich „Heim“ nannte. Doch jetzt war er so weit gekommen, jetzt musste er hinein. Jetzt musste er zeigen, dass er Eier in der Hose hatte und die Familie einladen. Breitbeinig mit weit auseinandergehenden Armen betrat Dominik das Haus, lief die Treppen hinauf und klopfte im oberen Stockwerk an der Tür. Ein ihm fremder Mann öffnete und schaute ihn grimmig an. Dominik trat einen Schritt zurück, sammelte sich und frage: "Ist Herr Badini da?" Ohne Antwort schloss der Mann die Tür, wenig später öffnete Herr Badini. "Dominik, was machst du denn hier? Entschuldige, wir sind hier zwei Familien in einer Wohnung", erklärte Ayoubs Vater. "Ich wollte sie zu uns nach Hause einladen zu Weihnachten. Also sie und ihre Familie. Meine Eltern und ich, wir würden uns freuen, wenn sie kommen", stotterte Dominik. "Danke für die Einladung Dominik. Ich werde das kurz mit meiner Frau besprechen. Möchtest du rein kommen?", gab Herr Badini zurück. "Ähm nee danke. Ich warte dann lieber hier draußen", räusperte sich Dominik eine Antwort hervor. Herr Badini nickte, ließ die Tür einen Spalt offen und ging. Minuten, die Dominik in diesem dunklen Flur wie Stunden vorkamen vergingen. Dann öffnete Herr Badini die Tür wieder und antwortete auf die zuvor gestellt Frage mit "Sag deinen Eltern, wir kommen gern." "Super, dann bis heilig Abend zum Mittag", freute sich Dominik und rannte die Treppe hinunter. Eine Etage tiefer rief er noch einmal "Ach und schönen Tag noch", dann stand er auch schon wieder auf dem Hof des Heimes, wo die Jungen aus den verschiedenen Familien mit ihren unterschiedlichen Hautfarben und Sprachen Fußball spielten. Für Dominik war es ein guter Tag, der am Abend und in der Nacht mit dem Teebus weiter ging.

Die Wärme stand im Wohnzimmer. Der Tannenbaum strahlte in einem Lichterglanz und die Gans, die Dominiks Mutter extra besorgte hatte, schmorte im Ofen dahin. Dominiks Vater verstaute noch einige Weihnachtsartikel, die ihm unpassend erschienen und begann dann den Tisch zu decken. Es war kurz vor zwölf, als es klingelte. "Das werden sie sein", schrie Dominik, sprang über die Rückenlehne der Couch und rannte zur Tür. Ayoub und ihre Familie waren gekommen. Festlich gekleidet. Herr Badini und seine Frau trugen einen Salwar Kameez. Er in Grau, sie in Grün. Ayoub war westlich angezogen. Sie hatte sich geweigert traditionell zu Dominik zu gehen, wie er später erfuhr. Dennoch fand Dominik die Kleidung der Eltern interessant. Anders eben, aber nicht schlecht. Sie machten diesen Abend zu etwas anderem, etwas Besonderem. Frau Badini hatte einen großen Topf dabei. Darin ein pakistanisch/indisches Essen, das sie als Gastgeschenk mitbrachte. Dazu übergab Herr Badini an Dominiks Vater ein kleines Buch. Während sich die Frauen irgendwie automatisch in die Küche verzogen, saßen die Männer und Dominik im Wohnzimmer. "Ich war schon einmal in Deutschland, wissen sie", begann Herr Badini das Eis zu brechen. "Ich weiß, mein Sohn hat es mir bereits erzählt. Sie haben hier studiert. Schön, dass sie unsere Sprache noch so gut beherrschen", führte Dominiks Vater das Gespräch weiter. "Es ist schon komisch, dass sich die Frauen in die Küche verziehen was?", legte Dominiks Vater schelmisch nach. "Ja, seltsam, nicht wahr?", antwortete Herr Badini kurz und lächelte zurück. Das gemeinsame Essen am großen Tisch war für alle ein Genuss. Ayoubs Vater schwärmte von der Gans und wiederholte etliche Male, wie lang es her war, dass er Gans gegessen hatte. Dominik kostete das Karahi. Ein pakistanisch/indisches Fischgericht, das ihm aber sehr bald auf Zungen und Gaumen brannte. Sein hastiges Greifen nach dem Wasserglas veranlassten Ayoub zu einem Lachen, dass ihre Mutter sofort mit einem scharfen Blick quittierte. Dominiks Mutter wiederum stand dem Mädchen bei und sagte "Na, das war doch schon recht lustig. Waren die Augen wieder größer als der Magen was?" So entspannte sich die Situation und auch Ayoubs Mutter wurde immer lockerer. Bald hatte es den Anschein als säßen zwei befreundete Familien an einem Tisch. Nach dem Essen einigten sich alle auf einen Spaziergang, ehe es mit theologischen und gesellschaftlichen Gesprächen weiter ging, an denen auch die Frauen, wie selbstverständlich teilnahmen.

Weihnachten ging vorüber. Die Ferien endeten. Das neue Jahr hatte begonnen und für Familie Badini gab es Hoffnung. Dominiks Mutter hatte ihnen eine städtische Wohnung organisiert. Sie kamen aus dem Heim. Mit dem Antrag auf Einbürgerung erhielten Herr und Frau Badini eine Arbeitserlaubnis. Schon bald darauf war Herr Badini in einer Firma etwas außerhalb angestellt, die Werkzeugautomaten herstellte. Die beiden Familien trafen sich nun regelmäßig, erfuhren viel von der jeweils anderen Kultur und wurden Freunde. Dominik und Ayoub hatten ihre eigene Freundschaft entwickelt, die sie aber nach ihrer Meinung noch geheim hielten. Die beiden Mütter jedoch hatten schon das Händchenhalten und die Blicke erkannt und freuten sich für die beiden.
Eine sehr schöne, hoffnungmachende Geschichte! *love4*

Tipp- und Kommafehler könnte man allerdings noch ein wenig überarbeiten *zwinker*
********iler Mann
766 Beiträge
Themenersteller 
Zitat von *****a94:

Tipp- und Kommafehler könnte man allerdings noch ein wenig überarbeiten *zwinker*

Wie dat immer so is. *zwinker*
eyes002
******ace Mann
15.955 Beiträge
Gruppen-Mod 
Wie dat immer so is. *zwinker*

Muss dat ja nich bleiben….

Tom
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