Die Nacht danach
Johann krümmte sich vor Schmerzen. Schweißgebadet und stöhnend wälzte er sich auf der harten Unterlage seiner Schlafstatt hin und her. Der unhöfliche Wirt hatte ihm verächtlich diese winzige Dachkammer überlassen, als Johann ihm klarmachte, wie wenig er nur für eine Übernachtung zahlen konnte. Schwül und drückend heiß, staute sich die Sommerluft unter dem Dachgiebel, dessen roh bearbeitete Balken fast in greifbarer Nähe über Johann hingen.
Dabei wollte er doch nur den ehrwürdigen Dom zu Frankfurt sehen. Schon seit Kindheit an, war dieser Wunsch in ihm gewachsen. Sein Lehrer, der Pfarrer seines Heimatdorfes, schwärmte regelmäßig während seiner Predigten von diesem Wunderwerk menschlicher Schaffenskraft.
Als Johann dann seine Tischlerlehre begann war ihm klar, daß er als Wandergeselle auf jeden Fall in diese große Stadt kommen würde, um sich dort umzusehen.
In seiner typischen Kleidung, die ihn als Geselle auszeichnete, machte er sich auf die Wanderschaft, bis er an den Main kam, mit offenem Mund die Ausmaße der Stadt bewundern konnte. Weithin sichtbar hob sich der Dom hervor, und es war ein leichtes für Johann, sich zu orientieren. Eine billige Unterkunft zu finden, erwies sich als schwieriger als erwartet. Doch fand er diese kleine Gaststätte mit dem schmierigen Wirt und die Verhandlungen über den Preis der Übernachtung zogen sich dahin, doch Johann hatte Erfolg und bekam besagte Kammer für zwei Übernachtungen.
Dann ging es hinaus ins Nachtleben, die Dombesichtigung wollte er für den nächsten Tag aufheben. Gut Essen, Musik, Trinken, Tanzen, alles was ein junger Mann erleben möchte, das erfüllt sich Johann. Die engen Gassen waren angefüllt mit Leben und zwielichtigen Gestalten, von denen er sich geflissentlich fern hielt, hatte er doch von Gaunern gehört, die bevorzugt Ortsfremde ausrauben.
Irgendwann, als der Alkohol übermächtig wurde, wankte Johann in Richtung des Wirtshauses, in dem er die Nacht verbringen wollte. Bereits auf dem Weg dorthin erschienen sie. Gesichter, die zu grauenvollen Masken verzerrt waren. Die Haut schien vergilbtes Leder zu sein, Pupillen, so klein wie Sandkörner in einer feuerroten Iris, das Weiß des Augapfels war nicht vorhanden, nur tiefstes Schwarz. Eine überlange Nase, gebogen wie ein Raubvogelschnabel, schien sich in seinen Leib zu hacken, als er zu Boden fiel. Das Rumoren in seinen Eingeweiden war kaum mehr auszuhalten, schien ihn zu zerreissen. Gackernd lachend griffen klauenartige Finger nach seinem Unterleib, rissen und zerrten an der weichen Haut, drehten und pressten sein Gewebe in alle Richtungen. Johann glaubte, sich übergeben zu müssen, doch ein harter Druck in seiner Magengegend hielt ihn davon ab. Durch Zusammenrollen versuchte er, sich von diesem Schmerz zu entfernen, aus dem Krallengriff zu winden. Mühsam richtete er sich auf, seine Hände zogen sich an der Fachwerkwand eines Hauses hoch, seine Schulter glitt als Stütze mit jedem seiner Schritte weiter an der Wand entlang. Und wieder ein erbarmungsloser Schlag in seinen Unterleib. Johann unterdrückte das Verlangen, sich zusammenzukrümmen, und stolperte weiter. Das raue Mauerwerk riss sein gutes Hemd auf, dann die Haut seines Oberarmes, doch diese Schmerzen nahm er gar nicht wahr. Seine Hände pressten sich zum Schutze auf seinen verletzlichen Unterleib, er wankte weiter und schaffte es, sich über die schiefen Stufen nach oben ins Dachgeschoss des Wirtshauses zu schleppen. Doch allein war er nicht. Seine Folterer schienen im am Leib zu kleben. ‚Dies muss die Hölle sein, so wie der Herr Pfarrer uns dies immer prophezeit hat’ stöhnte Johann, während er sich auf sein Bett fallen ließ. ‚genau so stelle ich mir den Teufel vor, genau wie diese Fratze’ und genau diese erschien schwebend über seinem Gesicht und mit einem abgrundtiefem Haß in den roten Augen griff seine Klaue erneut in Johanns Körper. ‚hört dies denn nie auf? Was habe ich verbrochen, daß mir so was angetan wird?’ fragte sich Johann, der nur noch Stöhnen über seine Lippen brachte.
Weiter ging die Folter, unbarmherzig tobten die Schmerzen in ihm, er glaubte bereits Blut zu schwitzen, Fieber schien seine glühende Haut zu überziehen, sein Unterleib fühlte sich an, als wäre er zum Bersten aufgebläht, kurz vorm Platzen, seine Augäpfel schienen bereits aus den Augenhöhlen zu quellen, diese Übelkeit nahm ihm den Atem, und immer wieder diese Fratze über seinem Gesicht. Johann spürte nicht mehr, wie ihn eine gnädige Ohnmacht umhüllte, kurz bevor die Kreatur zu einem erneuten Schlag ausholte…..
Johann schwor sich, gerädert und verkatert wie er sich fühlte, als ihn sein Handy am Morgen pünktlich zum Frühstück weckte, und die Horrorvisionen endlich vorbei waren:
Nie wieder Sauerkraut zusammen mit Äppelwoi!!