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Ironie des Schicksals

*****ine Mann
911 Beiträge
Themenersteller 
Ironie des Schicksals
Inspiriert durch eine wahre Begebenheit:



Die Trommel gab einen dumpfen Laut von sich, als der lederne Würfelbecher mit Wucht auf ihr straff gespanntes Fell geschlagen wurde, und das Klappern der in ihm herumspringenden Würfel erzeugte eine Sekunde lang einen leise rollenden Nachhall, bevor es verklang.
Eine Sekunde gespannter Stille trat ein, die nur durch die Geräuschkulisse der Umgebung gestört wurde: das Knarren und Kratzen des Mühlsteins, das leise, scharfe Flappen von offenen Zeltklappen im Wind, das Scharren des Wetzsteins auf Metall, das Klappern von hölzernen Tellern, die Rufe von Maultieren und all die zahllosen, miteinander verwobenen Gespräche, aus denen sich gelegentlich eine einzelne Stimme rauh und barsch hervorhob.
Aus zusammengekniffenen Augen, die langen, sehnigen, feingliedrigen Finger der rechten Hand unverwandt auf dem Leder des Würfelbechers liegend, blickte Lucius sein Gegenüber an.
Titus Pullo war mit Sicherheit schon in seiner Jugend ein abgrundtief hässlicher Mann gewesen, und die vergangenen Jahre hatten es nicht gut mit ihm gemeint. Sein sonnengegerbtes Gesicht war vom Kinn bis an den Haaransatz von dunklen, stellenweise fast bläulich wirkenden Pockennarben überzogen, die Nase breit und bucklig wie die eines Preiskämpfers, zu oft gebrochen und schief zusammengewachsen, die linke Wange und der Mundwinkel von einer alten Narbe wie von einer Ackerfurche durchschnitten. Unter buschigen, schwarzen Brauen blitzten dunkle, wache Augen hervor, als sie zwischen Lucius’ Augen und dem Becher hin und her wanderten. Ungeduldig, fast höhnisch, zog er die Nase kraus und die Oberlippe nach oben und entblößte gelbliche Schneidezähne, bevor er einen Strahl dicken, mit Wein vermischten Speichels in den Sand spie.
„Worauf wartest du, Lucius Vorenus, du Sohn der billigsten Hafendirne von Ostia?“
Lucius ignorierte die altvertraute Beleidigung. Titus hatte nicht nur das Gesicht eines Bauern und die Kinderstube eines Fischers, er führte auch entsprechend niedere Redensarten im Mund. Fünfzehn Jahre Dienst unter dem Adler hatten diesem Umstand nicht abgeholfen, und die Anspielung auf seine Herkunft war eine bewusste Provokation.
Lucius Marcus Vorenus entstammte einer angesehenen Senatorenfamilie – zumindest zur väterlichen Hälfte, und genau das war das Problem. Sein Vater hatte sein gesamtes Leben lang gut für ihn gesorgt, ihm sogar einen Platz auf einer der begehrten griechischen Internatsschulen ermöglicht; er war ein begnadeter Athlet, er konnte lesen und schreiben, beherrschte die Künste der Rethorik und der Algebra, sprach fließend Griechisch und Iberisch. Sein Körper und Antlitz waren makellos wie die eines antiken Halbgottes, in jeder Stadt und in jedem Dorf erlagen Frauen seinem Lächeln, seinen wasserblauen Augen und seinen weizenfarbenen Locken, ihre Körper wurden unter seinen schlanken, starken Händen zu Wachs. Und doch haftete ihm stets und für alle Zeiten der Makel seiner Herkunft an: er war und blieb ein Bastard und der Sohn einer Mätresse, im Rausch gezeugt, in Schande geboren, noch im Kindbett verstoßen. Die Familie seines Vaters wollte nichts von ihm wissen, die leiblichen Söhne würden das Schwert gegen ihn ziehen, sollte er es wagen, auf ihrem Land zu erscheinen. Klingende Sesterzen aus der väterlichen Schatulle hatten ihm den Weg in den Dienst des Kaisers geebnet, doch der ehrbare Stand eines Offiziers würde ihm für immer verwehrt bleiben. Und so war er gezwungen, mit Rauhbeinen, Halsabschneidern und Bauernsöhnen wie Titus Tertius Pullo um ein paar Kupfermünzen zu würfeln.
Titus wiederum, nun, Titus beherrschte zwar nicht die Kunst der Algebra, dafür aber umso besser die Kunst, Eins und Eins zusammenzuzählen, und so liess er seit Jahren keine Gelegenheit aus, Lucius mit gezielten Schmähungen in Bezug auf seine Abstammung zu überziehen. Aber zumindest zollte er ihm trotz dieses beständigen Rituals gutmütiger Sticheleien einen zähneknirschenden Respekt, wenn Lucius um diesen Respekt auch lange und hart hatte kämpfen müssen. Trotz ihrer so grundverschiedenen Herkunft und unterschiedlichen Dienstzeiten bekleideten sie mittlerweile beide denselben Rang, den eines Centurios in der XIV. Legio Claudia, der ruhmreichen, sieggewohnten Vierzehnten Claudia, und sie beide verband nicht nur eine enge Kameradschaft, sondern auch eine daraus erwachsene, seit Jahren bestehende, tief verwurzelte professionelle Rivalität.
Lucius hatte diesen Rang und die damit einhergehenden Privilegien aufgrund seines Ehrgeizes, seines wachen Verstandes, seiner athletischen Geschicklichkeit, seiner hervorragenden Bildung und seines Charismas erlangt, und er hatte all diesen Ehrgeiz und diese Begabungen darangesetzt, seine militärischen Fähigkeiten zu vervollkommnen. Mit den wenigen Münzen, die er sich seinerzeit als einfacher Legionär von seinem kargen Sold abgespart oder beim Würfeln gewonnen hatte, hatte er einen einäugigen, hinkenden Veteranen vom Versorgungstross dafür bezahlt, ihm in seiner dienstfreien Zeit diejenigen Tricks und Kniffe des Fechtens mit dem kurzen Gladius beizubringen, die man auf keinem Kasernenhof in Ostia oder Pompeii lernte. Mit Erfolg: auf dem langen Marsch mit Imperator Gaius Iulius Caesar in den kargen, windgepeitschten Norden Galliens hatte die schwarze Erde dieses Landes bisher das Blut von vier Barbaren getrunken, die im Kampf Mann gegen Mann Lucius’ Schnelligkeit und Geschicklichkeit nicht gewachsen gewesen waren.
Titus seinerseits, zäh, gerissen und bauernschlau hatte in den Jahren seines Dienstes diese Kunst auf die harte Weise gelernt: auf dem Schlachtfeld, von den zahllosen Männern, die vergeblich versucht hatten, ihn zu töten. Die Männer erzählten sich hinter vorgehaltener Hand, weder würden Titus’ Speer oder Gladius jemals einen Feind verfehlen, noch sein Knotenstock jemals den Rücken eines glücklosen Legionärs, der seinen Zorn auf sich gezogen hatte. Und wenn man den kurz gewachsenen Titus Pullo unter sengender Sonne Meile um Meile unermüdlich über staubige Straßen und Karrenwege marschieren sah, konnte man den Eindruck gewinnen, weder sein Tornister noch sein Kettenhemd und sein Helm, noch der schwere, eisenbeschlagene Schild, der Scutum, unter dessen Last alleine junge Männer ächzten und die Götter verfluchten, würden irgendein nennenswertes Gewicht besitzen.
Sein Rang war hauptsächlich seinem Dienstalter geschuldet und der Tatsache, dass die Soldaten ihn seines Zornes wegen ebenso fürchteten, wie sie ihn seiner Gerechtigkeit wegen liebten: Titus Pullo lobte oder bevorzugte niemals einen Mann, der es nicht absolut verdient hatte, und selbst wenn er betrunken war, prügelte oder schikanierte er niemanden grundlos.
So unterschiedlich sie doch beide waren, so wetteiferten sie doch schon seit zwei Jahren mit äußerstem Ehrgeiz um die Beförderung zum Primus Pilus, dem „Ersten Speer“, dem Dienstposten des rangältesten Centurios einer Legion. Nur einer von ihnen würde schließlich die begehrte Ernennung zum Nachfolger des noch amtierenden Primus Pilus erhalten, doch beide waren der festen, unerschütterlichen Überzeugung, der aussichtsreichste Kandidat für dieses Amt zu sein und ließen keine Gelegenheit aus, den jeweils anderen zu übertrumpfen. Ihre aus dieser Rivalität ständig neu erwachsenden Mut- und Kraftproben waren unter den Soldaten längst Legende.
Mit einer unheilsschwangeren Vorahnung hob Lucius den Würfelbecher an und biss sich auf die Lippen, als er das Ergebnis sah. Zwei Dreien. Eine weniger, als er gebraucht hätte. Er zerquetschte einen frustrierten Fluch.
Titus hingegen warf mit unverhohlener Schadenfreude den Kopf zurück und lachte meckernd, so heftig, dass ihm Tröpfchen von Wein und Speichel aus dem Mundwinkel flogen, bevor er nach dem Häufchen von Kupfermünzen griff, aus dem der Spieleinsatz bestanden hatte.
„Tja, Jungchen, so wie’s aussieht, musst du...“
Er hielt inne, die Finger halb um das Geld geschlossen, und blickte mit plötzlich schmal gewordenen Augen an Lucius vorbei zur Brustwehr des nahen Lagerwalls, reckte den Unterkiefer vor und zog scharf die Luft durch die Nase wie ein witterndes Tier. „Ärger!“
Lucius’ Kopf fuhr herum auf der Suche nach dem, was Titus so plötzlich alarmiert haben mochte. Er kannte diesen misstrauischen Blick zur Genüge und hatte durch lange, bittere Erfahrung gelernt, dass Titus’ scharfes Auge für Details und seine Vorahnung in Bezug auf anstehende Schwierigkeiten ihn äußerst selten einmal trogen.
Und dann fiel es ihm selber auf und traf ihn wie einen Schlag in den Magen: am vorderen Lagertor waren mehrere wacheschiebende Legionäre zusammengeeilt und unterhielten sich in immer stärker steigender Lautstärke, wobei einige von ihnen hektisch auf einen Punkt außerhalb des Lagers deutete, andere sich suchend umblickten.
„Irgendwas ist dort draußen los. Flavius ist mit einer Gruppe am Fluss, Wasser holen!“
„Vergiss ihn, er ist tot.“ Titus sprang mit einer schnellen, fließenden Bewegung auf die Füße und griff nach seinem Schwertgürtel. Lucius beeilte sich, es ihm gleichzutun. Eine Sekunde lang dachte er sehnsüchtig an sein Kettenhemd und seinen Helm, die beide im Inneren des Zeltes lagen, verwarf dann aber den Gedanken sofort wieder. Jetzt war größte Eile geboten, und die Zeit, seine Rüstung anzulegen, hatte er nicht. Stattdessen gürtete er sich seinerseits hastig mit dem wie stets in Griffweite bereitliegenden Gladius, bevor er nach dem an einem der äußeren Zeltpfosten gelehnten Scutum griff. Während er noch mit fliegenden Fingern damit beschäftigt war, den schützenden Bezug aus derbem Leder herunter zu ziehen, der die bemalte und mit Messing beschlagene Vorderseite des Schildes schützte, ertönte von der Brustwehr her bereits das misstönende Schnarren einer mit zuviel Kraft geblasenen Trompete und der Warnruf „Ecce Barbares!“, der seine Befürchtungen bestätigte. Die Götter durch zusammengebissene Zähne verfluchend, zerrte er mit schmerzenden Fingern an dem widerspenstigen Leder, bis es sich endlich löste, dann riss er seinen mit der Speerspitze voran in den Boden gerammten Pilum an sich. Mit einem raschen Schulterblick und nicht geringer Befriedigung stellte er fest, dass er Titus um eine Sekunde geschlagen hatte, verkniff sich aber jeglichen Kommentar. Jetzt war weder die Zeit für Scherze noch für Spielchen.
Schulter an Schulter erreichten sie im Laufschritt das Lagertor, vor dem sich mittlerweile ein ungeordneter, wild gestikulierender und durcheinanderrufender Haufen von mehr oder weniger gerüsteten und bewaffneten Legionären drängelte. Lucius blickte über ihre Schultern und Köpfe hinweg auf die grasbewachsene freie Fläche, die zwischen dem Lagerwall und einem kleinen Wäldchen lag, das wiederum den Blick auf den nahen Fluss versperrte.
Vom Waldrand her kommend rannten mehrere römische Trossknechte offensichtlich um ihr Leben auf die Sicherheit des Feldlagers zu, während hinter ihnen drei oder vier verzweifelte Legionäre versuchten, sich halbwegs geordnet und kämpfend vor einer ihnen mindestens zehnfach überlegenen Zahl von gallischen Stammeskriegern zurückzuziehen. Pfeile und Speere hagelten auf die Soldaten hernieder. Die meisten Geschosse gingen fehl, einige prallten von den breiten Scutums ab, und dennoch biss sich Lucius auf die Lippen, als er einen seiner Kameraden fallen sah. Innerhalb eines Herzschlags hatten die rasch vorrückende Horde den gefallenen Mann eingeholt, und dann hoben und senkten sich die blitzenden Schwerter und Speerspitzen. Der Todesschrei des Legionärs ging im Triumphgeheul des rasenden Mobs unter. Die überlebenden Legionäre schlossen mit grimmiger Verbitterung ihre Reihe enger zusammen und ließen sich weiter stetig zurückfallen, in die Reichweite ihrer Gladii wagten die Gallier sich vorerst nicht. Dafür schickten sich mehrere ihrer Bogenschützen an, seitlich an den Soldaten vorbei vorzustürmen . Statt jedoch nun ihre Pfeile an den geschlossenen Schilden vorbei in die Seiten und Beine der Männer zu schießen und sie so zu Fall zu bringen, stürmten sie weiter vor in Schussweite des Walls und begannen, die Soldaten auf der Brustwehr und den Türmen mit Pfeilen einzudecken.
Die gallische Infanterie, fiel ihm auf, ließ die flüchtenden Legionäre ebenfalls größtenteils unbehelligt.
Das war merkwürdig. Die ungerüsteten Gallier mit ihren leichten, aus lederbespanntem Holz bestehenden Schilden hätte die mit Stahl gegürteten und behelmten Legionäre leicht überholen und umzingeln können, zumal diese offensichtlich entschlossen waren, durch ihren kämpfenden Rückzug den nahezu wehrlosen Trossknechten zusätzliche Zeit zu erkaufen. Aus irgendeinem Grund taten die Stammeskrieger aber genau das nicht. Statt dessen bedrängten sie die drei Soldaten zwar, machten aber keine Anstalten, sie ernsthaft anzugehen.
Ein Blitzangriff, schoss es ihm durch den Kopf. Sie wollen uns dazu bringen, aus Sorge um unsere Kameraden das Tor nicht zu schließen. Sie hoffen, auf diese Weise ins Lager eindringen, so viel Schaden wie möglich anrichten, ein paar Gefangene machen und sich dann wieder zurückziehen zu können.
„Eine Linie!“ Titus hatte den Plan des Feindes anscheinend auch durchschaut, seine donnernde Stimme holte Lucius zu den Vorgängen in seiner unmittelbaren Umgebung zurück. „Bildet eine Linie und deckt das Tor, ihr faulen Söhne von Sklaven und Huren, ihr trauriger Ersatz für römische Soldaten!“ Mit seinem Knotenstock drosch er wütend auf die ihm am nächsten Stehenden ein, während er sie weiterhin aus nächster Nähe anschrie und mehrere von ihnen in den Tordurchgang schubste. „Ich will eine Linie! Deckt das Tor! Wisst ihr nicht, was eine Linie ist? Erste Reihe, schließt die Schilde zusammen! Wo ist dein Schild, Junge?“ Der Unglückliche bekam einen furchtbaren Hieb über den Nacken, der ihn taumeln ließ. „Hol sofort deinen Schild, du Esel, du nutzloser Sohn eines nubischen Schafscherers!“
Es wirkte. Die eben noch ungeordnet und kopflos herumstehenden Soldaten schlossen sich zu der oft und lange eingeübten, im Gefecht nahezu undurchdringlichen Schlachtlinie zusammen, die Schilde miteinander überlappend, die Speere auf den oberen Rand aufgestützt. Aus der Mitte des Lager näherten sich bereits weitere Legionäre, kampfbereit, voll bewaffnet und gerüstet. Lucius erkannte den Legaten Marcus Verus Selena, ohne Helm und nur mit seiner Tunika bekleidet, aber das Schwert in der Faust, wie er persönlich mehrere auf die Wallkrone kletternde Bogenschützen zur Eile antrieb. Das Geschehen entwickelte sich in rasender Geschwindigkeit zu einem Wettrennen, bei dem römische Disziplin und Ausbildung mit gallischer Wildheit und Gerissenheit wetteiferte. Mehr noch als Mannesmut und Waffenkunst würde der Ausgang dieses Rennens über den Ausgang des Gefechts entscheiden, wenn es in wenigen Augenblicken unweigerlich zum Nahkampf kommen musste.

• * * Fortsetzung folgt
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Bitte weiter.
Wo bleibt die Fortsetzung?

Ich finde die Geschichte sehr spannend erzählt.
*****ine Mann
911 Beiträge
Themenersteller 
Geht schon los!
Hier der zweite und letzte Teil:

Aus dem Augenwinkel machte Lucius die rennende Gestalt des Standartenträgers im Getümmel aus. Der Signifer, der kaltblütige, breitschultrige Veteran, dem die besondere Ehre zuteil war, den Adler der 14. Claudia zu tragen und zu bewachen, kam im Laufschritt herangeeilt, in der einen Hand das Schwert, in der anderen die zwei Meter hohe Stange aus massivem Eschenholz, auf deren Spitze als Feldzeichen der vergoldete Kaiseradler angebracht war. Er trug zwar ebenfalls keine Rüstung, hatte sich aber den zusätzlichen Augenblick genommen, seinen Helm mit dem daran befestigten Wolfsfell aufzusetzen, so dass der grimmige Kopf des Raubtieres nun über ihn hinwegzuschauen schien.
„Du, Signifer, komm her! Hier stell den Adler auf!“ Lucius deutete auf einen Punkt direkt hinter der Linie der mitten im Tor aufgereihten Soldaten, und mit einem dumpfen Laut knallte die Messingkappe des Stangenfußes in den hartgestampften Lehmboden.
„Und weiche keinen Schritt zurück!“ Er wandte den Kopf. „Ihr Männer!“ Als geschulter Rethoriker zog er, wann immer möglich, die geschliffene Rede Schlägen und Beschimpfungen als Mittel des Ansporns vor, und in Momenten wie diesen zog er gern alle Register seines Könnens, um das Blut in den Adern seiner Kameraden zum Kochen zu bringen. Beim Klang seiner Stimme drehten sich ihm mehrere Köpfe in der Schlachtlinie zu, als er mit ausgestrecktem Arm auf das Feldzeichen deutete.
„Ihr Männer! Hier steht der Adler, hier steht die Linie, so fest und unnachgiebig wie die Grundfesten von Mutter Rom darselbst! Vierzehnte Legion Claudia! Ruhmreiche Vierzehnte! Treu, standhaft, sieggewohnt!“ Mehrere Soldaten brachen als Reaktion auf seine Worte in rauhe, bellende Jubelrufe aus, aber noch klang es dünn und zögerlich.
„Ich höre euch nicht! Der Feind hört euch nicht!“
Die Lautstärke des Gebrülls verdoppelte sich. Als Reaktion verlangsamten die Gallier ihren Schritt, stimmten gleich darauf aber ihrerseits ein wildes Kriegsgeheul an und hämmerten mit ihren Schwertern gegen die Schildbuckel.
Lucius lachte ein oft geübtes, schallendes Lachen. „Mehr haben die nicht zu bieten? Lächerlich! Haltet die Linie, Männer, und lehrt sie Furcht vor dem Adler!“
Jetzt jubelten und johlten die Legionäre aus voller Brust, schwangen ihre Speere und bedachten die immer näher rückenden Gallier mit zahlreichen ausgewählten Schimpfworten in Bezug auf Abstammung und Kinderstube. Lucius gestattete sich ein wölfisches Grinsen. An diesen schlachterprobten, aufgeputschten und kampfeslustigen Männern würden diese Wilden nicht ohne erbitterten Kampf vorbeikommen.
Anscheinend hatten die Stammeskrieger das auch erkannt. Etwa drei Dutzend Schritte vor dem Schildwall hielt der ganze Heerhaufen an, während sich die römische Schlachtlinie einen Spalt breit öffnete, um ihre drei rückwärts gehenden Kameraden in die Sicherheit des Lagers durchzulassen.
Als die drei diesseits der Linie keuchend und nach Atem ringend mit einknickenden Beinen zu Boden sanken, blickte Lucius in ihre vor Schmerz und Erschöpfung verzerrten Gesichter und erkannte, dass sein Freund Flavius nicht unter ihnen war. Titus’ finstere Vorahnung war grimmige Gewissheit geworden. Bitterkeit, Trauer und Zorn stiegen wie Galle in seinem Hals empor, als er seinen Blick wieder auf die Angreifer richtete. Wenn die Götter ihm gewogen waren, würde er Gelegenheit finden, den Tod seines Freundes zu rächen, wenn schon nicht heute, dann hoffentlich bald, sehr bald. Bis dahin bereitete ihm etwas anderes wesentlich mehr Sorgen.
„Was haben die vor...?“
Die Frage wurde ihm fast im selben Augenblick beantwortet. Aus der dicht gedrängten Masse der gallischen Fußkämpfer, die immer noch einen respektvollen Abstand von dem Schildwall im Tordurchgang hielten, lösten sich mehrere Gestalten, die dicke Reisigbündel und Strohballen trugen. Gleichzeitig verdoppelten die feindlichen Bogenschützen ihre Anstrengungen und schickten immer neue Pfeile gegen die Brustwehr. Schmerzensschreie klangen auf.
„Was zum...“
Die ersten Läufer erreichten den aus starken, behauenen Stämmen bestehenden Lagerwall und schleuderten ihre Traglasten auf den Boden. Innerhalb von wenigen Herzschlägen stapelten sich acht oder zehn Bündel. Die nächste Gruppe, ausnahmslos junge, kräftige Burschen mit bloßen Oberkörpern, Halbwüchsige noch fast, Schwerter in den Händen, die langen Haare im Laufen hinter ihnen wehend wie Fahnen, rannten aus vollem Lauf diesen Stapel empor und stießen sich dann mit den Beinen ab, so dass sie im Sprung die obere Kante der Brustwehr zu fassen bekamen. Sich mit einem Arm festkrallend, hieben sie mit ihren Waffen blindwütig auf die Verteidiger auf der Brustwehr ein. In das Klingeln von Stahl auf Stahl mischten sich Schreie voller nacktem Schmerz und schierer Angst, als die Soldaten und Schützen auf dem Wehrgang vor der ungestümen Wucht dieser plötzlichen Attacke zurückwichen.
Lucius schüttelte ungläubig den Kopf. Diese Taktik war, selbst an den berserkerwütigen Maßstäben von Barbaren gemessen, Wahnsinn. Sie mochte kurzfristig Wirkung zeigen und Verwirrung, vielleicht sogar Panik unter den Verteidigern sähen und die römischen Bogenschützen am Schießen hindern, aber vor dem Hintergrund des gesamten Vorhabens machte sie keinen Sinn. Dadurch kamen die Gallier auch nicht ins Lager hinein.
Und dann sah er, was er bisher übersehen hatte, und in seinem Magen machte sich ein eiskalter Klumpen breit.
„Jupiter, sie haben Fackeln! Rasch, drängt sie zurück! Wenn sie Feuerbrände an den Wall legen, sind wir alle des Todes!“
Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren die Faschinen und Strohballen zusätzlich mit Öl getränkt und würden innerhalb einer Sekunde wie die Flammen des Tartarus auflodern, wenn eine Fackel sie berührte. Selbst wenn das daraus resultierende Feuer den hölzernen Wall nicht verzehren sollte, würde der Funkenflug das halbe Lager in Brand setzen, und Hitze und Rauch würden die Stellungen vor dem Tor und auf den Türmen unhaltbar machen. Für die jungen Krieger, die mit ihrem todesverachtenden Sturmangriff die Aufmerksamkeit der Männer auf der Brustwehr auf sich zogen, stellte dies vermutlich eine Art von Mutprobe dar, mit der sie sich unter höchster Lebensgefahr den Respekt der älteren Krieger erkaufen wollten. Und wenn die Legionäre jetzt einen Ausfall versuchten, um den Wall zu schützen, würde ihnen der Rest des gallischen Heerhaufens mit Sicherheit in die Flanke fallen. Im Angesicht dieser perfiden Teufelei spuckte Lucius fluchend auf den Boden.
Und dann, als er aufblickte, sah er das breite Grinsen auf Titus’ Gesicht und das Funkeln in dessen Augen. Dem Blick des anderen Mannes folgend lernte er die wahre Bedeutung des Wortes Angst kennen.
„Das ist nicht dein Ernst...“
Titus lachte gellend auf und warf den Kopf zurück. „Was ist los, Lucius Vorenus, stallgeborener Sohn einer Hure? Worauf wartest du? Hast du die Hosen voll vor ein paar stinkenden Galliern? Eine bessere Gelegenheit, zu sehen, wer der Bessere von uns beiden ist, wirst du nie wieder bekommen.“
„Angreifen, ganz allein? Du bist des Wahnsinns!“
„Denk, was du willst. Heute bei Sonnenuntergang wird einer von uns der neue Primus Pilus sein, der andere speist im Hades mit den Toten. Folge mir, wenn du den Mumm dazu hast, ich zeige jetzt diesen Stallgeburten, woraus ein römischer Soldat gemacht ist! Und ich wette meinen ersten Monatssold als Erster Speer, dass du kneifst!“
Lucius fühlte Schwindel in sich aufsteigen, als sich Adrenalin und Angst in seinem Kopf einen Ringkampf lieferten. Ein Teil von ihm wollte Titus unbedingt folgen, ihm sogar zuvorkommen, und sich in einem einzigen Augenblick Ruhm jenseits der Sterblichkeit verdienen. Der andere Teil wusste um die fast sichere Todesgefahr eines solchen selbstmöderischen Ausfalls. Für einen Augenblick trocknete sein Mund vollkommen aus, der Versuch zu schlucken schlug fehl, als er fieberhaft nach einer Antwort suchte.
Titus nahm ihm die Entscheidung ab.
Mit einer Hand den Schild, mit der anderen den Speer fester packend drängte er sich vor, bis er zwischen den Schilden der Männer in der vordersten Linie stand. Dann warf er den Kopf in den Nacken.
„ROMA VICTOR!“ Mit dem Schlachtruf, so alt und trotzig wie das Imperium selbst, auf den Lippen, liess er die Sicherheit des Schildwalls hinter sich und stürmte vor.
Lucius verschlug es den Atem angesichts solcher todesverachtender, irrsinniger, rasender Tapferkeit. Das Herz schlug ihm im Hals. Titus rannte in seinen Tod, das war klar. Und wenn er fiel, würde Lucius der Erste Speer sein. Und zusammen mit diesem Amt würde ständig der Makel an ihm kleben, im entscheidenden Augenblick zurückgeschreckt zu sein, doch irgendwie der schwächere Mann zu sein. Nein, Titus hatte ihm keine Wahl gelassen.
„ROMA VICTOR!“ Bevor ihm noch richtig bewusst geworden war, was da eigentlich tat, lag die schützende Schlachtlinie hinter ihm, seine Arme pumpten unter dem Gewicht von Waffe und Schild, und seine Füße stampften in rasendem Rythmus über das Gras der Todeszone vor dem Tor, als er Titus’ Vorsprung aufzuholen trachtete.
Schlachtgebrüll erhob erneut sich aus der Linie der Gallier wie schwarze Unwetterwolken, als sich acht oder zehn von ihnen von der dunklen, drohenden Masse der Krieger lösten und ihrerseits vorstürmten, um dem plötzlichen, trotzigen Vorstoß der beiden Römer zu begegnen. Zwei gegen fünfzig, der Ausfall der beiden Centurionen musste ihnen wie ein kollektives Spucken ins Gesicht vorkommen, eine Provokation, eine Herausforderung. Ihre Ehre war vor aller Augen öffentlich in Frage gestellt worden, jetzt suchten die Ehrgeizigsten, die am leichtesten Reizbaren unter ihnen, diese offensichtliche Beleidigung mit Blut abzuwaschen. Wessen Blut es am Ende sein würde, spielte keine Rolle, aber Blut musste jetzt fließen.
Und Titus, dieser schlaue, zähe, gerissene, von den Göttern geliebte Hund, hatte genau damit gerechnet. Die Gallier wären mit Sicherheit jedem geordneten Ausfall der Legionäre sofort mit einer gemeinsamen Attacke in voller Stärke begegnet. Angesichts eines einzelnen Kämpfers aber verlangte die Ehre nach einem Zweikampf – und während sich ihre besten Krieger ein Wettrennen um dieses Privileg lieferten, hielt sich der Rest von ihnen zurück und wartete gebannt auf das, was da kommen mochte.
Noch aus dem Laufen heraus, vielleicht zehn Schritte vor Lucius, schleuderte Titus seinen Pilum, auf eine Distanz von mehr als zwanzig Schritt, und schnurgerade wie Jupiters Donnerkeil fand die Waffe ihr Ziel, bohrte sich mit einem blitzenden, knirschenden Krachen durch Schild und Leib eines Galliers, der aus vollem Lauf zusammenklappte und mit einem beinahe komisch anmutenden halben Rückwärtssalto zu Boden stürzte, von der Wucht der Waffe und seinem eigenen Schwung von den Füßen gefegt.
Lucius’ Herz tat einen Sprung. Erstes Blut für die vierzehnte Legion! Der dumpfe Aufprall des Körpers mischte sich mit Titus’ heiserem Lachen, Triumph und Schmähung zugleich, begierig nach weiterem Blut, als er, ohne seinen Schritt auch nur zu verlangsamen, nach dem Griff des hoch an seiner rechten Körperseite gegürteten Gladius griff.
Heulend, kreischend, rasend vor Wut angesichts ihres gefallenen Gefährten schleuderten mehrere Gallier ihrerseits ihre Lanzen auf den heranstürmenden Centurio, während zwei von ihnen den Gefallenen mit ihren Schilden zu decken suchten.
Lucius stockte der Atem. Zwei der Wurfgeschosse gingen gänzlich fehl und bohrten sich zitternd in den Boden, ein weiteres prallte mit hellem Klingeln von Titus’ Schildbuckel ab, das vierte traf den Schild mit dem Geräusch einer Axt, die ein Holzscheit spaltet, und bohrte sich bis zum Heft durch das lackierte Holz. Lucius zuckte wie unter einer Ohrfeige zusammen, als er Titus seinerseits straucheln, zu Boden gehen und sich regelrecht seitlich überschlagen sah.
Wütend schleuderte er sein eigenes Pilum, aber der Wurf war nur hastig gezielt gewesen, und der Speer verfehlte den ihm am nächsten stehenden Gegner um mindestens drei Schritt. Alles, was er damit erreichte, war, die Gallier auf sich aufmerksam zu machen. Statt Titus wandten sie sich nun ihm zu, grimmig, wild blickend und wutverzerrt die Gesichter, schweißverklebt die Haare, kurze Schwerter und Dolche in ihren Händen
Seine eigene Voreiligkeit und Hitzköpfigkeit verfluchend, durch die er sich selbst seiner besten Waffe beraubt hatte, riss er an seinem Schwert, und mit dem Scharren von Metall fuhr es aus der Scheide, die Spitze blitzend im Sonnenlicht, und singend durchschnitt die scharfe Klinge die Luft. Das altvertraute Gefühl des Griffstücks in seiner Faust gab ihm ein Stück Selbstsicherheit zurück.
Ein feindlicher Krieger, hochgewachsen und hager, mit flachsblonden Zöpfen, hellgrünen Augen und einem von Pockennarben entstellten Gesicht, war der erste, der sich ihm in den Weg zu stellen wagte, das Schwert zum Streich erhoben, und ohne den Schritt auch nur zu verlangsamen, rannte Lucius in ihn hinein und trieb ihm mit einem schnellen, heimtückischen, Vorhandstoß die Oberkante des schweren Scutum gegen den ungeschützten Kopf. Knirschend brach der Kieferknochen entzwei, heiße Blutspritzer brannten auf Lucius’ Haut. Silberschnell und wuchtig schoss der Gladius nach vorn und stach tief durch Stoff, Leder, Haut und Muskeln, als Lucius den Arm ebenso schnell wieder zurückzog, war die Schneide bis zum Heft mit Blut bedeckt. Der Gallier sank wie in Zeitlupe zu Boden, einen Ausdruck erschrockenen Staunens auf dem Gesicht und einen sich rasch ausbreitenden roten Flecken auf dem grob gesponnen Leinen seines Hemdes.
Hiebe, wütende, hasserfüllte Schwerthiebe prasselten auf den Scutum nieder wie stählerner Hagel. Das mochten drei, vielleicht vier vor Zorn rasende Stammeskrieger sein, die jetzt auf ihn eindrangen. Wenn sie sich nicht in ihrem blinden Hass und ihrem Rachedurst gegenseitig im Weg stehen würden, hätte einer von ihnen schon längst einen tödlichen Streich anbringen können. So aber zerschrammten ihre Klingen nur die Vorderseite von Lucius’ Schild, als er unter der ungestümen Wucht ihrer Angriffe zurückweichen musste.
Ein plötzliches, herzanhaltendes Gefühl der Leere unter dem linken Fuß war die einzige Vorwarnung, die er erhielt, dann der grelle Schmerz im Knöchel, das Wegfliegen des Horizonts und der schmerzhafte Schlag in den Rücken, als er auf den Boden prallte. Eine Ecke des Scutum drang schmerzhaft unterhalb der Rippen in seine Brust, er bekam keine Luft, vor den Augen zeichneten sich schwarze Flecken ab. Kramphaft rang er nach Atem, als nackte Todesangst wie Eis durch seinen Körper raste. Im Angesicht des Feindes gestürzt und wehrlos am Boden, unter dem eigenen Schild begraben, das war sein Todesurteil. Jeden Moment musste der tödliche Hieb fallen.
Der Augenblick schien endlos dauern zu wollen. Erst nach mehreren schmerzhaften Versuchen gelang es ihm, einen bittersüßen Atemzug in seine Brust zu ziehen, den zu erleben er gar nicht mehr erwartet hatte. Wie ein Schmiedehammer pochte sein Herz gegen seine Rippen.
Er hob den Kopf. Nach menschlichem Ermessen hätte er längst tot sein müssen. Hastig versuchte er, auf die Füße zu kommen, wobei ihm der linke schier den Dienst versagen wollte. Auf den Knien griff er nach dem neben ihn gefallenen Gladius und riss es an sich.
Dann blickte er sich um.
Die Gallier, die ihn noch Sekunden zuvor so hart bedrängt hatten, waren stehengeblieben, in Schach gehalten von einer kleinwüchsigen, krummbeinigen Gestalt, die mit machtvollen Schwertschwüngen die Luft vor ihnen zerteilte und ihnen gleichzeitig mit überkippender Stimme wüste Beschimpfungen an die Köpfe schleuderte: Titus. Ohne seinen Schild, aber ganz offensichtlich bei guter Gesundheit, knallrot im Gesicht, vor Wut und Adrenalin am Rande der Raserei, und jetzt ließ er seinen gesamten aufgestauten Zorn und Übermut an den perplexen Barbaren aus, die nicht so richtig zu wissen schienen, wie sie mit dem fuchsteufelswilden Centurio umgehen sollten.
Lucius beeilte sich, auf die Füße und neben ihn zu kommen, keuchend richtete er ebenfalls seine Schwertspitze auf ihre Gegner.
„Lucius Vorenus, du faule Frucht, ich hätte gewettet, dass du kneifst!“
„Ich dachte, der Speer hätte dich getötet.“
„Hat den Schild durchbohrt und meinen Gürtel getroffen. Um’s Haar hätte ich das Schwert nicht herausgebracht! Hunde! Ziegensöhne! Viehtreiber! Wagt es und greift uns an, ich will euch Sitten lehren!“ Mit den letzten Worten waren offensichtlich die Gallier gemeint gewesen, die vermutlich kein Wort verstanden, aber dennoch mittlerweile ganz danach aussahen, als wäre ihnen die Lust auf einen weiteren Waffengang vergellt worden. Mehrere von ihnen wiesen oberflächliche Schnitte an Armen und Oberschenkeln auf, die darauf hindeuteten, dass Titus sie ein wenig mit dem Gladius gekitzelt hatte. Vermutlich hatte es Lucius nur seinem Eingreifen im allerletzten Augenblick zu verdanken, dass er nicht in diesem Moment über den Styx setzte.
„Denen ist der Spaß vergangen. Ich sage, wir sehen zu, dass wir zurück hinter den Wall kommen.“
Titus schien einen Augenblick lang zu überlegen, aber anscheinend war auch sein Durst nach Heldentum für den heutigen Tag gestillt. Schließlich knurrte er zustimmend. „Einverstanden, hübscher Knabe. Für heute ist’s genug. Und was euch angeht, Flachsköpfe: mit euch bin ich noch nicht fertig!“
Um seine Worte zu unterstreichen, hieb er noch ein paar Mal pfeifend mit dem Schwert durch die Luft, dann begann er, langsam rückwärts zu gehen. Lucius blieb humpelnd an seiner Seite.
Die gallischen Krieger wichen ihrerseits zu ihrer Hauptstreitmacht zurück, ließen dabei die beiden Römer aber nicht einen Herzschlag lang aus den Augen. Sie schienen es für’s Erste zufrieden zu sein, mit einem würdigen Gegner die Klinge gekreuzt und überlebt zu haben – nun, zumindest die meisten von ihnen.
Der Rückweg zum Lagertor kam Lucius schier endlos vor. Irgendwann nahmen seine von dem Sturz immer noch klingelnden Ohren ein sonderbares, auf- und abschwellendes Tosen wahr, das er einen Augenblick lang nicht einzuordnen wusste. Dann jedoch erkannte er das Geräusch: unbeschreiblicher Jubel.
Und er kam von irgendwo hinter ihm. Vom Tor und von der Brustwehr. Dutzende Männerstimmen brüllten in ohrenbetäubender Lautstärke seinen Namen, seinen und den von Titus. Die halbe Legion musste dort oben versammelt sein, und ganz offensichtlich platzten ihre Kameraden vor Stolz.
Sie gelangten vor den Schildwall, und kräftige Arme packten Lucius und zerrten ihn hinter die Linie, während mindestens fünf Hände gleichzeitig versuchten, ihm auf die Schultern zu klopfen.
Langsam erst registrierte sein adrenalinberauschter Verstand, was er und Titus da eigentlich getan hatten und in welche Gefahr sie sich begeben hatten. Eigentlich hätten ihre Körper schon längst in Stücken im Gras vor dem Wall liegen müssen, Futter für die Krähen. Vielleicht stimmte es doch, dass Fortuna bisweilen den Tapferen zuwinkte.
Schwer atmend blickte er sich um, als jemand ihm einen irdenen Becher mit Wasser in die immer noch zitternde Linke drückte. Seine Rechte hielt nach wie vor den Gladius so fest umklammert, dass seine Knöchel schmerzten. Er brauchte volle drei Sekunden, um den Legaten Selena zu erkennen. Der Versuch einer Ehrenbezeugung scheiterte kläglich.
„Legat, ich... der Angriff...“
„Abgeschlagen Centurio. Kommt erst einmal zu Atem. Während sie mit euch beschäftigt waren, konnten wir die Angreifer am Wall ungestört niedermachen. Ich...“ Er räusperte sich. „Wir glaubten euch verloren. Nie zuvor sah ich solchen Mut.“
„Legat, wer... Erster Speer?“
Der Offizier schüttelte den Kopf. „Jupiter sei mein Zeuge, ich vermag es nicht zu sagen. Ihr wart beide gleichermaßen tapfer.“
Lucius wurden die Knie weich. Titus’ Worte kamen ihm wieder zu Bewusstsein. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass er gesagt hatte, noch heute vor Sonnenaufgang würde der nächste Primus Pilus feststehen. Nun hatten die Götter ihnen beiden trotz allem ein grausames Schnippchen geschlagen. Sie waren beide noch am Leben, beide hatten sie einen Feind gefällt, und was noch viel bedeutsamer war, beide hatten sie sich gegenseitig aus Todesgefahr gerettet. Wie es schien, würde ihr Wettstreit an einem anderen Tag entschieden werden müssen.
Ironie des Schicksals. Die Götter, so sagten manche, liebten solche Spielchen.
Eigentlich bin ich ja für die Gallier
und Kriegsdienstverweigerer und überhaupt...
ist deine Geschichte so spannend geschrieben, dass ich dies alles vergessen hab!

*top2*laf
Herbst 2018
***to Mann
4.270 Beiträge
Sehr schön.
He, das kommt davon, wenn ma ein guter Freund ist...
*****ine Mann
911 Beiträge
Themenersteller 
Danke! *wink*
Freut mich, dass euch das Lesen Freude gemacht hat. Und vielen Dank für die Komplimente.
Und, Olaf: Ich bin selber auch heute noch für Asterix! *zwinker*
Wär er schwul,
hieß er Arschtürix!

Nich schlagen, aua! flüchtolaf
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